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ID1305225900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Dr. Peter Struck SPD 4394B, 4399A Joachim Hörster CDU/CSU 4395 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4396 C Jörg van Essen F.D.P. 4397 C Eva Bulling-Schröter PDS 4397 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 4345 B Ernst Schwanhold SPD . . . . 4346D, 4360 B Anke Fuchs (Köln) SPD 4349 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 4352A Birgit Homburger F D P. 4352 C Ernst Hinsken CDU/CSU 4352B, 4370D, 4377 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 4354 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4357 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 4359A Rolf Kutzmutz PDS 4361 A Stefan Heym PDS 4362 C Otto Schily SPD 4363 A Rainer Haungs CDU/CSU 4363 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 4364B, 4369A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . 4365B, 4393 A Uwe Hiksch SPD 4365 D Dr. Uwe Jens SPD 4367 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 4368B Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . 4369 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 4371 D Rudolf Dreßler SPD 4375 B Dr. Gisela Babel F.D.P 4378 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4379 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 4380 C Rudolf Dreßler SPD 4382A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4384 A Dr. Gisela Babel F.D.P 4386B Manfred Müller (Berlin) PDS 4388B Ulrich Heinrich F D P. 4388 D Ottmar Schreiner SPD 4390 A Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 4390 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 43928 Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4399B Doris Odendahl SPD 4401 D Günter Rixe SPD 4401 D Dr. Peter Glotz SPD 4403 C Steffen Kampeter CDU/CSU 4406 C Dr. Peter Glotz SPD 4407 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . 4408B, 4467A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4409D Steffen Kampeter CDU/CSU 4410A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4410B Wolf-Michael Catenhusen SPD . • . 4411C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 4412D Maritta Böttcher PDS 4414C, 4432 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 4416A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4416B Edelgard Bulmahn SPD 4418B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 4420 D Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 4422 A Edelgard Bulmahn SPD 4422 B Hanna Wolf (München) SPD 4424 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 4426 B Peter Jacoby CDU/CSU 4427 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU 4428 C Ingrid Holzhüter SPD 4428D, 4431 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4429 B Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 4430 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . 4433 A Hanna Wolf (München) SPD 4433 B Klaus Hagemann SPD 4434 B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 4436 C Klaus Kirschner SPD 4439 A Angelika Pfeiffer CDU/CSU 4441 C Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4443 C Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . 4445.A Horst Seehofer CDU/CSU 4445 C Klaus Kirschner SPD 4445C, 4448D Peter DreBen SPD 4446 A Dr. Ruth Fuchs PDS 4447 B Ulf Fink CDU/CSU 4448 B Gudrun Schaich-Walch SPD 4450p Jochen Borchert, Bundesminister BML 4452 A Dr. Peter Struck SPD 4453B, 4463 D Horst Sielaff SPD 4454 C Norbert Schindler CDU/CSU 4456 A Egon Susset CDU/CSU 4457 C Horst Sielaff SPD 4458 B Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 4458C, 4463 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4458D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4460A Jürgen Koppelin F.D.P 4461 C Jochen Borchert CDU/CSU . . 4463A, 4464 A Dr. Günther Maleuda PDS 4464 C Max Straubinger CDU/CSU 4465 C Ilse Janz SPD 4466 C Nächste Sitzung 4468 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4469* A 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 7.9.95 Behrendt, Wolfgang SPD 7.9.95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 7.9.95 Frick, Gisela F.D.P. 7.9.95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 7.9.95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 7.9.95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 7.9.95 Jelena Horn, Erwin SPD 7.9.95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 7.9.95 Dr. Klaußner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Dr. Knake-Werner, PDS 7.9.95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 7.9.95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 7.9.95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lotz, Erika SPD 7.9.95 Lüth, Heidemarie PDS 7.9.95 Neuhäuser, Rosel PDS 7.9.95 Neumann (Berlin), Kurt SPD 7.9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Schätzle, Ortrun CDU/CSU 7.9.95 Schenk, Christa PDS 7.9.95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 7.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 7.9.95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 7.9.95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 7.9.95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 7.9.95 Simm, Erika SPD 7.9.95 Stübgen, Michael CDU/CSU 7.9.95 Thieser, Dietmar SPD 7.9.95 Tröscher, Adelheid SPD 7.9.95 Wieczorek-Zeul, SPD 7.9.95 Heidemarie • für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Horst Seehofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wohl größte und schwierigste Reform wird in den nächsten Monaten die dritte Stufe der Gesundheitsreform sein.
    Wir haben bereits vor Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes im Jahre 1992 auf die Notwendigkeit dieser Reform Mitte der 90er Jahre hingewiesen. Ich kann mich noch gut an das Unverständnis damals erinnern, teilweise sind wir sogar mit Spott überzogen worden, als wir bereits vor drei Jahren den Handlungsbedarf Mitte der 90er Jahre angekündigt haben. Jetzt haben wir Mitte der 90er Jahre. Niemand wird bei der aktuellen Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung heute noch diesen Reformbedarf bestreiten wollen.
    Ich möchte zuallererst das Parlament hier darüber informieren, daß die gesetzliche Krankenversicherung im ersten Halbjahr 1995 trotz der Wirksamkeit und der Gültigkeit all der Instrumente des Gesundheitsstrukturgesetzes ein Defizit von 5,4 Milliarden DM aufweist: 4,2 Milliarden DM in den alten und rund 1,2 Milliarden DM in den neuen Ländern. Die Leistungsausgaben der Krankenkassen sind in den alten Ländern im ersten Halbjahr 1995 um 6,4 % gestiegen, die Einnahmen nur um 0,7 %. In den neuen Ländern betrug der Ausgabenzuwachs 12,5 % und der Zuwachs der beitragspflichtigen Einnahmen 1,8 %. Es tritt nun genau das ein, was ich in früheren Reden gemeinsam mit der Regierungskoalition schon mehrmals angekündigt habe,

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: 1992 schon!)

    nämlich daß mit zunehmendem Abstand vom Inkrafttreten am 1. Januar 1993 das Gesundheitsstrukturgesetz seine Wirksamkeit verliert.
    Es kann nicht bestritten werden, daß wir 1993 und 1994 die Finanzreserven wieder auffüllen konnten, die Ausgabenexplosion zurückführen konnten und leichte Beitragssenkungen in den alten Bundeslän-

    Bundesminister Horst Seehofer
    dern hatten. Aber jetzt, im dritten und letzten Jahr der Budgetierung, ist das eingetreten, was die Regierungskoalition bereits im August 1992 prognostiziert hatte.
    Die aktuelle Ausgabenentwicklung unterstreicht also eindrucksvoll den Handlungsbedarf bei allen Beteiligten im deutschen Gesundheitswesen.
    Daß dieser Handlungsbedarf plausibel und offenkundig wird, möchte ich mit einem Vergleich unterstreichen, vor dem Hintergrund, daß heute von diesem Podium wiederum ein Eingriff in die Lohnfortzahlung als das Wundermittel und das dringendste Mittel deutscher Sozialpolitik bezeichnet worden ist. Wenn sich der Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung um einen Prozentpunkt nach oben verändern würde, entspräche dies einer Lohnkostenbelastung von 17 Milliarden DM. Das wäre mehr als das Doppelte dessen, was heute als Eingriff in die Lohnfortzahlung vorgeschlagen worden ist. Deshalb möchte ich von dieser Stelle aus wieder dafür plädieren: Konzentrieren wir uns auf die wirklich notwendigen und drängenden Dinge! Eröffnen wir nicht neue Diskussionsfelder!

    (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Rund die Hälfte des aktuellen Defizits - das möchte ich in aller Klarheit und Deutlichkeit sagen - hat der Staat, hat die Politik zu vertreten. Rund die Hälfte dieses Defizits haben die Regierungskoalition und die SPD-Opposition durch das Rentenreformgesetz im Jahre 1989 verursacht; denn im Jahre 1995 gilt erstmals die Regel - das wurde damals gemeinsam mit der SPD beschlossen -, daß einerseits für Arbeitslose von der Bundesanstalt geringere Beiträge an die Krankenversicherung zu zahlen sind, andererseits für die Bezieher von Krankengeld höhere Beitragszahlungen von der Krankenversicherung an die Arbeitslosen- und die Rentenversicherung geleistet werden.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Verschiebebahnhof!)

    Dieses im Jahre 1989 beschlossene Konzept, das zum 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, belastet die Krankenversicherung, bezogen auf das gesamte Jahr 1995, in einer Größenordnung von zwischen 5 und 6 Milliarden DM. Diese durch den Akt der Rentenreform verursachte Belastung der Krankenversicherung wird, jedenfalls im ersten Halbjahr 1995, nicht wesentlich durch die Pflegeversicherung gemildert, da sie erst am 1. April in Kraft getreten ist. Deshalb drückt sich die Entlastung in diesem Zeitraum nur in geringem Maße aus. Das erklärt mehr als die Hälfte des Defizits in der gesetzlichen Krankenversicherung.
    Ich möchte ausdrücklich davor warnen, eine Diskussion darüber zu beginnen, diese Aktion wieder rückgängig zu machen. Dann nämlich hätten wir das Defizit nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern in der Arbeitslosenversicherung.
    Die andere Hälfte des Defizits ist auf die bedrohliche, ja alarmierende Ausgabenentwicklung in verschiedenen Leistungsbereichen zurückzuführen.
    Ich möchte das Parlament auch hier über die wesentlichen Entwicklungen des ersten Halbjahrs 1995 informieren. Sie werden besonders deutlich, wenn man Vergleiche auch zum Zeitraum vor Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes anstellt, um die Wirkungen dieses Gesetzes über zwei, drei Jahre beurteilen zu können.
    Die erste Feststellung ist, daß die ärztliche und die zahnärztliche Behandlung sowie die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen weitgehend im Lot mit der Grundlohnentwicklung geblieben sind. Weder die Arzthonorare noch die Zahnarzthonorare sind in diesen zweieinhalb Jahren aus dem Ruder gelaufen.
    Die Ausgaben für Arzneimittel und Zahnersatz liegen heute unter den Werten des ersten Halbjahres 1992.
    Probleme bereitet die Ausgabenentwicklung im Krankenhausbereich. Hier sind die Ausgaben in den letzten zweieinhalb Jahren nicht nur doppelt so stark gestiegen wie die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch doppelt so stark wie der Zuwachs bei den Ärzten. Deshalb halte ich die Klage der Ärzte für begründet, daß ihre Sparbemühungen zu einem großen Teil durch den stationären Sektor im deutschen Gesundheitswesen wieder aufgefressen wurden.
    Besonders hohe Steigerungsraten hatten wir in diesen zweieinhalb Jahren bei den Ausgaben für Heilmittel - also für Massagen -, Hilfsmittel, stationäre Kuren, Fahrtkosten und Gesundheitsförderung zu verzeichnen.
    Ich möchte Ihnen vor dem Hintergrund der gesundheitspolitischen Diskussion in den letzten drei Jahren bei manchen Interessengruppen einmal einige Zahlen nennen: Die Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel sind seit Anfang 1993 um 25 % gestiegen, davon allein bei den Massagen um 19 %. Die Ausgaben für sonstige Heilpersonen, Logopäden etc., sind um 73 % gestiegen, die für Krankenhausbehandlungen um 16 %, die für die Gesundheitsförderung und die sozialen Dienste - jeweils in den alten Ländern - um 130 %, die für Fahrtkosten um 46 % und die für Kuren um 37 %. Dies muß immer in Beziehung gesetzt werden zu der Einnahmenentwicklung bei der gesetzlichen Krankenversicherung in dem Zeitraum seit 1993. Diese betrug nur 8 %.
    Meine Damen und Herren, ich erzähle dies, weil es ein Licht auf die Art und Weise der Diskussion in den letzten zweieinhalb bis drei Jahren wirft, als uns, der Regierungskoalition, von einem Teil dieser Leistungsbereiche vorgehalten wurde, die Gesundheitsstrukturreform führe dazu, daß das für die Menschen Notwendige nicht mehr geleistet werden könne. Es wurden sogar so unappetitliche Diskussionen geführt wie: Dieser Gesundheitsminister trägt dazu bei, daß Verletzte auf den Straßen liegenbleiben müssen, weil

    Bundesminister Horst Seehofer
    die notwendigen Gelder für die Fahrdienste nicht mehr zur Verfügung stehen.

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Geschmacklos!)

    Es ist mir über große Medien gesagt worden, man könne krebskranke Kinder nicht mehr behandeln, man müsse Aids-Betten schließen, weil die notwendigen Gelder nicht zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, diese Zahlen sprechen eine andere Sprache.
    Kein Bereich in unserer Volkswirtschaft, kein Sozialsystem in der Bundesrepublik Deutschland hat so gewaltige Zuwachsraten wie die gerade von mir genannten Bereiche, meine Damen und Herren. Deshalb wäre es höchste Zeit, daß manche, die diese unappetitliche Diskussion in den letzten drei Jahren geführt haben, sich in aller Öffentlichkeit dafür entschuldigen. Hier haben wir gewaltige Zuwachsbereiche.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Was ist zu tun? Im Stenogrammstil: Eine Verlängerung der sektoralen Budgetierung, wie sie die SPD fordert, lehne ich ab. Sie kann weder die Ausgabenentwicklung besser in den Griff bekommen noch die Ungleichgewichte zwischen den Leistungsbereichen beseitigen. Das zeigt die finanzielle Entwicklung im Jahre 1995. Jetzt gilt die Budgetierung ja noch voll.
    Meine Damen und Herren, welchen Sinn würde es machen, ein Instrument, das seine Wirksamkeit jetzt, im dritten Jahr, weitgehend verloren hat, im nächsten Jahr zu prolongieren? Das kann nicht die politische Antwort sein. Ich halte sie auch deshalb für falsch, weil es vor dem Hintergrund des Grundsatzes „ambulant vor stationär" nicht richtig sein kann, daß der Ausgabenanteil für die niedergelassenen Ärzte immer geringer und für die Krankenhäuser immer höher wird. Deshalb muß der Zentralpunkt der nächsten Gesundheitsreform im stationären Bereich ansetzen.
    Für die Entwicklung bis zum Inkrafttreten der in Aussicht genommenen dritten Stufe der Gesundheitsreform muß die Selbstverwaltung für einen begrenzten Zeitraum sicherstellen, daß die Ausgabenentwicklung in Schach und Proportionen bleibt. Ich habe deshalb schon vor langer Zeit für den nächsten Donnerstag, 14. September, alle Beteiligten am deutschen Gesundheitswesen zu einer konzertierten Aktion eingeladen, um Empfehlungen für das Jahr 1996 zu beschließen.
    Wir können nicht einerseits in Aussicht nehmen, daß wir der Selbstverwaltung verstärkt Kompetenzen übertragen wollen, aber bei der Bewältigung der aktuellen Probleme die Selbstverwaltung ausblenden. Im Gegenteil: Die Selbstverwaltung ist in besonderer Verantwortung.
    Nach allen Vorgesprächen, die wir für die konzertierte Aktion geführt haben - auch heute -, habe ich allen Grund zur Zuversicht, daß die Selbstverwaltung bereit ist, ihrer Verantwortung nächsten Donnerstag gerecht zu werden, und aus eigener Kraft mit entsprechenden Empfehlungen und Beschlüssen diese Ausgabenentwicklung beherrscht.

    (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Und was machen Sie, wenn nicht?)

    Im übrigen hält die Koalition an ihrem Fahrplan für die dritte Stufe fest. Bis Ende des Jahres wird in enger Abstimmung mit allen Beteiligten am Gesundheitswesen ein Gesetzentwurf vorgelegt, der zum 1. Juli 1996 in Kraft gesetzt werden soll.
    Meine Damen und Herren, ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei den deutschen Ärzten und auch bei den Krankenkassen bedanken, daß sie gerade in den letzten Wochen richtungsweisende Entscheidungen aus eigener Kraft getroffen haben, was das Honorierungssystem im Niederlassungsbereich betrifft. Sie haben Ernst gemacht mit dem Grundsatz, daß die sprechende Medizin besser honoriert werden soll als die Apparatemedizin. Das gibt mir auch Grund zur Zuversicht, zur Hoffnung, daß diese Selbstverwaltung die neugewonnene Kraft auch wirklich nicht als Strohfeuer, sondern für die dauerhafte Stabilisierung des deutschen Gesundheitswesens einsetzen kann. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür. Das gilt auch für viele andere Bereiche.
    Meine Damen und Herren, die Selbstverwaltung funktioniert, und deshalb halten wir daran fest, bei der nächsten Reform die Sorgfalt vor die Schnelligkeit zu setzen. Nach 20 Jahren permanenter Gesundheitsreform mit fast 50 Gesetzen und 6800 Einzelbestimmungen müssen wir endlich eine dauerhafte Stabilisierung des deutschen Gesundheitswesens erreichen. Wir können es weder den Patienten noch den Beteiligten am Gesundheitswesen zumuten, daß wir uns in einer permanenten Reformdiskussion über das deutsche Gesundheitswesen befinden. Ich bin ziemlich zuversichtlich, daß es uns gelingen wird, diese Reform zustande zu bringen.
    Meine Damen und Herren, das deutsche Gesundheitswesen ist nicht krank, wie es gelegentlich gesagt wurde, im Gegenteil: Ich kenne kein besseres System auf dieser Erde. Was wir ändern müssen, sind nicht die Prinzipien dieses Gesundheitswesens, sondern die Art und Weise der Gesundheitspolitik.
    Ich möchte gemeinsam mit der Regierungskoalition, daß wir der Selbstverwaltung wieder mehr Kompetenz zuweisen, im Interesse der Strukturen, der Sicherheit der Versorgung der Bevölkerung und auch der stabilen Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung.
    Wenn uns dies gelingt, dann werden wir uns für den Rest dieses Jahrhunderts, so hoffe ich, nicht mehr in dem Maße mit der gesetzlichen Krankenversicherung beschäftigen müssen, wie das in den letzten 20 Jahren der Fall war.

    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Dann haben wir aber Ruhe!)


    Bundesminister Horst Seehofer
    Ich lade alle ein. Es wird eine spannende, sicher auch kontroverse Diskussion geben. Die Regierungskoalition wird auch hier beweisen, daß sie handlungsfähig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Kirschner, SPD.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Kirschner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesgesundheitsminister, nach dieser Rede stelle ich die Frage: Was nun, Herr Seehofer? Sie stellen das Problem dar; nun hätte ich eigentlich von Ihnen erwartet, daß Sie in der Haushaltsdebatte einmal sagen, wo es langgehen soll. Das ist etwas, was mir bisher fehlt.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wenn ich es richtig sehe, sagen Sie: Sektorale Budgetierung - nein! Sie behaupten, das sei im Paket der SPD enthalten.

    (Bundesminister Horst Seehofer: Verlängerung!)

    - Ja, sicher, Verlängerung. Aber wir sagen: Wir brauchen ein Globalbudget. Sie wissen ganz genau - das wissen wir auch -, daß es schon gar nicht mehr anders geht. Wenn Sie verhindern wollen, daß uns die Ausgaben geradezu unter den Fingern davonlaufen, werden auch Sie ohne Budget nicht auskommen.

    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Na, na, na!)

    In bezug darauf hätte ich von Ihnen, Herr Minister, eine Antwort erwartet.
    Sie sagen: Der zentrale Punkt ist das Krankenhaus. Haben Sie eigentlich nicht gelesen, was gestern der Kollege Dr. Thomae sagte? Ohne die SPD! Es wird keine Verhandlungen geben. Heute hieß es auf einer Tagung der Arzneimittelhersteller, bei der wir gemeinsam waren: Ein Lahnstein wird es nicht geben.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Ja!)

    - Sagen Sie einmal schön ja! - Ich frage Sie, sehr geehrter Herr Minister: Wie wollen Sie das alles ohne die Länder bewältigen? Wie sieht es aus? Wollen Sie die Krankenhausreform aussparen?

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Sie müssen ein bißchen Geduld haben!)

    Sie können nicht einerseits die Krankenhausreform als einen zentralen Punkt darstellen und gleichzeitig keinen Ton dazu sagen, wenn die F.D.P. erklärt: Ohne die SPD! Denn Sie wissen genau, daß es ohne die Bundesländer nicht geht.
    Herr Minister, so einfach geht es wirklich nicht. Sie sagen, von den 5,4 Milliarden DM Defizit entfalle die Hälfte auf die Entscheidungen der Rentenreform 1992. Aber was ist denn mit der anderen Hälfte? Was tun Sie konkret gegen das Defizit?
    Wir haben hier gemeinsam - aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht davonstehlen - das Gesundheitsstrukturgesetz gemacht. Wenn Sie, Herr Minister, hier beispielsweise darstellen, daß die Heilund Hilfsmittel zu enormen Ausgabensteigerungen führten, dann bitte ich Sie, einmal in das Gesetz zu schauen: Seit dem 1. Januar 1995 müßte ein Datenträgeraustausch gewährleistet sein. Ich frage Sie: Was tun Sie als Exekutive, um dieses Gesetz umzusetzen? Sie können sich doch nicht hier hinstellen und etwas beklagen und selber nicht dafür sorgen, daß dieses Gesetz so umgesetzt wird, wie wir es gemeinsam beschlossen haben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ich sage Ihnen: So geht es nun wirklich nicht.
    Herr Minister, lassen Sie mich ein Weiteres sagen: Sie sagen, die Gesundheitsreform steht im Mittelpunkt. Das will ich überhaupt nicht bestreiten; Sie haben darauf hingewiesen, was uns wegen der Ausgabenentwicklung droht. Gleichzeitig sagen Sie, die SPD habe kein Konzept, obwohl wir ein Konzept haben. Dazu können Sie anderer Meinung sein. - Aber ich erwarte von einem Minister, sich dazu dezidiert kritisch zu äußern.

    (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: unbrauchbar!)

    Wenn ich mir den vielstimmigen Chor der Koalition anhöre, dann frage ich mich, wie Sie eigentlich auf einen Nenner kommen wollen. Ich weiß: Sie haben ein für Sie nicht überwindbares Problem mit drei Buchstaben, und das heißt F.D.P.

    (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Es ist mehr: Möllemann!)

    Eben diese F.D.P. brüstet sich auch noch öffentlich damit, und der Kollege Thomae hat erst gestern und heute gesagt: Die F.D.P. ist entschlossen, die anstehende dritte Reform des Gesundheitswesens ohne Beteiligung der SPD durchzusetzen.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Die SPD hat sich nicht bewährt!)

    - Liebe Frau Babel, das mag Ihre Beurteilung sein. Nur, Sie sollten hier keine Sandkastenspielchen machen.

    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Sie meinen, wir sollten mit Schröder reden?)

    - Wollen Sie eine Reform oder wollen Sie keine? Wollen Sie etwa nur ein Rumpfgesetz?
    In der „Welt" von heute lese ich, daß der Kollege Lohmann fordert, der Arbeitgeberbeitrag solle eingefroren werden. Sagen Sie endlich, was Sie wollen! Ist das Ihr einziges Konzept: Vorfahrt für die Selbstverwaltung? Erschöpft sich damit im Prinzip Ihre Vorstellungskraft? - und dann kommen Sie und sagen, die SPD hat kein Konzept. Wir haben ein Konzept! Das mag Ihnen zwar nicht gefallen, aber im Gegensatz zu Ihnen haben wir eines. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

    (Beifall bei der SPD)


    Klaus Kirschner
    Es reicht eben nicht aus, lieber Herr Seehofer, wenn Sie Ihren Koalitionspartner, unseren Freund Möllemann, in einem offenen Schlagabtausch als Streithansel in die Ecke stellen. Ich habe den Eindruck, es stehen Ihnen für die zahlreichen Streithansel innerhalb der Koalition viel zuwenig Ecken zur Verfügung. Aber das ist Ihr Problem.
    Im übrigen, lieber Herr Seehofer, stellen Sie hier nicht nur dar, welche Probleme wir in der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Sie sind hier als Minister in der Verantwortung und nicht Zuschauer. Wir fordern Sie auf, endlich zu handeln, um die gefährliche Ausgabenentwicklung, die Sie selbst dargestellt haben, zu stoppen und umzudrehen, indem Sie - ich sage das noch einmal - das Gesundheitsstrukturgesetz endlich konsequent umsetzen und damit Ihrer Verantwortung gerecht werden.

    (Beifall bei der SPD) Hier sind Sie als Exekutive gefordert.


    (Zuruf von der SPD: Was mit der Positivliste ist, dazu würden wir vom Minister gern auch noch was hören!)

    - Darüber werden wir in Kürze debattieren, und darauf freue ich mich schon.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich eine Reform wollen, insbesondere dort, wo die Wirtschaftlichkeitsreserven im System liegen, ist die Mitwirkung des Bundesrates unerläßlich. Eine weitere Reform ohne Einbindung des größten Ausgabenblocks in der Krankenversicherung, also ohne den Krankenhausbereich - das haben Sie selbst gesagt -, ist eine Sandkastenreform. Wird aber auf eine notwendige, umfassende Reform verzichtet, so bleibt letzten Endes nur noch ein gesundheitspolitischer Kahlschlag zu Lasten der Versicherten und der kranken Menschen übrig. Das wissen Sie ganz genau.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das wollen wir doch gar nicht!)

    - Was wollen Sie denn eigentlich? Das müssen Sie mir erst einmal sagen, Herr Zöller. Sagen Sie es doch einmal! Sie sagen nur, Sie wollen unser Konzept nicht, aber Ihnen selbst fehlt jegliche eigene Konzeption. Da sind Sie bisher weit hinter uns zurückgeblieben.

    (Beifall bei der SPD)

    Damit keine Mißverständnisse entstehen: Wir wollen eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens auf der Grundlage des Gesundheitsstrukturgesetzes, das wir gemeinsam verabschiedet haben. Ich fordere Sie auf, endlich konsequent zum Gesundheitsstrukturgesetz zu stehen. Zu diesem Gesundheitsstrukturgesetz - und das ist die Nagelprobe - gehört die Positivliste. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Ein in Sachen Positivliste wortbrüchiger Gesundheitsminister ist kein seriöser Verhandlungspartner. Die für eine bessere Qualität der Arzneimittelversorgung unverzichtbare Positivliste soll ohne sachlichen oder gar fachlichen Grund

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nur aus sachlichem Grund!)

    der Pharma-Interessenpolitik geopfert werden - und sonst gar nichts. Es ist offensichtlich: Eine pharmakologisch-therapeutische Qualitätsverbesserung auf dem Arzneimittelmarkt wird von der Bundesregierung, von CDU/CSU und F.D.P. politisch nicht gewünscht. Man muß sich nur einmal den zeitlichen Ablauf dieses von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurfes vor Augen halten. Seine Begründung basiert auf dem Vorentwurf einer Sachverständigenvorschlagsliste. Der Gesundheitsminister konnte also bei der Vorlage des Gesetzentwurfes am 12. Juli die endgültige Liste noch gar nicht kennen. Entsprechend fadenscheinig und unsinnig ist dann auch Ihre Argumentation gegen die Positivliste.
    Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen, Herr Minister. Ich hätte erwartet, daß Sie einiges zum Bundessozialhilfegesetz sagen; denn Sie haben da doch einiges vor. Wir sind mit Ihnen in der Einschätzung einig, daß die seit Jahren erheblich gestiegenen Sozialhilfekosten zunehmend die Funktionsfähigkeit der Sozialhilfeträger, in erster Linie der Gemeinden, gefährden. Nur, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist kaum tauglich, diesem Trend entgegenzuwirken oder ihn gar umzukehren. Die Ursachen von Armut und Ausgrenzung liegen nämlich nicht in einer ungenügenden Sozialhilfe, sondern vor allem in unzureichenden vorrangigen Sicherungssystemen und in der dramatischen Situation auf dem Arbeitsmarkt. Hier versagen Sie und mit Ihnen die Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Bitte nehmen Sie endlich zur Kenntnis, daß mittlerweile über 4 Millionen Menschen ohne Arbeit sind und daß eine dramatische Wohnungsnot herrscht!

    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Ich finde, er übertreibt!)

    Es fehlen in den neuen Ländern ca. 1 Million und in den alten Ländern 1,5 Millionen bezahlbare, preiswerte Wohnungen. Allein in den alten Ländern leben 7 Millionen Menschen in Armut. Von den Kindern unter 16 Jahren leben heute ca. 10 % in armen Familien; 1 Million Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind auf Sozialhilfe angewiesen,

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Jetzt fängt er auch noch mit der Verelendungstheorie an!)

    500 000 Kinder sind in Obdachlosensiedlungen und Notunterkünften untergebracht. Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, daß die häufig zitierten Aussagen von den überzogenen Ansprüchen an das soziale Netz mit der Realität nichts zu tun haben! Sowohl die Lebensverhältnisse der von Armut betroffenen Menschen als auch die Entwicklung der Sozialquote in Deutschland lassen eine solche Schlußfolgerung nicht zu.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das beten Sie doch jetzt schon mindestens 10 Jahre lang vor!)


    Klaus Kirschner
    Für Ihre Konzeptionslosigkeit möchte ich noch ein Beispiel nennen: Am gleichen Tag, an dem der Bundesgesundheitsminister vor der Pressekonferenz Ländern und Kommunen nicht näher bezeichnete Einsparungen bei der Sozialhilfe in Aussicht stellte, wurden von Ihrem Kollegen Blüm Einsparungen bei der Arbeitslosenhilfe von 3,4 Milliarden DM für das nächste Haushaltsjahr verlangt. Das bedeutet im Klartext, daß in etwa Mehrbelastungen in der gleichen Höhe auf die Sozialhilfeträger zukommen werden. Wundert Sie eigentlich bei dieser Trickserei noch, daß Sie mit Ihren Reformbemühungen auf breiteste Ablehnung stoßen?

    (Beifall bei der SPD Horst Seehofer [CDU/ CSU]: Gehen Sie einmal mit mir an die Öffentlichkeit, zur Bevölkerung!)

    Herr Minister, ich hätte auch erwartet, daß Sie etwas zur Rinderseuche BSE sagen. Dieses Thema haben Sie aber wohlweislich ausgespart; es geht auch hier um die Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit des Bundesgesundheitsministers.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die sehr hoch anzusiedeln ist!)

    Am 21. April vergangenen Jahres haben Sie an dieser Stelle - Sie können noch so sehr abwinken, Herr Minister - erklärt: Kein verantwortungsvoller Politiker kann auf diesem Gebiet auch nur das geringste Risiko eingehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch schon längst erledigt!)

    Dieser Erklärung läßt der Bundesgesundheitsminister eine Dringlichkeitsverordnung folgen, wonach Fleisch von Rindern, die nach dem 1. Januar 1992 geboren sind, unbedenklich ist.

    (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie sind doch noch im Neandertal!)

    Wie verantwortungslos diese Verharmlosungsstrategie für die Gesundheit der Bevölkerung ist, zeigt der jüngst bekanntgewordene Fall eines an Rinderwahnsinn erkrankten Rindes in England im Jahre 1992.

    (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das ist doch Neandertal, was Sie erzählen!)

    Mit Blick auf die Rinder des Jahres 1992 haben sich die Bundesregierung sowie der Ständige Veterinärausschuß der Europäischen Kommission nachweislich geirrt. Darum appelliere ich noch einmal an Sie: Machen Sie endlich den nationalen Alleingang! Hier geht es um den vorbeugenden Schutz der Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Riskieren Sie dafür die Auseinandersetzung vor dem Europäischen Gerichtshof!

    (Beifall bei der SPD)

    Ich hätte erwartet, daß Sie dazu, Herr Bundesgesundheitsminister, etwas sagen. Arbeiten Sie nicht ständig mit Dringlichkeitsverordnungen; denn das schadet der Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt.
    Ich bedanke mich für Ihre Geduld.

    (Beifall bei der SPD - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist doch längst erledigt! Wir haben September! - Horst Seehofer [CDU/CSU]: Altsteinzeit! - Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das war die verkehrte Rede, die aus dem Januar!)