Rede von
Joachim
Hörster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Struck, um hier keine falschen Eindrücke aufkommen zu lassen: Als Parlamentarier sind wir selbstverständlich alle dafür, daß Parlamentarier sich frei bewegen und ihre Meinung zum Ausdruck bringen können, egal, ob in diesem Hause oder im Südpazifik. Deswegen kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß wir wünschen, daß Frau Kollegin Wieczorek-Zeul und Herr Kollege Schultz wohlbehalten zurückkommen. Ich habe jedenfalls in meiner Fraktion und auch von anderen Mitgliedern dieses Hauses in diesem Zusammenhang keine Häme bemerkt.
Ich möchte festhalten, daß wir bereits am 22. Juni 1995 zur Wiederaufnahme der französischen Atomwaffentests in diesem Hohen Hause beraten haben. Am 13. Juli haben wir uns erneut mit dieser Sache befaßt und übereinstimmend die Ablehnung dieser Atomtests zum Ausdruck gebracht.
Bundeskanzler Helmut Kohl selbst hat damals in die Aktuelle Stunde eingegriffen und ausdrücklich auf folgendes hingewiesen - ich darf das zitieren -:
Deutschland und Frankreich haben in dieser wichtigen Frage unterschiedliche Ausgangspositionen und unterschiedliche Auffassungen. Darüber haben wir, wie dies unter Freunden selbstverständlich ist, ganz offen gesprochen.
Der Herr Kollege Scharping hat in derselben Debatte festgestellt:
Herr Bundeskanzler, wir stimmen in der Sache offenkundig völlig überein, möglicherweise nicht in der Art des Vorgehens und in der Klarheit der Worte; aber das will ich heute ausdrücklich einmal zurückstellen.
Der Kollege Pflüger hat die Sache sehr intensiv unter ökologischen Gesichtspunkten behandelt und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir an unsere französischen Freunde appellieren, von diesen Atomwaffenversuchen abzusehen.
Wir sind uns also in der Sache in diesem Hohen Hause völlig einig. In all diesen Debatten ist übereinstimmend festgestellt worden, daß die Besonderheiten des deutsch-französischen Verhältnisses einen freundschaftlichen Umgang nicht nur bei großen Ankündigungen erfordern, sondern auch dann, wenn es um so heikle Themen wie das geht, um das wir hier ringen.
Der Kollege Pflüger hat - nach meinem Dafürhalten offensichtlich in der Ahnung dessen, was noch kommen könnte - damals auf folgendes hingewiesen:
Ich bin genau wie meine Fraktion und wie der Kollege Gerhardt
- von der F.D.P. -
dafür, daß man kritisiert. Aber ich bin dagegen, Kampagnen zu organisieren.
Bei den Anträgen, die Sie heute hier einbringen - ich muß das, was von den Grünen kommt, vorwegnehmen; ich weiß ja, was kommt -, handelt es sich um eine solche Kampagne. Sie ist weder zielführend noch sachdienlich. Vielmehr ist sie allenfalls in der Lage, die Kontakte zwischen Deutschland und Frankreich, die den entstandenen Schaden minimieren sollen, zu behindern und zu beschädigen.
Niemand kann behaupten, daß sich der Deutsche Bundestag mit dieser Sache nicht ausführlich befaßt habe. Herr Kollege Struck, Herr Kollege Schulz, unser gestriges Angebot an die Opposition, die Anträge, die Sie für notwendig halten, zur fachlichen Beratung an die Ausschüsse zu überweisen, ist von Ihnen abgewiesen worden. Sie wollen eine Kampagne, heute und hier, egal, ob die deutsch-französische Freundschaft dabei beschädigt wird oder nicht. Das wollen wir nicht.
In der gestrigen Aussprache zum Etat des Bundeskanzleramtes, des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums und des Ministeriums für wirt-
Joachim Hörster
schaftliche Zusammenarbeit - das sind die Geschäftsbereiche, bei denen solche Fragen ressortieren, wenn wir sie im internationalen Bereich zu behandeln haben - hat sich Herr Kollege Scharping in ganzen drei - ich wiederhole: ganzen drei - Sätzen mit dieser Angelegenheit befaßt, und das in einer fast einstündigen Rede. Wenn Ihnen das Ganze von der Sache her so wichtig gewesen wäre, Herr Kollege Scharping, hätten Sie es nicht auf eine solche Geschäftsordnungsdebatte ankommen lassen, sondern hätten dort ausführlich zur Sache gesprochen.
Demgegenüber hat der Bundeskanzler diese Tests ausführlich angesprochen. Er hat ganz deutlich gesagt:
Es ist ganz unübersehbar, daß die Bundesregierung und die französische Regierung in der Frage von Nukleartests unterschiedliche Ausgangspositionen und auch unterschiedliche Auffassungen ... haben.
Er hat dann weiter festgestellt - und das hat den Beifall dieses Hauses gefunden -:
Aber ich bin nicht bereit, an irgendeinem Punkt mitzumachen, der diese Freundschaft in irgendeiner Form beschädigen könnte.
Wir brauchen, wie das tägliche Brot, in den nächsten Jahren beim Bau des Hauses Europa die deutsch-französische Partnerschaft und Freundschaft. Das ist das Wichtigste, was überhaupt ins Haus steht.
Ich will noch hinzufügen: Wer sich intensiv mit der öffentlichen und internationalen Diskussion über Atomwaffentests befaßt hat und wer die Ausgangslage bei unseren französischen Freunden im Juni 1995 mit dem vergleicht, was sie jetzt ankündigen, der kann doch wirklich nicht behaupten, wir hätten, was das Einwirken auf unsere französischen Freunde und das Überdenken Ihres Standpunktes angeht, keinen Erfolg gehabt. Ich bin der Auffassung, wenn sich die Fachleute im Auswärtigen Ausschuß mit dieser Sache - so wie wir es gerne hätten - sachlich, ruhig und unter Beachtung unserer beiderseitigen Beziehungen befassen, werden wir noch mehr Erfolg haben.
Das, was Sie heute vorhaben, ist in der Sache kontraproduktiv, hinderlich. Deswegen lehnen wir die Ergänzung der Tagesordnung mit dieser Ihrer vordergründigen Zielsetzung ab.