Rede von
Dr.
Manuel
Kiper
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion ist hier ziemlich still und schickt die Haushälter vor. Das zeigt die Sprachlosigkeit.
Herr Bötsch profiliert sich hier vor allen Dingen als Liquidatorundversuchtnoch einmal, die Postreform II, die ja hier gemeinsam mit der SPD verabschiedet worden ist, als großen Erfolg darzustellen. Wir haben in den letzten Monaten aber immer deutlicher gemerkt, daß die Postreform II eine ganze Reihe von Schönheitsfehlern hat und mit einer Reihe von Nachteilen für die Bevölkerung verbunden ist.
Ich möchte nur an das Tarifkonzept II, das in den letzten Monaten öffentlich geworden ist, erinnern: Für Ortsgespräche längerer Dauer ist durchaus mit einer Verdoppelung der Gebühren zu rechnen. Zudem ist vorgesehen, daß bei der Telekom wie bei der Post AG Arbeitsplätze abgebaut werden, in den nächsten drei Jahren bei der Post AG noch 35 000, bei der Telekom 70 000. Die Ausbildungsplätze sind dermaßen reduziert worden, daß bei der Telekom nur noch ein Schrumpfbereich übriggeblieben ist.
In Zukunft wird man wieder festzustellen beginnen, daß eine ganze Reihe großer gesellschaftlicher Verschlechterungen mit dieser Postreform II verbunden sind. Man kann also nicht wie Sie, Herr Minister, von einem großen Erfolg reden. Vielmehr muß man auch die Schattenseiten dieser Postreform ansprechen. Für uns ist es eine Verpflichtung, die nächste Postreform in einer Art und Weise zu gestalten, die solche Fehlschläge und solche Schattenseiten möglichst ausschließt.
Herr Minister, Sie haben Eckpunkte zum Postdienst und mittlerweile auch ein Telekommunikationsgesetz vorgelegt. Ich möchte für unsere Fraktion klarstellen, daß wir nicht gegen die Marktöffnung sind, daß wir auch keineswegs etwas dagegen haben, die Zahl der Lizenzen variabler zu gestalten; es soll möglichst viele von ihnen geben. Im Gegensatz dazu haben wir bei der SPD-Fraktion den Eindruck, daß in diesem Punkt nicht tausend Blumen blühen sollen, sondern daß es ihr lediglich darum geht, dem großen Bündnis von Stoiber und Schröder vorzusitzen. Wirtschaftsminister Wiesheu und Fischer wollen möglichst viele „global players" im Telekommunikationsbereich herauskitzeln. Dabei lassen sie den Mit-
Dr. Manuel Kiper
telstand, mittelständische Unternehmen und Dienste völlig außen vor.
- Genau. Wir sind der Meinung: In diesem Bereich sollte es eine Vielzahl von Lizenzen geben. Es soll tatsächlich eine Marktöffnung vorgenommen werden. Der Markt soll nicht nur für Energieversorgungsunternehmen mit Monopolgewinnen geöffnet werden.
Sie haben Telekommunikationsunternehmen gegründet, um sich mit deren Monopolgewinnen einen weiteren Bereich unserer Wirtschaft unter den Nagel zu reißen. Das sind ungute Vorzeichen. Das ist nicht die Öffnung des Marktes, die wir haben wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine wesentliche Frage der zukünftigen Gestaltung des Telekommunikationsmarktes ist die der Gestaltung des Universaldienstes und seiner Finanzierung. Um bei der Finanzierung anzufangen: Die SPD möchte sie so regeln, daß die großen Player am Markt den Universaldienst innerhalb von drei bis fünf Jahren gewissermaßen finanzieren und die Telekom die Lasten des Universaldienstes bis dahin einseitig trägt.
Ich befürchte, daß dieses Konzept, das auch bei Herrn Wiesheu, bei den Wirtschaftsministern der CSU und inzwischen offensichtlich ein wenig auch bei Herrn Bötsch Anklang findet, nicht dazu beitragen wird, auf einen Universaldienstfonds zu verzichten. Im Universaldienstbereich liegen nämlich Aufgaben an, die von diesen Unternehmen nicht so ohne weiteres abgedeckt werden; ich meine die öffentlichen Telefonzellen.
Man sollte einen Universaldienst entwickeln, bei dem die technischen Möglichkeiten, die heute vorhanden sind und die man braucht, um einen wirklichen Einstieg in die Informationsgesellschaft zu schaffen, so genutzt werden müssen, daß kostengünstig und flächendeckend der Zugang zu ISDN und von vielen Stellen unseres Landes aus der Netzzugang möglich ist. Er darf nicht teuer erkauft werden müssen.
Dieses als Universaldienst festzuschreiben bedeutet auch, daß man im Rahmen eines Fonds letztlich die Mittel bereitstellen muß, um das flächendeckend und nicht nur im Rahmen von Rosinenpickerei in einzelnen Kommunen, in einzelnen hochverdichteten Bereichen und in Bereichen mit zahlungskräftigen Abnehmern zu gewährleisten; es darf nicht in letzteren die Chance für eine Informationsgesellschaft geben.
Meine Damen und Herren, die Politik der Grünen geht dahin, die Tarife kundenfreundlich zu gestalten. Ortgespräche müssen entgegen dem Konzept, das die Telekom jetzt vorgelegt hat, billig bleiben. Wir sehen das als eine Voraussetzung dafür, daß letztlich eine Informationsgesellschaft in aller Breite entwickelt werden kann.
Wir sind dafür, daß die Telekommunikationsunternehmen, sprich: die Telekom und die Post, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, was Ausbildung anbelangt. Wir Grüne sind ganz im Gegensatz zur großen Koalition von SPD und CDU der Auffassung, daß die Kommunen nicht enteignet werden sollten, daß die Kommunen selbstverständlich das Wegerecht behalten sollten und letztlich ähnlich wie im Energieversorgungsbereich eine Wegenutzungsgebühr sollten erheben dürfen.
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Hans Martin Bury [SPD]: Was denn nun?
Soll es billiger oder teurer werden?)
Wir sind der Auffassung, daß man auch den Kommunen eine Chance geben muß und sich auch die Kommunen mit ihren Netzen einbringen können sollten. Nicht nur die großen Player sollten am Markt eine Rolle spielen dürfen, sondern es kommt darauf an, eine Vielzahl von Unternehmen am Markt zu haben und hier auch die Kommunen eine Rolle spielen zu lassen. Die EVU dürfen nach unserer Auffassung auf dem Markt keine so große Bedeutung haben, wie es jetzt vorprogrammiert ist.
Unsere Fraktion möchte nicht, daß die Bürgerpost als Behördenmuff konserviert wird, sondern wir wollen, daß sich durch Konkurrenz viele moderne Serviceunternehmen entwickeln. Wir sind der Auffassung, daß mit dem Gesetzentwurf zur Telekommunikation, Herr Bötsch, wie Sie ihn vorgelegt haben, dieser Weg nicht beschritten wird.