Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Dreßler hat fortgesetzt, was vor ihm die anderen Redner auch schon getan haben, nämlich zu versuchen, unseren Bürgerinnen und Bürgern im Land zu suggerieren, daß die Reduzierung des Sozialetats etwas Negatives sei.
Richtig ist: Das ist etwas Außergewöhnliches. Denn erstmals seit vielen Jahren ist ein Arbeits- und Sozialminister in der Lage, einen Etat vorzulegen, der nicht mehr Ausgaben vorsieht, sondern weniger Ausgaben.
Nicht umsonst hat das „Handelsblatt" geschrieben: 10 Milliarden weniger - das ist ein Kraftakt. Jawohl, das ist ein Kraftakt zur rechten Zeit, und er muß sein.
Herr Dreßler, Ihr Problem ist, daß Sie sich nicht mit der Zeit, in der wir sind, auseinandersetzen. Vielmehr mahlen Sie auf den alten Mühlen weiter, ohne die Herausforderungen anzunehmen, die jetzt vorhanden sind.
Keiner von uns bestreitet - wir beide sind lange genug in diesem Gremium, um das zu wissen -, daß ein so großer Einzelplan wie der Etat des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsrisiken beinhaltet. Das will ich gar nicht wegdiskutieren. Aber selbst wenn wir diese Haushaltsrisiken einrechneten, blieben wir unter einem Wert von 10 Milliarden DM, das sind immerhin 10 000 Millionen DM, und können damit sagen: Der Koalition gelingt mit diesem Sozialhaushalt ein sichtbares Zeichen der Begrenzung der Sozialausgaben. Meine Damen und Herren, alle Wirtschaftssachverständigen fordern dies, und wir tun dies. Es ist höchste Zeit, daß es getan wird.
Wir tun dies im übrigen, obwohl sich die wirtschaftliche Lage erholt. Wir lassen uns nicht verführen, jetzt wieder eine Aufweichung mitzumachen. Vielmehr setzen wir die strikte Konsolidierung des Bundeshaushalts und den Umbau des Sozialstaats fort. Wir handeln; wir reden nicht nur darüber.
Hans-Joachim Fuchtel
Das muß auch sein, wenn man die Arbeitslosigkeit wirklich ernsthaft begrenzen möchte. Wer die Abwanderung von Betrieben verhindern will, wer die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft erhalten will, wer bezahlbare Stundensätze im Auge hat und auch die Qualität unseres Sozialstaates weiter sichern möchte, der muß jetzt günstige Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche und gesamtpolitische Geschehen schaffen. Nichts anderes tun wir.
Dazu gehört zweifellos und nicht zuletzt die Senkung der Staatsquote.
- Darauf komme ich noch zu sprechen. - Nur wenn wir dies tun, werden wir eine Begrenzung der Sozialausgaben erreichen.
Wenn wir das nicht tun, werden uns die Sozialausgaben weglaufen,
wird die Staatsquote immer weiter steigen, wird immer mehr Geld durch den staatlichen Bereich laufen und wird immer weniger für den Gestaltungsraum der Wirtschaft übrigbleiben.
So einfach sind die Zusammenhänge. Das müssen Sie erst einmal begreifen, bevor Sie hier etwas kritisieren.
Sie, meine Damen und Herren aus dem Jammertal der Opposition - anders kann ich das, was der Kollege gerade gesagt hat, gar nicht bezeichnen -, stehen vor einem großen Dilemma. Sie sehen, wie wir auch, daß wir Einsparungen vornehmen müssen. Jeder von Ihnen fordert pauschale Einsparungen. Sie trauen sich aber an den großen Etat des Bundesministers für Arbeit nicht richtig heran. Das ist die Situation. Sie halten es lieber im Stil des Känguruhs: mit leerem Beutel große Sprünge machen. Es ginge vielleicht, wenn Sie einen Goldesel hätten, aber Sie haben eben Rudolf Scharping. Mit diesem Rudolf Scharping werden Sie nicht zu neuen Ufern aufbrechen und nicht das tun, was notwendig ist.
Da ist der Herr Spöri schon etwas weiter. Aber der hat ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem, weil er ein einsamer Rufer in der Wüste ist und weil mit Sicherheit der Dissens zwischen dieser Bundestagsfraktion und Spöri auch so groß ist wie der zwischen der Bundestagsfraktion und Schröder. Da sind wir einmal gespannt, wie das im baden-württembergischen Landtagswahlkampf dann ausdiskutiert werden soll.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat gestern an dieser Stelle die Lage ganz klar analysiert. Er hat gesagt, Sie gehen den Herausforderungen aus dem Wege. So ist es. Deswegen haben wir von Ihnen auch nur eine einzige Einlassung die ganze Zeit über gehört, die von Substanz ist. Es ist die Frage, ob und wie die Sozialversicherungen von sachfremden Kosten entlastet werden sollen.
Es wird darüber in allen Fraktionen derzeit diskutiert.
Aber, meine Damen und Herren, eines müssen wir auch beantworten: Man kann nicht nur sagen, wir entlasten die Sozialversicherungen, sondern die Kosten müssen dann auch woanders aufgebracht werden.
Bitte schön, meine Damen und Herren, da sind wir beim Thema. Wir können das entweder über eine Änderung von Leistungsgesetzen machen - dazu sind wir im Rahmen des Umbaus des Sozialstaates auch bereit; dazu sind Sie aber nicht bereit -, oder wir müssen dies durch eine andere Finanzierung tun, weil das Geld irgendwo herkommen muß. Dann sagen Sie uns doch, aus welchen Töpfen diese hohen Milliardenbeträge kommen sollen, dann können wir diese Frage auch weiter diskutieren. Im Augenblick sehe ich, solange der Solidarbeitrag besteht, keine Möglichkeit, hier kurzfristig neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Diese Antwort bleiben Sie uns durch die ganze Debatte hindurch schuldig. Deswegen sind diese Aussagen auch nicht so viel wert.
Wir erinnern uns noch sehr schmerzlich an die Diskussion über die Pflegeversicherung. Da saßen Sie mit riesen Spendierhosen am Tisch, und als es an die Gegenfinanzierung ging, mußten wir Sie unter diesem Tisch wieder sehr mühsam herausziehen, um mit Ihnen die Gegenfinanzierung zu klären.
- Ja, Sie kommen zu wenig in die Ausschüsse, wo solche Sachen besprochen werden, Herr Kollege.
Gleiches befürchten wir jetzt, wenn es um diese konkrete Aufgabe geht. Auch da erheben Sie jetzt die große Forderung, man möge die Sozialversicherungen entlasten, aber Sie sagen uns nicht, in welcher
Hans-Joachim Fuchtel
Weise die dann erforderlichen Mittel aufgebracht werden müssen.
Bevor wir in diese Diskussion nicht konkret eintreten können, können Sie auch nicht ernsthaft denken, daß das Konzepte sind, die man hier ernst nehmen kann. Sie müssen hier schon mit anderen Vorschlägen herangehen. Vor diesen Vorschlägen haben Sie Angst, ganz einfach deswegen, weil sie damit zusammenhängen, daß wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sichern müssen. Das können wir nur, wenn wir die Ausgaben insgesamt senken.
Es ist ein Witz, wenn immer wieder behauptet wird, es hänge nicht an den Lohnkosten, warum viele Betriebe abwandern. Tag für Tag kommen zu uns Unternehmer und sagen uns, daß sie bei dem Lohnniveau mit all den Zusatzkosten nicht mehr mithalten können. Deswegen müssen wir jetzt Zeichen setzen.