Rede von
Dr.
Klaus
Kinkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nein, ich möchte jetzt bitte zum Ende kommen. Herr Duve weiß, daß ich sonst selbstverständlich jederzeit zur Verfügung stehe.
Wir müssen die Menschenrechte und die Minderheiten schützen. Ich habe mich ganz massiv an Herrn Granic gewandt - ich habe das ja auch veröffentlicht - und gesagt: Kroatien muß sich daran messen lassen, wie es mit Minderheiten und mit Menschenrechten umgeht. Kroatien muß sich jetzt in besonderer Weise daran messen lassen, wie es sich bemüht, den Serben zumindest anzubieten, in die Krajina zurückzukommen.
Ich hoffe, daß das geschieht.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Lassen Sie mich noch eines hinzufügen, weil immer wieder die Frage danach gestellt wird: Natürlich wird trotz all der Belastungen, die wir bisher mit Flüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien hatten, die deutsche Tür offenbleiben, wenn Menschen, die in Elend und Not sind, anklopfen. Das kann überhaupt nicht in Frage stehen.
Natürlich müssen wir ihnen, soweit es irgendwie geht, vor Ort helfen. Wir müssen Ihnen ebenfalls im europäischen Rahmen helfen. Ich werde am Wochenende in Santander, wo sich die europäischen Außenminister treffen, darauf hinweisen.
Noch etwas: Wir haben nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. Nachdem ich in Sarajevo war - das habe ich Ihnen vorgetragen -, haben wir für das Kosovo-Krankenhaus, das dort wichtigste und mit 2 000 Betten größte Krankenhaus, die Patenschaft übernommen. Wir haben gerade noch rechtzeitig eine Neurochirurgie eingerichtet. Ich habe fünf Ärzte in Marsch gesetzt, die dort seit gestern mitoperieren und den völlig überlasteten Chirurgen und Anästhesisten helfen. Zudem haben wir im Namen der Bundesregierung einen Medizinhilfstransport auf den Weg gebracht, von dem ich hoffe, daß er morgen ankommt. Das heißt: Wir reden nicht nur, sondern helfen den Hauptbetroffenen vor Ort.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz auf Europa zurückkommen: Die Regierungskonferenz 1996 wird nicht die letzte, aber doch eine ganz wichtige Etappe der europäischen Einigung sein. Das Wichtigste dabei bleibt, daß das europäische Haus nicht an den Wünschen seiner Bewohner vorbeikonstruiert wird und der Zusammenschluß Europas nicht anderswo neue Gräben aufreißt.
Sicherheit in Europa heißt zunehmend auch Sicherheit durch Kooperation, durch Vernetzung der Interessen. Zentrales Anliegen der Bundesregierung ist die Prävention; aber diese hat natürlich ihre Grenzen. Ich werde nachher, wenn ich noch kurz etwas zu meiner letzten Reise nach Tansania, Burundi und Ruanda sage - in meiner Delegation waren Abgeordnete aus allen Fraktionen des Deutschen Bundestages -, darauf zurückkommen.
Nun ein Punkt, der Sie alle genauso wie mich betroffen machen muß. Vorgestern war der UNO-Beauftragte Ekeus, der den Auftrag hat, die Situation im Irak zu überwachen, bei mir. Ich kann Ihnen nur sagen: Da ist Konfliktprävention wahrhaftig notwendig. Was er mir auf Grund seiner gerade abgeschlossenen Reise in den Irak und nach Amman, wo er den geflüchteten Schwiegersohn von Saddam Hussein getroffen hat, gesagt hat, ist nicht nur besorgniserregend, sondern schlimmer.
Die irakische Regierung hat uns jahrelang systematisch belogen.
Es hat sich jetzt herausgestellt
- nein, wir sind auf keiner falschen Fährte gewesen -: Bagdad hatte bis in das Jahr 1991 durch die bisher zugegebene Abfüllung von 25 Skud-Raketenköpfen, die über 500 Bomben und ca. 170 Artilleriegeschossen die Fähigkeit zu einer umfassenden biologischen Kriegsführung. Dies alles wurde angeblich nach dem Golfkrieg auf Befehl Saddam Husseins zerstört. - Bis zum Frühjahr 1991 gab es durchaus realistische Bemühungen, den ersten Kernsprengsatz zu entwickeln. Es gab eine erfolgreiche Eigenentwicklung von Prototypen eines weitreichenden Raketenmotors auf der Skud-Basis und eine teilweise Fortführung der Geheimprojekte auch nach dem Golfkrieg. Fest steht: Alles war auf Israel, auf Jerusalem, gerichtet.
Hier im Deutschen Bundestag muß man klar und deutlich sagen: Wir müssen absolute Sicherheit haben, daß dies alles tatsächlich vernichtet wurde. Wir müssen alles tun, um die UNO-Delegation zu unterstützen, daß dies sichergestellt ist. Zudem kann auf absehbare Zeit nun wirklich nicht von einer Aufhebung der Sanktionen die Rede sein.
Es muß glasklar sein: Wer so lügt, trägt leider die Verantwortung dafür, daß das irakische Volk, vor allem aber die Kinder, unter diesen schrecklichen Dingen zu leiden haben. Das ist das, was mich bedrückt.
Noch ein Wort zur Türkei, weil ich mir auch da Sorgen mache. Sie ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor in dieser Region. Wir haben der Türkei in der Vergangenheit auf dem Weg nach Europa sehr geholfen und werden es auch als Partner und Freund weiter tun, und zwar nicht nur wegen der großen geostrategischen und politischen Bedeutung auch zur islamischen Welt.
Die Zollunion muß kommen. Wir haben uns nicht umsonst in unserer Präsidentschaft so dafür eingesetzt. Die Türkei hat mit den Ansätzen zur Verfassungsreform, mit den Ansätzen vom 23. Juli ihren guten Willen gezeigt. Das sollte auch honoriert werden. Aber, wenn wir der Türkei helfen wollen, müssen wir mit ihr auch als Partner und Freund deutlich und klar reden können. Dann muß die türkische Regierung die Frage der inhaftierten kurdischen Abgeordneten endlich rechtsstaatlich lösen. Dann muß sie in der Kurdenfrage aufhören, immer nur die militärische Lösung zu befürworten. Sie muß versuchen, mit rechtsstaatlichen Methoden damit fertigzuwerden, so schwer es auch ist.
Sie muß natürlich auch in der Menschenrechtsfrage Fortschritte zeigen.
Ich möchte aber auch all denen, die in dieser Frage eine übergroße Härte propagieren und Ungeduld an den Tag legen, eines ans Herz legen. Es wäre fatal, wenn wir die Türkei von Europa wegtrieben, wenn wir sie ausgrenzten. Wir sollten sie nicht den Extremisten überlassen. Die fundamentalistische Gefahr ist groß. Bei allen Schwierigkeiten in Deutschland müssen und werden wir der Türkei ein verläßlicher Freund bleiben. Noch etwas: Wenn wir immer kriti-
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Bieren, dann müssen wir auch darauf hinweisen und beschämt zur Kenntnis nehmen, daß in letzter Zeit, wenn ich richtig unterrichtet bin, wieder 120 türkische Einrichtungen in der Bundesrepublik auf eine nicht vertretbare Art und Weise geschädigt, zum Teil zerstört worden sind. Das ist nicht hinnehmbar. Wir müssen das deutlich und klar sagen.
Aber wir müssen diejenigen, die hier Gastrecht genießen und die angesehene Mitbürger sind, darauf hinweisen, daß hier die inneren Streitigkeiten, insbesondere der militanten Kurden, nicht ausgetragen werden dürfen und daß wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln auch dagegen vorgehen.