Diese Frage ist ein bißchen kompliziert und verwunderlich.
Fangen wir einmal bei dem letzten an. Vorhin wurde doch gerade gesagt, wir versuchten - auch ich tue das -, in der Lohnpolitik die Tarifpartner darüber entscheiden zu lassen, welche Daten sie in bezug auf Beschäftigungschancen setzen. Dies gilt in der Bundesrepublik Deutschland genau so wie für die Tarifpartner in anderen Ländern.
Die andere Frage war natürlich sehr polemisch gestellt. Deshalb kann ich sie nur verneinen. Ich würde den Sozialdemokraten sehr viel eher empfehlen, sich um die Bedingungen in den anderen Ländern etwas intensiver zu kümmern. Ich kann Ihnen nur raten, möglichst viele Reisen in unsere Konkurrenzländer zu machen und dort zu schauen, unter welchen Bedingungen und zu welchen Bedingungen Produkte erstellt werden, die mit unseren im Wettbewerb stehen. Da würde ich auch jegliche Kritik des Bundes der Steuerzahler ertragen. Wenn es Ihnen gelänge, hier nicht nur irgendwelche soziologischen Studien zu treiben, sondern hier die ökonomischen Verhältnisse zu studieren und die richtige Konsequenz für die Arbeitswelt in Deutschland zu ziehen, dann würde ich Ihnen dies sehr empfehlen. Die Beschäftigung mit der Konkurrenz ist schon immer die Grundlage des Erfolges. Was für eine Firma gilt, gilt insgesamt auch für eine Volkswirtschaft.
Ich darf jetzt in meinen Ausführungen fortfahren, sage aber noch einmal ausdrücklich, daß ich für jede Zwischenfrage dankbar war. Die Senkung der Lohnzusatzkosten - jetzt sind wir wieder bei diesem etwas trockenen Thema, von dem man ab und zu Ausflüge in die Weltpolitik machen kann - wird von der Wirtschaft als eine viel wichtigere Frage angesehen als von Ihnen. Das erinnert mich an ein Zitat des früheren Hamburger Bürgermeisters von Dohnanyi, der gesagt hat: Die SPD liebt die Soziologen, achtet die
Volkswirte - das spricht für den Kollegen Jens -, haßt aber die Betriebswirte. Das ist wahrscheinlich eines ihrer Grundprobleme, daß Sie es nach wie vor nicht verstehen, hier die Konkurrenzverhältnisse und die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse in den deutschen Unternehmen so zu beurteilen, daß Sie die Konsequenzen aus den Reden ziehen und an den Änderungen der Rahmenbedingungen so mitarbeiten, daß bei uns wieder mehr Arbeitsverhältnisse entstehen.
Sich den Realitäten zu stellen bedeutet Unabhängigkeit von Parteitagsbeschlüssen, die Modernisierung der Arbeitsorganisation, die Reform des Sozialstaates und eine konkurrenzfähige Unternehmensbesteuerung. Es ist erfreulich, zu sehen, daß sich die SPD uns in einigen Punkten angenähert hat. Aber ich sage Ihnen noch einmal: So viel Zeit wie sich die SPD beispielsweise beim Abbau der Gewerbesteuer oder beim Energiekonsens, zu dem ich noch zwei Sätze sage, nimmt, hat die deutsche Wirtschaft nicht.
Es geht nicht darum, unverbindlich über alles zu diskutieren und anschließend wieder das Haus zu verlassen. Frau Fuchs, Sie haben zur Energiepolitik und auch zu der Notwendigkeit, was man hier alles machen könnte, richtige Worte gesagt. Man hätte sehr viel machen können: die Nutzung der heimischen Energiereserven, den Umbau für regenerative Energien, die Weiterentwicklung sicherer Reaktorlinien. All dies hätte man tun können. Ich gehe davon aus, Sie hätten es getan, und einige Ihrer Kollegen hätten es auch getan. Der Kollege Hinsken war bei diesen Gesprächen dabei. Wir haben eine weitgehende Übereinstimmung in sachlichen Themen gefunden, wie die Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Zukunft aussieht.
Ich meine, eine Partei, die sich dann aus ideologischen und nicht zuletzt aus persönlichen Gründen innerhalb der SPD, gegen diesen richtigen Kompromiß, gegen diesen richtigen Konsens wehrt und hier auftritt und über Modernisierung der Wirtschaft spricht, ist nicht akzeptabel. Sitzen wir doch zusammen, und reden wir. Suchen wir doch gemeinsam eine vernünftige Lösung. Bevor wir wieder eine solche Runde ansetzen, um eine vernünftige Lösung zu suchen, wo man dann aus eigensinnigen SPD-Parteigründen nicht zum Zuge kommt, muß man überlegen, ob dies in Zukunft eine Chance haben kann.
Ich mache abschließend ein paar Bemerkungen zu ebenso wichtigen Themen. Wir müssen die Chancen auf den Wachstumsmärkten dieser Welt eröffnen. Die Südamerika-Offensive und die Ostasien-Offensive zeigen, daß der Wirtschaftsminister, daß wir, die Wirtschaftspolitiker der Koalition, in diesem Bereich das Richtige tun. Man sucht ja immer nach Konzepten. Es dürfte in einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft wohl das richtige Konzept sein, einerseits bei uns die Produktionsbedingungen zu modernisieren, anderer-
Rainer Haungs
seits den Unternehmen da Hilfestellung zu geben, wo es notwendig ist. Wenn ich mir die Auseinandersetzung zwischen dem Wirtschaftsminister und dem Außenminister über die Frage anschaue - wobei ich von vornherein den Wirtschaftsminister unterstütze -, wer für die AuBenwirtschaftspolitik die größere Verantwortung tragen soll, dann sage ich: Mir ist es lieber, daß auf einmal ein edler Wettstreit zwischen zwei Ministerien ausbricht und beide dafür zuständig sein wollen, deutschen Unternehmen im Ausland zu helfen und Anlaufstellen für sie zu finden, als daß sich das Außenministerium wie in früheren Jahren vornehmer Zurückhaltung befleißigt. Aber als Ergebnis dieses edlen Wettstreits sollte herauskommen, daß der Wirtschaftsminister die Federführung hat und behält, weil es ein eminent wichtiges Gebiet unserer Wirtschaftspolitik ist, Chancen für die Außenwirtschaft zu eröffnen.
Auch die vorhin vorgetragenen Vorwürfe, wir würden in den neuen Bundesländern zuwenig machen, gehen völlig an den Tatsachen vorbei. Wir bestärken den Wirtschaftsminister darin - wir haben den Haushalt auch so angelegt -, sich auf die wichtigen Hilfen vor allem im industriellen Bereich zu konzentrieren. Wir wollen aber nicht in unseren Anstrengungen nachlassen, die Differenzen zwischen Produktivitäts-
und Einkommensniveau möglichst bald zu beseitigen.
Ich komme zum Schluß. Wer so einseitig wie Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eine Umverteilungspolitik alten Stils einfordert, an der sozialen Klagemauer steht, wie Ihr Herr Scharping gestern - erinnern Sie sich doch an diese schwache Rede-, wer die notwendige Modernisierung verweigert und die Kostenprobleme negiert oder bagatellisiert, der ist im Schröderschen Sinne wirklich „unmodern".