Frau Dempwolf, die Beschreibung der Situation in Hannover, die Sie gegeben haben, ist zutreffend. Sie müssen allerdings - ich weiß aber nicht, ob Ihnen das bekannt ist - auch dazusagen, daß es von seiten des niedersächsischen Ministerpräsidenten bereits vor einem Dreivierteljahr eine Initiative zur Schaffung von Ausbildungsplätzen in Niedersachsen gegeben hat und daß diese Initiative auch Wirkung gezeigt hat.
Gertrud Dempwolf, 'Pari. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich denke, Frau Bulmahn, daß das nicht die Initiative Ihres Ministerpräsidenten war, sondern daß es die Industrie- und Handelskammer war, die für die Ausbildung der Jugendlichen in Ausbildungsplätzen gesorgt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorgelegte Haushaltsentwurf ermöglicht es, die bewährten Instrumente unserer Politik für Familien, Senioren, Frauen und Jugend fortzuführen. Er gewährleistet Kontinuität und gibt Raum auch für die Verwirklichung neuer Ansätze.
Nach rund 33 Milliarden DM in 1995 sieht der Haushaltsentwurf für 1996 im Einzelplan 17 ein Volumen von 13,3 Milliarden DM vor. Dieser Rückgang entspricht dem Betrag, der durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs nicht mehr im Bundeshaushalt ausgeglichen werden muß. Die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs bringt nicht nur eine deutliche finanzielle Verbesserung für die Familien, sondern durch den Abzug des Kindergeldes von der Steuerschuld zugleich auch eine Vereinfachung für Bürger und Verwaltung. -
Der Bundeshaushalt 1996 beweist: Wir meinen es ernst mit der Forderung nach einem schlanken Staat, nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Bürger.
Unser Haus wird sich auch in Zukunft an der Diskussion um die Weiterentwicklung des Familienleistungsausgleichs beteiligen; denn es geht uns darum, die Zukunft unserer Kinder und Familien zu sichern, und zwar aller.
Nach dem Fortfall von fast 20 Milliarden DM auf der Ausgabenseite für Kindergeld beruht der weitaus größte Teil unseres Haushaltes auf gesetzlichen Leistungen des Bundes, dem Kindergeld für nicht oder nur gering Steuerpflichtige, dem Erziehungsgeld, dem Unterhaltsvorschuß und den Ausgaben für die Zivildienstleistenden. Das größte Gewicht behalten mit fast 10 Milliarden DM im Haushalt die gesetzlichen Leistungen für die Familien.
Ab 1996 erhalten Eltern für ihre ersten und zweiten Kinder ein Kindergeld von monatlich 200 DM, für dritte von 300 DM und ab dem vierten Kind von 350 DM. Auf der Basis des Bundestagsbeschlusses vom 2. Juni wird in Zukunft regelmäßig politisch über die Höhe von Kindergeld und Kinderfreibetrag entschieden. Damit ist ein Einstieg in die Dynamisierung des Familienleistungsausgleichs gelungen - ein Meilenstein, um den wir alle in der Vergangenheit jahrelang gerungen haben.
Mit unserer Entscheidung zur Wohnungsbauförderung verbessern wir die Chancen der Familien zur Schaffung von Wohnungseigentum. Das Baukindergeld wird um 50 % - ich wiederhole: um 50 % - erhöht, und das bei Aufkommensneutralität. - Ich danke dem Finanz- und dem Bauminister dafür, daß sie uns in diesen Punkten gefolgt sind. Man kann ihnen dies ja weiterleiten.
Wichtig ist aber auch, daß der zum 1. Januar 1996 geschaffene Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz umgesetzt wird. Wir wissen: Die Verantwortung hierfür tragen Bundesländer und Kommunen. Die Länder - das sage ich noch einmal - haben 1992
Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf
im Bundesrat der Einführung des Rechtsanspruches zugestimmt. 1993 haben sie durch die Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs die notwendigen Finanzmittel dafür bekommen.
Die Bundesregierung hat in der letzten Woche zum Vorschlag des Bundesrates Stellung genommen, eine Stichtagsregelung einzuführen. Auf dieser Basis müssen Kommunen und Länder nur den am jeweiligen Stichtag dreijährigen Kindern einen Kindergartenplatz bereitstellen.
Ich betone an dieser Stelle sehr deutlich, daß wir eine solche Regelung als Dauerregelung ablehnen. Dies würde zu erheblichen Betreuungslücken führen und den Intentionen des Gesetzes widersprechen. Die am 1. Januar 1996 zu erwartenden Kapazitätsengpässe sind auf Versäumnisse der Länder in der Vergangenheit zurückzuführen.
Darunter dürfen Eltern und Kinder aber nicht auf Dauer leiden. Darum hat die Bundesregierung einer bis zum Jahre 1999 begrenzten Übergangsregelung zugestimmt.
Für uns bleibt es dabei: Jedes Kind muß einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben.
Im Vorfeld dieser Debatte hat es Diskussionen über die Entwicklung der Zahl der Zivildienstleistenden gegeben. Für die Bundesregierung gilt: Bei den Anträgen auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gibt es keine Trendwende. Die Zahlen verharren zwar auf einem hohen Niveau, das wir seit der deutschen Einheit kennen. Es besteht aber keine Notwendigkeit, das seit 1984 gültige Anerkennungsverfahren zu verändern. Dieses Verfahren hat sich seit über zehn Jahren bewährt. - Natürlich werden wir auch weiterhin darauf achten, daß das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht als Wahlrecht mißverstanden werden kann.
Insgesamt leisten unsere Zivildienstleistenden einen außerordentlich wertvollen Dienst,
gerade da, wo sie alten, kranken und pflegebedürftigen Menschen helfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesministerin Frau Nolte hat gestern in Peking die 4. Weltfrauenkonferenz miteröffnet; sie hat dabei all unsere Erwartungen erfüllt. Ziel ist es, Strategien zu beschließen, die die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen weltweit voranbringen, und Gewalt gegen Frauen abzubauen.
Bereits jetzt kann man sagen: Durch diese UNKonferenz ist der Blick der Weltöffentlichkeit auf die Situation von Frauen, insbesondere auf Menschenrechtsverletzungen an Frauen, gelenkt worden; dies gilt auch für Peking. - Wir als Bundesregierung werden in der Menschenrechtsfrage kein Ergebnis hinnehmen, das hinter die Position der Menschenrechtskonferenz von Wien zurückfällt.
Auf der nationalen Ebene müssen wir uns weiter für mehr Gleichberechtigung einsetzen. Dazu gehört meiner Ansicht nach auch, den Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe im Strafgesetzbuch zu verankern.
Im Mittelpunkt unserer Politik für Frauen müssen Strategien für eine stärkere Vermittlung der Frauen in den ersten Arbeitsmarkt stehen. Daher werden wir in den neuen Bundesländern Konferenzen mit den Tarifparteien, den Trägern, den Wirtschaftsministern und den Landesarbeitsämtern durchführen. Die erste Konferenz wird am 9. Oktober in Erfurt stattfinden.
Auch für den Bereich der Seniorenpolitik sichert der Bundeshaushalt 1996 weiterhin gute Voraussetzungen. Zur Förderung von gesellschaftspolitischen Maßnahmen für die ältere Generation sind im Haushalt des nächsten Jahres 36,8 Millionen DM, 1,7 Millionen DM mehr als im laufenden Jahr, vorgesehen.
Die Veränderung des nach wie vor bestehenden negativen Altersbildes in der Gesellschaft gehört zu den ganz besonders wichtigen Aufgaben der Seniorenpolitik. Dieses Ziel verfolgen wir insbesondere dadurch, daß wir die Aktivitäten von Senioren und Seniorinnen fördern und auch in der Öffentlichkeit bekanntmachen. Das laufende Modellprogramm „Seniorenbüro" unseres Hauses macht dies deutlich. Das Engagement der Älteren ist vielfältig, und die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, ist sehr groß.
Den Bundesaltenplan als das Hauptförderinstrument in der Altenpolitik meines Hauses werden wir schrittweise weiter ausbauen. Als einen Schwerpunkt werden wir dabei das bundesweite Modell „Wohnkonzepte der Zukunft - Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter" entwickeln und durchführen. Ich denke da an das Modell „Junges Haus", in dem man alt werden kann.
Verantwortungsvolle Seniorenpolitik muß sich frühzeitig mit der Bevölkerungsentwicklung auseinandersetzen. Darum freue ich mich, daß die EnqueteKommission „Demographischer Wandel", die schon in der 12. Legislaturperiode bestanden hat, ihre Arbeit fortsetzen wird.
Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf
Für eine tragfähige Basis seniorenpolitischer Entscheidungen werden auch die Ergebnisse der Alternsforschung noch weiter an Bedeutung gewinnen. Daher begrüßt die Bundesregierung, daß das mit dem Land Baden-Württemberg ins Leben gerufene Deutsche Alternsforschungszentrum in Heidelberg jetzt mit der Arbeit beginnen kann.
Mit dem Kinder- und Jugendplan des Bundes über 205,6 Millionen DM stellen wir auch 1996 die Vielfalt der Jugendhilfe auf Bundesebene sicher. Ein wichtiges Ziel der Jugendpolitik muß es weiterhin sein, jungen Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, sich für andere Menschen, für kulturelle Zwecke, für die Umwelt oder für gemeinschaftliche Belange zu engagieren und zu bewähren.
Schon über 100 000 junge Frauen und Männer haben für ein Taschengeld das Freiwillige Soziale Jahr absolviert. Auch für das Freiwillige Ökologische Jahr übertrifft das Interesse bei weitem die angebotenen Stellen.
Wir werden daher bestrebt sein, zusätzliche Plätze bereitzustellen, damit möglichst viele Bewerberinnen und Bewerber ihren freiwilligen Dienst auch tatsächlich leisten können.
Aber auch in anderen Bereichen der Jugendpolitik wollen wir in mehrjährigen Aktionen Schwerpunkte setzen. So wollen wir z. B. ausgewählte Initiativen zur Integration junger Ausländer unterstützen sowie gezielte Maßnahmen zur Betreuung von nichtseßhaften Kindern und Jugendlichen fördern.
In der internationalen Jugendarbeit wollen wir insbesondere gegenüber unseren östlichen Nachbarn zusätzliche Aktivitäten initiieren und fördern. Nach dem Besuch des Bundeskanzlers in Polen ist dort die von uns lange gewünschte Bereitschaft bekundet worden, gemeinsam dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Denn die Teilnahme von über 60 000 jungen Polen und Deutschen am Austausch zeigt das große Interesse der Jugend am gegenseitigen Kennenlernen und Miteinander. Auch die Zusammenarbeit mit Tschechien wollen wir ausbauen.
Ein wichtiger Bestandteil unserer sozialen Landschaft und aus ihr nicht wegzudenken sind die Wohlfahrtsverbände. Mit mehr als 930 000 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellen sie in über 80 000 Einrichtungen fast 3 Millionen Betten und Plätze bereit. Für die Durchführung ihrer zentralen und internationalen Aufgaben einschließlich der bundeszentralen Fortbildung erhalten die Wohlfahrtsverbände auch im nächsten Jahr 38,7 Millionen DM. Damit und mit den in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen jährlichen Erhöhungen werden wir der gesellschaftspolitischen Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege gerecht.
Unsere Gemeinschaft lebt vom Engagement der Bürger. Eigensinn und Selbstverwirklichung dürfen nicht der Hauptpunkt in unserem Leben sein. Die Selbstverwirklichung des einzelnen endet da, wo andere dadurch zu Schaden kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies gesellschaftspolitisch wieder deutlich zu machen, darin sehe ich eine zentrale Aufgabe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Danke schön.