Rede von
Werner
Schulz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hörster, es ist schon merkwürdig, daß Sie uns die Beantragung dieser Geschäftsordnungsdebatte vorwerfen. Wer zwingt uns denn zu dieser Debatte? Gestern abend war selbst die F.D.P. noch dafür, daß wir heute eine Sachdebatte über Atomwaffentests führen. Es hat offenbar äußersten Koalitionsdrucks bedurft, um zu verhindern, daß wir heute eine solche Aussprache haben und zu einer Beschlußfassung kommen. Bevor diese Atomtests vorbei sind, muß der Bundestag zu einer Meinungsbildung kommen - am besten heute. Es ist schon schlimm genug, wenn sich die Bundesregierung nur in unverbindlichen Äußerungen ergeht. Dann sollte zumindest das Parlament ein eindeutiges Votum abgeben.
Es reicht einfach nicht aus, Herr Schäuble, wenn Sie in der Haushaltsdebatte beiläufig Ihr Bedauern über diese Tests äußern. Das werden Sie dann wahrscheinlich bei jedem Test tun, von einem falschen Signal sprechen und erneut Ihr Bedauern zum Ausdruck bringen. Das kann es nicht sein! Wir müssen hier ein klares Votum abgeben, von diesen unverbindlichen Sprüchen wegkommen und konkrete Beschlüsse fassen. Deswegen haben wir einen Antrag vorbereitet, deswegen hat die SPD einen Antrag vorbereitet. Beide sind abstimmungsfähig.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, bemühen immer wieder die deutsch-französische Freundschaft. Diese will überhaupt niemand attakkieren. Sie hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun.
Jede gute und wahre Freundschaft muß klare und deutliche Worte vertragen können; sonst ist es keine Freundschaft, sonst hält sie Belastungen nicht stand.
Noch besteht die Chance, daß der französische Präsident zum Einlenken bewegt werden kann, aber nur dann, wenn die Partner - auch und gerade in der EU - klare und deutliche Worte finden, bevor diese Tests abgeschlossen sind. Die EU-Kommission hat festgestellt - und ihr Befremden darüber zum Ausdruck gebracht -, daß der erste Test stattgefunden hat, obwohl die Regularien nach dem Euratom-Vertrag in einem solchen Fall eine Überprüfung vorschreiben; die aber hat noch nicht stattgefunden. Hier liegt also offensichtlich ein Vertragsbruch vor. Es geht nicht an, daß wir dazu schweigen. Es geht
Werner Schulz
nicht an, daß jede Müllkippe in Europa, jede chemische Reinigung, jede galvanische Werkstatt strenger geprüft wird als ein Atomtest im Pazifik. Das können wir doch nicht zulassen.
Wir von der Opposition werden nicht zulassen - da können Sie sich über diese Geschäftsordnungsdebatte aufregen, wie Sie wollen -, daß sich sämtliche politischen Hasenfüße auf der Regierungsbank versammeln und zu diesem unglaublichen Vorfall schweigen.
Lassen Sie uns eine sachliche Debatte führen!
- Ja, vielleicht sind Sie das nicht gewöhnt; vielleicht möchten Sie sich hier lieber endlos mit den Querelen der SPD beschäftigen, um die Substanzlosigkeit Ihrer Politik nicht offenbar werden zu lassen. Das mag ja sein. Aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Es gibt schon noch Opposition in diesem Hause; darauf können Sie sich verlassen.
Wir werden darauf drängen, daß Sie sich zu dieser Frage klar äußern.
Ich will Ihnen noch eines sagen - ich glaube, das sollte Sie etwas ernster stimmen -: Wenn der französische Ministerpräsident Juppé heute erklärt, daß der atomare Schutzschild auf Deutschland ausgedehnt werden solle, daß man also eine konzertierte Abschreckungsmacht in Europa schaffen solle, dann sollten Sie nicht den Verdacht aufkommen lassen, daß Sie daran auch nur im geringsten interessiert seien.
Sie haben heute die Chance, das unter Beweis zu stellen. Das ist eine ernsthafte Debatte, nicht irgendeine Geschäftsordnungsdebatte, mit Tricks, um die Haushaltsberatungen zu unterbrechen.
Ich bitte Sie darum, einzuwilligen, daß wir jetzt die Debatte zu diesen Atomtests führen können, und darum, daß wir zur Abstimmung über die Anträge kommen.