Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tradition und Sinn der Generaldebatte bei der Einführung des jeweiligen Jahreshaushaltes ist, daß über alles geredet wird. Das haben wir heute schon kräftig begonnen, und das werden wir sicherlich in diesen Tagen fortsetzen.
Herr Kollege Scharping, ich bin jetzt in einer etwas schwierigen Lage. Spreche ich Sie freundlich an, dann bin ich gönnerhaft; spreche ich Sie nicht freundlich an, dann nutze ich die Lage aus. Ich will weder gönnerhaft sein noch die Lage ausnutzen. Ich will einfach feststellen: Sie haben heute eine schwierige Situation. Da auch ich solche Situationen schon hatte, habe ich ein gewisses Gefühl dafür. Das werden Sie jetzt wiederum als gönnerhaft auslegen, aber so ist es wirklich nicht gemeint.
Wahr ist es schon - auch wenn Sie sich empört haben -, was Wolfgang Schäuble hier gesagt hat. Das Bild, das Sie jetzt bieten, ist jämmerlich, und das wird man in dieser Situation ja noch feststellen dürfen.
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Wahr ist auch - ob Sie das nun akzeptieren oder nicht -, daß wir und vor allem ich gar keine Freude daran haben. Wissen Sie, viele Jahre haben Sie mir vorgehalten, ich würde die Probleme aussitzen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Sitzen Sie sie auch intelligent aus.
Dann kommen und gehen die Gestalten, und dann hat vielleicht auch der Kollege Fischer irgendwann wieder die Hoffnung - die er heute seiner Mimik nach offensichtlich sinken ließ -, daß er bei Ihnen irgendwann Vizekanzler werden kann.
Sie sollten, finde ich, jetzt auch nicht solche verfehlten Bilder entwerfen. Daß die Opposition die Regierung kritisiert, ist die normalste Sache der Welt. Wo kämen wir eigentlich hin, wenn die Opposition die Regierung auch noch loben würde? Das wäre wirklich zuviel verlangt!
- Nein, das besorge ich überhaupt nicht, Herr Verheugen. Aber weil Sie schon einen Zwischenruf machen: Sie müßten doch als jemand, der sich in der Außenpolitik engagiert und der als Bundesgeschäftsführer die Partei auch international vertritt, Ihrem Boß zumindest geraten haben, daß er wenigstens zwei Sätze zur Außenpolitik sagt.
Was glauben Sie denn, Herr Kollege Scharping, was Ihre Kollegen im Ausland - Sie sind doch Vorsitzender der Sozialisten in Europa - dazu sagen, daß Sie in dieser Situation kein Wort zu den drängenden Problemen Europas gesagt haben? Das ist doch eine Abdankung.
Sicherlich, meine Damen und Herren, macht die Bundesregierung - und ich natürlich auch - Fehler. Ich werde nachher hier einige selbst ansprechen. Aber wenn Sie hierherkommen und sagen, daß hier der Stillstand der deutschen Politik eingetreten ist und daß die Ignoranz das Land regiert, erwidere ich: Lieber Herr Scharping, Sie müssen doch mit Ihrer Rede wenigstens noch erreichen, daß eine Minderheit Ihrer Fraktion Ihren Thesen glaubt.
Sie glauben das doch selbst nicht. So können wir doch nicht miteinander umgehen. Daß Sie kritisieren, ist völlig in Ordnung. Aber das Bild von Deutschland, das Sie hier entworfen haben, hat doch mit der Wirklichkeit des Landes überhaupt nichts mehr zu tun.
Die internationalen Beobachter, übrigens auch die nationalen - daß Sie hier immer nur die gleichen Gazetten zitieren, bedeutet ja nur, daß sich Ihre Basis auch auf diesem Feld verengt und nicht verbreitert -,
wissen doch, daß wir im Rahmen unserer Möglichkeiten, ungeachtet der Fehler, die auch wir machen, versucht haben, einen guten Weg einzuschlagen. Die Bundesrepublik Deutschland steht im September des Jahres 1995 so da, wie wir es vor wenigen Jahren gemeinsam nicht zu träumen gewagt hätten. Das ist die Wahrheit, wenn Sie die internationale Situation betrachten.
Deswegen will ich, bevor ich zur eigentlichen Rede komme, noch ein paar Fragen, die Sie gestellt haben, aufgreifen.
Zunächst: Entweder wissen Sie es nicht, oder Sie behaupten es wider besseres Wissen: Alles, was Sie hier zur Lehrstellenfrage gesagt haben, ist schlicht falsch, um das klar und deutlich zu sagen. Wie ist die Situation?
- Sie müssen mir nicht sagen, wer davon eine Ahnung hat. Seit 1983, seit ich Bundeskanzler bin, gibt es wenige Bereiche in der deutschen Politik, in denen ich mich persönlich so engagiert habe wie in diesem Bereich.
Seit 1983 höre ich die gleichen Untergangsszenarien von Ihrer Seite, und Jahr für Jahr haben wir die Dinge in Ordnung gebracht. Daß das jetzt ein schwieriges Kapitel angesichts des Umbruchs in den neuen Ländern ist, weiß auch ich. Wer einigermaßen objektiv ist, hat aber allen Grund zur Dankbarkeit. Das ist doch nicht meine persönliche Leistung. Es ist die Leistung von vielen Betriebsinhabern, Mittelständlern, Handwerkern, von Betriebsräten und vielen, die in den Betrieben geholfen haben, daß derjenige, der es kann oder will, in Deutschland auch einen Ausbildungsplatz bekommt. Das ist doch ein Grund, dankbar zu sein, und darauf dürfen wir stolz sein.
Herr Scharping, wie ist nun die Lage, jetzt, an diesem Stichtag? Da möchte ich gleich noch ein Wort zum Thema „Stichtag" sagen. Das wissen doch auch Sie, daß unser System auf Grund der unterschiedlichen Abgangszeiten der Schulabgänger und der Einstellungszeiten in den Betrieben notwendigerweise
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dazu führt, daß man erst Anfang September endgültige Zahlen hat.
Das war zu allen Zeiten so. Das werden Sie auch nicht durch eine Gesetzgebung ändern können, es sei denn, Sie kommen auf Ihren alten sozialistischen Unsinn zurück, per Gesetz neue Abgaben einzuführen und die Handwerker weiter mit Abgaben zu belasten. Es gibt kein Zurück dorthin mit uns.
Die wirkliche Lage stellt sich wie folgt dar: In den alten Ländern gab es Ende August 85 000 unbesetzte Berufsausbildungsstellen und 75 000 Bewerber. Das heißt, wir haben einen Überhang von immerhin rund 10 000 Stellen. Das Problem ist aber nicht die hier genannte Zahl, sondern die regionale Unterschiedlichkeit. Sie war zu allen Zeiten gegeben; Sie werden sie auch nicht per Gesetz beseitigen können. Es gibt eben in der Bundesrepublik Regionen, in denen die Chance, einen Ausbildungsplatz zu finden, auf Grund der strukturellen Entwicklung viel geringer ist als in den Ballungsräumen. Aber trotzdem ist es wichtig, jungen Leuten auf ihrem Weg zu helfen. Das haben wir all die Jahre über die Bundesanstalt für Arbeit getan; wir werden das auch in Zukunft tun.
In den neuen Ländern haben wir Jahr für Jahr geholfen. In diesem Jahr schaffen Bund und Länder 14 500 zusätzliche Ausbildungsplätze. Diese Zahl ist doch keine Erfindung der Bundesregierung; es handelt sich um die Zahl, die die Landesregierungen in den neuen Bundesländern genannt haben. Auch die Hetzparolen, die bestimmte Repräsentanten der SPD in Landesregierungen in Ostdeutschland - ich denke hier besonders an eine bestimmte Dame, die sich da immer hervortut -
verbreiten - es ist nichts anderes als eine Verhetzung junger Leute -, ändern nichts an der Tatsache, daß wir helfen.
Sie wissen doch so gut wie ich, daß angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage, der Zerstörung des Mittelstandes durch die kommunistische Diktatur in 40 Jahren, beispielsweise im Handwerksbereich, neue Strukturen erst aufgebaut werden müssen. Wenn die Handwerksbetriebe noch nicht da sind, können sie noch keine Lehrlinge einstellen. Das ist doch eine ganz logische Folge. Das sollten Sie einmal sagen, statt in dieser Weise Miesmacherei zu betreiben.
Bei allem Ärger gegenüber dem Verhalten mancher deutscher Großbetriebe in Sachen Lehrstellenangebot in diesem Jahr, den ich mit Ihnen, Herr Scharping, teile - manche könnten hier wesentlich mehr tun -: Es ist wahr, daß wir Grund haben, andere lobend zu erwähnen und ihnen zu danken. Wahr ist auch, daß wir jetzt 60 000 zusätzliche betriebliche
Stellen in den alten Ländern anbieten. Das sind 13 000 mehr als im letzten Jahr. Das heißt doch: Die Wirtschaft hat - wenn auch nicht in jedem Fall - im großen und ganzen alles getan, um Zusagen einzuhalten.
In den neuen Ländern wurden rund 31 000 zusätzliche betriebliche Stellen angeboten; das sind 5 500 mehr als vor einem Jahr. Diese Zahlen bezeugen übrigens auch, daß es in den neuen Ländern aufwärtsgeht. Sonst wären diese Lehrstellen gar nicht möglich gewesen.
Eines hat mich besonders verwundert; offensichtlich denken Sie, daß andere keine Zeitung lesen und an der Wirklichkeit des Landes überhaupt nicht teilhaben: Sie haben mit großer Intensität den Solidaritätszuschlag angesprochen. Zunächst einmal gilt das, was wir in der Koalition abgesprochen haben, nicht mehr und nicht weniger.
- Sie werden ja noch lesen können. Aber jetzt hören Sie zu, dann haben Sie es wenigstens einmal gehört:
Da der Solidaritätszuschlag zur Finanzierung des Transfers des Bundes für die neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs dient, muß er bei Rückführung dieser Belastungen oder bei einem dauerhaft stärkeren Anstieg der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag gegenüber den Annahmen des Finanzplans entsprechend zurückgeführt werden. Die Bundesregierung wird die Höhe der Belastung im Finanzausgleich gemeinsam mit den Bundesländern überprüfen und entsprechende Rückführungsmöglichkeiten jährlich feststellen.
Das ist eine korrekte Auskunft. Sie können in dieser Stunde von niemandem erwarten, das er darüber hinaus sagt: Genau an diesem oder jenem Tag wird der Solidaritätszuschlag abgeschafft. Da ich vorhin von Fehlern gesprochen habe, füge ich hinzu: Den Fehler des Jahres 1991 wiederhole ich nicht.
Wir bleiben bei dieser Feststellung.
Da Sie als Parteivorsitzender auch für Ihre Partei in den einzelnen Bundesländern zuständig sind - im Gegensatz zu dem Zwischenrufer, den wir da vorhin hörten -, wissen Sie, daß diese Formel die einzig vernünftige Formel ist, um auch mit den Bundesländern einig zu werden.
Sie waren doch in Rheinland-Pfalz Ministerpräsident. Ihr Nachfolger ist doch dabei, sich im Wahlkampf zu üben. Daß er ausgerechnet mir das Kompliment gemacht hat, mich könne keiner schlagen, hat mich schon erstaunt.
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Das sind Entwicklungen in der SPD, die ich vor kurzer Zeit noch für unmöglich gehalten hätte.
Aber, Herr Kollege Scharping, damit das ganz klar ist: Diese Festlegung beinhaltet, daß diese Steuer keine Dauersteuer sein darf
und daß dabei aber das Interesse der neuen Bundesländer natürlich beachtet werden muß. Ich hätte von Ihnen eigentlich erwartet, daß Sie sich klar distanzieren von der Politik, die Sie draußen im Land betreiben. Sie haben die Landtagswahl in Hessen im Februar ganz wesentlich dazu benutzt, den Leuten zu verkünden, Sie würden dafür eintreten, den Solidaritätszuschlag so schnell wie möglich abzuschaffen.
Das war schlicht und einfach gelogen.
- Ich habe keinen Redetext von ihm, aber ich sage das zum Parteivorsitzenden. Frau Fuchs, Sie waren lange genug in der Parteiführung, um zu wissen, daß er sich das anrechnen lassen muß. Sie rechnen mir doch auch alles an.
Also: Sie haben diesen Wahlkampf geführt mit der Wahllüge, daß Sie den Solidaritätszuschlag abschaffen wollen.
Herr Eichel hat gesagt, schnell solle es passieren und von unten nach oben. Anschließend gehen Sie in die neuen Länder - es sitzen genug Vertreter von dort aus Ihren Reihen hier; Herr Thierse kann sich dazu ja einmal äußern - und verkünden dort: Die im Westen, die in der Bundesregierung tun nicht genug für uns. Das ist eine infame Vorstellung von Politik.
Deswegen, finde ich, sollten wir uns wenigstens heute darüber im klaren sein - Sie mögen eine andere Position beziehen -: Mit Verantwortungsbewußtsein kann niemand in dieser Frage anders entscheiden, als wir es im Text der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben.
- Die Freien Demokraten sind der Meinung, daß das noch schneller geht. Die haben die gleiche Freiheit, ihre Meinung zu sagen, wie Sie. Da ich aber 1991 auch auf freidemokratischen Rat hin etwas Falsches
gemacht habe, horche ich jetzt ganz genau hin - um das einmal ganz klar und deutlich zu sagen.
Sie sehen: Mein alter Freund Otto Graf Lambsdorff freut sich über diese späte Nichtanerkennung.
Meine Damen und Herren, ich muß das noch einmal sagen - Wolfgang Schäuble war in dem Punkt zu schonend; Sie verdienen aber wirklich, daß man das sagt -: Sie haben hier ein Szenario über die Zukunft der Industriegesellschaft in Deutschland entwickelt und haben jede Diskussion totgeschlagen, weil ja alles angeblich sozialer Kahlschlag, sozialer Abbau usw. sei.
Ich zitiere jetzt niemanden, von denen, die Sie die ganze Zeit über behelligen. Auch glaube ich, daß die Zeit über diese Leute hinweggehen wird. Wissen Sie: Wer Bundeskanzler werden will - ich habe es der Fraktion gesagt -, aber selbst den Einzelhandel in der Innenstadt von Hannover vor Barbaren nicht schützen kann, der hat sein Spiel schon gemacht, und der hat es schon verloren.
Herr Scharping, da ich weiß, daß Sie und die Mehrheit der Fraktion der SPD genauso denken, nehme ich den Nichtbeifall als Zustimmung.
Folgendes sollte Sie aber nachdenklich stimmen: Wenn wir in diesem Herbst - Wolfgang Schäuble, Herr Gerhardt und andere haben es heute, Theo Waigel hat es gestern schon gesagt - wichtige Detailfragen in Angriff nehmen werden, wie wir den Standort Deutschland und die soziale Symmetrie sichern, muß es doch möglich sein, ein vernünftiges Gespräch zu führen, ohne von vornherein ins Abseits gedrängt zu werden.
Sie sollten einfach einmal nüchtern nachlesen, was Herr Spöri - das ist keiner, der im Moment die Kanzlerkandidatur oder den Parteivorsitz anstrebt, sondern einer, der eine Wahl gewinnen will - geschrieben hat.
- Frau Kollegin Fuchs, Sie kennen die Situation besser.
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Seit 1983 hatte ich es mit sechs Söhnen und Enkeln zu tun.
Es gibt mittlerweile noch einen in Hannover. Nun bringen Sie schon wieder den nächsten. Das wird ja eine zweistellige Zahl.
Was zuviel ist, ist zuviel.
Ich hoffe nicht, daß ich dem Mann jetzt schade; denn es ist sehr vernünftig, was er sagt. Sie haben Herrn Spöri in Baden-Württemberg doch nicht ohne Grund zum Spitzenkandidaten ausgerufen.
Sie müssen dem Mann doch etwas zutrauen, sonst könnte er doch kein Spitzenkandidat sein.
Herr Spöri hat geschrieben:
Die SPD hat aus den Folgen des radikalen wirtschaftlichen Wandels, der Globalisierung von Arbeitszeiten und Produktion nicht die entscheidenden Folgerungen gezogen.
Weiter heißt es in diesem Text:
Wird die Diskussion ... weitgehend darauf reduziert und werden nicht Kostenfragen des Standorts Deutschland in allen Aspekten schonungslos diskutiert, dann werden wir in der internationalen Konkurrenz um Arbeitsplätze scheitern.
Schließlich sagt er:
Wenn wir Einkommens-, Wohlstands- und Arbeitsplatzverluste vermeiden wollen, ist eine neue Strategie mit umfassender Nutzung von Flexibilisierungsmöglichkeiten im Bereich der Arbeitsorganisation sowie einer konkurrenzfähigen Unternehmensbesteuerung und einer Senkung der Lohnnebenkosten durch Strukturreformen des Sozialsystems dringend notwendig.
Was sagen wir eigentlich anderes? Ist das Sozialabbau? Wir sagen doch genau das gleiche, nämlich daß die Dinge auf den Prüfstand müssen.
Bloß weil wir es sagen, muß es falsch sein? Das ist keine Politik, das ist Engstirnigkeit.
Es ist unübersehbar, die deutsche Wirtschaft ist im Aufwind. Das Tempo hat sich zwar wegen Wechselkursverschiebungen und mancher Tarifabschlüsse verlangsamt. Aber es gibt nicht den geringsten Grund, die Konjunktur kaputtzureden, wie das manche Auguren versuchen. Es ist ganz eindeutig, daß die Investitionen trotz der soeben genannten Schwierigkeiten an Schwung gewinnen.
Die jüngste Leitzinssenkung der Bundesbank wirkt sich positiv auf Investitionen und Nachfrage aus. Ich glaube auch jenen, die heute prognostizieren, daß der private Konsum in der vor uns liegenden Zeit wieder einen Auftrieb erhält. Die Steuerentlastungen werden sich 1996 bemerkbar machen. Die lebhafte Weltkonjunktur wirkt sich ebenfalls aus.
Wenn Theo Waigel gestern das Gutachten der OECD und des IWF zitieren konnte, dann ist das doch ein Grund zu Freude. Wenn ich vor fünf Jahren an diesem Pult gestanden und gesagt hätte - ich hätte aber nicht riskiert, das zu sagen -, daß wir nach fünf Jahren von völlig seriösen, unabhängigen Stellen ein solches Testat bekommen, dann hätte es mir niemand geglaubt. Aber so ist es doch gekommen. Das ist der Erfolg einer Regierung, die kontinuierlich solide gearbeitet hat.
Wenn ich das sage, ist das überhaupt keine Entwarnung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.
Der jetzige Zustand ist absolut nicht akzeptabel, und wir müssen deswegen alles tun - lesen Sie das, was Herr Spöri Ihnen geraten hat -, um Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland zu ermöglichen.
Für mich ist die Frage der Arbeitslosigkeit keine technische Frage, sondern sie betrifft das Schicksal von vielen Menschen. Herr Scharping, Sie haben an einem Punkt recht: Ich habe nie eine positive Entwicklung darin gesehen und habe es nur mit innerem Sträuben erduldet, daß man 55-, 56- und 57jährige als zu alt nach Hause schickt.
Wir haben hervorragende Daten im ersten Halbjahr bei der deutschen Großchemie. Aber wenn Sie durch die drei Großbetriebe gehen, werden Sie sich schwertun, dort Leute zu finden, die 58 Jahre alt sind.
Bei der Demographie und der Mentalität der Deutschen halte ich das nicht für eine gute Entwicklung. Deshalb muß man auch darüber reden.
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Aber das ist doch auch im Gefolge von Tarifverträgen geschehen.
Jetzt sind wir wieder bei diesem Thema. Deswegen ist es doch nicht falsch, wenn man auch bei allem Respekt vor der Tarifautonomie einmal sagt: In diesem Tarif werden Dinge entschieden, die für die Gesamtlage des Landes von enormer, auch negativer Bedeutung sein können.
Das Ziel ist völlig klar: Wir haben jetzt noch fünf Jahre bis zur Jahrhundertwende, und wir treten, wenn wir die internationale Situation betrachten, immer deutlicher in dramatische Entwicklungen ein. Deswegen müssen wir jetzt - das hat etwas mit den Bäumen und dem Förster, den Sie zitiert haben, zu tun - Weichen für die Beschäftigung in der Zukunft stellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken.
Wenn ich das will, dann muß ich bei Steuerfragen vernünftig darüber reden können und darf dabei nicht wieder die alten Ladenhüter - „es geht den Reichen zu gut" - hervorziehen. Wenn wir in der Lage sein wollen, Zukunft zu gestalten, dann müssen wir auch fähig sein, Dinge auf den Prüfstand zu stellen und darüber zu diskutieren. Beim Entscheiden können wir ja auseinandergehen, aber es muß doch zumindest möglich sein, in der Sache ein Gespräch zu führen.
Natürlich haben wir Terrain verloren. Ich betreibe jetzt gar keine Nachlese, wer da jeweils schuld war. Ich glaube nicht, daß irgendeine Partei - ich sage das auch an meine eigene Adresse - von sich sagen kann, daß sie daran völlig unschuldig ist. Es war der Stil unserer Republik in diesen Jahren, zu lange zu glauben, es gehe automatisch so weiter, und wir würden immer besser leben können und immer weniger leisten müssen. Wir stehen jetzt am Scheideweg. Ich plädiere leidenschaftlich dafür, daß wir in den nächsten Monaten, in den nächsten zwei Jahren die notwendigen Entscheidungen diskutieren und treffen und uns nicht gegenseitig herabsetzen, wenn wir an diese Themen herangehen.
- Herr Fischer, Ihr Beifall erfreut mich deswegen nicht: Sie sind eines der Investitionshemmnisse in Deutschland.
Sie sind zwar, das gebe ich zu, auf einem interessanten Weg. Ob die Leute Ihnen folgen werden, ist eine andere Frage. Aber warum sollen Sie nicht dazulernen? Das muß jeder von uns. Jetzt sitzen Sie in der ersten Bank und wollen auf die Regierungsbank. Auf diesem Weg müssen Sie noch etwas leisten. Das ist eine ganz einfache Lebenserfahrung.
Aber reden wir von den Arbeitsplätzen. Es war eben bei dem Kollegen Gerhardt wieder spürbar, als er über Arbeitsplätze im Privathaushalt gesprochen hat: Sobald wir darüber reden, wie wir mehr Arbeitsplätze schaffen, fangen Sie sofort an dazwischenzuschreien. Frau Kollegin Fuchs, ich weiß von Ihnen, daß Sie in dieser Sache genauso denken wie ich. Setzen Sie sich in Ihrer Fraktion doch einmal durch, so daß diese Arbeitsplätze nicht mehr diskriminiert werden!
Nehmen wir den Bereich der Medien und Telekommunikation. Ich hätte die Privatisierung in diesen Bereichen viel lieber schneller vorangetrieben. Sie wissen so gut wie ich, Herr Scharping, was es für eine unendliche Mühe gekostet hat - viele von Ihnen haben geholfen, das will ich ausdrücklich erwähnen -, daß nicht altes gewerkschaftliches Denken auf die moderne Zeit übertragen wurde. Ich klage nicht darüber; wir haben unser Ziel ja erreicht.
Dies gilt auch für den Bereich der Umwelttechnologie.
Bei der Biotechnik, Herr Fischer, könnten wir viel weiter sein, wenn andere nicht gebremst hätten. Es nützt uns nichts, zurückzublicken und zu sagen: „Wenn ..." Vielmehr geht es mir darum, in dieser Legislaturperiode die notwendigen Entscheidungen, um den Standort Deutschland in der kommenden Zeit wettbewerbsfähig zu machen, durchzusetzen. Ich kann Sie nur einladen, das Notwendige dazu zu tun und vor allem zu helfen, daß die gesellschaftliche Akzeptanz dafür geschaffen wird.
Wer Leistungswillen in Deutschland immer noch diffamiert, wer nicht begreift, daß die Bereitschaft, etwas zu leisten, von der Gesellschaft nicht nur materiell, sondern auch immateriell honoriert werden muß, wer immer noch den Begriff der Elite - ich meine die Leistungselite und nicht die Elite von Geburt - diffamiert, der begräbt ein Stück Zukunft. Dies ist doch eine der geistigen Grundlagen für die zukünftige Entwicklung, über die wir zu reden haben.
Ein anderes Stichwort lautete wieder Abbau des Sozialstaats". Da schwingen Sie die große Keule. Es geht überhaupt nicht um einen Abbau. Es geht um einen Umbau.
- Sie hören ja gar nicht zu. Lesen Sie doch einmal nach, was Ihr Kollege Rappe in diesen Tagen seinem Gewerkschaftstag dazu gesagt hat!
Rappe ist doch ein mindestens so vertrauenswürdiger Sozialdemokrat wie Sie. Wenn es Leute wie ihn nicht gäbe, säßen eine Reihe von Leuten bei Ihnen gar nicht hier im Saal. Darüber müssen Sie sich doch im klaren sein.
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Wir wollen die materiellen und finanziellen Grundlagen des Sozialstaats sichern. Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Bereich klare Vorstellungen. Ich habe mich immer leidenschaftlich gegen die Etikettierung gewehrt, die gelegentlich auch aus der deutschen Wirtschaft kam. Es gab einen Zeitabschnitt, in dem man uns, vor allem mir, geraten hat, „Reagan Economics" zu betreiben. Wohin diese Politik geführt hat, weiß ich. Dann gab es wieder andere, die gemeint haben, Thatcherismus wäre das Richtige. Wohin das geführt hätte, weiß ich auch. Wir haben immer die Idee der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards vertreten.
Es sind zwei wichtige Begriffe und nicht bloße Worte: Marktwirtschaft und soziale Verantwortung. Das ist und bleibt unsere Politik. Sie muß in unserer Zeit - gegenüber Erhards Zeit haben sich die Dinge dramatisch verändert - durch den Begriff Umwelt/ Ökologie ergänzt werden.
Ökonomie und Ökologie gehören zusammen. Wirtschaftlicher Wohlstand, Erhalt und Sicherung der Schöpfung, das ist das Motto, von dem wir uns leiten lassen.
Wenn Sie das Thema „Umbau des Sozialstaates" betrachten, dann stellen Sie fest, daß die Schwerpunkte offenkundig sind. Der eine betrifft die Reform der Sozialhilfe. Reden Sie doch einmal mit irgendeinem SPD-Bürgermeister, SPD-Oberbürgermeister oder SPD-Landrat. Er sagt auf den Punkt genau das gleiche, was ich sage. Nur, Ihre Ideologie verbietet Ihnen, das hier zuzugeben.
Weitere Stichworte sind: Reform der Arbeitsförderung, flexibler und sozialverträglicher Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand sowie die überfällige Fortschreibung der Reform des Gesundheitswesens.
Aber, meine Damen und Herren, das nur Begriffe. Sie müssen immer wieder neu überdacht, überprüft und ausgefüllt werden. Wir werden das nicht mit mehr staatlichem Dirigismus tun können. Wir müssen mehr Handlungsfreiheit für die Bürger und Selbstverwaltung schaffen. Aber das heißt nicht nur Handlungsfreiheit, sondern auch eigene Verantwortung. Es kann nicht so sein, daß wir Eigenverantwortung vermehren und dort, wo die Dinge schiefgehen, immer nur der Staat einspringt. Auch das muß wieder klargestellt werden. Hilfe zur Selbsthilfe gehört in diesen Bereich. Ich könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen.
Wir sind dabei, das sozialrechtliche Regelwerk zu entrümpeln, transparenter zu machen und mehr Wettbewerb einzuführen. Der Anreiz zur Aufnahme von Erwerbsarbeit gehört dazu. In Deutschland gibt es jetzt 2,5 Millionen Sozialhilfeempfänger. Nach allen Schätzungen wissen wir, daß für ungefähr 500 000 von ihnen eine Beschäftigung durchaus zumutbar ist. Die Bürger fragen sich doch, warum die Arbeitsämter hier nicht eingreifen.
Die Arbeitsämter erteilen jedes Jahr in ca. 800 000 Fällen eine Arbeitserlaubnis an Nicht-EU-Ausländer. Das wird mit der Begründung getan, es gebe keine deutschen Arbeitskräfte. Wenn das so ist und wenn der Deutsche Städtetag - Herr Kollege Scharping, keine Institution der Christlich Demokratischen Union oder der Christlich Sozialen Union - in einer Untersuchung sagt, daß 30 % der befragten Sozialhilfeempfänger, für die eine Beschäftigung zumutbar ist, eine ihnen angebotene Beschäftigung ablehnen, dann muß die Frage, ob man das so akzeptiert, doch einmal auch von uns diskutiert werden. Diese Frage zu stellen hat doch nichts mit Unmenschlichkeit zu tun. Die Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzes offenbart die Mentalität des Trittbrettfahrens, die die Menschen in unserem Land nicht mehr verstehen.
Auch und gerade die traditionelle Arbeitnehmerschaft, die einmal Ihre Stammwählerschaft war, stellt sich diese Frage. Deswegen will ich Sie einladen: Blockieren Sie unsere Politik jetzt nicht, schon gar nicht über die Bundesländer - wohin das führt, haben Sie gerade erlebt -, sondern lassen Sie uns nach Vorlagen in den Ausschüssen vernünftig darüber diskutieren, daß wir den Sozialstaat erhalten, aber den Mißbrauch abbauen!
Ich füge hinzu, damit nicht sogleich wieder eine falsche Schlachtordnung aufzieht: Ich halte es für eine ganz miserable Diskussion, wenn dauernd über Mißbrauch nur in diesem Bereich geredet wird und nicht gleichzeitig über Steuerhinterziehung und Subventionsabbau. Beides gehört dazu.
- Ich bin eigentlich erstaunt, daß Sie darüber erstaunt sind. Ihre Bildungslücke besteht deshalb, weil Sie nicht in meine Veranstaltungen kommen. Denn wenn Sie das täten, dann würden Sie das alles unentwegt von mir hören.
Meine Damen und Herren, wir haben den fünften Jahrestag der deutschen Einheit. Der Vorsitzende der PDS-Gruppe, der bekannte Medienstar, ist im Moment nicht da. Ich will nur sagen: An seiner Stelle wäre ich zu diesem Jahrestag völlig ruhig. Wenn es in diesem Haus jemanden gibt, der überhaupt kein Recht hat, uns im Hinblick darauf zu belehren, dann sind es er und die Seinen.
Nach fünf Jahren ist es an der Zeit, daß man einen Moment innehält und sich die Frage stellt: Was ist gelungen, was ist nicht gelungen? Es ist unübersehbar - ich werde gleich noch etwas zu den dramatischen Herausforderungen für die Menschen sagen -, daß der Strukturwandel und der Aufbau in den
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neuen Ländern zügig vorankommen, daß entgegen allen skeptischen Voraussagen die neuen Länder mit einer Zuwachsrate von 10 % die Wachstumsregion Nummer eins in Europa sind, daß die Investitionen dort Motor für Wachstum und Beschäftigung sind und daß die Investitionsquote dort höher als jemals zuvor in den alten Ländern ist - pro Kopf der Bevölkerung übertreffen die Investitionen das westdeutsche Niveau um ein Drittel.
Natürlich haben wir 1989/90 eine Situation angetroffen, von der jeder weiß, daß der ökonomische Zusammenbruch der damaligen DDR unabwendbar war. Auch die strukturellen Fehlentwicklungen von vielen Jahrzehnten zeigen sich natürlich jetzt.
Das Land ist im Umbruch. Es ist die große Leistung der Menschen in Ost und West, die zum Aufbauwerk ihren Beitrag leisten. Deswegen bin ich dagegen, daß man immer wieder aus vordergründigen, aus wahltaktischen Absichten versucht, einen Keil zwischen die Deutschen diesseits und die Deutschen jenseits der früheren Grenze zu treiben. Auch die Westdeutschen haben gewaltige Leistungen erbracht. Der Kapitaltransfer von West nach Ost ist völlig einzigartig in der Welt und wird auch in der ganzen Welt so betrachtet.
Man stelle sich vor: Allein 50 Milliarden DM sind in diesen fünf Jahren in die Verkehrsinfrastruktur der neuen Länder investiert worden. Natürlich ist vieles im Umbruch, ist vieles zusammengebrochen und muß neu aufgebaut werden. Vorhin war hier in Verelendungsparolen die Rede davon, daß die ganze industrielle Struktur untergegangen sei und in absehbarer Zeit nicht wiederkomme.
Meine Damen und Herren, gehen Sie doch einmal ins Chemie-Dreieck. Wenn Sie mir nicht glauben, lesen Sie nach, was Herr Rappe dieser Tage auf seinem Kongreß der IG Chemie zu Leuna, Buna und der ganzen Region gesagt hat. Natürlich war dies ungeheuer schwer, und natürlich sind wir noch längst nicht am Ziel. Aber wer heute durch die neuen Länder fährt, muß doch ein Brett vorm Kopf haben, wenn er nicht erkennt, daß dort - auch für die Menschen - wirklich etwas passiert ist und passiert.
Da hier die soziale Komponente mit Recht so hervorgehoben wird, will ich wieder daran erinnern, auch wenn Sie es nicht gerne hören - es war unsere Entscheidung -, daß gerade die Älteren in den neuen Ländern, die Rentner, aus gutem Grund von der Einheit profitieren. Die Eckrente betrug bei 45 Versicherungsjahren am Tag der Wirtschafts- und Währungsunion 1990 600 DM Ost. Heute sind es rund 1 500 DM West. Das sind 80 % der Westrente.
Auch das sage ich in eine Diskussion in Westdeutschland hinein, die mir nicht gefällt: In der Praxis führt es in vielen Fällen dazu, daß die Rentnerehepaare in den neuen Ländern günstiger abschneiden als im Westen, weil die familiäre Situation im
Westen gerade in der älteren Generation die war, daß weitgehend über Jahrzehnte nur einer in der Familie, nur einer der Ehepartner eine Rente erarbeitet hat,
während in den neuen Ländern oft beide gearbeitet haben und entsprechend jetzt beide diese Rente bekommen. Ich sage gar nichts dagegen. Ich betone das nur im Blick auf manche Neidstimme, die ich im Westen höre.
Die, die neidisch sind, sollen einmal überlegen, was es bedeutet hat, in den letzten 40 Jahren in Frankfurt an der Oder oder in Görlitz zu leben. Die Westdeutschen hatten eine ganz andere Lebensqualität und eine ganz andere Möglichkeit, ihr Leben zu gestalten. Ich gönne den Älteren in den neuen Ländern diese Chance, daß sie sich jetzt auf ihre älteren Tage wesentlich günstiger stellen und im Detail oft ein Rentenniveau erreicht haben, das überall in Europa bewundert wird. Das ist die Realität im sozialen Bereich - auch in den neuen Ländern.
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß die Menschen in den neuen Ländern diesen dramatischen Prozeß nicht nur im Ökonomisch-Sozialen, sondern auch im Psychologischen bewältigen müssen. In vielen Fällen zeigt sich das Problem schon in der Sprache. Wir müssen uns immer fragen, ob wir nicht aneinander vorbeireden und ob wir genügend Verständnis füreinander aufbringen.
Immer wieder - zuletzt vor ein paar Tagen - hatte ich die Gelegenheit, mit jungen Rekruten aus den neuen Ländern zu reden. Man muß sich vorstellen: Der 19jährige, der jetzt beim Bund ist, hat in seiner Schulzeit gehört, daß die NATO ein Werk des Teufels und ein Kriegstreiber sei und daß das alles schrecklich sei. Jetzt ist er Teil dieser Bundeswehr.
- An Ihrer Stelle würde ich diesen Zwischenruf wirklich nicht machen. Denn wenn ich mir vorstelle, was Sie in diesen Jahrzehnten an sogenannter Wissenschaft betrieben haben, um das Regime zu festigen, würde ich raten, in diesem Haus ganz ruhig zu sein.
Von Leuten, die den ideologischen Unterbau dieses Terrorregimes geliefert haben, brauchen wir keine Nachhilfe.
Bei aller Freude über die Fortschritte, die wir gemacht haben, bitte ich Sie, im Rahmen unserer Möglichkeiten, jeder für sich und an seinem Platz - das sage ich auch an die Adresse der Bundesregierung -, immer daran zu denken, daß sich bei allen wirtschaftlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Fortschritten das Leben der Menschen so dra-
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matisch verändert hat, daß es tiefe Wirkung auf ihr Denken und ihr Fühlen haben muß, und daß die, die wie ich und die meisten hier im Saal das Glück hatten, in diesen Jahrzehnten in Freiheit zu leben, den größeren Schritt auf den Freund, Partner und Nachbarn in Deutschland zugehen müssen. Wenn wir das begreifen, werden wir am Ende des nächsten Jahrfünfts einen weiteren großen Fortschritt erreicht haben. Daß die blühenden Landschaften inzwischen da sind, habe ich schon gar nicht mehr erwähnt; das zeigt, daß Ihre diesbezügliche Prognose, wie viele Ihrer Prognosen, nicht zutraf.
Meine Damen und Herren, ich bin zu den französischen Atomwaffenversuchen befragt worden. Die kritische Haltung der Bundesregierung dazu ist bekannt. Der Bundesaußenminister, ich selbst und die Bundesregierung als Ganzes haben sie mehrmals öffentlich geäußert, ich übrigens von dieser Stelle aus vor dem Deutschen Bundestag am 13. Juli.
Es ist ganz unübersehbar, daß die Bundesregierung und die französische Regierung in der Frage von Nukleartests unterschiedliche Ausgangspositionen und auch unterschiedliche Auffassungen in der konkreten Situation haben.
Ich habe ganz selbstverständlich bei mehreren Gelegenheiten mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac intensiv darüber gesprochen. Er hat diese Tests übrigens vor der Wahl angekündigt.
Es soll niemand sagen, die Bürger Frankreichs seien hintergangen worden. Das war ein Wahlkampfthema.
Der Präsident und seine Regierung sowie die große Mehrheit des - frei gewählten - französischen Parlaments halten die Testreihe im Interesse der Sicherheit der französischen Nuklearwaffen für notwendig. Sie erklären, erst auf dieser Grundlage könne Frankreich auf die Tests verzichten und zur Simulation übergehen.
Wir sind anderer Meinung. Für mich ist wichtig, daß Präsident Chirac und seine Regierung sich in diesem Zusammenhang festgelegt haben, bei den Verhandlungen über einen Teststoppvertrag so mitzuwirken, daß der Vertrag in einem Jahr abgeschlossen und unterzeichnet wird. Er hat sich gestern noch einmal bereit erklärt, unter diesem Gesichtspunkt die Zahl der Nukleartests zu reduzieren.
Meine Damen und Herren, wir sind in dieser Frage, denke ich, in diesem Haus einig. Wir fordern gemeinsam den Abschluß eines überprüfbaren und weltweit anwendbaren Teststoppvertrags. Das ist ein wichtiges Ziel unserer Außenpolitik, und es ist nicht zuletzt ein wichtiger Auftrag, dem sich unser Kollege Kinkel widmet, dies in Genf bei der Abrüstungskonferenz zu erreichen. Das war unsere Meinung; das bleibt unsere Meinung. Unsere französischen Freunde wissen das.
Denjenigen, die jetzt dieses Thema, das ich für sehr bedeutend halte, hochstilisieren, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was es heißt, zwischen Deutschland und Frankreich eine solche Dissonanz zu erzeugen, will ich sagen, daß sie eine Politik betreiben, die ich nicht mitmache. Alle meine Amtsvorgänger und auch viele aus den verschiedensten Parteien hier im Hause haben an der deutsch-französischen Freundschaft mitgewirkt. Sie ist eine der kostbarsten Errungenschaften der Nachkriegszeit.
Es gab in diesen Jahrzehnten immer erhebliche Kontroversen in der Sache. Das ist doch ganz normal. Wir haben sie unter Freunden auszutragen versucht. Aber ich bin nicht bereit, an irgendeinem Punkt mitzumachen, der diese Freundschaft in irgendeiner Form beschädigen könnte. Wir brauchen, wie das tägliche Brot, in den nächsten Jahren bei dem Bau des Hauses Europa die deutsch-französische Partnerschaft und Freundschaft. Das ist das Wichtigste, was überhaupt ins Haus steht.
Wenn das so ist, dann kann man seinen Protest anmelden, kann man seine Kritik, auch herbe Kritik, äußern. Aber man muß doch verstehen, daß man in einer Güterabwägung das richtige Wort trifft. Manches, von dem, was ich an Protestaufrufen in Deutschland lese, ist ziemlich dümmlich. Diejenigen, die das auf ihre Getränke ausdehnen, haben sich, wie ich finde, selbst schon dekuvriert. Dümmer geht es wirklich nicht. Das setzt uns nur dem Spott unserer Umwelt aus.
Ich glaube aber, wir können in dieser Debatte nicht über den Haushalt und die Lage des Landes reden, wenn wir nicht im Bereich der Außenpolitik auch ein Wort zur Lage im ehemaligen Jugoslawien sagen. Das ist ein vorrangiges Thema. Das ist längst kein Thema der Politiker mehr. Das ist ein Thema der Menschen. In einem Land wie Deutschland, in dem gegenwärtig an die 700 000 Menschen leben, die mit einem jugoslawischen Paß hierher gekommen sind, um hier zu arbeiten, und in dem zusätzlich rund 400 000 Bürgerkriegsflüchtlinge leben, spielt dieses Thema eine ganz besondere Rolle. Wenn Sie heute in ein beliebiges Krankenhaus in Deutschland zu einem Besuch gehen, werden Sie sehr rasch feststellen, daß so manche Krankenschwester, die dort arbeitet, aus Kroatien, Serbien oder aus Bosnien-Herzegowina kommt. Viele weinen über das Schicksal ihres Volkes.
Ich denke, wir, die Deutschen, haben doch eigentlich selbstverständlich Grund, diesen Schmerz nachzuempfinden. In diesem Hause sitzen nicht wenige, die wie ich noch als Kinder den Zweiten Weltkrieg, die Flucht und die Vertreibung erlebt haben. Wenn diese Generation, aber auch die Generation der Jungen, die es aus den Erzählungen der Eltern und der Großeltern weiß, diese Bilder von Flüchtlingstrecks auf den Straßen sieht, dann kann uns das nicht gleichgültig sein.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Ich sage das nicht, um uns zu rühmen, sondern weil ich das für selbstverständlich halte. Wir sind das reichste Land in Europa. Wir haben unsere Geschichte. Als wir 1945 am Ende waren, haben uns andere geholfen, nicht zuletzt die Amerikaner. Denken Sie daran! In diesen Tagen jähren sich Care, HooverSpeisungen und vieles andere. Wenn wir nicht inzwischen für Not stumpf geworden sind, dann müssen wir jetzt im humanitären Bereich tun, was wir tun können. Das sind gewaltige Summen. Es sind allein über 11 Milliarden DM, die wir vor Ort und in den Ländern und Gemeinden in der Bundesrepublik seit 1991 ausgegeben haben.
- Herr Schäuble ist genau der gleichen Meinung. Wie können Sie denn so einen Zwischenruf machen! Nein, wirklich! Ich meine, es darf nicht so weit kommen, daß die parteipolitische Abneigung einem jeden Sinn für die Menschlichkeit verstellt; übrigens auch untereinander.
Ich werde das Thema in ein paar Tagen bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs auf Mallorca - auf Einladung von Felipe Gonzales - ansprechen. Wenn ich sage, wir brauchen eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa, dann ist das keine Absage für Deutschland. Nur geht es nicht, daß hier über 400 000 Flüchtlinge sind und andere fast nichts tun. Ich bin im übrigen überhaupt der Meinung, daß wir die Politik an diesem Punkt noch einmal sorgfältig betrachten müssen, ob nicht die Europäische Union und natürlich damit auch wir vor Ort mehr tun müssen, um wenigstens in der Nähe der Heimat, wenn es schon nicht in der Heimat selbst möglich ist, beispielsweise im Sprachgebiet der Betroffenen, Auffanglager zu bauen, damit man von dort aus neu aufbauen kann. Es ist eine katastrophale Lage für Kinder, wenn sie über viele Jahre von ihrem Ursprungsgebiet getrennt sind und die Sprache ihrer Heimatländer und das ganze Umfeld nicht mehr begreifen. Das muß uns umtreiben, und so werden wir uns verhalten.
Aber das vordringlichste Ziel muß die rasche Beendigung von barbarischer Gewalt sein. Die Erkenntnis muß Platz greifen, daß durch kriegerische Taten kein Friede zu gewinnen ist. Wenn ich das sage, so ist das keine Absage an die NATO und das, was sie getan hat. Die NATO-Luftangriffe waren notwendig, insbesondere im Bereich von Sarajevo.
Ich bin nachdrücklich dafür - das habe ich in den letzten Wochen in vielen Gesprächen zum Ausdruck gebracht -, daß wir zur Eile drängen, nicht nur wegen des augenblicklichen Leids der Betroffenen, sondern auch wegen des Winters in wenigen Wochen. Dann wird die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen dort noch viel katastrophaler sein. Auch hier haben die Deutschen ihre eigene Erfahrung.
Deswegen werden wir zum jetzigen Zeitpunkt praktisch Tag für Tag mit unseren Partnern, Freunden und Kollegen zu reden haben. Ich habe das in meinen Gesprächen mit dem amerikanischen und dem französischen Präsidenten, mit dem britischen Premierminister, mit zwei der Präsidenten im früheren Jugoslawien und am Wochenende mit Präsident Jelzin getan. Wir sind uns einig: Es gibt nur eine politische Lösung. Es gibt jetzt eine Chance - ob sie erfolgreich sein wird, weiß ich nicht -, Ende nächster Woche, wenn die Politischen Direktoren der fünf Länder der Kontaktgruppe mit den drei Außenministern zusammenkommen, ernsthafte Verhandlungen zu eröffnen.
Ich habe Boris Jelzin dringend gebeten, die Chance, die er besser als jeder andere hat, im Umgang mit dem serbischen Präsidenten und mit der serbischen Seite voll auszuschöpfen. Wir selber haben mit der Führung Bosnien-Herzegowinas und mit Präsident Tudjman das uns Mögliche getan. Wir werden es weiterhin tun. Ich füge hinzu: Wenn dieser erste Kontakt noch nicht zum Ziel führt, dann laßt uns möglichst rasch einen zweiten aufnehmen. Wir müssen am Ball bleiben, damit das Ziel, das Jelzin und auch Präsident Clinton genannt haben, vielleicht noch in diesem Herbst zu einer abschließenden Konferenz der Staats- und Regierungschefs für den Bereich Kontaktgruppe plus die drei Länder zu kommen, erreichbar ist.
Ich füge hinzu: Ich werde mich an nichts beteiligen, wenn der Erfolg dieser Konferenz nicht vorher gesichert ist, denn der Mißerfolg einer solchen Konferenz hätte katastrophale Folgen, ich fürchte, auch kriegerische Folgen in weitem Umfang.
Jetzt geht es um die Frage: Was ist für uns Voraussetzung? Ich denke, darüber sind wir uns einig: Alle Beteiligten müssen die Grundsätze des humanitären Völkerrechts einhalten. Menschenrechtsverletzungen, Vertreibung, Mord, Plünderung und Zerstörung können nicht akzeptiert werden, von wem auch immer sie begangen werden. Hier darf es keine Einseitigkeit geben.
Herr Abgeordneter Fischer, um das klar zu sagen: Das, was Sie vorhin als Anmerkung und Frage mit Blick auf die ethnischen Säuberungen an mich richteten, gehört genau dazu. Das ist für mich ein Teil unserer Vorstellung von humanitärem Völkerrecht. Für mich gehört auch der Minderheitenschutz dazu. Wer die Region und die 500 Jahre Geschichte seit der Schlacht auf dem Amselfeld kennt, der muß wissen, daß es dort ohne einen klugen und abwägenden Minderheitenschutz nie Frieden geben wird.
Wenn dies richtig ist, muß unsere Position genau auf dieser Linie liegen, und wir müssen dafür Sorge tragen, daß andere das ebenfalls so akzeptieren. Damit wir unser Wort geben können - auch das sage ich noch einmal ganz offen -, ist es wichtig, daß im Sinne
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dessen, was wir hier im Deutschen Bundestag in Übereinstimmung mit unserer Verfassung beschlossen haben, die deutsche Bundeswehr ihren Einsatz leistet - nicht mehr, aber auf gar keinen Fall weniger. Auch das muß klar ausgesprochen werden. Ich finde, wir haben allen Grund, den Soldaten der Bundeswehr zu danken, die dort ihren Dienst tun und in einer besonderen Weise deutlich machen, daß Freiheit nicht zum Nulltarif zu haben ist. Auch das ist eine aufrüttelnde Erfahrung dieser Zeit.
Ein letztes in diesem Zusammenhang will ich wiederholen, weil es gelegentlich unterschlagen wird, wenn über unsere Meinung diskutiert wird.
Ich bin nicht bereit - ich hoffe, Sie alle auch nicht -, dann, wenn nicht mehr geschossen wird und Friede kommt, territoriale Veränderungen zu akzeptieren, die zuvor auf dem Weg der brutalen Gewalt herbeigeführt worden sind.
Ich sage mit großer Entschiedenheit und Nachdenklichkeit: Wenn wir in Europa wieder zulassen, daß Gewalt im Leben der Völker honoriert wird, dann werden wir schnell wieder dort sein, wo wir 1938 in Europa standen. Das darf nie wieder deutsche und internationale Politik sein.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluß noch ein kurzes Wort zur Europapolitik. Wir können doch heute nicht über den Haushalt 1996 beraten, ohne uns daran zu erinnern, daß nach dem Maastrichter Vertrag 1996 die Verhandlungen beginnen. Im Vertrag steht nicht ein genaues Datum oder der Monat, aber das Jahr 1996. Deswegen habe ich vor ein paar Tagen bei unseren Gesprächen - zusammen mit dem Bundesaußenminister - mit den italienischen Kollegen in Stresa den Italienern gesagt - sie haben ab 1. Januar 1996 den Vorsitz in der Europäischen Union -, daß wir davon ausgehen, daß die Verhandlungen nach sorgfältigen Vorbereitungen beginnen. Das gilt dann auch für die zweite Präsidentschaft im Jahr 1996, die die Iren innehaben werden.
Warum soll ich hier meine Meinung unterdrücken: Ich glaube, das Jahr 1996 wird für die Verhandlungen nicht ausreichen. Deswegen meine ich, wenn ich von Maastricht II rede, daß wir unter der niederländischen Präsidentschaft, die die erste Maastricht-Verhandlungsrunde vorzüglich geleitet hat, eine zweite Verhandlungsrunde mit dem Abschluß der Vereinbarungen bekommen werden.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Was immer man an Kritik an der europäischen Entwicklung vorbringen kann, gerade die schrecklichen Erfahrungen im früheren Jugoslawien zeigen uns, wie notwendig das Haus Europa ist. Diejenigen, die den Europäern Versagen vorwerfen, müssen mir die Frage beantworten: Wie können wir eigentlich ohne das Instrumentarium, das wir nun erst schaffen, jetzt das Notwendige tun? Hätten wir die Entscheidung, die wir jetzt treffen wollen, vor zehn Jahren getroffen, hätten wir ganz andere gemeinsame Handlungsmöglichkeiten gehabt.
Wir müssen in diesen Monaten, in diesen anderthalb Jahren, in den wichtigsten Politikbereichen Europas vorankommen: in den Bereichen der Finanz-, Wirtschafts-, Agrar- und Strukturpolitik. Wir müssen über eine faire Lastenverteilung reden. Nicht alles, was sich hier in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut hat, kann man heute als fair bezeichnen.
Wir haben ferner die wichtige Frage der Heranführung der Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas zu sehen. Als Deutsche haben wir ein elementares Interesse daran, daß unsere Nachbarn in Tschechien, in der Slowakei, in Polen und in Ungarn, um einmal die erste Gruppe zu nennen, dieses Ziel bald erreichen. Wir wissen um die Schwierigkeiten im Umdenken, das notwendig ist. Wir brauchen eine enge, gutnachbarschaftliche Beziehung zu Rußland, und aus gutem Grund nenne ich hier vor allem auch die Ukraine.
Das alles setzt voraus, daß deutsche Politik nicht nach dem Motto geschieht: Wir sind die Besten, wir sind die Größten, am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Vielmehr müssen wir fähig sein, uns einzuordnen, Kompromisse zu finden, die tragfähig sind, die auch in der Innenpolitik tragfähig sein müssen. Am Ende dieses Jahrhunderts wollen wir als ein Land und ein Volk hervortreten, das Werke des Friedens tut und dem Frieden und Freiheit ein zentrales Gut sind.
Wir haben in diesem Jahr zurückgeschaut, und es war ja die Erleichterung spürbar, daß die Befürchtungen im Zusammenhang mit den Wochen Ende April/ Anfang Mai nicht eintrafen. Die Befürchtungen waren ja eigentlich verständlich, daß jetzt alles wieder hochkommt und vielleicht viele in unserer Nachbarschaft vergessen, daß es heute das neue Deutschland gibt. Aber wir wollen nicht vergessen - und wir haben es auch nicht vergessen -, was vor über 50 Jahren die Deutschen getan haben und was im deutschen Namen geschehen ist.
Wer in London, in Paris, in Berlin und auch in Moskau dabei war und das Glück hatte zu erleben - ich will das hier als persönliches Glück bezeichnen -, wie die Israelis, wie die Niederländer und wie die Polen uns heute begegnen, der weiß, was für einen großartigen Weg wir zurückgelegt haben.
Dies ist nicht die Sache einer einzigen Partei; ich füge dies ausdrücklich dazu. Es gab auf diesem Weg viele ganz unterschiedliche Positionen.
Heute vor acht Tagen standen wir abends - eine ganze Reihe Kollegen waren ja dabei - noch vor dem alten Schloß in Münster. Dort ist das deutsch-niederländische Korps in Dienst gestellt worden. Man muß sich einmal vorstellen, was das heißt. Der Kommandeur trat vor und hat sein Amt übernommen; er ist ein Niederländer. Sein Nachfolger wird ein Deutscher sein. Wenn man berücksichtigt, daß praktisch
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das Gros des niederländischen Heeres in dieses Korps integriert ist, kann man nachempfinden, was es bedeutet, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt der Kommandeur ein Deutscher sein wird.
Wenn man das einen Moment überlegt und innehält, dann, finde ich, hat man allen Anlaß zu sagen: Wir haben Grund zur Dankbarkeit und zur Freude, daß über Gräber und Trümmer hinweg dieser Weg Deutschlands möglich war. Wir wollen nicht vergessen, wo wir herkommen: aus Krieg und Zerstörung und Nazibarbarei. Aber wir wollen über der Geschichte die Zukunft nicht vergessen; wir wollen sie gemeinsam gestalten.
Ein vereintes Europa im Verbund mit unseren amerikanischen Freunden und ein wiedervereintes Deutschland - bei allem Streit, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dafür lohnt es sich zu arbeiten.