Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung: Ich halte es nicht für gut, wenn der Deutsche Bundestag den zweitgrößten Haushalt, der zudem die höchsten Prozentzahlen an Investitionen aufweist und damit eine erhebliche arbeitsmarktpolitische Bedeutung hat, zu einer Stunde behandelt, in der die Millionen Menschen, die von unseren Entscheidungen betroffen sind, nicht mehr zuhören und nicht mehr zusehen können. Das Ganze ist dann auch noch auf eine Stunde begrenzt. Das kann ich nicht akzeptieren.
Ich bitte die Organisatoren des Ablaufs der zweiten und dritten Lesung, darauf zu achten, daß unsere unterschiedlichen Meinungen in verschiedenen Bereichen für die Öffentlichkeit wahrnehmbar dargestellt werden können. Ich glaube, dies ist ein Anliegen aller, die im Verkehrsausschuß und im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages sitzen.
Ich möchte noch vorschlagen, Herr Kollege Wissmann, daß wir beide unsere geschätzte Kollegin Karwatzki bitten, daß sie morgen früh Herrn Waigel, der jetzt nicht hier sein kann, sagt, daß er nicht rechnen kann. Sie haben eben die richtigen Zahlen vorgetragen.
Herr Waigel hat heute morgen behauptet, daß eine Reduzierung beim Einzelplan 12 nicht stattfinde, sondern daß man auf dem Level von 51 Milliarden DM verbliebe. Sie haben richtig dargestellt, daß das eine Reduzierung um 4,4 % oder etwa 2,5 Milliarden DM ist, und dies exakt bei den Investitionen: Investitionen bei der Bahn, Investitionen bei der Straße, bei der Seeschiffahrt und bei den Wasserstraßen. Die Reduzierungen sind also in dem Bereich, wo es in der Tat um die Sicherung und möglicherweise Schaffung von Arbeitsplätzen geht, was immer als allgemeines Anliegen des ganzen Deutschen Bundestages dargestellt wird.
Sie haben meiner Meinung nach eine etwas zu optimistische Darstellung gegeben, Herr Minister. Ich sage zur mittelfristigen Finanzplanung nur eins: Sie zählt für mich eigentlich nie; denn sie stimmt auch nie.
Sie sind ja ein Beispiel der Betroffenheit von der mittelfristigen Finanzplanung: Bei den Zuschüssen für die Seeschiffahrt stelle ich fest, daß sie in der mittelfristigen Finanzplanung in diesem Jahr mit 40 Millionen DM veranschlagt sind; das ist eine Reduzierung von 100 um 60 auf 40 Millionen DM. Die stehen auch im Haushaltsplan.
Der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages hat einstimmig beschlossen - einstimmig! -, daß man für 1995 und die Folgejahre jeweils 120 Millionen DM für die Seeschiffahrt aufwenden müsse. Wir haben im Haushaltsausschuß, Herr Kollege Kalb, im Frühjahr die 100 Millionen DM für 1995 auch beschlossen.
Das heißt, an diesem Punkt müssen wir genau hinsehen. Denn ich befürchte, daß diese erhebliche Reduzierung zu großen Schwierigkeiten bei den entsprechenden Unternehmen führen wird. Ich glaube, wir alle sind uns doch einig, daß wir ein weiteres Ausflaggen deutscher Schiffe und deutscher Reeder nicht mehr hinnehmen können, wenn die Handelsflotte so bleiben soll wie bisher.
Als viel zu optimistisch sehe ich weiterhin die Aussage an, daß man durch den Verkauf von Bundeseisenbahnvermögen zu Einnahmeverbesserungen von bis zu 13 Milliarden DM kommen könne. Es kann durchaus sein, daß der Gesamtwert der zu veräußernden Grundstücke und Immobilien bei 13 Milliarden DM liegt. Aber jetzt so zu tun, als seien die Einnahmen von 13 Milliarden DM im Jahr 1996 fast sicher, ist mehr als optimistisch. Ich würde sagen, das ist fast unverfroren gegenüber der Öffentlichkeit, die an diese Einnahmen glaubt.
Wenn wir gerade bei den Einnahmen sind: Im Einzelplan 60 steht etwas vom weiteren Verkauf von Anteilen der Lufthansa. Die Privatisierung ist jetzt vollzogen; man kann sie kritisieren, aber das läuft ja. Die entsprechenden 1,6 Milliarden DM stehen allerdings nicht in Ihrem Haushalt, wo Sie das Geld gut gebrauchen könnten, sondern im Einzelplan 60. In Ihrem Einzelplan stehen aber alle Altlasten.
Dazu sage ich: Wenn der Bundesfinanzminister schon so unverfroren ist und die 1,6 Milliarden DM, die eigentlich Ihnen zustehen, als Einnahmen in den Einzelplan 60 holt - der Steinbruch, aus dem alles bezahlt wird -, dann soll er auch die Altlasten, die Ihren Haushalt, den Einzelplan 12, belasten, in den Einzelplan 60 übernehmen. Das wäre konsequent und würde der besseren Kosmetik, der Wahrheit und Klarheit des Haushaltes dienen.
Hans Georg Wagner
Konnte ich im Frühjahr dieses Jahres bei der Beratung des Haushaltes 1995 hier noch feststellen, daß der Investitionsanteil bei Ihnen etwa bei 50 % liegt, so muß man jetzt schmerzlich feststellen, daß dort eine Reduzierung um fast 5 % stattfindet; die Zahlen habe ich vorhin schon genannt.
Das heißt, daß alles das, was hier als allgemeines Ziel verkündet worden ist, etwa das Umsteigen von der Straße auf die Schiene, entweder politisch nicht mehr gewollt ist oder bewußt hintertrieben wird. Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten. Ansonsten hätte man diese erhebliche Reduzierung im Haushaltsentwurf nicht hinnehmen können.
- Natürlich, auch ich kenne die Zahlen; wir beraten sie im Haushaltsausschuß immer sehr intensiv, Herr Kollege.
Wenn Sie die Altlasten mitrechnen, wenn Sie alles zusammen sehen, mag Ihre Summe stimmen. Ich sage nur: Es ist bedauerlich, daß die Investitionsmittel um 5% auf nunmehr nur noch 45 % gekürzt worden sind. Das ist die falsche Tendenz im Einzelplan 12, die wir als Sozialdemokraten nicht akzeptieren.
Auch die Straßenbauer, die immer hoffnungsvoll und mit strahlenden Augen den Haushalt betrachten, sind nicht gut dran: 750 Millionen DM minus machen schon etwas aus. Auch hiervon ist die Bauwirtschaft in erheblichem Maße betroffen, einmal unabhängig davon, ob man die Priorität bei den Finanzen mehr in die Schiene oder mehr in den Straßenverkehr setzt. Immerhin ist auch dort eine Reduzierung vorgenommen worden. Die Zahlen für die Seeschifffahrt habe ich vorhin schon einmal genannt.
Angesichts dieser Reduzierungen Ihres Haushaltes im Investitionsbereich wäre es zumindest ehrlich gegenüber der Öffentlichkeit, wenn Sie, Herr Minister, den Bundesverkehrswegeplan der Realität anpaßten.
Diese illusorische Überschrift „Bundesverkehrswegeplan" erweckt bei der betroffenen Bevölkerung nur Hoffnungen. Jedermann in diesem Hause aber weiß, daß das überhaupt nicht so realisiert werden kann, wie es drinsteht. Deshalb bitte ich sehr herzlich darum, einmal eine Aktualisierung des Bundesverkehrswegeplanes vorzunehmen.
Dann würde man auch manchen Ihrer Kolleginnen und Kollegen die Blamage ersparen, wenn sie vor Ort immer treuherzig verkünden, die Umgehung X oder die Umfahrung Z käme in nächster Zeit. Wir
werden dafür sorgen; meine Fraktion wird das machen. - Sie könnten Ihren Kolleginnen und Kollegen manche Blamage ersparen, wenn Sie einen realitätsbezogenen Bundesverkehrswegeplan vorlegen würden.
- Das werden wir tun.
Sie könnten auch Herrn Dürr von der Bundesbahn einmal bitten, seine Vorstellungen darüber darzulegen, wie es eigentlich gehen soll, wenn die Reduzierungen in Milliardenhöhe für den Bereich der Schiene erfolgen. Ich habe gehört, daß vom „Aufbau Ost" viele Gelder in den Topf des Bundesfinanzministers zurückfließen. Wenn dieses Geld zu Ihnen, Herr Minister, flösse, könnte man noch das eine oder andere Projekt im Westen finanzieren. Aber diese Gelder werden praktisch à fonds perdu an den Finanzminister gegeben. Deshalb hätten wir, was die Bahn angeht, konkret gewußt: Was wird mit diesen Geldern gemacht? Wie werden die Strecken finanziert?
Ein Beispiel: Bei der Schnellverbindungsstrecke von Paris über Metz und Saarbrücken nach Mannheim ist die Bundesbahn seit Monaten im Hintertreffen, was den Antrag auf Finanzierung angeht. Jetzt liegt bei Ihnen, Herr Wissmann, der Antrag für den Ankauf von Grundstücken vor. Es muß aber doch klar sein, daß die Bahn ihre guten Projekte wirklich engagiert durchsetzt. Man muß erkennen, daß wirklich der Wille dahintersteht, dem Vorrang der Schiene zum Durchbruch zu verhelfen.
Ich komme nun zur Lkw-Besteuerung. Sie haben gerade gesagt, das sei eine gute Sache und würde von der Koalition getragen. Ich habe aber nicht den Eindruck, daß deshalb ein Lkw weniger auf der Straße fährt, Herr Kollege Wissmann. Der ökologische Aspekt der Einnahme ist sicherlich nicht spürbar. Natürlich ist dann mehr Geld im Bundeshaushalt. Ich kann aber nicht sehen, daß eine Ökologisierung des Güterverkehrs auf der Straße stattfinden würde. Ich selbst bin betroffener Autofahrer und sehe dann ja die Segnungen dieser Steuer täglich auf den entsprechenden Straßen.
Nun haben Sie eben auch noch einmal die Wunderkerze Transrapid gezündet, die im nächsten Jahr mehr Geld beanspruchen wird. Das sind aber nur 17 Millionen DM für die Planungsgesellschaft. Ich sage „nur", obwohl das angesichts des Haushalts sehr viel Geld ist. Im nächsten Jahr aber geht dann die Finanzierung der Investitionen los. Dann sind die Freuden derer, die heute noch für den Transrapid kämpfen, wahrscheinlich gedämpft; denn der Bundesverkehrsminister muß 56,8 % der Investitionen aufbringen, das andere muß von den anderen Einzelplänen aufgebracht werden. Das heißt: weniger Wohnungsbau, weniger Umweltschutz, weniger soziale Leistungen etc. Dafür wird eine ganze Menge
Hans Georg Wagner
aufgebracht werden müssen. Ich bitte einmal die Berichterstatter dieser Einzelpläne, darüber nachzudenken, was sie dann der Bevölkerung draußen verkaufen wollen.
Noch einen Satz zum Transrapid: Ich bin durchaus der Meinung, daß man neue Techniken erproben sollte und weltweit zeigen muß, daß so etwas im eigenen Land funktioniert. Wir haben unsere Beschlüsse in diese Richtung gefaßt; wir waren nur gegen die Strecke Berlin-Hamburg. Sie aber wollen im Bereich des Bergbaus die Subventionen herunterstreichen, obwohl wir in der Kohlekraftwerkstechnik weltweit führend sind und unsere Sicherheitstechnik in den Bergwerken die sicherste der ganzen Welt ist. Indonesien und Indien kaufen unsere Steinkohlekraftwerkstechnik an, weil sie diese überzeugend finden; und Sie wollen Steinkohlekraftwerke dichtmachen.
Das ist doch ein Widerspruch. Wenn Sie den Sozialdemokraten sagen, sie seien beim Transrapid technologiefeindlich, dann sage ich: Sie sind beim Bergbau noch viel extremer technologiefeindlich. Deshalb sollten wir uns das gegenseitige Vorwerfen abschminken und versuchen, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.
Ich fürchte, daß es in bezug auf die Kürzungen Ihres Haushaltes bei der Umsetzung zu erheblichen Verzögerungen kommen wird. Nichtsdestotrotz werden wir am Montag im Berichterstattergespräch und dann in der Beratung des Haushaltsausschusses versuchen, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Wir werden Anträge stellen. Wenn Sie denen zustimmen, dann haben Sie möglicherweise die Zustimmung hier im Bundestag sicher, Herr Minister.
Schönen Dank.