Herr Präsident, im beschlossenen Regierungsentwurf ist die Nettokreditaufnahme für das nächste Jahr auf 60 Milliarden DM eingedämmt worden. Das war die finanzplangerechte Gestaltung dieses Haushalts - trotz all der Belastungen, trotz 12 Milliarden DM Steuerausfall im Rahmen unserer Steuersenkungspolitik, trotz des höheren Kindergelds, trotz der 8 Milliarden DM Aufwendungen, die wir jetzt für die Kohleverstromung aufbringen müssen, und vieler anderer neuer Belastungen.
Wir wollen in der Koalition und in der gemeinsamen Arbeitsgruppe an dieser Zielmarke festhalten. Kollege Weng hat das schon ausgesprochen. Aber wir erwarten, daß wir die Risiken, die jetzt zusätzlich auf den Haushalt zugekommen sind - an erster Stelle steht die neue Belastung von 1,6 Milliarden DM, die im Vermittlungsverfahren durch die Strategie der Bundesratsmehrheit auf den Bundeshaushalt gedrückt worden ist - durch Umschichtungen und Einsparungen in den Griff bekommen. Dieses bezifferbare Risiko muß weg. Wir werden diese Linie verteidigen.
Wenn Frau Matthäus-Maier mit beredten Worten immer wieder auf die Arbeitsmarktpolitik zu sprechen kommt,
dann habe ich daran zu kritisieren, daß hinter allem eine sehr technizistische Betrachtungsweise steht, als sei dies über den Bundeshaushalt in direkter Form durch Ausgaberichtungen des Bundes zu instrumentalisieren. Unsere Politik der Ausgabenbegrenzung und der Stabilitätsorientierung leistet für Wachstum, Stabilität und Arbeitsplätze in Deutschland weit mehr, als es jede sozialdemokratische Politik einer forcierten Ausgabenexpansion bewirken würde.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt die niedrigste Preissteigerungsrate seit sieben Jahren, seit 1988. Wir haben durch die Entscheidung der Bundesbank parallel dazu Gott sei Dank den niedrigsten Zinssatz seit sieben Jahren. Frau MatthäusMaier, die uns gerade verlassen hat,
hat noch Anfang März in einem „ Expreß " -Interview getönt: Zinsen senken, dann startet die Konjunktur durch. - Eine großartige Botschaft, verbunden mit der Aufforderung an den Finanzminister, durch strikten Sparkurs zum Abbau der Staatsschulden beizutragen, diesen Kurs anzusteuern und damit Erfolge zu erzielen. Ich hätte mir gewünscht, daß sie auf das, was der Finanzminister durch gestaltende Politik erreicht hat, irgendeine Kommentierung dem Haus gegenüber abliefert. Fehlanzeige!
Die beiden sind relativ sportliche Typen. Ich will es darum so ausdrücken: Ob das finanzpolitisch der Sprint oder die Mittelstrecke ist, ich habe das Gefühl, der Bundesfinanzminister trabt Ingrid Matthäus-Maier immer zügig voran und zeigt ihr die Hacken. Wer das in der Vergangenheit nicht gemerkt haben sollte, der hat es heute endgültig begriffen. Auch das ist ein Kompliment für Sie.
Meine Damen und Herren, wir wollen diese gefährliche Staatslastigkeit bekämpfen. Wir haben das getan. Wir haben fünf Jahre nach der Wiedervereinigung ein wichtiges Etappenziel unserer Politik erreicht. Die erste Phase der Transformation, der Übergangsfinanzierung in Deutschland ist abgeschlossen. Seit Jahresbeginn sind die neuen Bundesländer nicht mehr Zuwendungsempfänger, sondern es greift das Föderale Konsolidierungsprogramm. Die Länder haben eine verläßliche Finanzbasis, auf die sie nun allerdings zu einer eigenen Optimierung ihrer Politik angewiesen sind. Wir werden sie dabei unterstützen.
An die Adresse der SPD gerichtet, möchte ich sagen: Wer gegen Schulden und Defizite wirklich ankämpfen will, der kann natürlich nicht nur Umschichtung als Programm formulieren, wie es Frau Matthäus-Maier heute in Interviews wieder gemacht hat. Wenn sie gefragt wird: „Woher kommt das Geld?", dann sagt sie: Umschichten, eine neue Steuer muß her; man muß umverteilen, und dann kommt die Sache in Ordnung. - Nein, es muß auch
Adolf Roth
gespart werden, und das muß der Öffentlichkeit deutlich mitgeteilt werden.
Daß wir das seit Jahren tun, ist am Zahlengerüst dieses Bundeshaushaltes ablesbar. Wir haben 1994 und 1995 insgesamt 40 Milliarden DM Konsolidierungsvorsprung erwirtschaftet, was im Finanzplan so nicht vorgesehen war und was wir den Wählerinnen und Wählern in Deutschland vor der Bundestagswahl nicht einmal als unser Ziel vorstellen konnten. Wir haben das durch strikte Politik erreicht.
Das ist der Einstieg in die Zielstrategie 2000, von dem ich gesprochen habe. Wir werden das fortsetzen, weil wir wollen, daß das Vertrauen weiter gefestigt wird. Die Deutsche Bundesbank mahnt den Bundestag als das nationale Parlament immer wieder, diese vertrauensbildende Politik zu betreiben und die nachhaltig enge Begrenzung des Ausgabenwachstums auch in der Zukunft an die erste Stelle zu setzen und damit, wie die Bundesbank sagt, die grundlegende Vorbedingung für alles übrige zu schaffen.
Noch vor wenigen Monaten - jeder im Haus hat das noch im Ohr - hat die SPD mit erstaunlichsten Prognosen operiert und das Fiasko an die Wand zu malen versucht. Warum leugnen Sie eigentlich diesen erreichten klaren Durchbruch unserer Finanzpolitik? Haben Sie das nötig, obwohl Sie doch gleichzeitig - ich muß es noch einmal sagen, Herr Kollege Schmidt - allein durch die Strategie im Vermittlungsverfahren den Bundeshaushalt für die nächsten Jahre nicht nur um die 1,6 Milliarden DM für 1996 belastet haben, sondern insgesamt um 14,6 Milliarden DM bis 1998?
Wenn wir dann in die Politik der Steuersenkung eintreten wollen, sind das Beträge, die uns fehlen werden und die wir durch energische Sparaktionen dann erbringen müssen.
Wir haben die säkularen Sonderlasten bewältigen können. Wir haben die Folgen der Rezession von 1993 erstaunlich schnell überwinden können. Wir gehen jetzt auf die dritte Stufe der Maastrichtverträge, auf die Europäische Währungsunion, zu. Diese Bundesrepublik unter der finanzpolitischen Regie des Bundeskanzlers und des Finanzministers erfüllt seit 1994 sämtliche Maastricht-Kriterien. Und dabei wird es bleiben. Das werden wir in den nächsten Jahren verteidigen. Wir werden damit auch ein Beispiel für unsere europäischen Nachbarländer geben.
Das sind die Leistungen von Theo Waigel: die Finanzierung der Einheit, die starke D-Mark, das Verteidigen der nationalen Stabilitätsziele der internationalen Währungsstabilität, die Einhaltung all dieser Kriterien. Das ist in den Herausforderungen der letzten Jahre doch kein Pappenstiel gewesen. Daß dies alles gleichzeitig möglich war, muß man glaube ich, unterstreichen, und das verdient auch öffentliche Hervorhebung.
Sparpolitik ist nicht das Ende von Gestaltung. Wenn man den Bundeshaushalt nüchtern analysiert, wird man feststellen: Der Sozialhaushalt bleibt mit 146 Milliarden DM Spitzenreiter mit einem Drittel am Gesamtaufwand. Der Haushalt der Bundeswehr für die 340 000 Soldaten und die deutlich gestraffte Zivilverwaltung ist mit 48,4 Milliarden DM abgesichert und hat damit auch eine vernünftige Planungsgrundlage. Ich habe kein Verständnis dafür, Frau Kollegin Matthäus-Maier, daß Sie nun auch noch - ich muß das indirekt schlußfolgern - die Einkommensverbesserung für unsere Soldaten - das ist der einzige Hintergrund des Haushaltsanstiegs 1996 - auf Kosten einer modernen und guten Materialausstattung unserer Bundeswehr erreichen wollen. Etwas anderes kann ich gar nicht schlußfolgern.
Deshalb weisen wir diese Sparstrategie der Opposition zurück.
Auch für Ostdeutschland hat sich unsere Politik ausgezahlt, und sie wird so fortgesetzt. Mit dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost, mit unserer Politik zur Entfaltung der wirtschaftlichen Eigendynamik wollen wir diesen Prozeß vorantreiben.
Wir werden beim Hochschulbau, in der beruflichen Aufstiegs- und Fortbildung, in der mittelstandsorientierten Innovationsförderung und auf vielen anderen Feldern trotz der Haushaltsenge Akzente setzen, auch in unseren internationalen Verpflichtungen, etwa in der Entwicklungspolitik oder im osteuropäischen Reformprozeß. Das sind Ausgaben, die uns im Moment drücken. Aber hier werden keine Abstriche gemacht. Hier wird auf hohem Niveau weiterfinanziert, weil dies auch Investitionen in unsere nationale Zukunft, in unsere Sicherheit, in die friedliche Entwicklung im nächsten Jahrhundert sind.
Meine Damen und Herren, weil alles eng ist, erwarten wir natürlich von jedem einzelnen Mitglied des Bundeskabinetts die besondere Wahrnehmung seiner Chefverantwortung auch in Sachen Kreativität und Prioritätensetzung, d. h. Konzentration auf das Wichtigste. Wir haben den Ausgabenanteil des Bundes am Bruttoinlandsprodukt deutlich zurückgeführt. Er ist jetzt wieder so niedrig wie 1989. Auch das wird von vielen gar nicht bemerkt. Der Anteil beträgt 12,3 % des Bruttoinlandsproduktes. Wir werden das bis 1999 auf 11,3 % absenken können. Damit wird auch die Richtung vorgegeben, daß wir von einer falsch verstandenen Staatslastigkeit weg wollen und den Staat auf die Rolle zurücknehmen, die er braucht, um seine Aufgaben erfüllen zu können.
Adolf Roth
Meine Damen und Herren, wenn wir sagen, wir wollen den Sacherfolg nicht gefährden, wir wollen dieser Bundesregierung Leistung abverlangen, dann bedeutet das auch, daß die organisatorischen Strukturen der Bundesregierung in jedem einzelnen Ressort auf den Prüfstand müssen. Wir werden in wenigen Jahren nach Berlin umziehen. Bevor die Ministerien dorthin umziehen, müssen sie sich auf den Prüfstand begeben.
Nicht jede Abteilung ist da noch notwendig; nicht jedes Referat muß in Berlin wieder so auftauchen, wie es hier in Bonn gesessen hat. Wir wollen, daß das, was der Finanzminister im eigenen Hause schon beispielhaft gemacht hat, eine Rationalisierungsstudie und Organisationsstrukturstudie, in jedem einzelnen Bundesressort möglich wird.
Der Anteil der Personalausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes ist seit Mitte der 70er Jahre immerhin um ein Drittel gesunken. Es sind jetzt noch 12 %. Auch im nächsten Jahr werden wir das Bundespersonal deutlich reduzieren. Für die Koalitionsfraktionen ist die im Haushaltsentwurf vorgesehene 1% -Abschmelzmarge die Untergrenze. Wir werden darüber weiter diskutieren, weil wir uns mit dem erreichten Zwischenergebnis noch nicht zufriedengeben. Wir haben gegenüber dem Höchststand von 1992 mittlerweile einen Abbau von über 50 000 Personalstellen erreicht. Wir wollen, daß zum Ende der Legislaturperiode, also 1998/99, der gesamte Personalkörper des Bundes wieder den Stand erreicht, den er 1989 vor der Wiedervereinigung hatte; das sind, rund gerechnet, 300 000 Stellen. Ich glaube, das ist ein Ziel, das unsere Anstrengung verdient.
Meine Damen und Herren, wenn man beim Personal kürzt, muß man auch den Sachaufwand unter die Lupe nehmen. Hier gibt es keine Aufwüchse; hier wird überrollt, hier wird gekürzt. Wir wollen die Marke von 6 % der Gesamtausgaben, die es heute gibt, mindestens verteidigen oder sie senken.
Das Wesentliche, worauf wir uns bei dieser Haushaltsberatung für 1996 konzentrieren, ist, daß wir im Rahmen der investiven Bundesausgaben keine Fehler machen. Ich sage denen, die jetzt oberflächlich kritisieren, es sei ein Minus von 5 Milliarden DM gegenüber dem Vorjahr eingetreten: Sie sollten sich bitte einmal mit den Strukturen dieses Investitionshaushaltes beschäftigen. Darin sind u. a. Milliardenaufwendungen enthalten, die wir als Entschädigung für Bürgschaftsverpflichtungen im Exportgeschäft erstatten müssen. Wenn das im nächsten Jahr um 1 Milliarde DM zurückgeht, Herr Bundesfinanzminister, sind wir damit sehr zufrieden und hoffen, daß sich das in weiteren Jahren noch günstiger entwikkelt.
Unser Schwerpunkt wird bei den Sachinvestitionen des Bundes im Bau- und im Verkehrsbereich liegen, weil wir glauben, daß eine moderne Infrastruktur auch die Grundlage für eine verbesserte Qualität unseres Standortes Deutschland ist. Deshalb müssen wir in diese Strukturen investieren.
Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Haushalt 1996 ganz neue Herausforderungen zu bewältigen: Viele Einnahmen sind weggebrochen; wir haben die zweite Stufe der Bahnreform zu bewältigen. Gott sei Dank sind wir nicht ausgewichen und werden wir nicht ausweichen in eine Politik der Defizitaufschichtung; es gibt auch keine Flucht in Steuer- und Abgabenerhöhungen, wie das die SPD in ihren Unkenrufen vom Frühjahr angekündigt hatte.
Ich rate Ihnen, meine Damen und Herren: Schauen Sie auf die Entwicklung der Finanzmärkte! Diese bewerten den Beitrag dieser Bundesregierung zur Konsolidierung in Deutschland objektiver als SPD und Grüne in diesem Haus. Damit sind wir ganz einverstanden und zufrieden.
Die haushaltspolitische Strenge der Koalition hat sich ausgezahlt; sie wird fortgesetzt. Wir wollen den Solidaritätszuschlag zurückführen. Er bringt im Gesamtvolumen der nächsten Jahre immerhin 165 Milliarden DM in den Staatshaushalt.
Ich hätte mir seinerzeit mit vielen anderen durchaus gewünscht, daß wir zur Vorabauffüllung der Finanzkraft der neuen Bundesländer den Weg der direkten Zweckzuweisung aus dem Bundeshaushalt gegangen wären; das hätte den Rückweg aus dem Solidaritätszuschlag wesentlich erleichtert. Gescheitert ist dies damals am westdeutschen Länderegoismus.
Deswegen müssen wir in dieser Stunde appellieren, daß die westdeutschen Bundesländer, daß die Länder insgesamt bereit sind, die Verteilungsfragen bei der Umsatzsteuer im Lichte der neueren Entwicklung, im Lichte der verstärkten Finanzkraftbildung in den neuen Bundesländern zu überprüfen. Wenn uns das gelingt, haben wir eine weitere Voraussetzung dafür geschaffen, daß wir bei unserem Gesamtziel niedrigerer Belastung in diesem Staat am Ende erfolgreich sind.
Kein Bundeshaushalt beantwortet alle Fragen. Politik kann nie letzte Fragen beantworten. Jedes Jahreshaushaltsgesetz ist insofern vorläufig und nur eine Etappe auf dem weiteren Weg. Jedoch trägt die Konzeption des Bundeshaushalts 1996, wie heute vom Finanzminister präsentiert, durch ihre ausgeprägte Spar- und Entlastungsstrategie dazu bei, daß die Kräfte des Marktes und auch des Arbeitsmarktes in Deutschland gefestigt werden.
Wir werden diese Politik im Ausschuß konsequent begleiten und unterstützen. Wir hoffen, daß die SPD nach ihren Chaoswochen politisch wieder ansprechbar geworden ist, uns dabei irgendwo zu unterstützen.
Herzlichen Dank.