Frau Beck, ich habe in den letzten drei Wochen, wie Sie sicherlich vernommen haben - es war ja unüberhörbar -, meiner Fraktion gegenüber ein paar kritische schriftliche Akzente in Sachen Föderalismus gesetzt.
Da ich derjenige bin, dem zweifellos in diesem Zusammenhang vorzuhalten wäre - das hat eine Tageszeitung übrigens auch getan -, ich hätte am meisten mit denen gekungelt - Stichwort Rentenversicherung, Stichwort Gesundheitsstrukturgesetz, Stichwort Rentenüberleitungsgesetz, Stichwort Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz, Stichwort Erster Staatsvertrag, Stichwort Einigungsvertrag -, nehme ich für mich folgendes in Anspruch:
Bei der Abwägung von Tatbeständen und Maßnahmen, die diese Koalition praktizieren wollte und will, und der Möglichkeit, aus der Opposition heraus für Millionen Menschen Schlimmes zu verhindern,
habe ich die Wahl zwischen einer Politik von Franz Josef Strauß - Sonthofen: alles muß noch viel tiefer sinken, damit die Menschen begreifen, was sie regiert -, also parteipolitischer Taktik, und der Verant-
Rudolf Dreßler
wortung vor den Millionen, die sich hinter diesen dann auf sie zukommenden Gesetzen verbergen. Ich habe mich in diesen Fällen jedesmal mit Rückendekkung der Beschlüsse meiner Partei und Fraktion für den zweiten Weg entschieden - gegen parteipolitische Taktik und für das gemeinsame Ganze.
Daß das von diesen Damen und Herren dort im umgekehrten Falle nicht gemacht worden wäre, weiß ich. Aber, Frau Beck, ich weiß ja auch, warum ich in der SPD und nicht in der CDU/CSU bin.
Um das zusammenzufassen: Die Koalitionsregierung will die aus Art. 20 unseres Grundgesetzes f olgende Verpflichtung zu einer Pseudolegitimation für eine erzkonservative Wirtschafts- und Sozialpolitik verbiegen. Ich will hier hinterlassen: Bilden Sie sich bloß nicht ein, Sie könnten damit bei Sozialdemokraten irgendeinen Blumentopf gewinnen. Wir stehen zum Sozialstaatsgebot unserer Verfassung und werden dieses Gebot geschlossen und entschlossen verteidigen. Einfach ausgedrückt: Die SPD will keine andere Republik, meine Damen und Herren.
Wir wollen unser Land für zukünftige Herausforderungen fitmachen. Wir wollen unseren Sozialstaat als qualitativen Standortvorteil in den Wettbewerb mit konkurrierenden Ländern einbringen und ihn darauf ausrichten, anstatt ihn zu zerstören.
Ich habe heute morgen in der Rede von Herrn Blüm zwei Dinge vernommen, die ich zum Schluß abhandeln möchte. Das erste war - ich zitiere den Bundesarbeitsminister -: Um Lohnzuschüsse zu durchschauen, benötigen die Unternehmer einen Lohnzuschußberater. - Herr Blüm, es ist ja wohl nicht unrichtig, daß Ihnen die sozialdemokratische Opposition in diesem Hause x-fach angeboten hat, diesen auch jetzt zu Protokoll gegebenen Unsinn zu verändern. Darf ich Sie darauf hinweisen, daß ich Ihre Analyse teile; aber wir alleine haben nicht die Möglichkeit, Sie dazu zu bringen, es zu ändern. Sollte das ein Angebot gewesen sein: Fangen Sie morgen früh an! Wir machen mit.
Aber Sie können es nicht immer hier sagen, und dann werden Sie von Ihrer Fraktion und der F.D.P. hängengelassen, Herr Blüm. Das geht nicht so weiter.
Der zweite Satz geht in die gleiche Richtung. Sie haben heute morgen etwas zu versicherungsfremden Leistungen ausgeführt. Das ginge nicht hopplahopp, und Sie haben vorgeschlagen, einen Stufenplan zu machen. Herr Blüm, fangen wir bitte morgen früh mit diesem Stufenplan an! Wir verlangen ihn seit drei Jahren. Sie können nicht so tun, als ob die Opposition keine Vorschläge machte, dann, wenn wir sie machen, sie von diesen Herrschaften abmeiern lassen, und hier nun so tun, als ob irgendeine imaginäre Gewalt Sie daran hindern würde.
Nein, Herr Blüm, setzen Sie sich mit uns zusammen! Dann können wir gemeinsam Ihren Laden endlich zur Vernunft bringen.
Guten Tag.