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ID1305104300

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    Plenarprotokoll 13/51 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Inhalt: Begrüßung des Erzbischofs von Kapstadt, Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sowie des Abgeordneten Jan Nico Scholten (Niederlande) . . . . . . 4240 B Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . 4217 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 4226 C Peter Dreßen SPD 4231 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4235 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 4240 B Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . 4246 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 4249 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . . 4260 A, 4340 B Günter Verheugen SPD . . . . . . . . 4260 C Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) 4266 A Thomas Krüger SPD 4268 A Dr. Christa Luft PDS 4269 B Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4271 A, 4278 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 4272 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 4278 C Andrea Lederer PDS 4279 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 4281 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . 4283 C, 4289 B Jürgen Koppelin F.D.P 4285 A Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 4286 C Freimut Duve SPD 4288 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 4289 C Norbert Gansel SPD 4291 B Walter Kolbow SPD 4292 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . 4295 D Dietrich Austermann CDU/CSU . 4296 A, 4299 B Walter Kolbow SPD 4297 A Paul Breuer CDU/CSU 4297 D Manfred Opel SPD 4298 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 4299 C Dr. Ingomar Hauchler SPD 4300 D Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . 4301 D, 4304 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4303 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . 4304 C Roland Kohn F.D.P. 4305 A Dr. Ingomar Hauchler SPD . . . 4305C, 4308 B Dr. Willibald Jacob PDS 4306 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . 4307 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 4309 B Otto Schily SPD . . . . . . . . . . 4312 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4316A Ina Albowitz F.D.P. 4318 A Ulla Jelpke PDS 4320 C Horst Eylmann CDU/CSU 4322 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4322 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . 4323 B Fritz Rudolf Körper SPD . . . . . . 4326 A Heinz Dieter Eßmann CDU/CSU . 4327 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . 4329 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4331 C Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 4332 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 4335 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . 4336 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 4337 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 4339 A Manfred Kolbe CDU/CSU 4341 B Nächste Sitzung 4342 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4343* A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 4217 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 6. 9. 95 Andres, Gerd SPD 6. 9. 95 Behrendt, Wolfgang SPD 6. 9. 95 * Blunck, Lilo SPD 6. 9. 95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 6. 9. 95 Frick, Gisela F.D.P. 6. 9. 95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 6. 9. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 6. 9. 95 Jelena Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 6. 9. 95 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Knake-Werner, PDS 6. 9. 95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 6. 9. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 6. 9. 95 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 6. 9. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lenzer, Christian CDU/CSU 6. 9. 95 Lotz, Erika SPD 6. 9. 95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lüth, Heidemarie PDS 6. 9. 95 Neuhäuser, Rosel PDS 6. 9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 6. 9. 95 Hermann Schätzle, Ortrun CDU/CSU 6. 9. 95 Schenk, Christa PDS 6. 9. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 6.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 6. 9. 95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 6. 9. 95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 6. 9. 95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 6. 9. 95 Simm, Erika SPD 6. 9. 95 Dr. Solms, F.D.P. 6. 9. 95 Hermann Otto Thieser, Dietmar SPD 6. 9. 95 Thönnes, Franz SPD 6. 9. 95 Tippach, Steffen PDS 6. 9. 95 Tröscher, Adelheid SPD 6. 9. 95 Vosen, Josef SPD 6. 9. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 6.9.95 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 6. 9. 95 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Kinkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, bitte nicht. Ich spreche mit Herrn Fischer, wenn er kommt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Ich nehme ihm persönlich ab, daß er sich mit seiner Entscheidung schwertut, und ich nehme ihm auch ab, daß er wirklich prüft und nachdenkt, was die richtige Haltung ist. Aber das, was er in der entscheidenden Debatte das letzte Mal gesagt hat, hat mit dem, was er jetzt in seinem Papier veröffentlicht hat, und mit den Pirouetten, die er dreht, insofern nichts zu tun, als ich sagen muß: Reden ist gar nichts; er muß seine Haltung ändern, und er muß mit uns handeln. Das ist das Entscheidende.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir sollten uns gegenseitig nicht absprechen, daß wir in einer so schwierigen Frage, wo wir verschiedener Meinung sind, auch das Recht haben, verschiedener Meinung zu sein. Aber wir sollten nach außen nicht etwas sagen, was uns in unserer Bündnisfähigkeit belastet - ich habe Grund, das zu sagen - oder was unsere Soldaten verunsichert und dazu führen könnte, daß sie denken, es könnte sich um einen vom Deutschen Bundestag und der Bundesregierung eventuell nicht abgesicherten Einsatz handeln. Ich sage das ganz vorsichtig, mache auch keine Vorwürfe, aber wir sollten uns sehr genau überlegen, in welcher Richtung wir uns äußern.
    Bevor es losging, war ich in Lechfeld bei den Piloten. Ich habe sie jetzt mit dem italienischen Außenminister in Piacenza besucht. Alle Achtung vor diesen Soldaten, auch vor denen, die in Split sind! Kollege Rühe war auch an beiden Orten. Ich danke unseren Soldaten in Split und Piacenza von ganzem Herzen für ihren Einsatz und das, was sie für die Völkergemeinschaft tun, nicht nur für Deutschland.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, daß UNO und NATO auf das Blutbad auf dem Marktplatz von Sarajevo richtig reagiert haben. Die Reaktion war notwendig, sie war angemessen. Wir haben uns das alle nicht leicht gemacht und lange gemeinsam darüber nachgedacht. Diese Festigkeit hat im übrigen den Chancen für einen Verhandlungsfrieden genützt.
    Ich sage ganz vorsichtig, weil ich in den letzten Jahren auch persönlich zu oft enttäuscht worden bin: Ich sehe ein gewisses Licht am Ende des Tunnels.
    Das hat das Kontaktgruppentreffen auf dem Petersberg am vergangenen Samstag gezeigt. Die veränderte militärische Lage hat hoffentlich auch für eine politische Lösung ein neues Momentum geschaffen. Washingtons Initiative hat davon profitiert. Wir unterstützen sie.
    Aber wir dürfen uns alle gemeinsam nicht täuschen: Wir stehen erst am Anfang eines sehr, sehr mühevollen Weges. Ich warne vor Euphorie. Dieser Weg beginnt am Freitag in Genf mit dem ersten direkten Treffen der Außenminister Kroatiens, Bosniens und Serbien-Montenegros. Daß Belgrad in den Verhandlungen bei einer 3 :3-Beteiligung von Pale plus Belgrad sozusagen das Letztentscheidungsrecht hat, ist ein ganz wichtiger Punkt, weil der Schlüssel zu einer politischen Lösung eher bei Milosevic liegt.
    Die Bundesregierung begrüßt die neue US-Initiative. Sie entspricht in ihrem Kern dem Plan der Kontaktgruppe, der maßgeblich - das dürfen wir noch mal sagen, weil das manchmal untergeht - auf der Juppé/Kinkel-Initiative beruht. Wichtig ist, daß Kroatien einbezogen ist und daß es zu der 3 + 5-Formel kommt.
    Unsere Haltung zu dem, was in der Substanz herauskommen muß, ist klar:
    Erstens. Es darf nicht an der territorialen Integritat Bosnien-Herzegowinas gerüttelt werden.

    (Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Das wollen wir mal sehen!)

    Zweitens. Es mag kleinere Korrekturen am Kontaktgruppenplan geben, der mit dem Aufteilungsverhältnis von 51:49 Basis der Verhandlungen sein wird. Aber diese Abweichungen dürfen nur dann beschlossen und in die Wirklichkeit umgesetzt werden, wenn alle drei Konfliktparteien zugestimmt haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Drittens. Ich sage mit besonderem Nachdruck: Es darf und wird keine Lösung ohne die Zustimmung der mit weitem Abstand schwächsten Konfliktpartei, der Bosniaken, der Moslems, geben. Was kommt, darf nicht auf dem Rücken dieses Volkes, das in den letzten Jahren am meisten gelitten hat, ausgetragen werden. Das muß unsere ganz klare und unverrückbare Haltung sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn die Waffen schweigen - wir wünschen uns, daß das bald der Fall ist -, wird es um die Frage gehen - Silajdzic hat es letzte Woche hier angesprochen -, wie es mit dem Wiederaufbau geht. Wir werden helfen. Wir werden insbesondere Bosnien-Herzegowina, das leider im Augenblick nur noch eine Bevölkerung von etwas über 2 Millionen Menschen hat, mit einer Art Marshallplan helfen müssen.
    Ich füge hinzu: Wer heute den Weg der Gewalt einem Kompromiß für den Frieden vorzieht, sollte nicht darauf hoffen, später dafür prämiert zu werden. Das muß klar sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Aber ich füge auch hinzu - und ich weiß, daß das draußen gehört, erwartet und auch verstanden wird - Deutschland war in diesem Konflikt immer nur Partei gegen Aggression und Gewalt, nie Partei gegen das serbische Volk.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der PDS)

    Das ist ganz wichtig.
    Deshalb sage ich den Verantwortlichen in Pale und Belgrad: Sie müssen wissen, was Sie selber Ihrem eigenen Volk bisher angetan haben und noch antun können, wenn Sie sich jetzt nicht ohne Bedingungen dem Kontaktgruppenplan und dem Frieden am Verhandlungstisch und nicht auf dem militärischen Feld anschließen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Noch etwas, was leider Gottes in sehr starkem Maße vergessen worden ist: Ganz wichtig ist, daß es gegenüber den islamischen Völkern keine Entfremdung gibt, auch im Kontext des Bosnien-Jugoslawien-Konflikts.
    Letzte Woche hat auf meine Anregung hin ein Treffen der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe erstmals mit der Kontaktgruppe der OIC, der Internationalen Islamischen Weltkonferenz, stattgefunden. Ich werde morgen an einem Treffen auf Ministerebene in Paris teilnehmen, das mit den acht islamischen OIC-Ländern, die in diesem Zusammenhang federführend sind, erstmals abgehalten wird. Auf meinen Vorschlag hin wird während der UNO-Woche ein weiteres Treffen dieser Art stattfinden.
    Ich habe für Mitte November die Außenminister von Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien, Iran, Tunesien und der Türkei zu einem Islam-Kolloquium, zu einem Forum hierher nach Bonn eingeladen,

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    um der islamischen Welt, die immerhin 26 % der Weltbevölkerung gleich 1,6 Milliarden Menschen umfaßt, das Gefühl zu geben, daß jedenfalls wir in Deutschland nicht dazu beitragen wollen, die islamische Religion prinzipiell mit Terrorismus und Fundamentalismus gleichzusetzen, und daß wir jedenfalls nicht dazu beitragen werden, daß hier neue, absolut falsche Feindbilder aufgebaut werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Zum früheren Jugoslawien und zu dem Gesamtkonflikt gehört auch Makedonien. Ich habe mich im stillen - ich bin ein bißchen stolz darauf - in zahlreichen Gesprächen mit Präsident Gligorow und auch mit der griechischen Seite darum bemüht, bei dieser - milde ausgedrückt - unglückseligen Verkrampfung mit einem Sechspunkteplan voranzukommen, die sich zwischen Griechenland und Makedonien aufgetan hat. Gligorow hat mich gestern morgen angerufen und mir erklärt: Sie sind durch.
    Ich habe zu dieser Lösung einen nicht unwesentlichen Teil beigetragen. Ich bin froh darüber, weil die Makedonien-Frage immer wieder vergessen wird, wenn über das frühere Jugoslawien gesprochen wird.
    Wir müssen wissen, daß dieses Land aus zweifachen Gründen ganz besonders belastet ist: einmal wegen des griechischen Embargos im Wirtschaftsbereich und zum anderen wegen der Embargomaßnahmen gegen Belgrad. Makedonien hatte doppelt zu leiden.
    Die Makedonier haben es nun verdient, daß wir ihnen als Europäer und bilateral helfen, wenn diese Entkrampfung stattgefunden hat. Ich bin nach dem, was ich gehört habe, sicher: Sie wird nach den Gesprächen, die jetzt unter der Federführung von Herrn Vance in New York stattfinden, kommen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ein Punkt, der uns alle bedrücken muß - ich weiß, daß wir uns da einig sind -, sind die Flüchtlingsströme. Im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Krajina habe ich bis eine Stunde vor der Entscheidung der Regierung in Zagreb versucht zu warnen, bisher ohne Erfolg.
    Was anschließend mit rund 120 000 Flüchtlingen geschehen ist, ist schlimm. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, daß dort über 200 000 Kroaten auf grausame Art und Weise vertrieben worden sind.
    Das ändert aber nichts daran: Die betroffenen Menschen können nichts dafür. Wir müssen uns um die Flüchtlingsströme kümmern. Wir tun das, und zwar ohne Ansehen der Konfliktpartei. Es ist absolut selbstverständlich, daß wir uns genauso für die serbischen Flüchtlinge einsetzen. Ich sage noch einmal: Die betroffenen Menschen können nichts dafür.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Duve?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Kinkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, ich möchte jetzt bitte zum Ende kommen. Herr Duve weiß, daß ich sonst selbstverständlich jederzeit zur Verfügung stehe.
    Wir müssen die Menschenrechte und die Minderheiten schützen. Ich habe mich ganz massiv an Herrn Granic gewandt - ich habe das ja auch veröffentlicht - und gesagt: Kroatien muß sich daran messen lassen, wie es mit Minderheiten und mit Menschenrechten umgeht. Kroatien muß sich jetzt in besonderer Weise daran messen lassen, wie es sich bemüht, den Serben zumindest anzubieten, in die Krajina zurückzukommen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)

    Ich hoffe, daß das geschieht.

    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Lassen Sie mich noch eines hinzufügen, weil immer wieder die Frage danach gestellt wird: Natürlich wird trotz all der Belastungen, die wir bisher mit Flüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien hatten, die deutsche Tür offenbleiben, wenn Menschen, die in Elend und Not sind, anklopfen. Das kann überhaupt nicht in Frage stehen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Natürlich müssen wir ihnen, soweit es irgendwie geht, vor Ort helfen. Wir müssen Ihnen ebenfalls im europäischen Rahmen helfen. Ich werde am Wochenende in Santander, wo sich die europäischen Außenminister treffen, darauf hinweisen.
    Noch etwas: Wir haben nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. Nachdem ich in Sarajevo war - das habe ich Ihnen vorgetragen -, haben wir für das Kosovo-Krankenhaus, das dort wichtigste und mit 2 000 Betten größte Krankenhaus, die Patenschaft übernommen. Wir haben gerade noch rechtzeitig eine Neurochirurgie eingerichtet. Ich habe fünf Ärzte in Marsch gesetzt, die dort seit gestern mitoperieren und den völlig überlasteten Chirurgen und Anästhesisten helfen. Zudem haben wir im Namen der Bundesregierung einen Medizinhilfstransport auf den Weg gebracht, von dem ich hoffe, daß er morgen ankommt. Das heißt: Wir reden nicht nur, sondern helfen den Hauptbetroffenen vor Ort.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz auf Europa zurückkommen: Die Regierungskonferenz 1996 wird nicht die letzte, aber doch eine ganz wichtige Etappe der europäischen Einigung sein. Das Wichtigste dabei bleibt, daß das europäische Haus nicht an den Wünschen seiner Bewohner vorbeikonstruiert wird und der Zusammenschluß Europas nicht anderswo neue Gräben aufreißt.
    Sicherheit in Europa heißt zunehmend auch Sicherheit durch Kooperation, durch Vernetzung der Interessen. Zentrales Anliegen der Bundesregierung ist die Prävention; aber diese hat natürlich ihre Grenzen. Ich werde nachher, wenn ich noch kurz etwas zu meiner letzten Reise nach Tansania, Burundi und Ruanda sage - in meiner Delegation waren Abgeordnete aus allen Fraktionen des Deutschen Bundestages -, darauf zurückkommen.
    Nun ein Punkt, der Sie alle genauso wie mich betroffen machen muß. Vorgestern war der UNO-Beauftragte Ekeus, der den Auftrag hat, die Situation im Irak zu überwachen, bei mir. Ich kann Ihnen nur sagen: Da ist Konfliktprävention wahrhaftig notwendig. Was er mir auf Grund seiner gerade abgeschlossenen Reise in den Irak und nach Amman, wo er den geflüchteten Schwiegersohn von Saddam Hussein getroffen hat, gesagt hat, ist nicht nur besorgniserregend, sondern schlimmer.
    Die irakische Regierung hat uns jahrelang systematisch belogen.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!) Es hat sich jetzt herausgestellt


    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    - nein, wir sind auf keiner falschen Fährte gewesen -: Bagdad hatte bis in das Jahr 1991 durch die bisher zugegebene Abfüllung von 25 Skud-Raketenköpfen, die über 500 Bomben und ca. 170 Artilleriegeschossen die Fähigkeit zu einer umfassenden biologischen Kriegsführung. Dies alles wurde angeblich nach dem Golfkrieg auf Befehl Saddam Husseins zerstört. - Bis zum Frühjahr 1991 gab es durchaus realistische Bemühungen, den ersten Kernsprengsatz zu entwickeln. Es gab eine erfolgreiche Eigenentwicklung von Prototypen eines weitreichenden Raketenmotors auf der Skud-Basis und eine teilweise Fortführung der Geheimprojekte auch nach dem Golfkrieg. Fest steht: Alles war auf Israel, auf Jerusalem, gerichtet.
    Hier im Deutschen Bundestag muß man klar und deutlich sagen: Wir müssen absolute Sicherheit haben, daß dies alles tatsächlich vernichtet wurde. Wir müssen alles tun, um die UNO-Delegation zu unterstützen, daß dies sichergestellt ist. Zudem kann auf absehbare Zeit nun wirklich nicht von einer Aufhebung der Sanktionen die Rede sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Es muß glasklar sein: Wer so lügt, trägt leider die Verantwortung dafür, daß das irakische Volk, vor allem aber die Kinder, unter diesen schrecklichen Dingen zu leiden haben. Das ist das, was mich bedrückt.
    Noch ein Wort zur Türkei, weil ich mir auch da Sorgen mache. Sie ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor in dieser Region. Wir haben der Türkei in der Vergangenheit auf dem Weg nach Europa sehr geholfen und werden es auch als Partner und Freund weiter tun, und zwar nicht nur wegen der großen geostrategischen und politischen Bedeutung auch zur islamischen Welt.
    Die Zollunion muß kommen. Wir haben uns nicht umsonst in unserer Präsidentschaft so dafür eingesetzt. Die Türkei hat mit den Ansätzen zur Verfassungsreform, mit den Ansätzen vom 23. Juli ihren guten Willen gezeigt. Das sollte auch honoriert werden. Aber, wenn wir der Türkei helfen wollen, müssen wir mit ihr auch als Partner und Freund deutlich und klar reden können. Dann muß die türkische Regierung die Frage der inhaftierten kurdischen Abgeordneten endlich rechtsstaatlich lösen. Dann muß sie in der Kurdenfrage aufhören, immer nur die militärische Lösung zu befürworten. Sie muß versuchen, mit rechtsstaatlichen Methoden damit fertigzuwerden, so schwer es auch ist.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie muß natürlich auch in der Menschenrechtsfrage Fortschritte zeigen.
    Ich möchte aber auch all denen, die in dieser Frage eine übergroße Härte propagieren und Ungeduld an den Tag legen, eines ans Herz legen. Es wäre fatal, wenn wir die Türkei von Europa wegtrieben, wenn wir sie ausgrenzten. Wir sollten sie nicht den Extremisten überlassen. Die fundamentalistische Gefahr ist groß. Bei allen Schwierigkeiten in Deutschland müssen und werden wir der Türkei ein verläßlicher Freund bleiben. Noch etwas: Wenn wir immer kriti-

    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Bieren, dann müssen wir auch darauf hinweisen und beschämt zur Kenntnis nehmen, daß in letzter Zeit, wenn ich richtig unterrichtet bin, wieder 120 türkische Einrichtungen in der Bundesrepublik auf eine nicht vertretbare Art und Weise geschädigt, zum Teil zerstört worden sind. Das ist nicht hinnehmbar. Wir müssen das deutlich und klar sagen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Aber wir müssen diejenigen, die hier Gastrecht genießen und die angesehene Mitbürger sind, darauf hinweisen, daß hier die inneren Streitigkeiten, insbesondere der militanten Kurden, nicht ausgetragen werden dürfen und daß wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln auch dagegen vorgehen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)