Rede von
Rainer
Haungs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Übereinstimmung in dieser Debatte war, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Deutschland vordringliche Aufgabe unserer Politik der Zukunft sein wird. Denn die Kurzanalyse heißt: Konjunktur gut, Beschäftigung schlecht. Dabei steht im Vordergrund, den Investitions- und Innovationsstandort Deutschland zu sichern und seine Attraktivität zu erhöhen. Wer allerdings den Rednern aufmerksam zugehört hat, wird wohl festgestellt haben, daß wir zur Erreichung dieses Ziels nach wie vor unterschiedliche Wege verfolgen.
Die Realität - dies will ich den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition sagen - wurde dieser Tage richtig von der „Stuttgarter Zeitung" beschrieben, in der es heißt:
Wer den Begriff Standort Deutschland als bekämpfenswerte Parole der Regierung begreift, darf sich nicht wundern, wenn ihm die wirtschaftliche Kompetenz abgesprochen wird.
Wenn ich dies interpretiere, muß ich nach wie vor, auch nach dem, was gestern Herr Scharping und heute Frau Kollegin Fuchs gesagt haben,
fragen: Wann lernt die SPD hier endlich dazu und kommt zu der Erkenntnis, daß Beschlüsse von Parteioder Gewerkschaftstagen nichts an den weltwirtschaftlichen Konkurrenzverhältnissen ändern können? Ich werde noch einige Zitate anfügen.
Wann begreift die SPD als traditionelle Arbeitnehmerpartei früherer Tage, daß deutsche Unternehmen in einem freien Weltmarkt auswandern können, die deutschen Arbeitnehmer aber nicht?
Frau Fuchs, Sie sagten auch einiges Richtige.
Sie haben gesagt: Das deutsche Management ist gefordert. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es nicht reicht, Werke zu schließen und Mitarbeiter zu entlassen, weil dies keine unternehmerische Leistung ist, die den Standort Deutschland für die Zukunft fit macht. Gleichermaßen aber sind wir in der Politik gefordert, endlich die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß Deutschland wettbewerbsfähig bleibt und die Produkte verkauft werden können.
Vor dem Hintergrund fundamental geänderter weltwirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen bedeutet dies - ich zitiere -, daß der Produktionsstandort selbst nur konkurrenzfähig bleibt, wenn er den sich aus der Globalisierung der Märkte ergebenden Rationalisierungs- und Produktivitätsdruck aushält. Dieses in der Sache richtige Zitat stammt vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, der für solche Sätze und - das gebe ich zu - andere Ungehörigkeiten von der SPD nicht geschätzt wird und vom Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers entbunden wurde.
Lieber Kollege Jens - Sie sprechen ja nach mir -, passen Sie auf, daß Sie jetzt und in der Zukunft nicht zu viel Wahres sagen. Es könnte Ihnen von Ihrer Partei schlecht belohnt werden.
- Ja. Sie meinen, schon der Versuch sei strafbar?
Die mit Recht angemahnte Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft muß auch die Konkurrenzfähigkeit und die damit verbundene Flexibilität unseres Arbeitsmarktes einbeziehen. Flexibilität heißt eben, den Samstag als Regelarbeitstag - das heißt: Arbeit ohne Zuschläge - anzuerkennen.
Wie schreibt die FAZ so schön: Der Normalarbeitstag im Tarifvertrag gehört ebenso wie der Normaleinkaufstag im Ladenschluß in die Frühzeit des Industriezeitalters. Ich füge hinzu: Er paßt nicht mehr in die heutige Zeit.
Rainer Haungs
Was tut die SPD? Sie schreit auf. Wenn wir Flexibilität in der Arbeitswelt fordern, sei es in der Industrie, sei es bei den Dienstleistungen, dann wird gleich der Totalangriff auf den Sozialstaat ausgerufen. Das ist völlig falsch und übertrieben. Unsere Forderungen, die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu verbessern, werden ebenfalls als Anschlag auf den Sozialstaat diffamiert.
Doch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ohne größere Flexibilität in allen Bereichen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, werden die zukünftigen Herausforderungen nicht zu meistern sein.
Wir werden die Arbeitslosigkeit nicht abbauen können, wenn die Rezepte, die Sie vorgetragen haben - ich habe allen Kollegen aufmerksam zugehört -, verordnet würden. Das wäre die falsche Kur für den Patienten „Arbeitsmarkt Deutschland".
Die Erwartungen an die Tarifautonomie waren noch nie so hoch wie derzeit. Zu beobachten sind jedoch unangemessen hohe Tarifabschlüsse, unzeitgemäße Flächentarife, Streik und Arbeitsniederlegungen, die nicht in die konjunkturelle Landschaft der Automobilindustrie passen, eine außergewöhnlich teure Konstruktion der Lohnfortzahlung mit vielen Mißbrauchsmöglichkeiten und unangemessene Forderungen nach wöchentlicher Arbeitszeitverkürzung, wobei wir alle wissen, daß Jahresarbeitszeitregelungen das Richtige wären.
Aber alle Bemühungen zu Reformen werden von der SPD fast schon reflexhaft verworfen. Die Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden gestern war der beste Beweis dafür. Wenn das „Handelsblatt" schreibt, mit dieser Rede könne er höchstens Sozialminister, niemals aber Bundeskanzler werden, wird dies wohl keine adäquate Leistung gewesen sein, um eine Wirtschaftskompetenz für die Opposition zu erreichen.