Herr Minister, ich kann nur antworten, daß ich dies nicht wußte. Offensichtlich liegt das aber daran, daß Sie es nicht für nötig gehalten haben, uns dies mitzuteilen.
Ich bin nicht in der Lage, Ihre Kostenabrechnungen nachzuvollziehen; aber ich bin froh, daß Sie mir das sagen. Den Zusammenhang mit dem Tempolimit möchte ich aber dennoch einmal auch im Verkehrsausschuß diskutieren.
Ist die Senkung der Investitionen für die Straße noch relativ milde ausgefallen, so sieht es bei den Schieneninvestitionen ganz anders aus. Diese werden von 9,9 Milliarden DM auf 7,7 Milliarden DM gekürzt. Berücksichtigt man die Tatsache, daß davon 3,7 Milliarden DM für den Nachholbedarf in den neuen Bundesländern zur Verfügung stehen, was wir für völlig in Ordnung halten - das ist ganz klar -, werden 1996 für Neuinvestitionen ganze 4 Milliarden
Heide Mattischeck
DM zur Verfügung stehen. Dies ist etwas mehr als die Hälfte der Summe, die für den Straßenbau zur Verfügung steht. Diese Zahlen muß man sich einfach immer vor Augen halten.
Hier kann von einer Gleichberechtigung von Straße und Schiene wohl beim besten Willen nicht die Rede sein, und das entspricht auch nicht dem, was Sie uns immer wieder versprechen.
Die Bahnreform, Herr Wissmann, war eine große gemeinsame Anstrengung von beinahe uns allen. Sie erfolgte auch mit großer Unterstützung von und großem Rückhalt bei der Gewerkschaft. Deshalb empfinde ich es als ziemlich unerträglich, was in den letzten Wochen an Gerüchten bezüglich eines Verkaufs von Bahnwohnungen durch die Welt gegangen ist, auch wenn Sie heute sagen, das sei nicht so ganz ernst gemeint und Besitzstände würden gewahrt werden. Das, was ich heute von Ihnen gehört habe, trägt nicht dazu bei, die Bahner zu beruhigen. Es trägt auch nicht dazu bei, uns zu beruhigen; denn uns werden Sie nicht an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, Besitzstände in diesem Bereich zu demontieren. Da können Sie nicht mit uns rechnen.
Es geht nicht darum, das eine oder andere Grundstück zu verkaufen. Aber so geht es nicht! Nein, Herr Wissmann, was Sie gesagt haben, beruhigt mich nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß es diejenigen, die dort wohnen, beruhigt. Das können Sie mir glauben.
Wir erwarten - das ist von meinem Kollegen Wagner auch schon gesagt worden - etwas mehr Klarheit und etwas mehr Wahrheit bei Ihrer Verkehrspolitik. Das gilt sowohl für den Straßenbau als auch für den Schienenbau. Wir erwarten, daß in den Dreijahresplan Schiene endlich Wahrheit hineinkommt, daß Sie uns einen neuen Plan vorlegen, der dem entspricht, was Sie jetzt an Investitionskosten zur Verfügung haben. Wir erwarten das gleiche beim Straßenbau; denn das, was als „Zwanzigjahresplan" vorliegt, wird wohl eher ein Plan für 40 Jahre. Wir meinen, daß Sie da gewaltig abspecken und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort endlich sagen müssen, was sie zu erwarten und was sie nicht zu erwarten haben.
- So viele Nebelkerzen, ja.
Lassen Sie mich nun noch etwas Positives sagen, weil das in dem Zusammenhang auch einmal vonnöten ist. Wir haben mit Freude festgestellt, daß die zwar relativ kleinen, aber doch sehr wichtigen Summen für die Verkehrssicherheit nicht abgespeckt wurden. Wir sind uns offensichtlich einig, daß dieser Bereich sehr wichtig ist. Aber auch hier muß ich etwas Wasser in den Wein gießen: Es gibt Verkehrssicherheitsmaßnahmen, die relativ wenig kosten. Das ist einmal die Senkung der Promillegrenze, und das ist das Tempo 30 in Wohngebieten. Hierzu hören wir
von Ihnen leider kein Wort. Da siegt die Alkohollobby, da siegt die F.D.P. Wir bedauern es außerordentlich, daß hier, wo Verbesserungen bei der Verkehrssicherheit kostenlos möglich wären, gar nichts passiert.
Zur Schiffahrt noch folgendes: Hier wurden große Versprechungen gemacht; 100 Millionen DM standen im Raum, und wir haben im Verkehrsausschuß endlos darüber diskutiert, wie wir der Seeschiffahrt und der Küstenschiffahrt damit helfen können. Wir haben gute Vorschläge gehabt. Sie haben sogar in Aussicht gestellt, daß diese Summe vielleicht auf 120 Millionen DM erhöht werden könnte. Was jetzt im Haushalt steht, sind 40 Millionen DM. Nun habe ich, nachdem Sie gesprochen haben, noch eine geringe Hoffnung, daß wir vielleicht in den Beratungen im Verkehrsausschuß dazu kommen, diese Summe noch etwas anzuheben. Unter diesen 100 Millionen DM, die eigentlich vorgesehen waren, ist es mit der SPD- Fraktion überhaupt nicht zu machen.
Nun ist es leider so, daß heute von der Koalition nur relativ wenige Verkehrspolitiker anwesend sind. Das hat wohl auch interne Gründe. Ich meine aber, daß Sie als Haushaltspolitiker den Verkehrspolitikern sagen können, daß wir gerne bereit sind, darüber zu diskutieren.
Herr Wissmann und meine Damen und Herren von der Koalition, auch wenn es sehr lästig ist: An das erklärte Ziel Ihrer Regierung, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2005 um 25 % zu senken, muß immer wieder erinnert werden.
Wie wollen Sie das denn mit dieser Verkehrspolitik erreichen? Nicht einmal zu einer vernünftigen Sommersmog-Regelung waren Sie bereit, weil Sie aus irgendwelchen ideologischen Gründen nicht bereit und in der Lage sind, ein Tempolimit in solchen prekären Situationen zu veranlassen.
Herr Wissmann, das Abschmelzen Ihres Haushalts haben Sie nicht zu verantworten, wohl aber eine phantasie- und konzeptionslose Verkehrspolitik. Sie haben vorhin davon gesprochen, daß man sparen und gestalten muß. Das Sparen hat man uns jetzt hier vorgelegt, das Gestalten fehlt völlig.
Sie tun so, als hätten Sie nur vorübergehend mal eine Finanzflaute. Sie wissen ganz genau, daß das nicht so ist, daß sich diese Flaute fortsetzen wird. Es ist richtig, daß Sie sparen müssen - aber gerade bei der Gestaltung?
Heide Mattischeck
Politik mit vollen Kassen kann jeder machen. Geld ausgeben ist eine relativ leichte Angelegenheit. Aber dann, wenn das Geld knapp wird, zu Sparkonzepten und vernünftigen Konzepten zu kommen, das ist die Kunst der Politik. Daran lassen Sie es ganz erheblich fehlen.
Die Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Bahn wollen Sie beseitigen. Bei der Investitionspolitik hat das nicht geklappt. Das sehen wir, denn Sie werden den Rückstand dadurch, daß Sie nur die Hälfte der Investitionen im Vergleich zu denen für die Straße zur Verfügung stellen, nicht aufholen - nicht in 20 Jahren und nicht in 50 Jahren.
Bei einer gerechten Kostenanlastung für den Straßengüterverkehr, um diese Wettbewerbsnachteile abzubauen, gibt es auch nur eine Fehlanzeige. Das wissen Sie.
Das, was Sie bis jetzt erreicht haben, hat kaum dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Spediteure gegenüber den ausländischen Spediteuren zu erhöhen. Es hat jedoch die Spanne zwischen der Bahn und der Straße noch vergrößert.
Herr Minister, die Ergebnisse der Umweltkonferenz in Berlin waren nach meiner Einschätzung - das ist eine ganz persönliche Einschätzung - nicht Null, aber sie waren mager. In Ihrer Verkehrspolitik finden wir nicht einmal Ansätze einer solchen Umweltpolitik.
Wo ist ein integriertes Verkehrskonzept, das die Vorteile der verschiedenen Verkehrsträger - das betonen Sie verbal auch immer wieder -, Bahn, Wasser, Straße und Luft, nutzt, sie verknüpft sowie Parallelinvestitionen, die immer gerade bei Wasserstraßen und Schiene wieder vorkommen - das kennen wir aus verschiedenen Bereichen sehr genau - verhindert? Ich kann es nicht erkennen.