Herr Kollege Hinsken, falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Wir Sozialdemokraten sind noch in der Opposition. Sie sind an der Regierung. Wir stellen Forderungen.
Dr. Uwe Jens
Wir versuchen, rationale, vernünftige Vorschläge zu machen. Sie, vor allem Herr Rexrodt, müssen das umsetzen; anders geht es nicht. Aber Sie können auch gerne in die Opposition gehen. Wenn wir an der Regierung wären, würden wir unsere Forderungen natürlich verwirklichen. Darauf können Sie Gift nehmen.
Zur Innovationspolitik möchte ich noch sagen: Herr Rexrodt, Sie sollten in den Unternehmen nicht nur die Forschung fördern, sondern auch die Umsetzung der Forschungsergebnisse, d. h., die Markteinführung muß verstärkt unterstützt werden.
Ich wiederhole es: Personalkostenzuschüsse für kleine und mittlere Unternehmen - wenn diese Chemiker, Physiker, Ingenieure einstellen, die massenweise arbeitslos sind - wäre ein Beitrag zur Beschäftigung dieser Gruppen. Das wäre meiner Meinung nach dringend notwendig.
Ich glaube z. B. auch, daß in den Betrieben verstärkt darüber nachgedacht werden muß, ob die Arbeitsorganisation so wirklich richtig ist. Mehr Gruppenarbeit wird immer wieder gefordert. Aber wenn man das will, dann muß man die Mitbestimmung, die es gibt, auch akzeptieren und darf sie nicht, wie Herr Rexrodt, immer in Frage stellen. Das ergibt keinen Sinn.
Ich glaube, wir haben auch ein paar elementare Unterschiede gegenüber der praktizierten Politik. Ich will gerne differenzieren. Ich meine, wir stimmen weitgehend wenigstens mit den Ansätzen überein, die in der CDU/CSU deutlich geworden sind. Wir haben elementare Differenzen mit diesem neoliberalen Wirtschaftsminister, der noch immer die Rezepte der Reagonomics predigt, obwohl die Reagonomics selbst in Amerika schon lange in den Mülleimer der Geschichte gewandert sind.
Wir wollen auf alle Fälle - ich hoffe, die CDU stimmt mir zu - die Eckpfeiler der sozialen Entwicklung sichern und erhalten.
Wir brauchen ganz zweifellos etwas mehr an moralischen Wirtschaftsprinzipien, wie sie auch Herr Henkel immer wieder fordert. Wir müssen dafür sorgen, daß sie stärker in die Köpfe der Unternehmer und der Politiker hineingehämmert werden.
Ich sage ausdrücklich: Graf Lambsdorff, ich möchte keinen punktuellen Interventionismus, wie es in der Fachsprache heißt; mal hier und mal da eingreifen. Die Gelder in einer Volkswirtschaft sind knapp. Wir haben hier in Bonn zu entscheiden, wo wir sie rational ausgeben, wo wir mit dem wenigen, knappen Geld am meisten erreichen können, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu verringern.
Ich sage aber auch - wahrscheinlich in Übereinstimmung mit Herrn Hinsken -: Wir brauchen den Staat auch in Zukunft in der Wirtschaft. Es geht nicht, daß man sagt, Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht. Möglicherweise hat der Staat jetzt neue Aufgaben bekommen, aber er hat Aufgaben und muß sie auch endlich wahrnehmen.
Vor vier Monaten habe ich meinen Referenten gebeten, mir aufzuschreiben, wo die Unterschiede zwischen CDU und SPD in der Wirtschaftspolitik sind. Bisher hat er mir nichts geliefert.
Meine Analyse kommt zu dem Ergebnis: Wir stimmen mit der konservativen - so darf man sie wohl nennen - CDU/CSU in der Wirtschaftspolitik in vielen Feldern überein. Es gibt graduelle, aber keine grundsätzlichen Unterschiede.
Aber bei der F.D.P., bei dem, was Herr Rexrodt immer predigt, z. B. bei den Gothaer Versicherungen in Göttingen, läuft uns Sozialdemokraten in der Tat ein Schauer über den Rücken. Mit dieser Art der Politik haben wir wirklich nichts gemein.
Ich glaube, wir Politiker sind auch verpflichtet, uns ein wenig mehr um Klarheit und Wahrheit zu bemühen. Wir sollten weniger taktieren. Ich habe eine Fülle von Punkten angesprochen. Lassen Sie uns über diese Punkte gemeinsam diskutieren und versuchen, das brennende Problem der Arbeitslosigkeit möglichst schnell zu verringern!
Schönen Dank.