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    Plenarprotokoll 13/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1995 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Leni Fischer (Unna) und des Bundesministers Dr. Norbert Blüm 4095 A Abwicklung der Tagesordnung 4095 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4095 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 4106B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 4114 C Ingrid Matthäus-Maier SPD , . 4116C, 4159A, 4180C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4120B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 4124B Dr. Christa Luft PDS 4129D Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 4131 D Manfred Hampel SPD . . . . . . . . 4136A Walter Hirche F.D.P 4136D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 4138A Dr. Barbara Hendricks SPD 4141 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 4143D Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 4146D Dr. Liesel Hartenstein SPD 4150 C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 4152D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4154D Birgit Homburger F D P. 4157 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4159B Rolf Köhne PDS 4159 C Eva Bulling-Schröter PDS 4160D Eckart Kuhlwein SPD 4162B Arnulf Kriedner CDU/CSU 4164 B Eckart Kuhlwein SPD 4165D, 4181D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 4166 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 4168D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4170B, 4180A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4171 A Hans Georg Wagner SPD 4172 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 4174 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4176A Horst Friedrich F.D.P. . . . . . . . . 4178B Elke Ferner SPD 4181 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4181B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . 4181 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS . . . . . 4182 C Heide Mattischeck SPD 4183 D Matthias Wissmann CDU/CSU . . . 4184 C Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 4186 C Achim Großmann SPD 4189B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 4190D, 4191B Gert Willner CDU/CSU 4192 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4193D Dr. Klaus Röhl F.D.P 4195 B Klaus-Jürgen Warnick PDS 4196C Dieter Maaß (Herne) SPD 4197 D Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 4199C Achim Großmann SPD 4200A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 4201 A Hans Martin Bury SPD 4203 B Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 4205 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4207C Dr. Max Stadler F D P. 4208D Gerhard Jüttemann PDS 4210A Arne Börnsen (Ritterhude) SPD 4210B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4211C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU 4213B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 13/2245) b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (Drucksache 13/2246) 4144 D Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 13/1444) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Drucksache 13/1446) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren (Drucksache 13/1445) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1994 (Drucksache 13/1667) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau (Drucksache 13/1887) f) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß 56 a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Technikfolgenabschätzung hier: Neue Werkstoffe (Drucksache 13/ 1696) 4145 A Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußfassung über die Weitergeltung der - Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses - Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115 d des Grundgesetzes (Drucksache 13/ 2239) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand fiber die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstrekkung von Strafurteilen (Drucksachen 13/666, 13/1760) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betr. die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 13/669, 13/1761) d) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Zielen und Instrumenten einer Währungspolitik (Drucksachen 12/7805, 13/725 Nr. 59, 13/1584) 4145D Nächste Sitzung 4213 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4215* A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Renate Rennebach (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 . . . . 4215* D 50. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1995 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 5. 9. 95 Andres, Gerd SPD 5. 9. 95 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 5. 9. 95 Formanski, Norbert SPD 5. 9. 95 Frick, Gisela F.D.P. 5. 9. 95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 5. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 5. 9. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 5. 9. 95 Jelena Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 5. 9. 95 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 5. 9. 95 Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 5. 9. 95 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 5. 9. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 5. 9. 95 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 5. 9. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 5. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 5. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lotz, Erika SPD 5. 9. 95 Lüth, Heidemarie PDS 5. 9. 95 Neuhäuser, Rosel PDS 5. 9. 95 Dr. Protzner, Bernd R. CDU/CSU 5. 9. 95 Dr. Rappe (Hildesheim) SPD 5. 9. 95 Hermann Schätzle, Ortrun CDU/CSU 5. 9. 95 Dr. Scheer, Hermann SPD 5. 9. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schenk, Christa PDS 5. 9. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 5.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 5. 9. 95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 5. 9. 95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 5. 9. 95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 5. 9. 95 Simm, Erika SPD 5. 9. 95 Thieser, Dietmar SPD 5. 9. 95 Tippach, Steffen PDS 5. 9. 95 Tröscher, Adelheid SPD 5. 9. 95 Vosen, Josef SPD 5. 9. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 5.9.95 Heidemarie Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Renate Rennebach (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 (Seiten 4020 A bis 4022 C) In der Abstimmungsliste ist mein Name bei den Enthaltungen aufgeführt. Ich erkläre, daß ich nach meiner festen Überzeugung mit Ja gestimmt habe.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die OECD bescheinigt der deutschen Finanzpolitik in ihrem soeben erschienenen Deutschlandbericht beeindruckende Erfolge bei der Konsolidierung und der Wahrung der finanzpolitischen Stabilität. Deutschland erfüllt beim Staatsdefizit und beim Schuldenstand die Maastricht-Kriterien. Das strukturelle Defizit liegt 1995 um fünf Prozentpunkte unter dem des Jahres 1991.
    Der IWF bezeichnet in seinem neuesten Economic Outlook die deutschen Konsolidierungserfolge als vorbildlich. Gleichzeitig stellt die OECD fest: In etwa zehn Jahren wird bei dem jetzigen Investitionstempo der Kapitalstock in den neuen Ländern bereits auf westdeutschem Niveau sein.
    Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis einer harten, aber erfolgreichen Finanzpolitik der letzten fünf Jahre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Über dieses Lob, in das auch andere nationale und internationale Experten und Institutionen einstimmen, dürfen wir uns zu Recht freuen.
    Sicherlich freuen auch Sie sich, Frau Kollegin Matthäus-Maier, über diese deutschen Erfolge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Karl Diller [SPD]: Besonders!)

    Ich begrüße die bayerische Staatsministerin Ursula Männle. Eben habe ich beim Blick auf die Bundesratsbank gedacht: Sag, wo die Troikaner sind, wo sind sie geblieben?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Theodor Walgel
    Was waren das noch für Zeiten, Frau Matthäus-Maier, als Sie zu den Herren Schröder und Lafontaine hinüberblinzeln und Beifall klatschen mußten! Heute sind Sie wieder allein; ich glaube, Ihnen ist wohler dabei.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber es muß schon ein merkwürdiges Gefühl sein, immer nur dann einspringen zu dürfen, wenn die Herren zufällig nicht da sind.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber sei es drum - ob nun Schröder, Lafontaine oder Sie -, Sie müssen sich alle ehrlicherweise davon überzeugen: Das ist eine Finanzpolitik, die hohes internationales Lob bekommen hat und die erfolgreich ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit dem Bundeshaushalt 1996, dem Finanzplan bis 1999 und unserer Steuerpolitik im Rahmen der symmetrischen Finanzpolitik setzen wir den Erfolgskurs entschlossen und konsequent fort.
    Wir haben viel erreicht. Dennoch sind die vor uns liegenden Aufgaben noch groß. Noch immer sind die Staatsquote, das Budgetdefizit, die Steuer- und Abgabenlast als Folge der Einheit zu hoch. Bis zum Jahre 2000 werden wir hart arbeiten, um bei den wichtigen finanzpolitischen Kennziffern den Stand Ende der 80er Jahre zu erreichen.
    Die Staatsquote soll von jetzt etwa 50,5 % auf etwa 46 % zurückgeführt werden. Die entstehenden Spielräume sollen zu gleichen Teilen in die Senkung der Defizite und der Steuerlast investiert werden.
    Mit dem Bundeshaushalt und dem Finanzplan liegt unser Fahrplan für das Erreichen dieser Ziele heute auf dem Tisch. Sie sind auf das Konzept der symmetrischen Finanzpolitik abgestimmt.
    Deutschland steht vor großen internationalen Herausforderungen - ein immer härterer Wettlauf und Wettbewerb in der Europäischen Union und in der Weltwirtschaft um die Produkte, um Technologien und die Märkte der Zukunft, eine zunehmende Sensibilität der Finanzmärkte und globale Kapitalknappheit angesichts steigenden Kapitalbedarfs in den Ländern Mittel- und Osteuropas und in den Entwicklungsländern - sowie vor weltweit hoher Arbeitslosigkeit und globalen ökologischen Aufgaben. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen.
    Mit unserer Finanzpolitik sichern und profilieren wir den Standort Deutschland für Unternehmen und Kapitalanleger auch im nächsten Jahrzehnt. Wir schaffen ein positives Umfeld für zukunftsorientierte Innovationen und Investitionen, die auch den ökologischen Erfordernissen Rechnung tragen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir fördern zukunftssichere Arbeitsplätze und sichern unseren Wohlstand und die Lebensqualität. Wir machen Vorgaben für eine zukünftige Finanzpolitik in der Europäischen Union. Unabdingbare Voraussetzung für den Beginn und danach für die Fortführung der dritten Stufe der Währungsunion muß ein erfolgreicher Stabilitätskurs sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir das Haushaltsmoratorium einhalten, neue Ausgaben nur durch Einsparungen und Umschichtungen finanzieren und die Ausgabensteigerungsrate deutlich unter der Steigerungsrate des Bruttosozialprodukts halten.
    Der Bundeshaushalt 1996 ist ein kräftiger Schritt auf dem Weg zu unseren Zielen. Die Gesamtausgaben betragen 452 Milliarden DM. Bereinigt um die Systemumstellung des Kindergeldes sinken sie gegenüber dem Vorjahr um 1,3 %.
    Vor über einem halben Jahrhundert hat der Finanzwissenschaftler Adolph Wagner das Gesetz der wachsenden Staatstätigkeit formuliert. Dieses auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten gültige Gesetz haben wir jetzt durchbrochen. Ich halte das für einen gewaltigen Schritt auf dem Weg zur Konsolidierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies ist im In- und Ausland ein schlagkräftiger Beweis für die konsequente Stabilitätspolitik in Deutschland. Wenn viele andere Länder, vor allen Dingen in Europa, gerade dieses Beispiel der Konsolidierung auch für sich als vorbildlich ansehen, dann zeigt dies deutlich, daß wir auf dem richtigen Weg sind.
    Die Früchte dieser glaubwürdigen Politik ernten wir bereits jetzt durch nach wie vor gute Konjunkturaussichten, durch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in diesem und auch im nächsten Jahr, durch stabile Preise, niedrige Zinsen und eine harte D-Mark.
    Diese Ernte wollen wir auch in den nächsten Jahren einfahren. Dafür steht unsere glaubwürdige und verläßliche Finanzpolitik.
    Es geht dabei nicht nur um Sparen, so wichtig das auch ist. „Sparen und gestalten" ist das Motto des Haushalts 1996. In neun Einzelplänen kommt es 1996 zu nominalen Rückgängen. Das ist schwierig zu verkraften.
    In vielen Bereichen dieses Etats setzen wir trotzdem zukunftsorientierte neue Prioritäten. Von den Einsparungen insgesamt ausgenommen werden der für die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft so wichtige Bereich Bildung und Forschung und der Verteidigungsetat, der bereits in den vergangenen Jahren mit erheblichen Einsparauflagen belastet wurde. Jeder, der im letzten Jahr - wie Sie, Frau Matthäus-Maier, das damals versucht haben - oder heuer nochmals an den Verteidigungsausgaben sparen möchte, muß sich die Frage stellen, ob er damit nicht den falschen Beitrag zur Verteidigung der Freiheit und des Friedens in Deutschland und in Europa erbringen wollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Ich möchte auch von dieser Stelle den tapferen deutschen Soldaten, die im Augenblick in Europa für den Frieden im Einsatz sind und versuchen, Leid zu mindern und Unrecht zurückzuhalten, meinen großen Respekt und meinen Dank aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir haben durch den Fall des Eisernen Vorhangs bereits eine erhebliche Friedensdividende in Deutschland erzielt. Wer jetzt die schrecklichen Ereignisse, das sinnlose Morden im ehemaligen Jugoslawien vor unserer Haustür sieht, erfährt schmerzlich: Der Friede muß weiterhin auch militärisch gesichert werden. Das war notwendig, und das war richtig. Jeder, der sich damals vor der Sommerpause hier in diesem Hause für solidarisches Handeln ausgesprochen hat, hat damit seinen Beitrag zur Friedenssicherung in Europa geleistet, und Sie, Herr Scharping, haben damals versagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Zuruf von der SPD: Ungeheuerlich!)

    Mit 59,84 Milliarden DM bleibt die Nettokreditaufnahme knapp unter der Obergrenze von 60 Milliarden DM, der im letzten Finanzplan gesetzten Meßlatte. Der Haushalt 1996 ist ein Sparhaushalt par excellence. Hinter den nackten Zahlen verbergen sich wichtige Veränderungen, die das Zahlengerüst des Haushalts beeinflußt haben. 1996 gibt es eine Steuer- und Abgabenentlastung um netto 27 Milliarden DM. Der Bund trägt davon 20 Milliarden DM: 12 Milliarden DM aus dem Jahressteuergesetz und etwa 8 Milliarden DM durch den Wegfall des Kohlepfennigs.
    Die bisherige eigene Kreditaufnahme des Bundeseisenbahnvermögen 1995 in Höhe von bis zu 9,5 Milliarden DM entfällt. Zusätzlich waren aus der zweiten Stufe der Bahnreform 6 Milliarden DM und bei der Arbeitslosenhilfe 4 Milliarden DM im Budget unterzubringen. Diese Mehranforderungen an den Haushalt 1996 von etwa 35 Milliarden DM haben die Kreditaufnahme gegenüber 1995 nur um 10 Milliarden DM erhöht. Dies war nur durch eine äußerst sparsame Etataufstellung möglich.
    Eine Vielzahl von Haushaltsansätzen haben wir gegenüber dem Vorjahr vermindert. Konjunkturbedingte Entlastungen bei den Ausgaben oder Mehreinnahmen haben wir konsequent zur Verringerung der Nettokreditaufnahme genutzt. Was 1992 und 1993 die automatischen Stabilisatoren waren, um konjunkturbedingte Mindereinnahmen und konjunkturbedingte Mehrausgaben durch eine erhöhte Nettokreditaufnahme auszugleichen, muß jetzt umgekehrt konsequent zur Schuldenreduzierung und zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwandt werden.
    Bereits heute sind allerdings einige Zusatzforderungen an den Haushalt 1996 auf dem Tisch. Aus dem Vermittlungsergebnis zum Jahressteuergesetz 1996 kommen noch 1,6 Milliarden DM auf uns zu.
    Haushaltsrisiken gibt es noch beim Arbeitsmarkt, bei den Steuereinnahmen und bei den Zahlungen an die Europäische Union. Diese Risiken sind aber beherrschbar.
    Die Obergrenze von 60 Milliarden DM beim Defizit können wir einhalten, wenn wir der Konsolidierung und dem Moratorium auch im weiteren parlamentarischen Verfahren und im Haushaltsvollzug absolute Priorität einräumen.
    Wenn die SPD aber schon wieder mit der alten stereotypen Leier „Haushaltslöcher" kommt, kann ich nur sagen: Diese Mär kommt so sicher wie Ebbe und Flut.

    (Zuruf von der SPD: Sie ist aber wahr!)

    Wie jedes Jahr werden Sie schließlich erfahren müssen: Der Finanzminister hält seine Pläne nicht nur ein, in der Regel ist das Ergebnis noch um einiges günstiger - in den letzten zwei Jahren um die bescheidene Summe von gut 40 Milliarden DM.
    Die Konjunktur- und Wachstumsaussichten bleiben günstig. Vereinzelte Befürchtungen, der niedrige Dollarkurs könne die Konjunktur kippen, haben sich Gott sei Dank nicht bestätigt. Die neuesten Konjunkturdaten zeigen: Der positive Trend ist nicht gebrochen, er wird lediglich vorübergehend gedämpft. Alle Experten erwarten einen Anstieg der Exporte und im nächsten Jahr auch eine deutliche Zunahme des privaten Verbrauchs.
    Die Investitionsdynamik in vielen Branchen geht weiter; die Kapazitätsauslastung ist deutlich gestiegen. Diese rasche Erholung der Wirtschaft nach der schwersten Rezession 1993 hat sich leider noch nicht im erwünschten Ausmaß auf den Arbeitsmarkt niedergeschlagen. Insbesondere der Langzeitarbeitslosensockel bleibt ein Problem, das nicht kurzfristig gelöst werden kann. Dies hat auch Auswirkungen auf den Haushalt 1996.
    Die allein vom Bund finanzierte Arbeitslosenhilfe bleibt auf hohem Niveau. Ohne Konsolidierungsmaßnahmen müßten 1996 Ausgaben von über 18 Milliarden DM eingeplant werden. Wir wollen das Problem der Arbeitslosigkeit engagiert angehen und die Menschen nicht allein lassen. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung und stellen die notwendigen Mittel bereit.
    Darin kann sich aber eine mittel- und langfristig angelegte Finanzpolitik nicht erschöpfen. Um dem Problem auf die Dauer zu begegnen, müssen wir an allererster Stelle die wachstumsorientierte Politik fortsetzen. Nicht mehr Staat und Umverteilung, sondern nur mehr Markt und Wachstum schaffen neue, zukunftssichere Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dieser Kurs hat zwischen 1982 und 1992 immerhin 3 Millionen neue Arbeitsplätze gebracht.
    Immer wieder wird die These vertreten, der Gesellschaft ginge die Arbeit aus. Diese Aussage ist nicht zu halten. Wie die OECD zu Recht feststellt, hat insbesondere der Langzeitarbeitslosensockel vorwiegend strukturelle Ursachen. Arbeit in Deutschland ist

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    produktiv, aber auch teuer. Deutschland kann und wird kein Billiglohnland sein. Unsere Zukunft liegt bei hochwertigen High-Tech-Produkten, bei der Luft- und Raumfahrttechnik, der Kern- und Biotechnologie, bei der modernen Informationstechnik und im Dienstleistungssektor. Hier müssen genug neue Arbeitsplätze entstehen.
    Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, daß das notwendige militärische Gerät zur Verfügung gestellt und in Deutschland gebaut wird. Ich sage das, weil ich annehme, daß Sie zum 113. Mal mit dem Jäger 90 oder dem Eurofighter kommen. Frau Matthäus-Maier, ich kann und möchte heute nicht mehr auf Sie antworten; deshalb sage ich schon jetzt: Sie müssen den Deutschen klarmachen, warum wir das Notwendige irgendwo im Ausland kaufen und damit Arbeitsplätze in Deutschland verlorengehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sie hat die Front gewechselt!)

    Das ist die Grundaussage und nicht die Frage, wieviel Kindergärten oder Schulen man für einen Eurofighter bauen kann. Letzteres ist die primitive Auseinandersetzung, an der die SPD schon in den 50er Jahren gescheitert ist, und Sie werden damit auch heute keinen Erfolg haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Übrigens: Bevor Sie noch mal über den Jäger 90 reden, sollten Sie unbedingt Herrn Schröder anrufen. Ich weiß, daß telefonische Kontakte mit ihm im Moment suspekt sind, aber trotzdem:

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Er hat ein Handy!)

    Er hat ein Handy, und wenn er nicht auf dem Deich ist, ist er in der Staatskanzlei, wenn er sich nicht gerade um sein Kabinett oder um die Chaostage in Hannover kümmern muß, wozu er lange Zeit gehabt hat. Aber in Sachen Eurofighter ist er, nehme ich an, auf einem anderen Dampfer; er ist jedenfalls um die Arbeitsplätze in seinem eigenen Land mehr besorgt als möglicherweise einige Ideologen in der SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir müssen neue Technologien unterstützen, ethisch verantwortbar, aber unvoreingenommen, mit Optimismus und dem Gründergeist, der Deutschland im 19. Jahrhundert vom Nachzügler bei der industriellen Entwicklung in eine Spitzenstellung gebracht hat.
    Daneben sind gezielte Flexibilisierungen auf den Arbeitsmärkten dringend notwendig, beispielsweise neue Arbeitszeitmodelle, für die auch viele Beschäftigte aufgeschlossen sind. So kann der Einsatz der Produktionsfaktoren optimiert werden, und so können die Produktionskosten trotz hoher Löhne gesenkt werden. Neben dem Staat sind hier die Tarifpartner besonders in der Pflicht.
    Dazu kommen gezielte Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Problemgruppen. So haben wir das erfolgreiche Langzeitarbeitslosenprogramm erneut in Kraft gesetzt. Bis 1999 steht hier ein Gesamtvolumen von 3 Milliarden DM zur Verfügung. Finanziert wird dieses Bundesprogramm allein durch Umschichtungen.
    Geprüft werden muß aber auch, ob nicht bei den Leistungen bei Arbeitslosigkeit Anpassungsbedarf besteht. Die Anreize zur Arbeitsaufnahme müssen stimmen. Problemgruppen muß gezielt geholfen werden. Die Unterstützung darf aber nicht zum Verweilen im sozialen Netz einladen.
    Die Koalition hat dem Rechnung getragen und die Leistungsgewährung überprüft. Sie hat sich dabei auf Konsolidierungsmaßnahmen verständigt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hat sich das bis zur CSU in München herumgesprochen, was Sie hier verkündet haben, daß sie im sozialen Netz nicht hängenbleiben?)

    - Sind Sie schon wieder aufgewacht? Sie müssen offensichtlich aus Paris zurück sein.
    Ich fahre fort: Wir haben uns dabei auf Konsolidierungsmaßnahmen verständigt, die den Ansatz der Arbeitslosenhilfe 1996 auf 14,8 Milliarden DM begrenzen.
    Die originäre Arbeitslosenhilfe, die nicht im Anschluß an Arbeitslosengeld und praktisch ohne eigene Beitragsleistungen gezahlt wird, soll ab 1996 wegfallen. Wir haben die Bezugsdauer bereits auf ein Jahr begrenzt. Jetzt muß konsequent der zweite Schritt folgen. Der Bundeshaushalt wird dadurch 1996 um etwa 600 Millionen DM und in den Folgejahren jeweils um etwa 800 Millionen DM entlastet.
    Daneben ist eine Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz vorgesehen. Der Arbeitswille soll durch eine stärkere Einbeziehung in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen überprüft werden. Wer nicht bereit ist, an zumutbaren Maßnahmen teilzunehmen, kann auch keine vollen Leistungen erwarten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist unser Ziel, Bezieher von Arbeitslosenhilfe rasch und dauerhaft wieder in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren. Diese Maßnahmen sollen ab dem 1. April 1996 greifen und zu Einsparungen von 2,8 Milliarden' DM führen. In den Folgejahren werden 3 Milliarden DM erwartet.
    Mehrbelastungen für Länder und Kommunen durch diese Regelungen gibt es per Saldo nicht.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Per Saldo!)

    - Warten Sie doch ab!
    Im Rahmen der Novelle zum Asylbewerberleistungsgesetz kommt es zu einer kompensierenden Entlastung von Ländern und Kommunen in Höhe von jährlich 1,3 Milliarden DM.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Die Ausgaben für Zinsen und Zinserstattungen steigen 1996 und im weiteren Finanzplanungszeitraum wegen der Vorbelastung durch die Einheit weiter an. Die sparsame Haushaltspolitik und die niedrigere Nettokreditaufnahme der vergangenen Jahre führen deshalb noch nicht zu der notwendigen nachhaltigen Begrenzung der Zinslasten. Sie ermöglichen aber bereits deutliche Entlastungen gegenüber dem letztjährigen Finanzplan.
    Der Kollege Roth hat darauf hingewiesen: Der Bund führt dem Kapitalmarkt mehr Mittel zu, als er über die Nettokreditaufnahme entnimmt.
    Die um insgesamt knapp 40 Milliarden DM geringere Neuverschuldung der Jahre 1994 und 1995 sowie das günstige Zinsniveau vermindern die Zinsausgaben im Jahre 1996 um rund 3,1 Milliarden DM. Der um etwa 20 Milliarden DM geringere Schuldenstand des Erblastentilgungsfonds - wir gehen zur Zeit von 360 Milliarden DM aus - ist der Grund für Minderausgaben in diesem Bereich von 2,5 Milliarden DM.
    Meine Damen und Herren, das Thema schlanker Staat steht weiterhin auf der Tagesordnung.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Für die Bundesregierung bedeutet dies insbesondere, den eingeschlagenen Weg der Personalreduzierung fortzusetzen. Personalabbau bedeutet aber nicht nur die Fortsetzung der bereits vereinbarten Personaleinsparung. Erforderlich ist daneben eine differenzierte Überprüfung des Aufgabenspektrums und der Organisationsstrukturen innerhalb der Bundesverwaltung.
    Die gesetzliche Stelleneinsparung von 1 % führen wir nunmehr im vierten Jahr fort. Sie erfaßt, wie in den vorangegangenen Jahren, die obersten Bundesbehörden und den nachgeordneten Verwaltungsbereich. In einzelnen Fällen bringt eine lineare Personalrückführung natürlich Schwierigkeiten mit sich. Darauf haben wir mit der Einräumung zusätzlicher haushaltswirtschaftlicher Flexibilität reagiert. Im übrigen werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um durch Aufgabenreduzierung freiwerdendes Personal anderweitig sinnvoll einzusetzen.
    Bei der Durchsetzung des Lean management kann sich der Bund sehen lassen. Zum Vergleich: Daimler-Benz hat sein Personal vom Höchststand 379 000 im Jahre 1991 bis 1994 auf rund 330 000 abgebaut. Dies gilt in der Wirtschaft als vorbildliche Verschlankung von Produktion und Management. Die Zahl der Stellen im Bundeshaushalt wird zwischen 1992 und Ende 1995 von rund 380 000 auf rund 325 000 zurückgeführt.
    Bei der wichtigen Privatisierung hat der Bund seine Hausaufgaben gemacht. Alle größeren Projekte sind auf dem Weg. Von noch verbleibenden kleineren Bundesunternehmen oder Bundesbeteiligungen werden wir uns soweit wie möglich trennen.

    (Beifall der Abgeordneten Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.] und Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Länder und Gemeinden haben hier noch ein großes Potential.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Leider gibt es in vielen Ländern und auf kommunaler ebene immer noch heftigen Widerstand gegen eine konsequente Privatisierung. Die ökonomischen Erfahrungen zeigen aber ganz deutlich, daß letztlich die Vorteile überwiegen: Die öffentlichen Haushalte werden entlastet, Beiträge und Gebühren der Bürger gehen zurück.
    Trotz der Einsparungen und Ausgabenbegrenzungen im Haushalt setzen wir zukunftsweisende Schwerpunkte und neue Akzente. So bleibt der Verkehrshaushalt mit knapp 51 Milliarden DM unverändert der drittgrößte Einzelplan. Mit Investitionen von über 23 Milliarden DM bleibt er mit weitem Abstand größter Investitionshaushalt. Zur teilweisen Finanzierung der zweiten Stufe der Bahnreform werden die Bahninvestitionen auf dem Niveau des Jahres 1994 - in Zahlen: 7,7 Milliarden DM - fortgeschrieben; das bedeutet gegenüber dem Finanzplan eine Einsparung. Die Mittel für die Investitionsausgaben können aber durch zusätzliche Einnahmen aus dem Verkehrsbereich, z. B. durch die Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Bahngrundstücke, wieder aufgebessert werden. Wir werden dieses Instrument nutzen und voranbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Aufwendungen für Forschung und Technologie steigen um fast 270 Millionen DM bzw. 2,9 %. Der Haushaltsentwurf 1996 setzt darüber hinaus ein deutliches Zeichen für strukturelle Reformen im Bildungsbereich. Ab dem Wintersemester 1996/97 wollen wir das Studenten-BAföG umstrukturieren. Diese Reform sieht eine Umstellung des bisher aus dem Haushalt finanzierten Darlehensanteils auf Bankendarlehen vor. Der Staat gewährleistet die Zinsfreiheit durch eine befristete Übernahme der Zinsen bis zum vierten Jahr nach Ende der Förderungshöchstdauer. Darüber hinaus soll das Ausfallrisiko bis vier Jahre nach Beginn der Rückzahlung durch staatliche Bürgschaften abgedeckt werden. In der Rückzahlungsphase sollen dann die im Beruf stehenden und in der Regel gutverdienenden Akademiker die Zinsen selbst übernehmen. Der dadurch erzielte Entlastungsbetrag wird 1996 in vollem Umfang für eine spürbare Anhebung der BAföG-Förderbeträge um 6 % sowie für andere wichtige forschungs- und bildungspolitische Maßnahmen bereitgestellt.
    Mit dem Meister-BAföG, der Finanzierung der beruflichen Aufstiegsfortbildung, setzen wir ab 1996 ein wichtiges Signal für die Verwirklichung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Gefördert werden insbesondere die Lebenshaltungskosten in Anlehnung an die neue BAföG-Struktur mit einem hälftigen Zuschuß und staatlichen Zinszuschüssen zu dem bankfinanzierten Darlehensanteil. Die sonstige Förderung erfolgt durch Bankdarlehen, zu denen der Bund Zinszuschüsse gibt. Im Falle ei-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    ner späteren Existenzgründung ist ein Erlaß in Höhe von bis zu 50 % vorgesehen. Dies, meine Damen und Herren, ist der entscheidende Schritt, um die berufliche Bildung endlich gleichwertig gegenüber der akademischen Ausbildung zu gestalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die BAföG-Reform des Kollegen Rüttgers hat Modellcharakter für andere Politikbereiche.

    (Widerspruch bei der SPD)

    - Das ist eine großartige Leistung, in der wir alle den Kollegen Rüttgers nachdrücklich unterstützen. -

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Durch strukturelle Reformen gelingt es, Mittel für prioritäre Aufgaben freizusetzen, ohne die Ausgaben insgesamt weiter anwachsen zu lassen.
    Die Aufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau und die Hochschulsonderprogramme um zusammen 200 Millionen DM ab 1997 wird mit einer Novellierung des Hochschulbauförderungsgesetzes verknüpft. Ich appelliere an die Länder, sich der überfälligen strukturellen Bereinigung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau nicht zu verschließen.

    (Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])

    Die Vorschläge des Bundes liegen auf dem Tisch: Beschränkung der Förderung auf Großvorhaben durch die Erhöhung der seit 25 Jahren unveränderten Bagatellgrenze bei Bauvorhaben von 500 000 DM auf mindestens 3 Millionen DM - entsprechendes gilt für Großgeräte, bei denen die Bagatellgrenze zur Zeit bei nur 150 000 DM liegt -; Reduzierung des hohen Anteils an Bauvorhaben und Großgeräten für den Medizinbereich, in dem es - oft sogar überwiegend - um die allgemeine medizinische Versorgung und nicht vorrangig um Forschung und Lehre geht. Die hierdurch mögliche Konzentration des Mitteleinsatzes würde den Handlungsspielraum in der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau deutlich erweitern.
    Meine Damen und Herren, trotz gemeinsamer Anstrengungen der Wirtschaft, der Länder und der Bundesanstalt für Arbeit zur Stärkung der Berufsausbildung reichen die betrieblichen Ausbildungsplatzangebote in den neuen Ländern nicht vollständig aus. Bund und neue Länder haben deshalb vereinbart, ein erneutes Sonderprogramm aufzulegen, mit dem in den neuen Ländern rasch bis zu 14 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze zusätzlich geschaffen werden sollen. Die Vereinbarung sieht vor, die von 1995 bis 1999 erforderlichen Mittel von etwa 860 Millionen DM durch Bund und neue Länder zu gleichen Teilen bereitzustellen. Beim Bund wird dieses Programm vollständig im Haushalt gegenfinanziert. Die regionale Verteilung der zusätzlichen außerbetrieblichen Ausbildungsplätze soll sich grundsätzlich an dem Bedarf der Länder orientieren. Ausbildungsplätze für Dienstleistungs- und kaufmännische Berufe, für die ein hoher Bedarf besteht, sowie die Ausbildung junger Frauen, die
    noch besondere Schwierigkeiten bei der Ausbildungsplatzsuche haben, werden vorrangig gefördert. Durchgeführt wird das Programm von der Bundesanstalt für Arbeit.
    Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft ist in einer schwierigen Situation; noch verstärkt seit der Aufwertung des grünen Kurses" zur D-Mark zum Juli 1995. Der Bundeshaushalt 1996 macht deutlich: Die Unterstützung der deutschen Landwirtschaft bleibt uns ein wichtiges Anliegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch im Jahr 1996 stellt die Bundesregierung, wie im Jahr 1995, gut 12 Milliarden DM für die Landwirtschaft bereit. Der Bundeszuschuß für die Unfallversicherung bleibt voll erhalten. Die Agrarsozialpolitik entwickelt sich dynamisch. Die Ausgaben für die Alterssicherung und die Krankenversicherung steigen um fast 400 Millionen DM. Auch durch das Engagement im Rat der Finanzminister der EU haben wir es erreicht, die „grünen Kurse" für die Aufwertungsländer festzuschreiben. Damit bleibt das wesentliche Element der Einkommensstützung in nationaler Währung stabil. Zusätzlich ist im Ratskompromiß die Möglichkeit nationaler Ausgleichszahlungen für währungsbedingte Handelsverluste vorgesehen. In Gesprächen mit den Beteiligten in Deutschland und in Brüssel geht es jetzt um die konkrete Umsetzung der Maßnahmen. Ich bin sicher, wir werden zu befriedigenden Lösungen kommen.
    Meine Damen und Herren, der Finanzplan bis 1999 liegt voll und ganz auf dem vorgegebenen Kurs der symmetrischen Finanzpolitik. Der Ausgabenanstieg beträgt jahresdurchschnittlich nur rund 1,3 %. Dabei ist die Umschichtung der Kindergeldfinanzierung schon herausgerechnet. Der Abstand zum Wachstum des Bruttosozialproduktes, das wohl im Durchschnitt 5,5 % betragen wird, beläuft sich damit beim Bund auf deutlich mehr als die für den Staatssektor insgesamt mindestens notwendigen 2 %. In den Jahren nach 1996 wird die Nettokreditaufnahme deutlich zurückgeführt. Um das Staatsquotenziel zu erreichen, ist im gesamten Finanzplanungszeitraum Sparsamkeit das oberste Gebot.
    Neben einer glaubwürdigen und konsequenten Konsolidierung im Bereich des Haushalts ist eine wachstumsfördernde Steuerpolitik unverzichtbarer Bestandteil der symmetrischen Finanzpolitik.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Steuerpolitik ist einerseits dafür verantwortlich, daß über das Steuersystem genügend Einnahmen zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beschafft werden; andererseits werden steuerpolitische Maßnahmen eingesetzt, um eine Vielzahl verschiedener wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Ziele zu erreichen. Die vornehmste Aufgabe der Steuerpolitik muß es aber sein, den unbestreitbaren Finanzierungsbedarf des Staates mit der Leistungsbereitschaft des einzelnen und der Leistungskraft unserer Volkswirtschaft zu verbinden. Das bedeutet heute:

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Die Senkung der zu hohen Steuer- und Abgabenlast muß das oberste Ziel unserer Steuerpolitik sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Da müßte auch die SPD klatschen!)

    Mit dem Jahressteuergesetz 1996 haben wir bereits einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Die Steuerlast von Bürgern und Unternehmen wird deutlich gesenkt. Nach harten Auseinandersetzungen im Vermittlungsausschuß ist jetzt der Weg für das Entlastungspaket frei. Noch in diesem Monat wird in diesem Haus über das Vermittlungsergebnis abgestimmt. Mit einer Nettoentlastung von rund 19 Milliarden DM werden vor allem die Steuerpflichtigen mit kleinen und mittleren Einkommen und die Familien bessergestellt.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Dies bedeutet auch einen Rückgang der Steuerquote um rund einen Prozentpunkt. Die voraussichtliche Steuerquote wird 1996 aber immer noch auf rund 24 % geschätzt. Dies ist weiterhin eindeutig zu hoch, doch wir gehen entschlossen in die richtige Richtung.
    Der nächste Entlastungsschritt muß am Solidaritätszuschlag ansetzen. Nur, wir sollten hier keine überflüssige Diskussion anzetteln.

    (Lachen bei der SPD) - Ich habe bewußt auf Sie gesehen.


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Hier herrscht die Freiheit des Blickfeldes; sie nehme ich in Anspruch.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Wenn wir unsere Konsolidierungslinie im Finanzplan einhalten, halte ich 1998 - vielleicht auch schon 1997 - einen Abbau - nicht die Abschaffung - beim Solidaritätszuschlag für möglich. Dies hängt aber davon ab, wie sich das Steueraufkommen in den neuen Bundesländern entwickelt, wie sich daraus der horizontale Finanzausgleich gestaltet und in welcher Höhe die notwendigen Umsatzsteuerpunkte an den Bund - und von ihm wiederum voll an den Bürger - zurückgegeben werden können. Darauf haben wir uns verständigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir wollen jeden Spielraum dazu nutzen. Sicher ist: Der Solidaritätszuschlag darf keine Steuer auf Dauer sein; er ist ein Zuschlag auf Zeit. Er muß begrenzt, so schnell wie möglich reduziert und im Endeffekt wieder abgeschafft werden,

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    obwohl heute niemand das Datum für die Abschaffung verläßlich prognostizieren kann.
    Die Steuerfreistellung des Existenzminimums entlastet die Steuerpflichtigen um rund 15,5 Milliarden DM. Dies haben wir durch eine Anhebung des Grundfreibetrages ab 1996 auf rund 12 100 DM erreicht. Frau Kollegin Matthäus-Maier, wir sind uns heute also einig: Ein Betrag von 12 100 DM in 1996 ist verfassungskonform.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sicher!)

    -Ja?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich bin Ihnen dafür dankbar. Ich hoffe, daß auch Herr Poß dieser Meinung ist.

    (Joachim Poß [SPD]: Was?)

    - Entschuldigung, Herr Poß. Sie sitzen zwar nicht in der ersten Reihe - wie das in der Werbung einer Fernsehanstalt versprochen wird -, aber auch in der zweiten kann man mich gut verstehen. Ich habe gesagt: Wir sind uns hoffentlich darüber einig, daß ein steuerfreies Existenzminimum von 12 100 DM in 1996 verfassungsfest ist.

    (Joachim Poß [SPD]: In 1996?)

    - Sie nicken etwas ungläubig. Insofern geben Sie zu, daß Sie schon andere Thesen vertreten haben. Aber trotzdem, wir bleiben dabei. Ich bin froh, daß wir uns auf dieses Niveau einigen konnten, auch im Interesse der Länder.
    Dieser Grundfreibetrag wird für 1997 und 1998 auf rund 12 400 DM - auch das ist nach unserer übereinstimmenden Meinung noch verfassungsfest - und ab 1999 auf rund 13 100 DM ansteigen. Auf diese Weise werden klare, finanzpolitisch tragbare Anpassungen im voraus verläßlich festgesetzt.
    Der Eingangssteuersatz bleibt, wie im Tarifentwurf der Koalition vorgesehen, bei 25,9 %. Auch die Tarifstruktur hat sich im Vermittlungsverfahren nicht geändert. Schlechterstellungen werden vermieden. Grundsätzlich streben wir den Idealverlauf eines durchgehend linear-progressiven Tarifs sowie die Vereinheitlichung der Höchststeuersätze bei der Einkommensteuer auf niedrigerem Niveau als mittel- und langfristiges Ziel an.
    Durch die Weiterentwicklung des Familienleistungsausgleichs wird die finanzielle Ausstattung der Familien um gut 7 Milliarden DM verbessert. Meine Damen und Herren, wir haben vor den Wahlen gesagt, daß wir hier etwas tun wollen. Niemand hat sich vor einem Jahr vorstellen können, daß wir in einem Etat, der um fast 6 Milliarden DM abnimmt, mehr als 7 Milliarden DM zusätzlich für die Familien ausgeben. Das ist ein großer familienpolitischer Schritt, auf den wir gemeinsam stolz sein können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die bewährten Elemente des dualen Systems mit Kindergeld und Kinderfreibetrag bleiben erhalten. Der Kinderfreibetrag wird von derzeit 4 100 DM in 1996 auf die volle Höhe des Existenzminimums eines Kindes von rund 6 300 DM angehoben und steigt ab 1997 auf rund 6 900 DM. Das Kindergeld für erste

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    und zweite Kinder beträgt 1996 200 DM pro Monat und steigt ab 1997 auf 220 DM pro Monat. Ab 1996 beträgt das Kindergeld 300 DM pro Monat für das dritte Kind und 350 DM pro Monat für das vierte und jedes weitere Kind. Ich will das einmal an einem Beispiel verdeutlichen: Eine Familie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Monatseinkommen hat dann fast 2 800 DM im Jahr mehr auf dem Konto. Und 1997 kommen noch einmal etwa 500 DM hinzu. Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Kinderfreibetrag und Kindergeld werden so miteinander verbunden, daß einerseits Entlastungssprünge bei unterschiedlichen Einkommen der Eltern entfallen und andererseits steuersystematische und sozialpolitische Erfordernisse bestmöglich miteinander vereint werden. Die Auszahlung des Kindergeldes erfolgt grundsätzlich durch den Arbeitgeber. Damit werden die Erleichterungen unmittelbar wirksam.
    Auch das mit der Reform des Familienleistungsausgleichs verbundene Problem der Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern mußte gelöst werden. Bisher wurden die mit dem Familienleistungsausgleich verbundenen Lasten zwischen Bund und Ländern in einem Verhältnis von 74 % : 26 % aufgeteilt. Dieses Verhältnis soll auch nach der Einführung des neuen Modells beibehalten werden. Der Bund wollte von Beginn an nichts daran verdienen.
    Um die Verbesserungen für die Familien zu ermöglichen, haben wir im Vermittlungsausschuß einer Grundgesetzänderung zugestimmt. Noch heute wird sich der Deutsche Bundestag mit der Grundgesetzänderung und der dazugehörigen Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in erster Lesung befassen. Danach erhalten die Länder in den Jahren 1996 und 1997 zusätzlich jeweils 5,5 % des Umsatzsteueraufkommens. Ich fordere die Länder auf, ihre Zusage aus dem Vermittlungsverfahren einzuhalten und die Steuerausfälle bei den Gemeinden fair und voll aus dieser Summe auszugleichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich verhehle nicht, daß es mir und der Regierung, der Koalition lieber gewesen wäre, wenn wir den Kommunen unmittelbar 1 % Einkommensteueranteil gegeben hätten. Dies war, wie jeder weiß, im Vermittlungsverfahren nicht durchsetzbar. Ich hätte diesen Weg lieber gewählt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wir auch!)

    Ich hoffe, daß ein fairer Ausgleich erfolgt - so wie auch wir mit den Ländern fair umgegangen sind. Mitte 1997 wird es erneut Verhandlungen über die Höhe der Prozentpunkte des Ausgleichs geben. Dann werden auch Gespräche über weitere Verbesserungen beim Familienleistungsausgleich geführt werden.
    Die Investitionsförderungen in den neuen Ländern führen wir in gestraffter und konzentrierter Form fort. Durch die gezielte Gewährung von Investitionszulagen und Sonderabschreibungen für die Problembereiche wollen wir den Aufbau in den neuen Ländern stabilisieren und verstetigen.
    Darüber hinaus werden gezielt Maßnahmen wirksam, die Risikokapital für den Mittelstand in den neuen Ländern mobilisieren und dessen Eigenkapitalausstattung deutlich stärken werden. Die Eigenkapitalausstattung ist oft die entscheidende Hürde - gerade für die jungen innovativen Unternehmen. Dies hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau erst kürzlich bestätigt.
    Meine Damen und Herren, die Koalition wollte beim Jahressteuergesetz eine reine Nettoentlastung; eine Gegenfinanzierung wollten wir nicht. Im Zuge des Kompromisses im Vermittlungsverfahren haben wir einige Gegenfinanzierungsvorschläge der Mehrheit der SPD-regierten Länder in Höhe von über 4 Milliarden DM akzeptiert. Damit müssen alle leben, obwohl es von der einen oder anderen Seite Kritik an einzelnen Punkten gibt. Diese Kritik darf den eigentlichen Erfolg, den wir mit dem Jahressteuergesetz 1996 erreicht haben, aber nicht überschatten. Das Jahressteuergesetz 1996 ist ein wichtiger Schritt zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen.
    Im Herbst steht die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform an. So ganz allmählich lichtet sich auch bei der SPD der Nebel. Es scheint so, als ob sich die Vernunft auch in ihren Reihen durchsetzt.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: An einzelnen Stellen!)

    Als Wegbereiter möchte ich hier noch einmal den Herrn Kollegen Professor Jens hervorheben. Im Juli dieses Jahres haben Sie sich öffentlich für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer eingesetzt. Inzwischen hat hoffentlich auch der letzte erkannt, wie wettbewerbsfeindlich und arbeitsplatzgefährdend die Gewerbekapitalsteuer ist. Sogar investiertes Kapital und Kredite zur Finanzierung von Arbeitsplätzen werden auf diese Weise steuerlich belastet.
    Mittlerweile haben sich aber auch noch andere Mitglieder der SPD in dieser Richtung bewegt, z. B. die Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins. Auch der Kollege Struck hat mittlerweile offiziell für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer plädiert und eine entsprechende Willenserklärung der SPD-Bundestagsfraktion und der SPD-regierten Länder angekündigt. Der Fraktionsvorsitzende Scharping hat diese steuerpolitische Wende in Richtung Vernunft für die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion inzwischen sogar schon schriftlich fixiert.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Gestern habe ich gelesen, Herr Poß, daß Sie wieder
    dahinter zurückgefallen sind. Geben Sie acht, sonst
    werden Sie auch hier noch von Joschka Fischer über-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    holt, so wie es in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik offensichtlich schon erfolgt ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Kollege Struck hatte neulich recht, als er im Fernsehen öffentlich bekannte, es sei ein Fehler gewesen, den Bundesrat für die SPD-Politik zu instrumentalisieren. Wenn sich diese Erkenntnis durchsetzen sollte, dann sehe ich einen goldenen Oktober heraufziehen. Wenn das wirklich die Kehrtwende zur Vernunft ist, dann können wir die Reform der Gewerbesteuer in Verbindung mit der Gemeindefinanzreform in diesem Herbst zügig verwirklichen. Es ist mir auch egal, welcher aus dem Zügel gelaufene Troikaner dann das Plädoyer für die Vernunft hält. Im Mittelpunkt muß aber die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer bleiben. Die Gewerbesteuerausfälle der Gemeinden werden wir durch eine entsprechende Beteiligung an der Umsatzsteuer voll und ganz ausgleichen.
    Auch bei manchen zunächst kritischen Gemeinden hat inzwischen ein Stimmungsumschwung eingesetzt. Sie haben die Vorteile der Umsatzsteuerbeteiligung im Vergleich zur Gewerbesteuer erkannt. Ihre Finanzierungsbasis wird sich künftig dynamischer und zugleich verläßlicher entwickeln. Dieser quantitative und qualitative Quantensprung bei der Finanzausstattung, diese für eine Gemeindefinanzreform historische Chance darf nicht ungenützt vorübergehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden auch über eine Weiterentwicklung der ökologischen Elemente im Steuersystem sprechen, aber sicher nicht über überzogene Pläne aus dem Gruselkabinett von Weltverbesserern, die Deutschlands Wirtschaft ruinieren werden.

    (Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    - Ich meine Sie damit, Herr Fischer, ganz klar. -

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gleich gewußt!)

    Deutschland muß ein Industriestaat bleiben, dessen moderne Technologien auch der Ökologie nutzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt müssen Sie etwas zum Kruzifix-Urteil sagen!)

    Wir fangen hier nicht bei Null an. Seit der Übernahme der Regierungsverantwortung hat die Koalition deutliche und wirksame umweltpolitische Akzente gerade auch im Steuersystem gesetzt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Beim „Gruselkabinett" müssen Sie etwas zum Bundesverfassungsgericht sagen!)

    Ich erinnere an die umfangreichen Maßnahmen zur Förderung umweltfreundlicher Kraftstoffe und die umweltschonenderen Kraftfahrzeuge im Verkehrsbereich. Auch der seit 1992 ermäßigte Mineralölsteuersatz für die Energiegewinnung aus der KraftWärme-Kopplung gehört dazu. Als viele andere noch mit großartigen Worten Unmögliches beschworen, haben wir längst sinnvoll und wirksam gehandelt. Die Erfolge sprechen für uns:

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das liest er ganz schnell!)

    Heutzutage wird bereits zu 94 % unverbleites Benzin getankt, und 70 % aller PKW in Deutschland fahren schadstoffreduziert.
    Auch im Jahressteuergesetz 1996 haben wir einen weiteren Schritt in Richtung Umweltschutz getan. Der Mineralölsteuersatz auf Erdgas und Flüssiggas für alle Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr wird um 60 % gesenkt. Auf diesem Weg wollen wir fortschreiten, wenn wir im Herbst dieses Jahres zu Gesprächen zusammenkommen.
    Pragmatische, zielgenaue, ökologische Ergänzungen des Steuersystems sind ideologischen Träumereien von umfassenden ökologischen Steuerreformen eindeutig überlegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, das hat auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem letzten Jahresgutachten deutlich hervorgehoben. Bei Radikalumstellungen in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe ergeben sich erhebliche Unsicherheiten für die Planbarkeit des Steueraufkommens. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte würde für längere Zeit unkalkulierbar. Darüber hinaus wären weitere Komplizierungen des Steuerrechts unvermeidbar; eine überproportionale Belastung der Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen wäre vorprogrammiert. Wer das riskieren will, der soll das klar sagen und dem Bürger Rede und Antwort stehen, wenn dann gefragt wird, warum sich nur noch Reiche das Autofahren leisten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Auch prominente Steuerrechtler wie der Verfassungsrechtler Professor Kirchhof warnen davor, das Steuersystem mit Lenkungsaufgaben zu überfrachten; sonst entfernen wir uns von einem klaren, einfachen und übersichtlichen Steuersystem.

    (Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir: klar und einfach!)

    - Das ist, Herr Fischer, im Vergleich zu dem, was Sie anstreben, auf jeden Fall noch klar und übersichtlich. Und ich frage Sie, warum Sie die Steuervereinfachung, die wir mit dem Jahressteuergesetz zusätzlich erreichen wollten, nicht stärker unterstützt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Wir müssen realistisch bleiben. Die Weiterentwicklung ökologischer Elemente im Steuersystem muß sich eindeutig an ökologischen Lenkungszielen orientieren und aufkommensneutral sein. Sie muß zudem in den notwendigen Konsolidierungsrahmen für die öffentlichen Haushalte hineinpassen und darf der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nicht schaden. Die Steuerquote darf nicht steigen oder auf dem hohen Niveau von heute verharren.
    Wir halten an der Absicht fest, die Kfz-Steuer emissionsorientiert umzustellen. Die Umlegung auf die Mineralölsteuer schafft folgende Probleme: Der öffentliche Personennahverkehr würde belastet, die Kosten für den ruhenden Verkehr würden nicht erfaßt, Arbeitnehmer in strukturschwachen Regionen mit langen Fahrtstrecken zur Arbeitsstelle würden belastet. Wir wollen eine Kfz-Steuer, die der Industrie Anreize zur Weiterentwicklung umweltschonender Kraftfahrzeuge gibt und die Autofahrer zum Kauf entsprechender schadstoffarmer Fahrzeuge motiviert.
    Die Europäische Union muß ihre umweltpolitischen Initiativen verstärken. Wir werden auf eine weitere Harmonisierung der Energiebesteuerung unter Berücksichtigung von Klima- und Umweltschutzaspekten drängen. Zur Diskussion steht dabei sowohl eine Anhebung der Mindeststeuersätze in Verbindung mit einer Erweiterung der Bemessungsgrundlage bei der Mineralölsteuer als auch eine EUweite und aufkommensneutrale CO2-/Energiesteuer. Es ist aber unsinnig, Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort Deutschland durch hohe Umweltstandards und Umweltsteuern zu vernichten, wenn diese dann hinter der Grenze in Ländern mit deutlich niedrigeren Umweltstandards neu entstehen. Das wollen wir nicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein weiteres aktuelles Vorhaben der Steuerpolitik ist die Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung. Die Wohneigentumsförderung ist unverzichtbar für eine nachhaltige Entlastung des Wohnungsmarktes, für die Stärkung der privaten Altersvorsorge und für die Vermögensbildung in breiten Bevölkerungsschichten. Mit einer Wohneigentumsquote von knapp 40 % liegen wir im internationalen Vergleich noch relativ weit hinten. Hier müssen wir aufholen. Dies wollen wir durch eine einfache und zielgenaue Konzeption bei der Wohneigentumsförderung erreichen. Wohneigentum ist mehr als nur ein ökonomischer Faktor. Die eigenen vier Wände bedeuten für den Menschen zusätzlichen Gestaltungsspielraum für sein persönliches Lebensumfeld.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber nur, wenn vorher ein Bauantrag gestellt wird!)

    Das Eigenheim garantiert Unabhängigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung. In dem Beschluß des Kabinetts vom 8. August dieses Jahres über den Entwurf zur Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung haben wir deshalb diese Elemente vorgesehen. Was ganz besonders wichtig ist: Das sogenannte Baukindergeld wird als Kinderzulage um 50 % auf 1 500 DM jährlich angehoben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Diese neue Wohneigentumsförderung ist berechenbarer, sie konzentriert sich stärker als bisher auf die kleinen und mittleren Einkommen und vorrangig auf Familien mit Kindern. Parallel dazu werden die Einkommensgrenzen für Bausparprämien von 27 000 DM für Ledige und 54 000 DM für Verheiratete künftig auf 50 000 DM und 100 000 DM nahezu verdoppelt. Auch die geförderten Höchstbeträge der Bausparleistungen werden von 800 DM für Ledige und 1 600 DM für Verheiratete auf 1 000 DM und 2 000 DM aufgestockt.
    Meine Damen und Herren, wenn wir weltweit im ökonomischen Bereich mehr Ersparnisbildung, vor allen Dingen von anderen Ländern, verlangen, um den wachsenden Kapitalbedarf, die wachsende Kapitalnachfrage auf der Welt - in den Entwicklungsländern, in den Ländern Mittel- und Osteuropas, aber auch in den Industrieländern - zu decken, dann sind solche Maßnahmen notwendig, die der stärkeren Ersparnisbildung dienen, obwohl wir hier neben Japan in der Welt an der Spitze stehen. Auch dies ist der richtige Weg für eine vernünftige ökonomische Gestaltung der nationalen und internationalen Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensteuer und zur Erbschaftsteuer werden wir genau auswerten, und dann werden wir möglichst rasch einen Lösungsvorschlag machen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie beim Kruzifix-Urteil!)

    - Das sind zwei verschiedene Dinge, Herr Fischer.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sollten sich dazu einmal äußern!)

    Es zeigt Ihr primitives Denken, wenn Sie die Steuerpolitik und die Entscheidung zu den Kreuzen in bayerischen Schulen miteinander vergleichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten dazu im Bundestag einmal etwas sagen!)

    Bei der Reform der einheitswertabhängigen Steuern gilt weiterhin, was ich bereits im Vorfeld dieser Entscheidungen betont habe: Die öffentliche Hand darf an jedweder Neuregelung nichts verdienen. Darüber hinaus muß eine Neuregelung sozial verträglich ausgestaltet sein. Das Bundesverfassungsgericht gibt deutliche Anhaltspunkte, vor welchen Grenzen der steuerliche Zugriff haltmachen muß.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Dies kann ich nur als eine klare Absage an all diejenigen werten, die bisher über eine Erhöhung von Vermögen- und Erbschaftsteuern nachgedacht haben.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr!)

    Mir wäre es am liebsten, das Urteil zum Anlaß zu nehmen, die Vermögensteuer ganz abzuschaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nur, wir können hier nicht über die Situation der Länder, um deren Steuern es geht, hinwegreden. Wir müssen die Konsequenz der Entscheidung mit den Ländern besprechen. Das Länderinteresse ist hier natürlich besonders groß. Es geht nicht nur um das Steueraufkommen der Länder, sondern auch um das der Gemeinden.
    Von besonderer Bedeutung sind auch die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten von Neuregelungen durch die Finanzverwaltungen der Länder. Eine völlige Neubewertung des Grundbesitzes würde beispielsweise bis zu 5 000 zusätzliche Finanzbeamte über viele Jahre hinweg beschäftigen. Dies zeigt: Jeder Schritt auf diesem schwierigen steuerpolitischen Terrain muß wohldurchdacht sein.
    Wer jetzt aber die Mieter mit einem Anstieg der Mieten durch eine erhöhte Grundsteuer der Gemeinden verschreckt, handelt verantwortungslos.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Grundsteuer wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht betroffen. Unser Ziel ist es, im Endeffekt eine höhere Steuerbelastung zu vermeiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU Lind der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht bestätigt in seinen Entscheidungen auch die Richtung, in die wir mit dem Jahressteuergesetz 1996 bereits gegangen sind. Mit der Generationenbrücke haben wir wesentliche Erleichterungen für den Übergang von Betrieben auf die nachfolgende Unternehmergeneration im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits jetzt geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat die besondere Gemeinwohlverpflichtung der Betriebe betont und gefordert: Die Fortführung eines Betriebes darf durch die Erbschaftsteuer nicht gefährdet werden.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Wir wollen in den nächsten Jahren unsere langfristig angelegte wachstumsorientierte Konsolidierungs- und Steuerpolitik fortsetzen. Was setzt die SPD dagegen?

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Das lassen Sie uns einmal sagen!)

    Fehlprognosen, Polemik, Forderungen nach zusätzlichen Ausgaben ohne Deckung. Betrachtet man einmal die Haushaltsreden von Frau Matthäus-Maier in den letzten vier Jahren, findet man kaum etwas anderes. Wo sind denn Ihre Sparvorschläge? Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß Sie heute nochmals
    mit dem Jäger 90 kommen. Wo ist denn Ihr Konzept für eine moderne Finanzpolitik, Ihre wirkliche Alternative? Der plakative Werbegag „Troika" hat ja wohl ausgedient. Wie heißt es im „Brockhaus"? „Troika", das seien drei struppige Pferde, die einen Wagen ziehen. Die struppigen Pferde sind keine Pferdchen mehr, und der Wagen ist kein Wagen mehr, denn sogar die Räder fehlen. Ihre Finanzpolitik ist konzeptions-, richtungs- und führungslos.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was waren das für Zeiten, als die SPD nach dem Godesberger Programm mit Ministern wie Alex Möller und Karl Schiller versuchte, moderne Finanzpolitik zu gestalten!

    (Widerspruch bei der SPD)

    - Ich habe an der Stelle eigentlich gedacht, daß Sie auf diese Männer stolz sind; denn immerhin sind Sie mit denen zur Macht gekommen. Sie werden nie zur Macht kommen. Das ist sicher.

    (Beifall bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Aussage bringt uns aber in große Probleme!)

    - Sie schon ohnehin nicht. Dafür werden wir wirklich kräftig kämpfen. - Die wichtigen Zukunftsfelder haben Sie jedenfalls nicht mit überzeugendem Sachverstand besetzt.
    Sparen, weniger Neuverschuldung, sinkende Steuer- und Abgabenlast - das ist der richtige Weg zu mehr Wachstum und zu neuen Arbeitsplätzen. Das Umdenken muß weitergehen. Mit den Dauersubventionen für alte Branchen, mit automatischen Verbesserungen oder neuen Sozialleistungen kann es nicht endlos weitergehen.
    Diese Koalition bekennt sich zu einer regelmäßigen Neubestimmung von Prioritäten im Bundeshaushalt, zu einer klaren und eindeutigen Wachstumspolitik, zum Festhalten am stabilitätsorientierten Konsolidierungskurs. Der enge Finanzrahmen bis 1999 läßt keinen Spielraum für eine Haushaltspolitik, die neue Probleme durch neue Ausgaben lösen will. Wir müssen klar entscheiden, was vorrangig und was nachrangig ist. Dazu brauchen wir ein erhebliches Maß an Kreativität, Einsicht, Flexibilität, Reformwillen und Kompromißbereitschaft, um das Notwendige innerhalb des verfügbaren Rahmens zu finanzieren. Dabei sollten wir sachlich, ohne Polemik und zielorientiert zusammenarbeiten.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    - Dies war eine ausgesprochen sachliche Rede mit ganz wenigen Spitzen, die ich aber gerne ausgeteilt habe.

    (Lachen bei der SPD)

    Die Bürger honorieren unsere Finanzpolitik. Sie wissen, was wir mit der ökonomischen und finanziellen Bewältigung der Einheit auf uns genommen und in kürzester Zeit geleistet haben. Dafür haben

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    sie auch schwierige finanzpolitische Entscheidungen mitgetragen. Der Bürger weiß sehr wohl: Nur was durch ehrliche Arbeit verdient wird, kann hinterher auch verteilt werden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie einmal der CSU in München!)

    Auch die Politik muß ehrlich arbeiten. Die noch bestehenden Probleme müssen beim Namen genannt, Lösungswege aufgezeigt werden. Der Bürger will wissen, wohin die Reise geht. Er verlangt innovative Lösungen, keine unausgegorenen Experimente. Zur stabilitätsorientierten wachstumsfördernden Politik gibt es keine vernünftige Alternative. Andere Rezepte sind noch jedesmal gescheitert, in Deutschland zuletzt in den 70er Jahren.
    Die Opposition kann gar nichts Besseres tun, als diesen Kurs mitzutragen. Moderne Finanzpolitik, made in Germany, ist ein international anerkanntes Gütezeichen, das wir auch in Zukunft pflegen wollen.
    Ich danke Ihnen. Es war mir ein Vergnügen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Was sind die anspruchslos! Weiterer Zuruf von der SPD: Eine bescheidene Partei!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste spricht die Kollegin Ingrid Matthäus-Maier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 1996 dieser Bundesregierung ist vor allem durch drei Merkmale gekennzeichnet:
    Erstens. Die Ausgaben sollen gegenüber dem Vorjahr sinken. Diese Absicht ist angesichts einer explodierenden Staatsverschuldung und einer nie dagewesenen Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger zu begrüßen. Ich würde Ihnen auch gratulieren, Herr Waigel, wenn es denn tatsächlich so wäre. Aber die Absicht, die Ausgaben in diesem Haushalt mögen sinken, steht doch nur auf dem Papier, Denn bei einer ordnungsgemäßen Berücksichtigung der Finanzierungsumstellung des Schienenpersonennahverkehrs liegt tatsächlich ein leichter Anstieg vor. Viel entscheidender ist aber, daß ungelöste Probleme und drohende Risiken, die zu Mehrausgaben führen, einfach nicht benannt werden. Das kann man nicht als solide Haushaltspolitik bezeichnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweites Merkmal: Der Haushalt steckt mehr denn je in einer Zinsfalle. Der Bund muß mit 95 Milliarden DM Zinszahlungen jede vierte Steuermark nur für Zinsen ausgeben.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: 30 Milliarden DM stammen von Ihnen! Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollten einmal Ihre Länder fragen!)

    Hier rächt sich, daß die Bundesregierung mit ihrer maßlosen Schuldenpolitik den politischen Handlungsspielraum zu Lasten unseres Gemeinwesens eingeengt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittes Merkmal: Der Bundesfinanzminister sagt, er spare an allen Ecken und Enden. Das ist nun wirklich unzutreffend. Diese Bundesregierung kürzt zwar die Mittel für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, für Investitionen und für den Umweltschutz; gleichzeitig erhöht sie aber die Mittel für den Verteidigungshaushalt und die Kernenergie. Wer so handelt, der setzt die Schwerpunkte falsch, der schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland und gefährdet die Zukunft unserer Kinder, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zum ersten Punkt, In Ihrem Haushaltsentwurf rechnen Sie sich reich und klammern offensichtlich bestehende Risiken aus:
    Erstens. Die angebliche Einsparung bei der Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3,4 Milliarden DM steht doch nur auf dem Papier; denn es handelt sich nicht um Sparen, sondern um einen Verschiebebahnhof in Richtung Sozialhilfe zu Lasten der Gemeinden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Deswegen bekommen Sie dafür keine Mehrheit. Das gleiche haben Sie doch schon einmal, vor einem Jahr, versucht. Damals hat Graf Lambsdorff zu Recht gesagt: Da könnte man gleich einen Lottogewinn in den Haushalt einstellen. - So ist es auch in diesem Jahr: Luftbuchungen bringen leider kein Geld.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Wolfgang Bierstedt [PDS])

    Zweitens. Da die Arbeitslosigkeit leider viel weniger zurückgeht als erhofft, droht bei der Bundesanstalt für Arbeit ein Deckungsloch von drei bis fünf Milliarden DM, für die der Bund nach dem Gesetz einzustehen hat. Sich hier mit geschönten Arbeitslosenzahlen reichzurechnen hilft weder den Arbeitslosen noch dem Bundeshaushalt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Drittens. Sie haben seit 1990 das Wohngeld nicht erhöht, obwohl Sie ununterbrochen das Gegenteil versprochen haben. Glauben Sie denn ernsthaft, daß Sie angesichts dieser Versprechungen ohne Erhöhung des Wohngeldes über das Jahr 1996 kommen?
    Viertens. Beim Asylkompromiß haben Sie zugesagt - ich habe das gut in Erinnerung -, daß sich der. Bund an den Kosten der Bürgerkriegsflüchtlinge beteiligt und die Finanzierung nicht nur - was ungerecht ist - Ländern und Gemeinden überläßt. Wollen Sie 1996

    Ingrid Matthäus-Maier
    Ihr Versprechen gegenüber Ländern und Gemeinden wieder nicht einlösen?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Fünftens. Das Problem der Altschulden der ostdeutschen Städte und Gemeinden in Höhe von etwa 8 Milliarden DM, die noch zu DDR-Zeiten den Gemeinden für gemeinschaftliche Einrichtungen aufgedrückt wurden, kann man sicher nicht lösen, indem man dem Bund alle diese Schulden zuschiebt. Da sind wir uns einig. Aber umgekehrt ist es völlig sinnlos, daß der Bund auf stur schaltet und keinerlei Kompromißbereitschaft zeigt. Diese Blockadehaltung muß überwunden werden. Es ist doch klar, daß bei einem notwendigen Kompromiß auch eine Bundesbeteiligung herauskommt. Dann sagen Sie das und schreiben Sie das in Ihren Haushalt!

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ein Bundesfinanzminister, der alle diese milliardenschweren Risiken kennt, aber im Bundeshaushalt einfach nicht berücksichtigt - nach dem Motto: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen und erst recht nichts aufschreiben - und dann hier behauptet, das Volumen des Haushaltes sinke 1996, handelt wirklich unseriös, wie wir alle sehen.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Ich frage Sie, Herr Waigel: Wollen Sie es bei den Altschulden der ostdeutschen Gemeinden wirklich wieder dem Verfassungsgericht überlassen, wie entschieden wird? Das kann doch wohl nicht sein. In unserem Lande überläßt die Politik meiner Ansicht nach ohnehin schon genug Probleme den Gerichten, statt sie selber politisch zu lösen.
    Speziell dieser Bundesfinanzminister wird immer erst dann aktiv, wenn das Bundesverfassungsgericht ihn dazu zwingt. Reicht es Ihnen nicht, daß Sie praktisch in jedem Jahr Ihrer Amtszeit eine schwere Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht hinnehmen mußten?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Verfassungswidrigkeit des steuerlichen Existenzminimums, Verfassungswidrigkeit des Familienlastenausgleichs, Verfassungswidrigkeit der Zinsbesteuerung, Verfassungswidrigkeit der Besteuerung nach Einheitswerten: Stört es Sie eigentlich nicht, daß aus diesem Grunde Jahr für Jahr Millionen von Steuerbescheiden nur unter Vorbehalt erteilt werden?
    Nein, Herr Bundesfinanzminister, wir fordern Sie auf: Lösen Sie die Probleme politisch und überlassen Sie sie nicht den Gerichten!

    (Beifall bei der SPD)

    Da wir schon beim Thema Bundesverfassungsgericht sind - Sie haben das Kruzifix-Urteil erwähnt -, spreche ich Sie als CSU-Vorsitzenden an. Ich rate Ihnen an, dafür zu sorgen, daß in Zukunft nicht mehr solch geradezu üblen Angriffe aus den Reihen Ihrer Partei auf das Bundesverfassungsgericht erfolgen, nur weil Ihnen ein Urteilsspruch nicht paßt.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Vor wenigen Wochen haben wir miterlebt, wie Konservative mit dem höchsten deutschen Gericht umgehen, wenn ihnen das Ergebnis nicht gefällt. Ich erinnere mich z. B. an die Entscheidung zum § 218 vor einigen Jahren und daran, wie Sie mit Frauen umgesprungen sind, die das Urteil kritisiert haben.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Memmingen!)

    Ich sage Ihnen: Wenn Frauen in der Vergangenheit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Abtreibungsparagraphen auch nur ansatzweise so maßlos kritisiert hätten wie Sie das Kruzifix-Urteil, hätten Sie sie überhaupt nicht mehr in den öffentlichen Dienst hineingelassen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zwei Ihrer verfassungswidrigen Gesetze haben wir gerade mit dem Jahressteuergesetz 1996 korrigiert: das steuerfreie Existenzminimum und den Familienlastenausgleich. Was wir im Sommer im Vermittlungsausschuß vereinbart haben, ist ein klassischer Kompromiß. Keine Seite konnte ihre Ziele voll durchsetzen.

    (Zuruf von der SPD: Der Waigel hört nicht zu! Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Entschuldigung!)

    - Macht nichts.

    (Otto Schily [SPD]: Der redet gerade mit Herrn Solms, seinem Nachfolger!)

    Ich freue mich darüber, Herr Waigel, daß Sie hier mehrere Punkte lobend erwähnen: höheres Kindergeld und höheres steuerfreies Existenzminimum. Ich muß aber schmunzeln, wenn Sie gerade diese Punkte besonders hervorheben. Denn das waren diejenigen Punkte, die Sie in der Vergangenheit mit Vehemenz bekämpft haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Sie haben doch gesagt, das ist verfassungswidrig!)

    Daß jeder Fachmann weiß, daß wir Sozialdemokraten uns in diesen Punkten durchgesetzt haben,

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Was? Wo ist der Fachmann?)

    sehen Sie daran, daß das „Handelsblatt" von der „Sozialdemokratisierung der Steuerpolitik der Koalition" spricht. Einen besseren Beweis gibt es gar nicht.

    (Beifall bei der SPD Widerspruch bei der CDU/CSU)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Wir haben uns vor allen Dingen in drei Punkten durchgesetzt. Beispiel Nummer eins: Das steuerfreie Existenzminimum wird nicht, wie von Ihnen vorgesehen, nur auf knapp über 12 000 DM erhöht, sondern in einer zeitlichen Stufenfolge auf 13 000 DM.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Daß dies erst 1999 geschieht, betrübt uns. Uns ist vorhin natürlich aufgefallen, als Sie die Jahreszahlen nannten, daß Sie mit großem Geschick zwar die Jahre 1996, 1997 und 1999 genannt, aber 1998 ganz elegant umschifft haben. Denn hier liegt das Problem. Wir konnten gegen Ihren erbitterten Widerstand leider nicht durchsetzen, daß auch 1998 eine Anhebung erfolgt.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Waren das nicht die Länder?)

    Deshalb ist das, was wir vereinbart haben, zwar ein Erfolg, bewegt sich aber am unteren Rand des rechtlich Zulässigen und politisch Wünschenswerten. Leider haben Sie mit Ihrem erbitterten Widerstand etwas Zusätzliches verhindert, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wie war das mit Herrn Schleußer?)

    Zweitens: die Erhöhung des Kindergeldes. Sie denken, die Leute sind über die Monate vergeßlich. Das ist leider so. Aber Ihr Vorschlag noch vom Februar war doch folgender: Beim Erstkindergeld, das 70 DM betrug, wird überhaupt nichts daraufgelegt, beim Zweitkindergeld 20 DM.

    (Zuruf von der SPD: So war es!)

    Jetzt ist es uns Sozialdemokraten gelungen - darauf bin ich stolz -, eine Anhebung des Kindergeldes vom ersten Kind an auf 200 DM, ab 1997 sogar auf 220 DM durchzusetzen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Jetzt bitte rot werden! Jetzt müssen Sie rot werden!)

    Das ist ein beachtlicher erster Schritt für die Familien mit Kindern. Aber wir werden nicht lockerlassen: Unser Ziel bleiben die 250 DM, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD Zurufe von der CDU/ CSU)

    Bei der Debatte um die 250 DM Kindergeld, die ja unser Ziel sind, ist mir eine besonders unfaire Methode der Diskussion bei Ihnen aufgefallen. Es ist nämlich anscheinend Mode geworden, jemandem, der einen Vorschlag einschließlich Finanzierung macht, wahrheitswidrig vorzuwerfen, das Ganze sei nicht finanzierbar, nur weil man das Finanzierungsinstrument ablehnt. Was meine ich mit diesem etwas komplizierten Satz? Wir haben 250 DM vorgeschlagen, finanziert durch eine maßvolle Begrenzung des Ehegattensplittings.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Aber die Länder doch nicht!)

    Bis heute können wir nicht verstehen, daß die bloße Heirat für Spitzenverdiener

    (Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Jetzt ist sie in der alten Leier!)

    - das sind Leute oberhalb von 240 000 DM im Jahr - eine Steuerentlastung von 22 842 DM bringt, auch wenn in der Ehe kein Kind vorhanden ist.

    (Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Jetzt kommt die alte Leier, jetzt geht es wieder los! Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Herr Schleußer versteht das!)

    Wir haben zu Recht auch immer die Kirchen angeführt, die sagen gleichzeitig würden Kinder in vielen Familien immer mehr ein Armutsrisiko.
    Gegen diese wirklich maßvolle Reform des Splittings, die aus den Gesamtkosten des Splittings in Höhe von 30 Milliarden DM 5 Milliarden DM also wirklich maßvoll - zugunsten der Familien mit Kin-dem umgeschichtet hätte, haben Sie sich mit Händen und Füßen gewehrt. Aber dann sagen Sie doch bitte deutlich, daß Sie aus ideologischen Gründen an der Privilegierung der bloßen Ehe festhalten und daß Sie aus ideologischen Gründen deswegen auch die 250 DM nicht wollen. Die haben Sie verhindert.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Die Länder waren das! Herr Schleußer war das doch!)

    Diese Verantwortung bleibt an Ihnen hängen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Ergebnisse des Jahressteuergesetzes bedeuten vor allem für untere und mittlere Einkommen eine deutliche Entlastung. Nur zwei Beispiele: 1996 wird ein Verheirateter mit zwei Kindern und einem Bruttojahreseinkommen von 60 000 DM um 2 340 DM entlastet. Das sind immerhin netto Monat für Monat 195 DM. Im Jahre 1997 wird er sogar insgesamt um 2 950 DM entlastet. Oder nehmen Sie eine Alleinerziehende mit einem Kind und einem Bruttojahreseinkommen von 36 000 DM! Sie wird Monat für Monat um immerhin 119 DM entlastet, im Jahr also um insgesamt 1 428 DM. Und für diese Steuerzahlerin steigt die Entlastung 1997 auf 1 730 DM.
    Nachdem die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürgerinnen und Bürger unter dieser Bundesregierung in einer Weise in die Höhe geschnellt ist, wie es sie seit 45 Jahren in dieser Republik noch nicht gegeben hat, empfinden wir Sozialdemokraten große Genugtuung darüber, daß wir Sie dazu gezwungen haben, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Sie wollten doch noch mehr Belastung!)

    Im Vermittlungsausschuß ist auch ein notwendiger Einstieg in den steuerlichen Subventionsabbau gelungen. Aus unserer Sicht ist dabei ein besonderer Erfolg, daß wir diese Bundesregierung endlich dahin gebracht haben, mit uns zusammen die steuerliche

    Ingrid Matthäus-Maier
    Absetzbarkeit von Schmiergeldern im Inland abzuschaffen,

    (Beifall bei der SPD)

    ein erster Schritt zwar nur, aber eben ein Schritt in die richtige Richtung! Wie lange hat es gedauert, wie oft habe ich hier im Deutschen Bundestag dafür gesprochen, das abzuschaffen, und habe von Ihnen Spott und Häme geerntet!

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Nein!)

    Dabei sah doch jeder, daß das Rechtsbewußtsein der Menschen untergraben wird, wenn das Bestechen von Beamten und das Schmieren von Geschäftsleuten auch noch steuerlich honoriert wird, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Das ist doch eine falsche Darstellung!)

    Aus Anlaß dieses Punktes frage ich Sie einmal ganz ernsthaft: Warum lehnen Sie eigentlich immer wieder vernünftige Vorschläge nur deswegen ab, weil sie von der SPD kommen? Statt diese Vorschläge unvoreingenommen zu prüfen, rufen Sie immer erst einmal nein, um dann diese Vorschläge, zum Teil mit jahrelanger Verzögerung, teilweise oder ganz zu übernehmen. Das war bei diesem Beispiel der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmiergeldern so. Das war beim einheitlichen Kindergeld so. Das ist bei der Eigenheimzulage, die Sie gerade erwähnt haben, so, also bei der Umstellung für die Eigenheimbauer, wo Sie in diesen Tagen unserem Modell weitgehend folgen.
    Das war beim Schnellen Brüter so. Von Ihnen kam immer: nein, nein, nein - und heute ist der Schnelle Brüter doch dicht. Das war auch bei Wackersdorf so. Als wir forderten: zumachen!, haben Sie gesagt: nein, nein, nein. Wackersdorf ist dichtgemacht. Ich verhehle nicht: Ich hoffe, daß Sie auch noch beim Jäger 90 einsichtig werden, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Da ich weiß, daß bei diesem Wort beim Bundesfinanzminister immer die Klappe fällt, frage ich Sie sehr ernsthaft - denn wir wissen alle, daß wir bei dem zunehmenden Flugverkehr Flugzeuge brauchen, die wesentlich weniger Energie benötigen, Flugzeuge, die sehr viel leiser sind; fast jeder kennt já aus seinem Wahlkreis das Problem des Fluglärms -: Wäre es da nicht besser, statt zweistellige Milliardensummen in ein neues Jagdflugzeug zu stecken, einen Teil davon in Arbeitsplätze in Firmen der Forschung und Technologie zu geben, um ein Ökoflugzeug zu entwickeln und damit die Menschen und die Umwelt zu entlasten?

    (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Sehr schlau! Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Übrigens: In dem Subventionsabbaupaket des Jahressteuergesetzes gibt es natürlich auch Maßnahmen, die die Menschen hart treffen, insbesondere
    wenn man sich an die Subventionen gewöhnt hat. Aber ich sage Ihnen: Die Bareis-Kommission hatte von uns Politikern noch sehr viel härtere Maßnahmen erwartet und kritisiert uns für unseren mangelnden Mut. Insofern ist das Beschlossene schmerzhaft, aber unvermeidlich, um die Staatsschulden nicht noch weiter in die Höhe zu treiben.
    Beim Subventionsabbau hat übrigens die F.D.P. eine unrühmliche Bremserrolle gespielt.

    (Beifall bei der SPD Zurufe von der SPD: Jawohl! Wie immer!)

    Meine Damen und Herren, die Wochenzeitung „Die Zeit" schreibt am 4. August 1995 nach Abschluß der Beratungen so treffend:
    Dienern vor der Klientel - Alle Tiere sind gleich. Nur einige sind gleicher. Auf die Finanzpolitik übertragen: Alle Bürger müssen auf Subventionen verzichten. Nur die Klientel der F.D.P. muß verschont werden. Damit ist auf die Dauer kein Staat zu machen.
    So schreibt „Die Zeit".

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der CDU/ CSU: Wahrscheinlich haben Sie ihnen das beigebracht!)

    Ich sage Ihnen, meine Meine Damen und Herren von der F.D.P.: Wenn Sie es in den nächsten Wochen und Monaten wagen sollten, hier im Deutschen Bundestag das Wort „Subventionsabbau" noch einmal in den Mund zu nehmen, dann wundern Sie sich nicht, daß wir alle in herzhaftes Gelächter ausbrechen.

    (Beifall bei der SPD)

    Weiterer Subventionsabbau wäre auch nötig, um den Staat finanziell wieder handlungsfähig zu machen. Der Haushalt 1996 zeigt nämlich deutlicher als je zuvor: Die Bundesfinanzen befinden sich in einer Schulden- und damit jetzt in einer Zinsfalle. Allein 1996 beträgt die Zinslast 95 Milliarden DM. Das mache man sich einmal klar. Herr Waigel muß für Zinsen ohne einen Pfennig Tilgung dreiundsiebzigmal soviel Geld wie für den Umwelthaushalt ausgeben. Das ist für uns alle wirklich niederschmetternd und zeigt, wohin uns diese Bundesregierung mit ihrer Schuldenpolitik getrieben hat.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Manche meinen: Wenn ich etwas über Schulden finanziere, dann kostet mich das so recht gar nichts, weil ich es ja nicht direkt bezahlen muß. Nein, wir wissen, wenn ich etwas über Schulden finanziere, muß ich es schon nach kürzester Zeit zwei-, drei-, viermal bezahlen: einmal Tilgung, mehrfach Zinsen.
    Rund 21 %, ein Fünftel des gesamten Bundeshaushalts, geben wir 1996 für Zinsen aus. Wenn man die gesamten Steuereinnahemn des Bundes in ein Verhältnis zu diesen 95 Milliarden DM Zinsausgaben setzt, dann braucht der Bundesfinanzminister ein Viertel der gesamten ihm zustehenden Steuern, um überhaupt die Zinsausgaben bedienen zu können.

    Ingrid Matthäus-Maier
    Ich darf daran erinnern, daß eine Zinssteuerquote - so nennt man das technisch - in eben dieser Größenordnung dem Bundesverfassungsgericht 1992 ausgereicht hat, den Ländern Bremen und Saarland die sogenannte Haushaltsnotlage zu bescheinigen. Nach der mittelfristigen Finanzplanung, die wir heute auch diskutieren, wird diese Zahl bis 1999 noch auf über 108 Milliarden DM ansteigen.
    Herr Waigel, Sie sagen an dieser Stelle immer wieder, dies läge an der deutschen Einheit. Jeder weiß, auch wir Sozialdemokraten hätten für dieses große Ziel Aufbau Ost mehr Geld aufnehmen müssen und aufgenommen. Das ist auch gerechtfertigt. Dies durfte aber doch kein Freibrief für eine solch unbegrenzte Staatsverschuldung sein, unter deren Folgen wir jetzt ächzen.
    Wir Sozialdemokraten haben sehr früh, ab Winter 1989 und Sommer 1990, eine solide Finanzierung der Einheit von Ihnen eingefordert. Sie haben statt dessen den Menschen über Monate vorgegaukelt, die deutsche Einheit sei quasi aus der Portokasse zu bezahlen. Damals haben Sie die Weichenstellung für eine solide Finanzierung verpaßt, weil Sie den Menschen nicht die Wahrheit sagen wollten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich will noch etwas dazu sagen - das hat mich auch menschlich tief betroffen -: Unsere Warnungen vor den hohen Kosten und den hohen Staatsschulden sowie unser Eintreten für eine solide Finanzierung der Einheit haben Sie sogar noch dazu mißbraucht, uns eine angebliche Gegnerschaft gegen die deutsche Einheit vorzuwerfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben gesagt, das seien alles Horrorzahlen.
    Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. Als ich vor einigen Jahren hier im Bundestag sagte, in 1995 marschierten alle Staatsschulden der öffentlichen Hand über die 2-Billionen-DM-Grenze, haben Sie hier gestanden und gesagt: Horror, Horror, Horror. Was ist geschehen? In 1995 überschreiten die öffentlichen Schulden die 2-Billionen-DM-Grenze. Die Wirklichkeit war bei Ihnen nämlich immer schlimmer als der angeblich von uns vorgeführte Horror.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen fordere ich Sie auf: Seien Sie doch wenigstens jetzt ehrlich. Die Debatte um die Dauer des Solidaritätszuschlages gibt Ihnen dazu Gelegenheit. Denn die Diskussion, die hier geführt wird, ist zutiefst unehrlich. Auf zehn Jahre - wie Herr Ost von der CDU sagte - will ich mich nicht festlegen. Das erscheint mir zu lang. Aber daß wir den Solidaritätszuschlag noch jahrelang brauchen, nicht nur um den Aufbau Ost zu finanzieren, sondern auch um den enormen Schuldenberg zu reduzieren, den Sie durch die Finanzierung der Einheit auf Pump aufgehäuft haben, scheint mir doch offensichtlich. Wenn einige Politiker aus Ihren Reihen jetzt davon sprechen, den
    Solidaritätszuschlag 1997 oder 1998 abzubauen, dann fällt das schon wieder in die Kategorie Wählertäuschung. Es wäre wichtig, daß der Kanzler hier ein klärendes Wort sagt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Sie wollen ihn also beibehalten?)

    Übrigens, welch enormes Schuldenrad wir hier in diesem Lande drehen, sehen Sie an der Bruttokreditaufnahme. Wir reden im Bundestag meistens über die Nettokreditaufnahme, d. h. die Nettoverschuldung, die 1996 knapp unter 60 Milliarden DM bleiben soll. Tatsächlich nimmt der Bund aber 1996 sehr viel höhere Schulden auf, insgesamt 224 Milliarden DM. Das ist die sogenannte Bruttokreditaufnahme. Davon braucht er 164 Milliarden DM, um alte Schulden abzulösen, und 60 Milliarden DM Schulden braucht er, um den Haushalt 1996 zu finanzieren.
    Herr Waigel nimmt also in 1996 jeden Tag 614 Millionen DM Schulden auf, Tag für Tag. Von diesen täglich 614 Millionen DM Schulden braucht er jeden Tag allein 450 Millionen DM Schulden zu einem einzigen Zweck, nämlich um alte Schulden durch neue zu ersetzen. Die restlichen 164 Millionen DM braucht er dann, um seinen unausgeglichenen Haushalt zu finanzieren.
    Daß dies nicht nur ein Problem auf dem Papier ist, sondern in zweierlei Hinsicht ein Problem, unter dem wir alle leiden, will ich an zwei Beispielen zeigen. Erstens: Diese Zinsausgaben des Bundes beinhalten ein großes Risiko. Zur Zeit profitiert der Bundesfinanzminister davon, daß die Zinsen für neue Kredite sinken. Das kann aber auch einmal umgekehrt sein.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wir haben eine stabile Wirtschaft!)

    Wenn das Zinsniveau auch nur um einen Prozentpunkt steigt, werden die Zinsausgaben des Bundes explodieren, allein in den darauffolgenden drei Jahren um 6 Milliarden DM.
    Was ist noch so schlimm an diesem enormen Schuldenrad? Eine solche Staatsverschuldung führt immer zugleich zu einer enormen Umverteilung von unten nach oben. Das hat Herr Blüm einmal zu Recht beklagt. 95 Milliarden DM Zinsen in einem Jahr, das sind 1200 DM pro Kopf der Bevölkerung, die von den Steuerzahlern in die Taschen der Vermögensbesitzer wandern,

    (Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Wieviel Jäger 90 sind das?)

    nämlich in die Taschen der Vermögensbesitzer, die Staatsanleihen halten. Das ist in der überwiegenden Mehrheit doch nicht die einfache Bevölkerung in diesem Lande.
    Wenn man außerdem noch berücksichtigt, daß in diesem Lande im Zusammenhang mit der Zinsbesteuerung die Scheunentore für die Steuerhinterziehung nach Luxemburg durch diese Bundesregierung weit geöffnet worden sind - schauen Sie sich an, was in diesen Tagen in der Zeitung steht -, kann ich nur sagen: Eine solch enorme Schuldenbelastung der öf-

    Ingrid Matthäus-Maier
    fentlichen Haushalte führt zu einer enormen Umverteilung von unten nach oben, und auch deswegen müssen wir sie bekämpfen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Zudem sind unser aller Handlungsspielräume auch durch Verpflichtungsermächtigungen kräftig eingeschränkt. Das wissen wir beide, und wir wissen auch, daß wir daran etwas ändern müssen. Verpflichtungsermächtigung heißt, der Bund darf auch für die folgenden Jahre schon Verpflichtungen eingehen, selbst wenn das, wofür man das Geld ausgibt, dann schon vergessen ist.
    Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Der Bund leistet Zinszuschüsse im Rahmen des Wohnraummodernisierungsprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau in den neuen Bundesländern. Mit den zinsverbilligten Darlehen können z. B. Reparaturen an Dächern, Fassaden und Fenstern durchgeführt werden. Wir haben dieses Programm mitgetragen und begrüßen es. Das Programm läuft im nächsten Jahr aus, aber die finanziellen Auswirkungen für den Bundeshaushalt bestehen bis weit über das Jahr 2000 hinaus - allein für dieses Programm in Höhe von 11,8 Milliarden DM. Das heißt, wir müssen noch Zahlungen leisten, wenn kein Mensch mehr an die reparierten Fassaden und Fenster denkt.
    Warum sage ich das? Ich sage das, um klarzustellen - da sollten wir uns einig sein -: Wir werden uns für den Haushalt 1996 und die mittelfristige Finanzplanung auf sparsamste Haushaltsführung, den Abbau unnötiger Ausgaben und die Konzentration der wirklich knappen Mittel auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Modernisierung der Wirtschaft durch Forschung und Entwicklung und die ökologische Weiterentwicklung der Industriegesellschaft einigen müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Diesen Anforderungen wird der Haushaltsentwurf der Bundesregierung nicht gerecht. Einige Beispiele: Wer wie diese Bundesregierung bei der öffentlichkeitsarbeit schon wieder drauflegt, statt sie um mindestens 150 Millionen DM herunterzufahren, ist alles andere als sparsam. Sie handeln nach dem Motto: Wenn schon die Politik nichts taugt, muß wenigstens die Propaganda verstärkt werden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Wer gleichzeitig wie diese Bundesregierung die Fördermittel für die Forschung im Mittelstand in den neuen Bundesländern um 71 Millionen DM herunterfährt, setzt die Schwerpunkte falsch und sollte das Wort vom Standort Deutschland besser gar nicht mehr in den Mund nehmen.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wer wie die Bundesregierung den Bürgern 54 Staatssekretäre zumutet, der sollte hier, wie Sie, Herr Waigel, das so vornehm gesagt haben, nicht von
    lean management oder - ich übersetze das einmal - von der Verschlankung der öffentlichen Verwaltung reden. Das ist dann nämlich unglaubwürdig, und ich bin gespannt, wo dann Ihre Kraft zur Reform des öffentlichen Dienstes bleibt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wer wie diese Bundesregierung auf die Schnelle in wenigen Tagen 375 Millionen DM außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen für den Jäger 90 bereitstellt,

    (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Da ist er schon wieder!)

    gleichzeitig aber das BAföG für Studentinnen und Studenten herunterfährt, dem ist der Blick für das Notwendige und Machbare verlorengegangen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Müller [Berlin] [PDS])

    Wer wie diese Bundesregierung mal eben 150 Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen für Fregatten in die Türkei bereitstellt, sich aber gleichzeitig immer weiter von dem Versprechen eines Entwicklungshilfehaushaltes in Höhe von 0,7 % des Bruttosozialproduktes entfernt, der weiß nicht, was wirklich zur Förderung des Friedens notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wer wie diese Bundesregierung sich wie die Kesselflicker darüber streitet,

    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    ob der Außenminister oder der Wirtschaftsminister für die Förderung des Außenhandels bei den Botschaften zuständig ist, gleichzeitig aber ganz unbemerkt zuläßt, daß die Mittel für Auslandsmessen und für die Pflege der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland mal eben um 10 Millionen DM gekürzt werden, der darf sich nicht wundern, wenn Franzosen, Japaner und Amerikaner schneller sind.

    (Beifall bei der SPD Michael Glos [CDU/ CSU]: Kesselflicker! Sie Marktschreierin!)

    Wer wie diese Bundesregierung den Verpflichtungsrahmen beim sozialen Wohnungsbau herunterfährt, um einen Teil der Mittel für den Bau des Transrapids abzuzweigen - was hat eigentlich der soziale Wohnungsbau mit dem Transrapid zu tun? -, der hat offensichtlich noch nicht begriffen, daß in diesem Lande 2 Millionen bezahlbare Wohnungen fehlen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer wie diese Bundesregierung im Verkehrshaushalt beim Straßenbau um 750 Millionen DM kürzt,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das haben Sie doch immer gefordert!)


    Ingrid Matthäus-Maier
    bei den Investitionsmitteln für die Schiene aber um 2,3 Milliarden DM,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Jedes Jahr haben Sie Kürzungen im Straßenbau gefordert!)

    der betreibt eine Verkehrspolitik von gestern und nicht von morgen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das ist mein wichtigster Punkt: Wer wie diese Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit um Milliarden kürzt, gleichzeitig aber 560 Millionen DM beim Verteidigungshaushalt drauflegt, der weiß nicht mehr, wo es in dieser Gesellschaft brennt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Bei Ihren Kürzungen im Bereich der Arbeitslosen erwecken Sie auch heute morgen wieder den Eindruck, den Arbeitslosen ginge es eh zu gut. Wenn man ihnen nur die Leistung kürzte, dann würde man sie schon an die Arbeit kriegen. Ganz sicher gibt es auch Arbeitslose, die mit Arbeitslosengeld oder -hilfe und Schwarzarbeit über die Runden kommen. Das ist Sozialmißbrauch, und das muß bekämpft werden.
    Aber angesichts der Tatsache, daß ganze Teile von Belegschaften mit 100, 200, 500 und mehr Menschen entlassen werden, ganze Standorte stillgelegt werden, ganze Familien ins Unglück gestürzt werden, ist es doch eine Verleumdung, ihnen insgesamt zu unterstellen, sie wollten nicht arbeiten, wie Sie es mit dem Hinweis auf die soziale Hängematte heute morgen wieder gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die offiziellen Zahlen sind im Moment: 3,5 Millionen registrierte Arbeitslose, 293 000 registrierte offene Stellen. Herr Waigel, da können Sie Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe noch weiter senken: Ihnen wird es nicht gelingen, 3,5 Millionen Menschen, die Arbeit suchen, auf 293 000 offene Stellen zu verteilen.
    Nein, Sie kurieren an Symptomen. Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, sondern die Arbeitslosigkeit ist zu teuer.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nach den jüngsten Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gab es allein 1994 140 Milliarden DM an direkten Kosten, entgangenen Steuern und Sozialabgaben. Darin sind die mittelbaren Kosten nicht enthalten.
    Wenn man berücksichtigt, daß hohe Arbeitslosigkeit auf Dauer zur Entwertung von Qualifikationen von Menschen, zur Demotivation, zu zunehmender Verarmung und wachsenden Alkohol- und Drogen-
    problemen führt - übrigens auch zu Aggressivität und Fremdenfeindlichkeit -, dann weiß man, Massenarbeitslosigkeit ist die größte volkswirtschaftliche Verschwendung. Deswegen müssen wir das Geld zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgeben und nicht zum Bezahlen der Arbeitslosen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/CSU]: Dann ändern Sie doch Ihre Politik!)

    Warum kümmern sich denn jetzt besonders die Kirchen um die Langzeitarbeitslosen? Sie tun es, weil sie wissen, welchen Teufelskreis dies für die Kinder bedeutet, insbesondere dann, wenn beide Elternteile arbeitslos sind. Mindestens 1 Million Kinder in unserem Lande sind von Sozialhilfe abhängig. Wir müssen diesen Teufelskreis aufbrechen.
    Wenn Graf Lambsdorff - Sie haben dies heute etwas vorsichtiger behandelt - und anderen seiner Fraktion in dieser Situation nichts Besseres einfällt als die Forderung nach Abschaffung der Vermögensteuer, dann spiegelt das ein besonders hohes Maß an Instinktlosigkeit wider, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

    Zu den 785 Milliarden DM Steuereinnahmen des Jahres 1994 hat die Vermögensteuer mit 6,6 Milliarden DM gerade einmal mit 0,8 % beigetragen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Stimmt! Wir haben das im Jahressteuergesetz anders gemacht!)

    Meine Damen und Herren von der F.D.P., daß die Umverteilung von unten nach oben in Ihrem Parteiprogramm steht, das wissen wir. Manchmal wird es aber geradezu peinlich, wenn Sie solche Forderungen aufstellen.

    (Beifall bei der SPD Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Die übliche Polemik!)

    Was wir brauchen, ist eine zukunftsweisende Wirtschaftspolitik, in der drei Dinge zusammengehören: die Modernisierung der Wirtschaft, die ökologische Weiterentwicklung der Industriegesellschaft und die soziale Verantwortung. Wer aus diesem Dreiklang - Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit - eine Säule herausbrechen will, wird das Problem des Standorts Deutschland nicht lösen. Er wird auch, da er die Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommt, die Haushaltsprobleme nicht lösen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies bedeutet für den Haushalt 1996: Bildung, Ausbildung, Forschung, Technologie und Innovation müssen einen größeren Stellenwert erhalten. Zwar steigt das Volumen des Haushalts des Zukunftsministers im Bereich Forschung und Entwicklung, gleichzeitig aber sinken die Ausgaben im Bereich Bildung und Ausbildung. Dabei brauchen wir doch nicht nur

    Ingrid Matthäus-Maier
    Investitionen in Beton, sondern auch Investitionen in Köpfe.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Darlehen an BAföG-Studenten sollen auf Bankdarlehen mit Zinsbelastungen von über 8 % umgestellt werden. Das bedeutet, daß diese in Zukunft statt mit 35 000 DM Rückzahlschuld mit 72 000 DM ins Berufsleben gehen. Dieser Abschreckungseffekt hebelt die Chancengleichheit aus. Dies gilt ganz besonders für die neuen Bundesländer, wo die Studierenden stärker vom BAföG abhängig sind. Zudem belastet er auch weibliche Studierende, da diese später auf dem akademischen Arbeitsmarkt ohnehin oft erheblich weniger verdienen als Männer.
    Herr Rüttgers, ein sogenannter Zukunftsminister, der die Chancengleichheit zurückfährt, steht nicht für Fortschritt, sondern für Rückschritt. Deswegen werden wir das ablehnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

    Um Innovationen und zukunftsträchtige Arbeitsplätze in Deutschland zu fördern, brauchen wir zusätzliche Hilfen bei der Markteinführung neuer Technologien. Ich frage Sie: Ist es nicht ein schwerer Fehler, wenn wir zulassen, daß in wenigen Wochen der letzte Solarzellenhersteller Deutschland verläßt und nach Amerika geht, weil dort die Markteinführung zukunftsträchtiger, regenerierbarer Energien gefördert wird? Auch angesichts der knappen Kassen möchte ich Ihnen sagen: Wer wie diese Bundesregierung im Verteidigungsetat die Mittel für Wehrforschung und -erprobung im Haushalt 1996 um sage und schreibe 330 Millionen DM aufstockt, der kann mir nicht erzählen, daß er nicht ein bißchen mehr im zivilen Bereich der Forschung und Entwicklung drauflegen kann.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

    Außerdem muß man auch einmal unkonventionelle Wege gehen. In Amerika gibt es einen Fonds, in den auch die großen Energieversorgungsunternehmen einzahlen müssen; das ist gesetzlich vorgeschrieben. Mit diesem Geld werden die Erforschung von Energieeinsparmöglichkeiten und die Förderung und Markteinführung neuer Energien finanziert. Nein, Herr Waigel, keine platten Kürzungen, sondern intelligentes Umschichten und phantasievolle Alternativen müssen auf der Tagesordnung stehen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Auch beim Umweltschutz wird diese Regierungskoalition den drängenden Problemen nicht gerecht. Dabei weiß doch mittlerweile jeder, daß Ökonomie und Ökologie zusammengehören. Der Umweltetat dieser Bundesregierung führt ein Schattendasein. 1,3 Milliarden DM für den Umwelthaushalt, 48,5 Milliarden DM für den Verteidigungshaushalt -
    das ist ein groteskes Mißverhältnis, meine Damen und Herren. Wir wissen: Der Verteidigungshaushalt kann sicher nicht der Steinbruch für alles und jedes sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen es doch dauernd!)

    Wenn aber in den Zeiten knappster Kassen der Umweltetat um 40 Millionen DM sinkt und der Verteidigungsetat um 560 Millionen DM ansteigt, dann weiß diese Bundesregierung nicht, worauf es in der Zukunft ankommt. Ich bin der festen Überzeugung: Nicht wer die meisten U-Boote und Panzer, sondern wer die besten Umweltschutz- und Energieeinspartechnologien exportiert, wird im Jahre 2000 weltweit die Nase vorn haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Merkel, wie können Sie sich die Kürzung um 40 Millionen DM eigentlich gefallen lassen? Ich habe das Gefühl, wenn sich Frau Merkel schon dieses unmögliche Ozon-Gesetz gefallen läßt, dann hat sie auch gar nicht erst den Mut, gegen diese wirklich unverhältnismäßige Kürzung einzuschreiten. Ist es eigentlich wirklich in Ordnung, daß Sie in Ihren Haushalten 2,1 Milliarden DM für Kernenergie und Kernforschung ausgeben? Sie legen übrigens noch 60 Millionen DM gegenüber 1995 drauf. Im Bereich der erneuerbaren Energien sind es 320 Millionen DM. Da legen Sie auch etwas drauf, und zwar 5 Millionen DM. Meine Damen und Herren, die Schere geht damit weiter auseinander. Ich sage Ihnen: Ihre ideologische Verbohrtheit in bezug auf die Kernenergie sieht man an nichts so deutlich wie an diesen Verschiebungen im Bundeshaushalt. Wer so handelt, verschläft die Zukunft unserer Kinder, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Zu einer zukunftsweisenden Strategie, die moderne Wirtschaft, ökologische Weiterentwicklung und soziale Gerechtigkeit zusammenführt, gehört unser Projekt einer ökologischen Steuerreform. Jedermann weiß, die Lohnnebenkosten sind zu hoch und müssen gesenkt werden. Ich las gestern in der Zeitung: Herr Blüm hat einen Brief an die Fraktion der CDU/CSU geschrieben, also auch an Sie. Darin steht: Die Lohnnebenkosten seien zu hoch, weil die Bundesanstalt für Arbeit so viele Milliarden DM für eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Osten Deutschlands ausgibt, was eigentlich der Steuerzahler bezahlen müßte. Da hat Herr Blüm recht.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Jetzt frage ich mich: Was geschieht denn da bei Ihnen? Da schreibt Herr Blüm an den lieben Theo, er solle das doch bitte ändern. Ich nehme an, der liebe Theo schreibt an den lieben Norbert zurück, daß er das nicht tun wolle.

    (Zuruf von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl)


    Ingrid Matthäus-Maier
    - Herr Bundeskanzler, es ist gut, daß Sie wieder da sind. Dann kann ich Sie nämlich gleich fragen. Herr Blüm und wir alle wissen, daß die Lohnnebenkosten zu hoch sind, weil aus der Arbeitslosenversicherung Dinge bezahlt werden, die wir alle bezahlen müßten. Das ist doch nicht gerecht, daß Sie und ich und Selbständige und Landwirte das alles nicht mitbezahlen. Sie wissen das. Wir wissen das. Wenn wir gleichzeitig wissen, daß die Kosten, die aus der Energieerzeugung und aus der Energieverwendung resultieren, die Umweltbelastung nicht wirklich widerspiegeln, was bietet sich dann mehr an, als dieses Verhältnis umzudrehen? Das ist unser Konzept.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Unser Konzept ist: Erstens: herunter mit den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen um 2 Punkte. Zweitens: maßvolle Anhebung der Mineralölsteuer. Wir haben zwei Modelle vorgeschlagen: Erhöhung um 4 Pfennig oder 10 Pfennig in Stufen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Schon wieder Steuererhöhungen!)

    Drittens: steuerliche Erleichterungen für energiesparende Investitionen im Industriebereich und im Privatbereich. Dieses Modell ist komplett aufkommensneutral. Eine Mehrbelastung von Bürgern und Wirtschaft findet nicht statt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein neuer Subventionsapparat!)

    Das gilt übrigens auch für die Rentner, die im Folgejahr durch die Nettolohnbezogenheit der Rente von der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge etwas abbekommen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sprechen Sie für die gesamte SPD?)

    Ich bin ganz sicher, das geht so, wie ich es eben gesagt habe. Heute sagen Sie noch: nein, nein, nein, aber Sie werden diesem Konzept in einigen Monaten oder Jahren folgen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Damit möchte ich zu meinem letzten Punkt kommen. Statt solche Dinge aufzugreifen, erschöpft sich Ihre wirtschaftspolitische Kompetenz darin, unkritisch Forderungen der Arbeitgeber nachzuplappern: Löhne herunter, Arbeitszeitverlängerungen, Sonntagsarbeit, Lohnfortzahlung kürzen, Arbeitgeberanteil in der Krankenversicherung einfrieren. Das liest sich doch wie ein Warenhauskatalog, wo die Arbeitgeber alles bestellen können und die Arbeitnehmer ailes bezahlen müssen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Dies ist nicht nur wirtschaftspolitisch unsinnig, weil Sie damit z. B. die enormen Währungsunterschiede nicht einebnen können. Daraus resultiert doch ein großer Teil unserer Probleme. Ihre wirtschaftspolitische Primitivstrategie widerspricht auch dem Konsens über Soziale Marktwirtschaft, der dieses Land in den letzten Jahrzehnten stark und zur Exportnation
    Nummer 2 gemacht hat. Diese Philosophie heißt: Eine starke Wirtschaft und ein starker Sozialstaat gehören zusammen. Dies bringt sozialen Frieden, und dies bringt den Unternehmen geldwerte Vorteile. Wenn in Deutschland die Zahl der Streiktage geringer als in anderen Ländern ist, dann zeigt dies, daß der soziale Frieden auch für die Unternehmer von Nutzen ist.
    Wir sind, wenn nötig, zu Korrekturen im sozialen Bereich bereit. Das haben wir bei der Rentenreform und der Gesundheitsreform gezeigt. Aber wer die Angst der Menschen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes mißbraucht, um eine grundsätzlich neue Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer und ihrer Familien herbeizuführen, statt die Kräfte der Gesellschaft in Richtung auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu bündeln, der wird auf den entschiedenen Widerstand der Sozialdemokraten stoßen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)