Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr haben wir die Postreform II mit großer Mehrheit in diesem Hause verabschiedet. Wir haben damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Postunternehmen Telekom, Post und Postbank in Unternehmen privater Rechtsform umzuwandeln. Wenn ich „wir" sage, dann waren dies die Koalitionsfraktionen und auch 123 Abgeordnete der SPD-Fraktion, die vor gut einem Jahr der Verfassungsreform aus guten, einleuchtenden Gründen und aus Überzeugung, wie ich annehme, zugestimmt haben.
Dies war eine dringend notwendige Entscheidung, da wir damit die Vorbedingungen dafür geschaffen haben, daß sich die drei Unternehmen in einem zunehmend wettbewerblichen Umfeld auch in Zukunft behaupten können.
Insbesondere die Telekom, aber auch die gelbe Post werden sich künftig international behaupten müssen, da die Märkte zusammenwachsen.
Es ist absehbar, daß die Weltmärkte künftig von einigen wenigen global agierenden Unternehmen, sogenannten Global-Playern, dominiert werden. Diese Global-Player versorgen ihre Kunden weltweit zunächst aus einer Hand.
Diese Entwicklung ist nur möglich, weil sich weltweit auch die Rahmenbedingungen im Bereich der Telekommunikation geändert haben oder noch ändern. Immer mehr Länder setzen gerade in Anbetracht der Bedeutung, die die Telekommunikation für die anderen Wirtschaftsbereiche hat, auf Wettbewerb.
Für uns war klar: Deutschland darf und kann aus dieser weltweiten Entwicklung nicht ausscheren. Vielmehr müssen wir uns an die Spitze der Länder setzen, die einen Marktöffnungskurs betreiben. Denn nur Unternehmen, die zu Hause Wettbewerb gelernt haben, werden es verstehen, sich im weltweiten Wettbewerb auch zu behaupten.
Für unseren Liberalisierungskurs galt es allerdings, Marktöffnungen möglichst abgestimmt mit unseren Partnern in der Europäischen Union vorzunehmen. Deshalb ist es gelungen, bei den Ministerratssitzungen vom 11. Juni 1993 und 11. November 1994 Beschlüsse zu fassen, sowohl das Telefondienstmonopol als auch das Netzmonopol zum 1. Januar 1998 in den Ländern der Europäischen Union grundsätzlich aufzuheben.
Wir haben damit sichergestellt, daß in dem so bedeutsamen Bereich der Telekommunikation eine europäische Lösung gefunden wurde und jetzt eine europäische Lösung in die Tat umgesetzt wird.
Zur Umsetzung dieser Beschlüsse müssen wir jetzt einen neuen gesetzlichen Rahmen schaffen, der das Fernmeldeanlagengesetz ablöst. Einen Referentenentwurf für ein neues Telekommunikationsgesetz habe ich Anfang August der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Ressortabstimmung sollte bis Ende Oktober zu bewältigen sein, so daß das Bundeskabinett Anfang Dezember einen Beschluß fassen kann.
Ich hoffe, daß wir in der Lage sind, das Gesetzgebungsverfahren bis Mitte nächsten Jahres abzuschließen. Parallel dazu führen wir auch jetzt interfraktionell eine Reihe von Gesprächen und Verhandlungen. Denn wir, die Koalition, haben im Deutschen Bundestag die Mehrheit für dieses Gesetzgebungsverfahren, weil ja keine Verfassungsänderung mehr notwendig ist.
Wir würden aber nicht verantwortlich handeln, wenn wir nicht ins Auge fassen würden, daß dieses Gesetz zustimmungspflichtig ist und auch die Mehrheit des Bundesrats gewonnen werden muß.
- Frau Kollegin Fuchs, da wir beide Erfahrung im Umgang miteinander haben, ist es selbstverständlich, daß das zu berücksichtigen ist.
Wir haben in wesentlichen Punkten schon Annäherung, ja Einigung erzielt, zuletzt bei einem Gespräch, das heute nachmittag um 17.17 Uhr zu Ende war. Es ist aber noch einiges offen. Ich meine jedoch, man kann mit etwas Optimismus hoffen, daß wir zu einer Einigung kommen könnten.
Der Gesetzentwurf sieht sehr weitreichende Marktzutrittsmöglichkeiten vor, ohne daß die notwendigen Universaldienstverpflichtungen vernachlässigt werden. Das Errichten und Betreiben von Telekommunikationsnetzen sowie das Angebot des Sprachtelefondienstes als kommerzielle Dienstleistung für die Öffentlichkeit wird künftig einer Lizenzierung unterliegen.
An eine Beschränkung der Anzahl der Lizenzen ist nur dann gedacht, wenn die begrenzte Verfügbarkeit knapper Ressourcen, etwa bei Funkfrequenzen, dies gebietet. An die Antragsteller von Lizenzen sind allerdings auch Anforderungen zu stellen. Beispielsweise - darüber haben wir uns heute nachmittag unterhalten - muß erwartet werden, daß eine Tätigkeit auf Dauer aufgenommen wird, so daß die Voraussetzung gegeben sein muß, daß finanzielle Ressourcen vorhanden sind, die das ermöglichen.
Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber, im Bereich von Post und Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. So haben wir es im letzten Jahr gemeinsam in den Art. 87 f der Verfassung hineingeschrieben. Hierbei ist eindeutig - das ist auch in der Begründung zum Grundgesetz ausgeführt worden -, daß staatliche Maßnahmen nur im Rahmen der Grundversorgung erfolgen sollen. Eine ähnliche Position wird auch auf europäischer Ebene vertreten.
Bundesminister Dr. Wolfgang Bötsch
Beim Universaldienst kann es deshalb nicht um ein Luxusangebot gehen, für das überhaupt noch keine Nachfrage besteht. Wir gehen davon aus - jedenfalls ist das die Auffassung der Koalition -, daß der Universaldienst weitgehend vom Markt, d. h. ohne besondere Verpflichtungen, bereitgestellt wird. Es soll nach unserer Auffassung nur dann regulatorisch eingegriffen werden, wenn der Universaldienst von Marktkräften nicht ausreichend erbracht wird. In diesem Fall können marktbeherrschende Unternehmen dazu verpflichtet werden, diesen Universaldienst flächendeckend bereitzustellen.
Nun gibt es Vorstellungen der SPD-Fraktion, jeden Voll-Lizenznehmer zu verpflichten, ein flächendekkendes Angebot bereitzustellen. Das wird im Augenblick dadurch etwas relativiert, daß man sagt: nicht gleich, aber doch in absehbarer Zeit. Darüber wird man noch reden müssen. Wir müssen aber aufpassen, daß sich das bisherige Telekommunikationsmonopol der Telekom nicht in Oligopole von einigen wenigen umwandelt, so daß aus dem bisherigen staatlichen Monopol der Telekom vielleicht einige private Monopole werden. Ich will niemandem etwas unterstellen; aber die Versuchung, daß man dann vielleicht untereinander doch etwas die Preise abstimmt, ist nicht so ganz von der Hand zu weisen.
Ich glaube deshalb auch nicht, daß es richtig ist, die Bedingungen für Lizenzen so hochzuschrauben, daß nur die Telekom und vielleicht wenige Großunternehmer ins Geschäft kommen würden.
Meine Damen und Herren, wir wollen nicht nur die Türschilder austauschen, sondern wir wollen wirklichen Wettbewerb, und zwar sowohl im Interesse der Telekom - wie ich eingangs ausführte -, wenn sie als Global-Player tätig sein will, als auch im Interesse der gesamten Volkswirtschaft. Ein funktionsfähiger Wettbewerb ist nur dann möglich, wenn alle Marktteilnehmer die gleichen Chancen haben. Deshalb müssen - zumindest für den Anfang - marktbeherrschende Unternehmen einer besonderen Regulierung unterworfen werden.
Nachdem ich mich bisher im wesentlichen auf die Telekommunikation beschränkt habe, will ich nun noch einige Anmerkungen zur Postpolitik machen. Ziel unserer Postpolitik ist es, die Leistungsfähigkeit des deutschen Postsektors im Interesse der Postkunden insgesamt zu verbessern und somit auch die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu steigern. Wir werden auch hier ab 1998 neue Rahmenbedingungen für die Märkte brauchen. Auch darüber habe ich Überlegungen in der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im Kernbereich des Briefdienstes soll die Deutsche Post AG bis 2003 eine gewisse Sonderstellung behalten, wobei die Grenzen des Kernbereichs im einzelnen noch festgelegt werden müssen. Briefe oberhalb der Grenze von 100 Gramm sowie adressierte Massensendungen haben wir bereits ab 1. Januar 1996 im Wettbewerb. Auch in anderen Bereichen wird sich die Post privater Konkurrenz zu stellen haben.
Wir brauchen für beides - zumindest für absehbare Zeit - eine Regulierung, damit eine ausreichende flächendeckende Grundversorgung gewährleistet wird. Darüber, mit welchem Instrumentarium dies geschieht, gibt es noch unterschiedliche Vorstellungen. Ich würde nur jedem, der das schnell einer bereits bestehenden Behörde zuweisen will, empfehlen, sich im Ausland umzuschauen, wie es dort geregelt ist. Vielleicht können wir die eine oder andere Erkenntnis von dort beziehen.
Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht einen erstklassigen Kommunikationssektor, um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Als Grundlage dafür bedürfen wir an den Markterfordernissen ausgerichtete Marktbedingungen.
Ich glaube, ich konnte im groben aufzeigen, wie wir uns diesen Wandel vorstellen. Es gibt also für die nächste Zeit noch einiges zu tun, wenn wir diesen Wettbewerb vorbereiten wollen. Wir tragen die Verantwortung für das Funktionieren des Wettbewerbs, und wir tragen die Verantwortung für ein flächendeckendes Angebot für unsere Kunden, für die Bevölkerung.
Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir auch den Einzelplan 13, der sich eigentlich mit dem Ministerium beschäftigt. Bei den Einnahmen haben wir 1996 eine Verminderung um 3,4 Milliarden DM; das entspricht 68 %. Dieser Rückgang resultiert aus dem Wegfall der Ablieferungen an den Bund, die die drei Postunternehmen bisher zu entrichten hatten. Ab 1996 unterliegen sie der allgemeinen Steuerpflicht und werden so an anderer Stelle des Bundeshaushalts für Mehreinnahmen sorgen. Außerdem fließen die Dividenden der Aktiengesellschaften dem Bundeshaushalt zu.
Die Ausgaben des Einzelplans 13 steigen 1996 - manche haben schon gefragt, warum das so sei - um 3 %. Dies beruht im wesentlichen auf der Verlagerung der Ausgaben für Maßnahmen der zivilen Verteidigung im Aufgabenbereich des Postministeriums aus dem Haushalt des Innenministeriums in den Haushalt des Bundespostministeriums. Ohne diese Verlagerung würde die Ausgabensteigerung 1,2 % betragen. Bei einem Gesamthaushalt von rund 350 Millionen DM - unser Haushalt ist der weitaus kleinste - besagen solche Prozentzahlen natürlich nicht sehr viel.
Ich will die Mitglieder des Haushaltsausschusses nur darauf aufmerksam machen, daß die Zitrone, die vorhanden war und die vielleicht im Jahr 1993 noch etwas Saft hatte, jetzt wirklich trocken ist. Die
Bundesminister Dr. Wolfgang Bötsch
Damen und Herren im Haushaltsausschuß sollten vielleicht ihre Bemühungen nicht auf eine trockene Zitrone richten, sondern ihre Aufmerksamkeit anderswohin lenken.
Denn, meine Damen und Herren, im Personalhaushalt meines Ministeriums tritt durch die Postreform II schon eine merkliche Kürzung ein. Im Zeitraum von 1995 bis 1997 haben wir schon insgesamt 55 Planstellen, ohne die einprozentige Kürzung, die wir zusätzlich tragen, weniger zu verzeichnen.
Mit den Personalkürzungen wurde der Personalhaushalt wirklich auf das Minimum reduziert, das zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs absolut notwendig ist. Gerade angesichts der anstehenden Gesetzgebungsarbeiten und der Umsetzung der Postreform II wird den Beschäftigten des Ministeriums ein hohes Maß an Engagement und Leistungsvermögen abverlangt. Ich möchte es nicht versäumen, an dieser Stelle den Beschäftigten des Hauses meinen Dank und meine Anerkennung für ihre Leistungen auszusprechen.
Ich wünsche den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und dem gesamten Hause erfolgreiche Beratungen dieses Haushalts, den wir auch heute wieder im Schutze der Dunkelheit in erster Lesung beraten dürfen.
Vielen Dank.