Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der „Kölner Stadt-Anzeiger" hat über den gestrigen Beginn der diesjährigen Haushaltsdebatte geschrieben: „Wo bleibt die Opposition?" Nach dem was heute geboten wurde, wird auch morgen wieder in der Zeitung stehen: Wo bleibt die Opposition?
Ich darf daran erinnern, daß sich die Opposition in diesem Sommer in ganz anderen Gefilden verheddert hat, und darf Herrn Rau zitieren, der sagte, daß dieses Sommertheater die Menschen angewidert hat. Ich kann nur sagen, wir sind inzwischen so weit, daß es nicht mehr eine Politikverdrossenheit, sondern eine Oppositionsverdrossenheit in diesem Lande gibt.
Ich möchte gerade auch als CSU-Vertreter einiges über die derzeitigen Probleme in der Außen- und Sicherheitspolitik sagen.
Die härtere Gangart der NATO und der UNO in den letzten Tagen war ein unvermeidbarer und notwendiger Schritt. Dies ist das einzig richtige und unmißverständliche Signal an die bosnischen Serben, endlich einzulenken und den Weg für erfolgreiche Verhandlungen frei zu machen. Es bleibt zu hoffen, daß die UNO nun endlich von ihrer häufig allzu zögerlichen Art im Umgang mit den Kriegsverbrechern Karadžić und Mladic abläßt.
Ich möchte das Morgenfernsehen zitieren, wo ein Experte des Südost-Instituts kritisiert hat, daß man zwischendurch mit dem Druckausüben auf die bosnischen Serben wieder etwas aufgehört habe: Das sei ein verkehrtes Zeichen; denn man habe über Jahre hinweg ein falsches Spiel getrieben. Ich schließe mich dem an: Man hätte die NATO-Angriffe nicht unterbrechen sollen.
Wir, die Obleute des Verteidigungsausschusses, hatten gestern den Besuch einer türkischen Delegation, die sich besonders wegen der Menschenrechtsverletzungen in Bosnien-Herzegowina bei uns eingefunden hat. Es ist uns deutlich gesagt worden, daß wir nicht von einem Bürgerkrieg reden sollten, son-
Dr. Klaus Rose
dern das, was dort stattfindet, beim Namen nennen sollten. Es ist ein Massenmord von Militärs auf der einen Seite an armen, hilflosen Zivilisten auf der anderen Seite.
Diesem Massenmord muß man begegnen. Deshalb unterstütze ich das, was auf Veranlassung der UNO durch die NATO gemacht wurde.
Meine Damen und Herren, wer in diesen Tagen des Bosnien-Kriegs wie die Fraktion der Grünen noch immer die trügerische Illusion vom Pazifismus als Friedensretter auf die Fahnen schreibt, der betreibt in Wahrheit eine unverantwortliche Hochrisikopolitik. Das merkt auch der Bürger, der diese Art von Doppelmoral sowieso nicht mehr hinnimmt. Erst läßt man bekanntlich die Bundesregierung das Unangenehme tun, läßt sie die Verantwortung tragen und stimmt mit Nein, und einige Wochen später wird die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert, für militärischen Schutz der bedrohten serbischen Bevölkerung in den UNO-Schutzzonen zu sorgen.
Das haben wir schon im Frühjahr gemerkt, als eine Delegation von Grünen in Sarajevo war und den militärischen Einsatz gefordert hat, aber nicht von den Deutschen, sondern von anderen. In echter grün-nationaler Überheblichkeit wird sofort hinzugefügt: Deutschland muß den Schutz sicherstellen, aber nur mit den Soldaten unserer Verbündeten. Das hat sich Gott sei Dank zwar inzwischen geändert, weil Herr Fischer - ich freue mich, daß er mir gegenübersitzt - die hohen moralischen Ansprüche - auf dem Rücken von Soldaten anderer Nationen zur Beruhigung des eigenen Gewissens - zurückgenommen hat. Aber es ist noch immer nicht ganz rübergekommen, was er für die Zukunft meint.
Herr Fischer hat sich in seinem Leben sowieso verändert. Er hat die Turnschuhe in den Schrank stellen lassen und die Pflastersteine zur Seite gelegt.
Er ist jetzt der Schützer des Rechtstaats. Er selber und die Vertreter der grünen Partei haben Befreiungsbewegungen früher durchaus das Recht der Gewaltanwendung zugebilligt, nur anderen natürlich nicht. Wie es ihm in seine Politik paßt, so läßt er das auch heute zu. Auf diese Weise ist Herr Fischer der große Wendehals innerhalb der grünen Bewegung geworden. Es wundert mich, daß er in seiner Fraktion nicht stärker angegriffen wird und daß er mit dieser Art von veränderter Politik noch etwas zu bewegen vermag.
Nachdem heute beklagt wurde, daß in den neuen Bundesländern eine Entindustrialisierung stattfindet - Herr Fischer, Sie haben dieses Wort gebraucht -, frage ich Sie: Haben Sie früher nicht ständig gegen die Industriepolitik gewettert? Jetzt bejammern Sie, daß die Industrie verschwindet. Sie ändern sich ständig. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn ich mich darüber ärgere.
Meine Damen und Herren, unsere Bürger haben Anspruch auf eine realistische, glaubwürdige und stabile Sicherheitspolitik, die sie wirklich schützt. Unsere Bürger haben Anspruch auf eine Politik, die auch im tiefen Frieden die Risiken nüchtern analysiert und die notwendige Vorsorge trifft. Das beinhaltet, daß wir Parlamentarier uns voll und eindeutig hinter unsere Soldaten und hinter den Auftrag der Bundeswehr stellen.
Das heißt auch, daß wir im Notfall bereit sein müssen, die Bundeswehr, wie wir es - ich betone: wie wir es - und Gott sei Dank einige vernünftige Leute der anderen Seite mit dem Bosnien-Beschluß getan haben, maßvoll und mit Bedacht im Dienste des Friedens einsetzen.
Ich hatte gestern den Besuch des zweithöchsten amerikanischen Soldaten in Europa, der den Beitrag der deutschen Soldaten als unverzichtbar und als besonders lobenswert herausgestellt hat. Ich betone das deshalb, weil manchmal gesagt wird: Man braucht die Deutschen gar nicht mehr. Man braucht die Tornados nicht. Ganz im Gegenteil: Von dem zweithöchsten amerikanischen Soldaten in Europa ist die Rolle der deutschen Soldaten besonders gewürdigt worden. Ich glaube, wir sollten das dankbar zur Kenntnis nehmen und das auch von unserer Seite aus feststellen.
Wir müssen nicht zuletzt bereit sein, den Preis zu zahlen, um unsere Bundeswehr modern und für ihren Auftrag leistungsfähig zu halten. Dazu möchte ich ein besonderes Thema ansprechen, das wir im Laufe der Haushaltsberatungen sicherlich entsprechend beurteilen werden.
Die Bundeswehr muß zur Erfüllung ihrer neuen Aufgaben im Rahmen der Krisenbewältigung mobiler und beweglicher werden. Wir sollten deshalb unterstützen, daß die Bundeswehr vier gebrauchte Airbusse A 310 von der Lufthansa erwirbt und sie zu einer Fracht- und Personenkombiversion umrüsten läßt. Dieser Kauf ist sinnvoll, weil dadurch die Transportkapazität erhöht und eine Ablösung der im Betrieb wesentlich teureren, nicht sehr umweltverträglichen Boeing 707 ermöglicht wird.
Ich erinnere mich, daß sich, als einmal der Bundeskanzler aus Washington mit einer alten 707 weggeflogen ist, ausgerechnet der „Spiegel" mokiert hat, daß das Flugzeug so viele umweltschädigende Gase hinterlassen haben soll. Wir müßten eigentlich von allen Seiten Unterstützung haben, wenn es darum geht, auch unter diesem Gesichtspunkt die Modernisierung der Flugzeuge zu gewährleisten.
Aber meine Überlegungen gehen weiter. An den Bundesminister der Verteidigung gerichtet, gebe ich zu bedenken, das Angebot der DASA zu nutzen, diese Flugzeuge beim Umbau zum Kombifrachter in
Dr. Klaus Rose
einem Zug, d. h. sofort auch als Luftbetankungsflugzeuge umzurüsten. Dies würde nicht nur erlauben, den Bedarf der Luftwaffe an Luftbetankung mit der Zeit selbst zu decken und Mietkosten zu sparen, es wäre vor allen Dingen auch ein entscheidender industriepolitischer Impuls, der der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie den weltweiten Markt an Tankerflugzeugen erschließen würde.
Eine schnelle Entscheidung für einen Umbau dieser Flugzeuge in eine Frachter-Tanker-Kombination ist um so dringlicher, als der Hauptkonkurrent Boeing in zwei Jahren sein Konkurrenzmodell auf den Markt bringen wird.
Meine Damen und Herren, der Fall Bosnien zeigt ernüchternd, wie weit wir noch von einer funktionierenden gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik entfernt sind. Noch deutlicher zeigt er die Dringlichkeit, auf dem Weg dorthin zielstrebig voranzuschreiten. Wir haben nur eine Chance, den Frieden Europas auf Dauer zu bewahren: indem wir so schnell wie möglich ein tragfähiges Sicherheitssystem für das wachsende Europa vorantreiben.
Die NATO ist derzeit das einzige einsatzfähige leistungsstarke Sicherheitsinstrument. Sie bleibt daher mit der WEU zusammen als europäischem Pfeiler auch in einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur die tragende Stütze.
Einmal mehr ist auch in diesem Punkt die Politik der Grünen enttarnt. Die Forderung nach einer Auflösung der NATO kann im wahrsten Sinne des Wortes nur als mörderische Tollkühnheit verstanden werden, auch wenn sich die Vertreter dieser Idee gerne Pazifisten nennen.
Ebenfalls diejenigen, die zu optimistisch der OSZE eine Ersatzrolle für die NATO zuweisen wollen, liegen falsch. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die OSZE kann natürlich ein bedeutendes Forum für präventive Diplomatie sein. Es ist ein wichtiges Ziel, sie als Werte- und Handlungsrahmen gesamteuropäischer Außen- und Sicherheitspolitik weiterzuentwickeln. Die OSZE kann wesentlich zu einer gesamteuropäischen Rechtsordnung beitragen. Aber sie ist im besten Fall ein Brandverhüter und ganz sicher keine Feuerwehr.
Meine Damen und Herren, ich hätte noch, wenn mir mehr Zeit gegeben wäre, einiges zum Verhältnis zu Frankreich gesagt. Ich bin nicht der Meinung, daß wir uns in den allgemeinen rot-grünen Chor einklinken sollten, nur weil es momentan modern ist, auch deren Anti-Atompolitik zu vertreten. Vielmehr bin ich der Meinung, daß die deutsch-französische Gemeinsamkeit und Freundschaft mehr wert ist und daß man auch in schwierigen Zeiten zusammenhalten muß, gerade jetzt, wo die Franzosen auch innenpolitisch durch die Terrorismusanschläge und durch verschiedene andere Ereignisse zu leiden haben. Wir sollten uns die Solidarität und die Freundschaft mit den Franzosen mehr auf das Panier schreiben.
Deshalb appelliere ich an alle, alles zu vermeiden - ich habe mich gefreut, Herr Kollege Duve, daß Sie das einmal so deutlich gemacht haben -, was zur Zerstörung der für die Deutschen überlebensnotwendigen Zusammenarbeit mit den Franzosen beiträgt.
Ich bin der Überzeugung, daß wir morgen im Verteidigungsausschuß noch genügend Auskünfte bekommen, um meine These, daß das Parlament hinreichend über die Einsätze der Tornados in BosnienHerzegowina informiert wurde, zu untermauern. Ich freue mich auf diese Beratungen. Wir hoffen, daß wir in den Haushaltsberatungen auch zugunsten unserer Soldaten und der Bundeswehr Erfolg haben werden.