Rede von
Prof. Dr.
Uwe
Jens
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zehn Minuten Redezeit und möchte deutlich machen: Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist moderne Wirtschaftspolitik.
Wir haben zwei Probleme - das gebe ich zu -, nicht nur bei uns, sondern in fast allen Industrienationen: eine viel zu hohe Verschuldung, die es mittelfristig zu reduzieren gilt, und eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit. Vor allem gegen die Arbeitslosigkeit tut diese Regierung einfach zuwenig. Das Rezept von Herrn Rexrodt lautet: Wir brauchen Wachstum. Er lobt schon ein Wachstum von 2,5 %. Dieses Wachstum trägt überhaupt nicht dazu bei, daß die Arbeitslosigkeit geringer wird, vielmehr wird sie bei diesem Wachstum eher noch steigen.
Folgendes kommt hinzu: Er meint, Deregulierung, Flexibilisierung und Entbürokratisierung seien offenbar schon Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist völlig falsch.
Zunächst werden mit der Deregulierung, der Privatisierung und der Entbürokratisierung Arbeitsplätze abgebaut.
Aber ich gebe gern zu - weil ich mich immer um Objektivität bemühe -: Dies führt schon dazu, daß die Wachstumsbedingungen vielleicht besser werden, so daß wir dann möglicherweise ein Wachstum haben und Arbeitsplätze schaffen können.
Aber das ist ein sehr, sehr langfristiger Prozeß.
Nein, wir müssen, um das Problem der Arbeitslosigkeit ein bißchen besser in den Griff zu bekommen, die Weichen ganz zweifellos endlich neu stellen. Wir brauchen einen höheren Zuwachs des Bruttosozialprodukts, und wir müssen ganz zweifellos etwas für mehr Flexibilisierung tun. Dafür will ich mich ausdrücklich aussprechen,
insbesondere wenn wir wollen, daß die Lohneinkommen in der Bundesrepublik Deutschland auf der jetzigen Höhe gehalten werden oder möglicherweise gar noch verbessert werden. Wir brauchen mehr Flexibilisierung; wir brauchen ebenfalls eine Flexibilisierung der Arbeitszeit
- das ist gar keine Frage -.
Wir brauchen ebenfalls eine Flexibilisierung der Arbeit, wenn wir zu Jahres- oder Lebensarbeitszeitkonten kommen wollen.
Wenn wir dorthin gelangen wollen, brauchen wir allerdings auch Maßnahmen, die Sie, Herr Rexrodt, vielleicht ergreifen müssen, um die Mobilität nicht einzuschränken und um zu verhindern, daß ein Arbeitnehmer am Ende seines Lebens möglicherweise durch Konkurs seines Unternehmens seine angesparte Arbeitszeit verloren hat. Das darf nicht sein; darüber muß man nachdenken, glaube ich.
Ich begrüße ausdrücklich den Tarifabschluß bei Opel, der gestern zustande gekommen ist und der ganz deutlich dazu beigetragen hat, mehr Flexibilisierung auch im Automobilbereich zu schaffen.
Dr. Uwe Jens
Ich gebe gerne zu: Auch ich bin der Ansicht, die Gewerbekapitalsteuer sollte abgeschafft werden.
Wir brauchen allerdings einen großzügigen Ausgleich für die Gemeinden
und müssen die Einnahmen der Gemeinden endlich festschreiben; meines Erachtens in der Verfassung, so daß sie genau wissen, womit sie zu rechnen haben, und nicht immer von den Ländern abhängig sind.
Wir brauchen auch aus meiner Sicht mehr Flexibilisierung bei den Ladenschlußzeiten.
Aber das wird dazu führen, daß mehr Teilzeitarbeit geschaffen wird. Wir müssen dafür sorgen, daß diese eine ordentliche Teilzeitarbeit wird, daß die Menschen auch abgesichert sind. Es darf nicht sein, daß dies Arbeitsverhältnisse sind, bei denen keine Beiträge zur Sozial- und Rentenversicherung gezahlt werden.
Wir wollen mehr Flexibilisierung, aber vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen und nicht etwa für die Supermärkte auf der grünen Wiese. Wer allerdings glaubt, Flexibilisierung sei ein entscheidender Lösungsansatz zur Verringerung der Arbeitslosigkeit, der irrt sich aus meiner Sicht ganz zweifellos.
Wir brauchen eine rationalere Wirtschaftspolitik. Ich sehe mit großer Freude, daß die CDU/CSU, zum Teil aber vielleicht auch die F.D.P. schon viele Vorschläge der Sozialdemokraten übernommen haben, die wir in die Diskussion gebracht haben.