Rede von
Heide
Mattischeck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die jährlichen Haushaltsberatungen sind immer auch Stunden der Wahrheit. Daran können Sie nicht vorbei und daran können wir nicht vorbei.
Herr Wissmann, auch Sie mußten hinnehmen, daß hier ein wenig abgespeckt wurde, wenn ich das einmal etwas untertreibend sagen darf. Der Finanzminister hat natürlich angesichts der hohen Verschuldungen und der drückenden Zinslast überhaupt keine andere Wahl. Das ist einsichtig. Dem Verkehrsminister kann das nicht gefallen. Zu hochfliegend sind und waren seine Pläne und vor allen Dingen die seines Vorgängers. Das vergißt man leicht. Sie haben in diesem Fall eine große Erblast übernehmen müssen. Auch die Mitglieder der Koalitionsfraktionen haben sehr viele Versprechungen vor Ort gemacht. Diese sind natürlich jetzt sehr schwer einzuhalten. Man muß nun kleine Brötchen backen.
Ich habe jüngst ein typisches Beispiel erlebt. Ich war in meinem Urlaub auf der schönen Insel Rügen. Herr Bohl war dort dienstlich unterwegs. Das finde ich auch ganz prima. Aber er hat den Rüganern versprochen, es werde in absehbarer Zeit ein zweiter
Heide Mattischeck
Rügendamm gebaut werden. Ich sehe noch nicht einmal den ersten Rügendamm im Bau. Ich meine, das ist die Art von Politik, die Politikverdrossenheit erzeugt.
Schon als der Bundesverkehrswegeplan im Jahre 1993 gegen unsere Stimmen verabschiedet wurde, haben wir nachdrücklich davor gewarnt, Erwartungen zu wecken, von denen wir bereits wußten, daß sie der harten finanziellen Realität nicht standhalten würden. Wir sehen uns darin vollends bestätigt.
Ich sage das durchaus ohne Schadenfreude, die man vielleicht unterstellen könnte; denn wir wissen, daß damit sehr viele Enttäuschungen von Menschen verknüpft sind, die an Straßen wohnen, wo dringend Umgehungsstraßen benötigt werden. Diese werden auf Jahre, ja vielleicht auf den Sankt-NimmerleinsTag verschoben.
Nun fallen die Kürzungen beim Straßenbau mit 734 Millionen DM noch relativ gering aus. Das ist schon gesagt worden. Für 1996 bedeutet das jedoch, daß etwa 40 geplante Straßenbauprojekte nicht begonnen werden können. Dazu gehören in erster Linie Projekte, die ich schon nannte: Ortsumgehungen, die ganz, ganz dringend notwendig sind und die viele von Ihnen den Bürgerinnen und Bürgern versprochen haben. Daß' liegt nicht etwa daran, Herr Wissmann, daß wir nur Kürzungen hinnehmen müssen, was in dieser Situation ganz normal ist.
In diesem Punkt hat auch von unserer Seite keiner widersprochen. Aber es kommt hinzu, daß Sie immer dazu neigen, an Großprojekten festzuhalten, statt auch einmal die genannten kleineren Brötchen zu backen.
Ich nenne nur ein Beispiel: die A 71 und die A 73 im Verkehrsprojekt Deutsche Einheit. Wir haben schon bei den Beratungen zum Bundesverkehrswegeplan Vorschläge gemacht, hier die bestehenden Bundesstraßen auszubauen und Ortsumgehungen zu bauen. Das Ganze wäre billiger und käme den Bürgern eher entgegen. Aber Sie können sich von dem, was Sie einmal gesagt haben, offensichtlich nicht trennen. Das halte ich nicht für gestaltende Politik.
Sie halten auch an den großen Ausbaustandards im allgemeinen fest. Sie wissen - es gibt Untersuchungen auch aus Ihrem Ministerium -, daß man durch schmalere Spuren auf den Autobahnen und durch kleinere Radien bei den Kurven nicht nur Gelände, sondern auch erhebliches Geld einsparen kann.
Wo bleiben Ihre Vorschläge, wo bleiben Ihre Konzepte in diesem Bereich?
- Es ist gut, daß Sie mir das Stichwort geben. Ich hätte es sonst der Kürze zum Opfer fallen lassen. Hier gilt natürlich, was in anderem Zusammenhang schon häufig gesagt worden ist: Wir haben im europäischen Rahmen immer wieder ein allgemeines Tempolimit gefordert. Wo sind Ihre Initiativen für ein solches Tempolimit?