Rede von
Achim
Großmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Haushaltsplan gibt nicht nur den finanziellen Rahmen vor; er soll auch Prioritäten setzen, soll Auskunft darüber geben, ob Reformansätze verwirklicht werden können. Er soll natürlich auch Auskunft darüber geben, ob Verbrechen - Entschuldigung: Versprechen - -
- Die Rede führt zu ganz merkwürdigen Assoziationen. Ich wollte das aber nicht so deutlich sagen, sondern ich werde das viel moderater anbringen; Entschuldigung.
Es soll natürlich auch so sein, daß man Versprechen kontrolliert. Das heißt, man kontrolliert: Werden Versprechen eingelöst, die beispielsweise ein Minister oder Koalitionäre in ungezählten Pressekonferenzen gemacht haben?
Wenn das Geld knapp ist und die finanziellen Spielräume eng werden, wird der Blick in den Haushaltsplan besonders spannend: Können die angekündigten Reformprojekte finanziert werden? Gelingt die Aufgabe, die Wohnungsförderung effizienter zu machen und sozial effektiver zu gestalten? Schaffen wir es, daß die Reformvorhaben wirklich seriös finanziert werden können? Erreichen wir mit dem aufgestellten Haushaltsplan auch wirklich die Lösung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt? Man könnte diese Fragen fortsetzen.
Es war also spannend, nach einem halbjährigen Töpferschen Ankündigungsmarathon im Haushalt zu überprüfen, wie es mit der Umsetzung aussieht. Das Ergebnis ist enttäuschend; die Spannung ist schnell gewichen. Der Haushaltsplan hält nicht, was der Minister versprochen hat. Er zeigt nicht auf, wie die drängenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt gelöst werden können. Er ist vielmehr Ausdruck mangelnder Gestaltungskraft und fehlender Durchsetzungskraft. Ich will dafür den Beweis antreten.
Erstens: Mangel an preiswerten Wohnungen. Nach wie vor - wir haben relativ wenig über Wohnungsnot gehört; wir haben nur etwas über die Erfolge dieser Regierung gehört - fehlen in Deutschland 1,5 bis 2 Millionen Wohnungen, vor allen Dingen - das ist wohl unumstritten - im Bereich des preiswerten, bezahlbaren Wohnraums. Auch die Zahl der vorhandenen Wohnungen mit Belegungs-
und Mietpreisbindungen ist dramatisch zurückgegangen und geht weiter zurück.
In den Koalitionsvereinbarungen hieß es vor wenigen Monaten unter der Überschrift „Mehr preiswerte Wohnungen schaffen" wortwörtlich:
... insbesondere in Ballungsgebieten ist immer noch ein Mangel an preiswerten Wohnungen .. . festzustellen.
Was nutzt es aber den Menschen, wenn auf der einen Seite die politischen Probleme richtig beschrieben werden, gleichzeitig aber auf der anderen Seite die Mittel im sozialen Wohnungsbau im Ballungsgebieteprogramm auf Null gekürzt werden?
700 Millionen DM sind zur Verfügung gestellt worden; diese sind in Zweijahresschritten abgebaut worden. Sie setzen aber im Haushaltsplan 1996 noch eins drauf: Sie streichen weitere 500 Millionen DM beim sozialen Wohnungsbau. Zu einem Zeitpunkt, da wir gerade bei den Menschen, die keine bezahlbare Wohnung finden, deutliche Prioritäten setzen müssen, geht die Bundesregierung hin und streicht innerhalb von zwei Jahren 1,2 Milliarden DM im sozialen Wohnungsbau.
Achim Großmann
Ich will an einigen Zahlen deutlich machen, was da passiert: Wenn der Haushaltsplan so bleibt, stehen im nächsten Jahr insgesamt 2,21 Milliarden DM zur Verfügung, davon 900 Millionen DM für die neuen Bundesländer. Da wird um 10 % gekürzt. Das Ballungsgebieteprogramm verschwindet völlig - Kürzung: 100 %. Die Mittel im zweiten Förderweg werden auf 200 Millionen DM gekürzt - Kürzungsgrad: 50 %. Die Mittel im dritten Förderweg werden um 20 % gekürzt, insgesamt von 3,4 Milliarden DM im Jahr 1994 über 2,8 Milliarden DM im Jahr 1995 auf 2,2 Milliarden DM im Jahr 1996.
Die Förderung, die die alten Bundesländer betrifft, entspricht der Förderung im Jahre 1989. Wir hatten seit 1989 in jedem Jahr mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau als im kommenden Haushalt - wenn es dabei bleibt.
Sie, Herr Bauminister, können nicht hierherkommen und sagen: Das kriegen wir hin, indem wir sozial treffsicherer fördern. Das läßt sich nicht rechnen. Wir haben dies schon Ihrer Vorgängerin mehrfach bewiesen. Das werden wir auch Ihnen beweisen.
Man kann nicht, indem man die Hälfte der Fördermittel streicht, mehr soziale Wohnungen bauen, selbst wenn man noch soviel im Fördersystem ändert. Das ist völlig unmöglich.
Parallel dazu wird diskutiert, den sozialen Wohnungsbau zu reformieren. Da gibt es teilweise völlig abstruse Ideen. Die F.D.P. hat während des Sommertheaters den Vorschlag gemacht, den sozialen Wohnungsbau völlig abzuschaffen. In einer Zeit, da Sie noch nicht einmal das Wohngeld für das jetzt gültige System lockermachen können, glauben Sie, Sie könnten die Wohnungsprobleme der Bundesrepublik Deutschland voll mit Wohngeld abfedern. Was das bringt, hat der Bauminister gerade mit einem wunderschönen Beispiel über das pauschalierte Wohngeld, bei dem keiner auf die Mieten schaut, belegt.
Die F.D.P. schlägt also vor, die Mieten mit Wohngeld und nicht mehr mit Objektförderung zu unterstützen. Das bedeutet: Wir haben demnächst eine mietpreistreibende Mietensubvention.
Die F.D.P. scheint nicht bemerkt zu haben, daß man mit Wohngeld keine einzige Wohnung bauen kann. Das heißt: Das System, das der Minister gerade zu Recht in Frage gestellt hat, soll hier flächendeckend eingeführt werden. Das muß scheitern und wird auch scheitern.
Die CDU/CSU setzt auf eine sehr komplizierte Form der einkommensorientierten Förderung. Wir haben eine Menge von Beispielen von einkommensorientierter Förderung; die funktioniert. Aber da geht es um den sogenannten § 88e, um ein neues Modell.