Rede von
Angelika
Beer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Rose, ich hätte erwartet, daß Sie sich in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses über das standardmäßige Abarbeiten an der Opposition hinaus - wir freuen uns ja, daß Sie uns zuhören, auch wenn Sie das heute wieder verdreht haben - zumindest einmal - bis auf eine Scheindebatte, die von der SPD angeregt worden ist; darauf gehe ich gleich noch ein - zu einem weiteren Umstrukturieren der Bundeswehr, einer weiteren substantiellen Veränderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bekennen, die nämlich zum ersten Mal Militäreinsätze als Mittel der Politik zu manifestieren versucht.
Ich halte die Kritik aus Reihen der SPD an dem Einsatz der Tornados für eine Scheindiskussion und für ein Ablenkungsmanöver. Ich denke, wer A sagt, muß wissen, daß B und C kommt.
Wir haben in der Debatte über den Einsatz der deutschen Bundeswehr in Ex-Jugoslawien kritisiert, daß mit diesem Sechs-Zeilen-Antrag der Bundesregierung ein Vorratsbeschluß gefaßt wird. Die Opposition sollte wenigstens in der Lage sein, diesen Beschluß zu lesen. Sie haben, jedenfalls zum Teil mit Ihren Stimmen, beschlossen,
daß die Bundeswehr u. a. mit ECR-Tornados zum Schutz und zur Unterstützung der schnellen Eingreiftruppe eingesetzt wird. Genau das hat der Bundesverteidigungsminister in den letzten Wochen umgesetzt. Jetzt noch einmal darüber zu reden, ob dieser Schutz tatsächlich gegeben ist oder nicht, lenkt davon nur ab.
Angelika Beer
Wer zu Krieg und zur Kriegsführung ja sagt, der verläßt das Feld von Planspielen, wie wir sie bisher auf dem Papier oder in Manövern geübt haben, der muß wissen, daß Übungsflüge über Kriegsgebiet potentielle Kriegsflüge sind. Dazu haben Sie Ihre politische Zustimmung gegeben. Jetzt sollten Sie dazu auch stehen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gerade weil auf den Tag genau 56 Jahre nach dem Einmarsch Hitlers und dem ersten Schuß auf Polen wieder deutsche Truppen im Einsatz sind,
und zwar in Ex-Jugoslawien, möchte ich einmal auf die strukturelle Planung der Hardthöhe in diesem Bereich der Verteidigung und darauf eingehen, was in dieser Haushaltsplanung ansteht.
Wir sind dank Volker Rühes und seines Gehilfen, Herrn Naumann, in der Situation, daß die Salami tatsächlich am Ende ist. Herzlichen Glückwunsch! Ich bedaure das zutiefst. Wir sind in einer Situation, wo der Wechsel von einer Verteidigungs- hin zu einer Angriffsarmee stattgefunden hat und im Haushalt festgeschrieben wird.
Wir sind des weiteren in einer Situation, wo heute mit wunderschönen Worten von Menschenrechten, internationaler Verantwortung, wiedererlangter Souveränität Deutschlands auch von Außenminister Kinkel darüber hinweggespielt wird, daß gerade die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik einen wesentlichen Faktor für die 54 Konflikte in der ganzen Welt geschaffen hat.
Wie kann man sich heute hinstellen und über die Lügen Saddam Husseins empört sein, wenn gerade aus Deutschland substantiell die Materialien für die Entwicklung eines B- und C-Waffen-Programms dorthin gekommen sind? Wie kann man sich hinstellen und bitten, die Türkei nicht auszugrenzen - was wir Grünen überhaupt nicht tun, sondern die Bundesregierung selber, weil sie die Türkei nicht in der EU haben will -, und gleichzeitig die Aufhebung der Waffensperre gegen die Türkei vorbereiten? Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Das ist nicht mehr Politik, das ist ein Hin und Her eines unentschlossenen Außenministers, der nicht einmal das Format hat, die Grundsätze auch im finanziellen Bereich hier zu nennen - die Grundsätze, warum diese Politik nicht funktionieren kann.
Man kann nicht zivile Strukturen einfordern, wie das verbal gemacht wird, und in der Realität 48,5 Milliarden DM für eine Krisen- und Interventionsarmee vorsehen, während zum gleichen Zeitpunkt 3,5 Milliarden DM für das Auswärtige Amt, 0,6 Milliarden DM für die Vereinten Nationen und ganze bummlige 7 Milliarden DM, glaube ich, für die OSZE bereitgestellt werden.
Da stimmt etwas nicht. Hier wird die Militarisierung festgeschrieben, und auf der anderen Seite werden genau die Titel, die geeignet wären, eine Zivilisierung vorzubereiten, Konflikte frühzeitig zu erkennen, stranguliert bis zum Gehtnichtmehr.
Ich möchte im Bereich der sogenannten Weiterentwicklung von Waffen einen Bereich nennen, der, glaube ich, deutlich macht, wie es um diese Verteidigungspolitik, wie es so schön heißt, steht. Trotz internationaler Bekundungen und Bemühungen, die Landminen als Massenvernichtungswaffen zu ächten, werden erneut Millionen für die Weiterentwicklung von Landminen und für deren Einsatz durch unsere Krisenreaktionskräfte in den Haushalt eingestellt. Das hat nichts mit Verteidigung zu tun. Das ist die Perfektionierung einer Waffe zur Zerstückelung von Menschen, zur Zerstückelung der Zivilbevölkerung. Das ist der rote Faden, der sich durch die Militärplanung zieht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf der anderen Seite werden in ganz wichtigen Bereichen wie beim Eurofighter, wo man sich nicht mehr traut, überhaupt Zahlen zu nennen, Nullen, Leerstellen in diesen Etat eingegeben. Die Bundesregierung verlangt von uns eine Zustimmung zu Leerstellen, zur Null-Option. Wir werden für die Null-Optionen sorgen und dieses wahnsinnige Projekt des Eurofighters zum Scheitern bringen.
Ich finde es komisch - das vielleicht zum Schluß -, daß über eine Äußerung der Wehrbeauftragten heute kaum ein Wort gefallen ist. In einem Land, in dem es ein Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung gibt, in einem Land, in dem Wehrdienstleistende einen unendlich wertvollen Dienst in Deutschland leisten, auch nicht zuletzt, weil sie sich weigern, Kriegsdienst für diese Armee zu leisten, diesen Menschen vorzuwerfen, daß sie so wie früher „Drückeberger" seien, wie es hieß, „Egoisten" - -
- Ich habe das Interview gelesen. Ich finde es entsetzlich, daß eine neu gewählte Wehrbeauftragte eine krasse Parteipolitik betreibt und im Auftrag der Hardthöhe spricht, anstatt sich für die Interessen aller Menschen einzusetzen. Sie haben sich nicht nur
Angelika Beer
optisch ins Aus gesetzt, sondern auch politisch und haben überhaupt keine Möglichkeit, das Vertrauen zu den Soldaten, aber auch zu den Kriegsdienstverweigerern wieder aufzubauen.
Die Renationalisierung und Nationalisierung der Außen- und Sicherheitspolitik, die durch Volker Rühe auch in Zahlen im Einzelplan 14 festgeschrieben wird, ist für uns ein Alarmzeichen, nicht weil es heißt: Deutschland allein gegen den Rest der Welt; sondern weil Optionen in Militärbündnissen aufgebaut werden, den militärischen Schlag je nach Bedarf mit irgendeinem Partner durchzuführen.
Die Äußerung von Herrn Schäuble für eine nukleare Abschreckungspolitik Europas setzt dem, denke ich, die Krone auf. Dagegen werden wir mit aller Macht protestieren.