Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 1996 ist wie der Finanzplan 1995 bis 1999 nicht nur ein sozialer, sondern auch ein ökologischer Genickschlag. Die Mittel des Umweltministeriums werden 1996 um 40 Millionen DM, also um 3 %, gekürzt. 1997 soll der Haushalt dann zwar wieder um 45 Millionen DM angehoben werden, aber nur, um ein Jahr später um fast 50 Millionen DM zu schrumpfen.
1999 wird er mit dann 1,343 Milliarden DM um 20 Millionen DM unter dem Soll des Jahres 1995 liegen.
Neben dem Volumen deutet auch die Struktur der Umweltausgaben darauf hin, daß sich die Bundesregierung von einem sozial-ökologischen Umsteuern weiter denn je entfernt hat. 1996 werden die Ausgaben für Investitionen zur Verringerung der Umweltbelastungen nicht mehr 123,5 Millionen wie 1994, sondern nur weniger als die Hälfte, nämlich 57,6 Millionen DM, betragen. Die Atomforschung läßt sich die Bundesregierung dagegen 1,8 Milliarden DM kosten.
Eva Bulling-Schröter
Darüber hinaus summiert der Bundesfinanzminister im Finanzbericht 1996 teilweise obskure Titel unter der Überschrift „Ausgaben der Bundesressorts für den Umweltschutz und für Maßnahmen mit umweltverbessernder Wirkung - einschließlich Ausgaben für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz" und kommt somit im Bundeshaushalt 1996 auf Umweltschutzausgaben in Höhe von rund 9,36 Milliarden DM. Dabei handelt es sich zum großen Teil um Ausgaben, die im Zusammenhang mit bereits aufgetretenen Umweltbelastungen entstehen. Dazu werden beispielsweise die sogenannten Verteidigungslasten in Höhe von 480 Millionen DM gezählt, die Posten wie die Beseitigung von Kampfmitteln, Erosionsschutz sowie Schallschutzmaßnahmen an Truppenübungsplätzen umfassen. Auch die als Folge der politisch forcierten Motorisierung entstandenen Lärmbelästigungen führen zu Ausgaben für Schallschutzmaßnahmen an Bundesstraßen in Höhe von rund 66,7 Millionen DM, die im Finanzbericht der Bundesregierung mit demagogischer Selbstverständlichkeit dem Umweltschutz zugeschlagen werden.
Desgleichen werden Ausgaben für die gentechnische Forschung - 12 Millionen DM -, für das Kernforschungszentrum Karlsruhe - 96,4 Millionen DM - oder für die Forschung auf Gebieten der Reaktorsicherheit - 81,5 Millionen DM - auf das Umweltschutzkonto gebucht, obwohl gerade diese Zweckbestimmungen umweltschädigende Folgen nicht ausschließen, sondern größtenteils erst provozieren.
Selbst die Bundeswehr leistet mit 1,16 Milliarden DM ihren angeblichen Beitrag zum Umweltschutz - wahrscheinlich zur Emissionsreduzierung beim ökologischen Stellungs- und Bunkerbau.
Eine Zweckbestimmung von Ausgaben für Maßnahmen zur Verhinderung ökologischer Schäden muß man dagegen mit der Lupe suchen. So sind die Anteile der Ausgaben für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, die dem Umweltbereich zugute kommen, im Einzelplan 23 nicht nur mit jeweils 25 % der entsprechenden Gesamtausgaben geschätzt, sondern sollen auch von 1994 bis 1996 um insgesamt 33 Millionen DM schrumpfen.
Selbst wenn wir - realpolitisch geläutert - die oben genannten 9,36 Milliarden DM als tatsächliche Umweltausgaben betrachten, entsprechen diese nur 2 % des Gesamtetats 1996. 2 % - das ist angesichts der handgreiflichen Umwelt- und Entwicklungsprobleme dieser Welt ein vollkommen unakzeptabler Wert.
Doch woher sollen die Milliarden kommen, die zur Finanzierung eines sozial-ökologischen Umbaus notwendig wären? Eine sprudelnde Quelle, ein Allheilmittel, sozusagen eine eierlegende Wollmilchsau, wird von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wie auch von der SPD hofiert:
die ökologische Steuerreform. Marktkräfte nutzen, externe Kosten internalisieren, Umweltverbrauch und -verschmutzung zur betriebswirtschaftlichen Größe machen - ein neues, nunmehr ökologisches Wirtschaftswunder steht angeblich vor der Tür.
Allerdings ist dabei von der alten Losung „Die Preise müssen endlich die ökologische Wahrheit sprechen! " nicht mehr viel übriggeblieben. Auch soll der eigentliche Umbau nunmehr weitgehend dem ökosteuerlich reformierten Markt überlassen werden. Für eine rosa-grüne Alternative in Wartestellung ist dies nachvollziehbar. Schließlich möchte man es sich nicht mit der Wirtschaft verderben.
War noch vor der Sommerpause die Frage der Aufkommensneutralität bei den Bündnisgrünen wenigstens umstritten, so hören wir jetzt von Staatsminister a. D. Joschka Fischer, daß bei Steuern und Abgaben nunmehr „Oberkante Unterlippe" - Sie haben es ja schon gesagt, Herr Schmidt - erreicht sei.
Deshalb ist Kostenneutralität angesagt; deshalb soll auch die schrittweise Anhebung des Benzinpreises auf 5 DM nicht wie ursprünglich in vier, sondern erst in zwölf Jahren erreicht werden.
Nicht mehr Ausgleichszahlungen für untere Einkommensgruppen und die Finanzierung ökologischer Umbauprogramme stehen an erster Stelle, sondern die Abschaffung der Kfz-Steuer, Senkung von Lohnnebenkosten - darin ist sich das Haus ja einig - sowie Verringerung von Einkommen- und Unternehmensteuern bis hin zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer. Kurzum: 80 % eines möglichen Ökosteueraufkommens sollen nicht in die Umwelt, sondern in die neoliberale Mottenkiste fließen - Flexibilisierung usw.
Ökosteuern dürfen nicht weh tun, meint auch die SPD. Nach Oskar Lafontaine soll über die Aufkommensneutralität hinaus marktwirtschaftlicher Umweltschutz - was immer das auch sein mag - keinen zusätzlichen Kostendruck auf die Wirtschaft ausüben. So will der saarländische Ministerpräsident besonders energieintensive Branchen wie Kohle, Stahl oder Chemie bei Einführung einer Energiesteuer auch gleich wieder über niedrige Steuersätze bei Laune halten.
Für Teile der SPD ist dies nur konsequent; denn als moderne Wirtschaftspartei war sie im Umgang mit umweltpolitischen Visionen noch nie besonders zimperlich. Sie führte die sogenannten Energiekonsensgespräche, die nichts anderes als Pro-Atom-Einstiegsgespräche sind, und läßt brutale Polizeieinsätze in Gorleben zu.
Abschließend zurück zu Haushalt und Ökosteuer. Die Bundestagsgruppe der PDS vertritt in ihrem Positionspapier zur ökologischen Steuerreform den Standpunkt, daß diese ein notwendiges, aber längst
Eva Bulling-Schröter
nicht hinreichendes Instrument ist. Eine solche Steuerreform muß einkommensschwachen Haushalten für die durch die Reform hervorgerufenen Belastungen einen vollen Ausgleich schaffen, ansonsten aber Mittel beispielsweise für einen ökologischen Umbau des Verkehrssystems, für naturnahe Landschaft und für die soziale Absicherung gravierender wirtschaftlicher Strukturbrüche bereitstellen.
Gebote, Verbote und Kontingentierungen strategischer Ressourcen
- im Fall der Primärenergieträger beispielsweise über eine europäische Energiekommission - sowie eine an umweltpolitischen Zielen ausgerichtete Haushaltspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden sind gleichberechtigte Elemente ökologischer Wirtschaftspolitik. Der Haushalt 1996 setzt dafür keinerlei Akzente.