Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht mir nicht zu, dazu etwas zu sagen, weil die F.D.P. noch keinen Ministerpräsidenten in den Ländern stellt.
Einen Ministerpräsidenten als Kuhhändler zu bezeichnen, ist schon ein starkes Stück. Soviel zum Stil der Debatte.
Daß die Debatten über den Verkehrshaushalt in diesem Jahr kein Honigschlecken sein würden, konnte man nicht nur den Zeitungen entnehmen; das war eigentlich jedem, der ein bißchen rechnen kann - das können Betriebswirte normalerweise -, schon vorher klar.
Lieber Herr Wagner, der Unterschied zwischen Ihnen und mir besteht darin, daß Sie versuchen, das
Defizit im Verkehrshaushalt mit 17 Millionen DM beim Transrapid zu suchen, während ich mich um das große Thema Bahn mit 30 Milliarden DM innerhalb des Verkehrshaushaltes kümmere.
Die Erfolgschancen sind bei mir wahrscheinlich bedeutend größer als bei Ihnen. Das ist der Unterschied.
Das Problem des Verkehrshaushaltes ist, daß er leider Gottes im investiven Teil deutlich unter 50 % gesunken ist. Die Tendenz geht eher zu 40 %. Es ist eines der feststehenden Kriterien, daß Deutschland nicht nur von der Autoproduktion sehr abhängig ist, sondern daß eine Milliarde DM investiver Mittel im Verkehrshaushalt schätzungsweise 13 000 Arbeitsplätze in der Bauindustrie mittel- und unmittelbar beeinflussen, und zwar im positiven wie im negativen Sinne. Unter diesem Gesichtspunkt muß der Verkehrshaushalt gesehen werden.
Daß er auf Grund der Eckdaten der Koalition - Begrenzung der Neuverschuldung, absolutes Volumen des Haushaltes - nicht ungeschoren davonkommen konnte, war ebenfalls klar. Ich kann nun so wie Sie im Verkehrsausschuß die Streichung von einer Milliarde DM für Straßenbaumaßnahmen betreiben, aber vor Ort erklären, ich werde dafür sorgen, daß die Ortsumgehung morgen mit absoluter Priorität in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird. So kann man es machen; nur löst das nicht die Probleme.
Man muß da anfangen, wo Problemlösungen notwendig sind. Dabei muß man auch, lieber Kollege Schmidt, die unternehmerische Verantwortung der Bahn ernsthaft hinterfragen. Ich habe vorhin schon gesagt: 30 Millarden DM - das sind mehr als 60 % des gesamten Haushaltes - gehen in die Bahn: Personalüberleitung, Rückstand der Deutschen Reichsbahn, Beseitigung von ökologischen Altlasten, Neustrukturierung des Netzes in der Deutschen Reichsbahn und ähnliches.
Es gibt ein Gutachten des Bundesrechnungshofes, in dem gesagt wird: Die Bahn gibt mehr Personal zu Lasten des Bundes, als in der mittleren Finanzplanung vorgesehen ist. Es gibt aber auch Stimmen, die behaupten, durch die Einschaltung des Eisenbahnbundesamtes würden sich die Verfahren nicht verkürzen, sondern verlängern.
Es ist auch eine feststehende Tatsache, daß die Bahn im Jahre 1994 den ihr im Haushalt ausgewiesenen investiven Bedarf von rund 10 Milliarden DM nicht ausgegeben hat. 2 Milliarden DM sind effektiv nicht verbaut worden, 1 Milliarde mußte zurückgegeben werden, und eine konnte durch Vorgriff genommen werden.
Leider Gottes, lieber Kollege Schmidt, wird sie trotz feststehender Planungen wahrscheinlich auch
Horst Friedrich
1995 nicht in der Lage sein, die investiven Mittel auszugeben.
Es ist Tatsache - auch das kann man nicht einfach wegdebattieren -, daß der Verkehrsträger Schiene auf einem Drittel seines gesamten Netzes fast 80 % des gesamten Schienenverkehrs abwickelt. Man muß darüber nachdenken, ob nicht durch intelligentere Organisation des Schienenverkehrs bei bestehenden Strecken ein deutlich größerer Anteil des Verkehrs auf die Schiene umgelegt werden kann. Es kursiert ja in der Bahn ein Plan „Netz 21", der genau dies umsetzen soll. Man muß da anfangen.
Eines hat der Haushalt natürlich auch an sich: Der Zwang, stärker über Privatisierung nachzudenken und sie weiter konsequent zu verfolgen, verstärkt sich natürlich.
- Freilich: Echte Privatisierung. - Wir haben die Lufthansa Gott sei Dank endlich zu einem Unternehmen gemacht, das sich am Markt gerieren kann. Was ist der Erfolg? Wir haben die Flugsicherung gegen viele Widerstände privatisiert. Allein durch die bessere Organisation der Flugsicherung ist die Lufthansa in der Lage, jährlich 25 Millionen DM positiv zum Ergebnis beizutragen, weil die Pünktlichkeitsrate des innerdeutschen Flugverkehrs die der Schiene mittlerweile fast übertrifft. Das ist aber eine Folge der konsequenten Privatisierung. Wir haben weniger Fluglotsen, obwohl wir private und militärische Fluglotsen zusammengeführt haben, und sind in der Leistung besser. Zudem finanzieren sie sich über Gebühren, die vom Nutzer zu zahlen sind. Besser und intelligenter kann man es eigentlich nicht machen. Auch die Bahn muß sich da, wo man es macht, zumindest fragen lassen.
- Das Thema Bodenverkehrsdienste steht an. Es ist etwas Schärfe herausgenommen, lieber Kollege Schmidt, weil sich die Lufthansa mit der FAG in einem langjährigen Vertrag geeinigt hat.
Ich habe überhaupt nichts gegen die Öffnung der Märkte. Wettbewerb ist etwas Schönes - dann, wenn er unter gleichen Wettbewerbsbedingungen stattfindet. Ich glaube, wir sind uns einig, daß es, was Bodenverkehrsdienste angeht, deutlich geschlossenere Geschäfte gibt als ausgerechnet den in Frankfurt. Fangen Sie einmal in Spanien an! Da habe ich 100 % Closed Shop. Da kann ich als Lufthansa nicht anfangen, auf der Bodenseite abzufertigen; ich muß die Iberia nutzen.
Das ist schon lange möglich. Über diese Themen sollte man nachdenken. Zudem muß erst einmal klar sein, daß ein wie auch immer gearteter Mitbewerber es besser macht und daß vor allen Dingen der behauptete Arbeitsplatzeffekt eintritt. Ich habe gelernt:
Langfristig passen sich die Arbeitsplätze dem Bedarf an. Wer vorher Monopolist war und es nicht mehr ist, reduziert die Arbeitsplätze, und die anderen werden genau den Personalanteil aufbauen, den sie brauchen, um den Andrang zu bewältigen, der auf sie zukommt.
Was die Bahn angeht, gibt es ein schon lange bestehendes Dilemma. Es ist von mir schon vielfach genannt und von anderen immer wieder belächelt worden. Die Bahnbus-Holding ist einmal mit dem Auftrag gegründet worden, die Bahnbusgesellschaften zu verkaufen. Davon hört keiner mehr etwas. Alle wundern sich, daß die F.D.P entsprechende Forderungen stellt. Nach wie vor gibt es eine einzige verkaufte private Bahnbusgesellschaft - mit glänzenden Erfolgen, weil man sie endlich agieren läßt.
Es ist nicht so, daß der Nahverkehr im jetzigen Haushalt extrem belastet oder nachteilig behandelt worden wäre. Wir haben nach wie vor 6,3 Milliarden DM im Rahmen des GVFG vorgesehen. Wir geben für die Bahn, wenn ich alles, auch die Ausgleichszahlungen, was den Nahverkehr angeht, zusammenzähle, mittlerweile rd. 17 Milliarden DM aus. Dies steigt bis zur Jahrtausendwende auf 20 Milliarden DM. Im Nahverkehr war noch nie soviel Geld vorhanden.
Das Problem dabei ist, liebe Kollegin Ferner, ob die Landesregierungen und die Ministerpräsidenten das Geld, das zunächst sie kassieren, tatsächlich nach unten an die Verantwortungsträger weitergeben. Es nützt uns nämlich überhaupt nichts - da ist die SPD genauso gefordert -, wenn das Geld vom Bund brav an die Länder gezahlt wird und dort beim Finanzminister versickert, aber die Aufgaben nach unten verlagert werden. Dann ändert sich am Nahverkehr nämlich nichts. Er bleibt weiterhin so, wie er ist. Er kostet nur mehr Geld; aber das bleibt in den Landestöpfen. Genau das darf es auch nicht sein.
Weil wir schon beim Transrapid waren - ich habe es vorhin schon gesagt -: Mich wundert immer wieder, mit welcher Ignoranz manche Leute den Haushaltsansatz gelesen haben, wenn sie ihn überhaupt gelesen haben. Kollege Metzger hat heute vormittag erklärt, bei der Bahn werde zu Lasten des Transrapid gekürzt. Ich kann es noch einmal sagen: Definitiv stehen 17 Millionen DM drin.
Ob das der Bahn im positiven oder negativen Sinne hilft, möchte ich nicht beurteilen. Selbst die in der längerfristigen Finanzplanung vorgesehenen Mittel reichen nicht aus, die Kürzungen zu kompensieren.