Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Rätsel um die Fahrgastzahlen beim Transrapid aufklären: In der Anhörung im vergangenen Jahr ist u. a. der umwerfende Hinweis gegeben worden, dann könnten endlich die Leute von Berlin nach Hamburg in die Oper fahren. So kommen die Fahrgastzahlen zustande.
- Dann kommen wir irgendwann auf 40 Millionen.
Herr Verkehrsminister, Ihr Haushalt ist eine verkehrspolitische Kapitulationserklärung.
Von einer Wende hin zu einem ökologisch integrierten Gesamtverkehrskonzept sind wir weiter denn je entfernt. Die Maßnahmen, über die Sie vorhin gesprochen haben, sind, entschuldigen Sie bitte, Peanuts.
Die gebetsmühlenartige Wiederholung von Aussagen erhöht nicht deren Wahrheitsgehalt. Sie können hier noch so oft erklären, die Schiene habe eindeutige Priorität, die Fakten und gerade auch dieser Haushalt belegen genau das Gegenteil.
Sie sprechen von einem erfolgreichen Beitrag zum Sparen. Das ist wohl wahr, Herr Kollege Wissmann. Nur sparen Sie genau an der falschen Stelle.
Ihr Rotstift, Herr Minister, trifft wiederum die Bahn am empfindlichsten. Die Ausgaben für Investitionen sollen dort um mehr als zwei Milliarden DM gekürzt und damit auf das Niveau von 1994 begrenzt werden. Der Straßenbau soll lediglich auf 750 Millionen DM verzichten. Irgendwie spekulieren Sie immer noch mit diversen Versuchen von Modellen privater Finanzierung, um diese Lücke zu schließen. Das Nachsehen hat wieder einmal die Bahn. Nun gehörte die PDS zu den wenigen hier im Haus, die das Konzept der Bahnreform so, wie es hier vorgelegen hat, abgelehnt haben. Inzwischen hat sich eine ganze Reihe unserer Argumente - leider, so muß ich sagen - bestätigt.
Einig waren wir uns 1993 u. a. darüber, daß die Bahn über längere Zeit ein Sanierungsfall bleiben werde. Das haben wir bestätigt und gesagt: Insoweit wird sich die Privatisierung schrittweise vollziehen.
Dr. Dagmar Enkelmann
Zumindest verbal sollte die Bahn die gleichen Wettbewerbschancen wie andere Verkehrsträger erhalten. Inzwischen aber sind die Finanzmittel für die DB AG zur Verhandlungsmasse verkommen, mit der man je nach aktueller Haushaltslage hin und her jonglieren kann.
Bis 1999 stehen der Bahn fünf Milliarden DM weniger, als ursprünglich vorgesehen, zur Verfügung. Dringend notwendige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind damit akut gefährdet. Von einer wirklichen Bahnreform kann heute wohl nicht mehr ernsthaft die Rede sein. Der Schwarze Peter wurde erfolgreich der Bahn zugeschoben. Sie muß nun allein eine über Jahrzehnte verfehlte, weil einseitig auf die Straße orientierte, Verkehrspolitik ausbaden. Die Folgen: Streckenstillegungen in großem Umfang - ach, das heißt jetzt Neustrukturierung des Netzes, hat Herr Kollege Friedrich vorhin gesagt -, Schließungen von Bahnhöfen, drastische Kürzungen im Servicebereich und Massenentlassungen insbesondere unter den Beschäftigten der ehemaligen Reichsbahn. Hier geht gerade der Nahverkehr Stück für Stück den Bach runter.
Sicher wird die Bahn auch in den nächsten Monaten prüfen müssen, ob tatsächlich alle Projekte für Infrastrukturinvestitionen auf strikter Wirtschaftlichkeit basieren. Renommierte Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner haben inzwischen berechnet, daß man hier mehr als 20 Milliarden DM einsparen könne, u. a. durch den Verzicht auf Großprojekte oder durch den Einsatz von Neigetechnik und andere Maßnahmen. Diese Mittel könnten dann sinnvoller in den Ausbau des Nahverkehrs, in Lärmschutzmaßnahmen an Bahnstrecken oder in moderne Sicherheitssysteme fließen.
Nach wie vor steht eine endgültige Entscheidung über die Frage aus, wer nicht bahnnotwendige Immobilien verwertet. Die Übertragung der Verwertung in die Verantwortung der DB AG wäre eine annehmbare Lösung, wenn damit die Auflage verbunden wäre, daß die Erlöse für Investitionen der Bahn zur Verfügung stehen müssen. Diese Aufgabe dem Bund zu übertragen, auf welchen Schleichwegen auch immer, hieße Waigels große Taschen zu füllen, in denen das Geld dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde.
Der Bahn blieben höchstens ein paar Appetithäppchen.
Immerhin hat der Finanzminister schon bei den Immobilien der Reichsbahn kräftig zugelangt, die ihm per Einigungsvertrag zugeteilt wurden. Da sind wohl berechtigte Zweifel an den Aussagen des Kollegen Wissmann angebracht. Was nun allerdings überhaupt nicht funktioniert, ist - insofern ist die ganze Privatisierung fraglich -,
daß immer wieder die private Organisationsstruktur der Bahn betont wird, also private Wirtschaftsführung angemahnt wird, und gleichzeitig - sozusagen staatlich, dirigistisch - in deren Haushalt eingegriffen wird. Ja, die Bahn wird im Grunde genommen als Melkkuh mißbraucht.
Genau da ist die Privatisierung inkonsequent. Sind z. B. Gelder - das hat vorhin schon eine Rolle gespielt - bis zum Jahresende nicht abgerufen, hat der Finanzminister sofort seine Hand darauf und verteilt großzügig um. Ich denke, in diesem Punkt sind Regelungen längst überfällig, die sichern, daß die Mittel, die für Investitionen in den Haushalt eingestellt werden, tatsächlich für Investitionen gebraucht werden. Ich weiß, daß sich der Haushaltsausschuß u. a. mit einer Lösung beschäftigt hat, bei der Mittel übertragen werden können, wie es bei einem privaten Unternehmen möglich ist und auch tatsächlich der Fall ist. Genau hier tut sich der Widerspruch auf.
Dieser Haushalt ist eine klare Absage an eine Wende in der Verkehrspolitik. Herr Minister Wissmann hat meines Erachtens den Fight im Kabinettsring verloren. Er sollte das Handtuch werfen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.