Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon darauf hingewiesen worden: Die Arbeit des Petitionsausschusses erfolgt meistens unspektakulär, meistens auch unter Ausschluß der breiten Öffentlichkeit.
Die Arbeit des Petitionsausschusses findet auch in den Medien kaum eine Beachtung, es sei denn - darauf haben die Vorsitzende und andere schon hingewiesen -, es geht um den Bereich der Telekom, mit dem wir uns im letzten Jahr gerade im Zusammenhang mit den überhöhten Telefonrechnungen beschäftigen mußten. Dies allerdings wurde von den Medien in sehr breitem Umfang aufgenommen.
Darüber hinaus erfolgt die Arbeit des Petitionsausschusses als Anwalt des Bürgers weitgehend reibungslos; das zeigt sich auch an der Debatte. Daß
dies so ist, liegt vor allen Dingen daran, daß hinter den Kulissen eine Vielzahl von tüchtigen Menschen arbeitet, die die Beschlüsse des Ausschusses vorbereiten und die immense Papierflut lenken. Für die F.D.P.-Fraktion möchte ich deshalb an dieser Stelle den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats des Petitionsausschusses ausdrücklich weitergeben.
Ich möchte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien danken, die die Petitionen zu bearbeiten und dazu Stellung zu nehmen haben. Es ist erfreulich, ,daß auch in diesem Jahr die Regierungsvertreter hier wieder so zahlreich vertreten sind.
Ich will an dieser Stelle auch meinen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen des Petitionsausschusses für die konstruktive und gute Zusammenarbeit, fraktionsübergreifend über alle Grenzen hinweg, danken.
Herr Kollege Dehnel, wenn es Meinungsäußerungen gibt - das sollte man, glaube ich, jedem Abgeordneten und jeder Abgeordneten zugestehen -, dann sollte man nicht überreizt und überempfindlich reagieren, sondern man sollte das in der entsprechend sachlichen Form kommentieren. Wir werden nach den ersten sechs Monaten, die wir zusammengearbeitet haben, noch viele weitere Monate zusammenarbeiten. Wir werden uns da wohl noch zusammenraufen.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die manchmal sehr viel Geduld aufbringen müssen. Denn bevor eine Petition behandelt und über sie beschlossen wird, vergehen häufig mehr als zwölf Monate, manchmal anderthalb oder sogar zwei Jahre. Wir müssen an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, für diese manchmal sehr langwierige Arbeit Verständnis zu haben.
In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage, ob wir die Arbeit im Petitionsausschuß in einigen Bereichen nicht noch beschleunigen können. Meine Hoffnung setze ich dabei auch auf neue Techniken. In diesem Jahr sollen z. B. die Büros der Ausschußmitglieder an die Datenbank Petkom angeschlossen werden. Dann werden sich aus unserer Sicht, aus der Sicht der Berichterstatter, Nachfragen beim Ausschußdienst häufig erübrigen, was letztendlich zu einer Entlastung führen kann.
Ich habe eingangs gesagt, der Petitionsausschuß des Bundestages ist der Anwalt des Bürgers. Es gibt einen grundgesetzlich verbrieften Anspruch des Bürgers. Wir alle wissen, daß der Petitionsausschuß ein Pflichtausschuß ist, der nach dem Grundgesetz gebildet werden muß. Jedermann kann sich - auch jede Frau - nach dem Grundgesetz mit ganz persönlichen Bitten, Forderungen und Beschwerden an diesen Petitionsausschuß wenden. Der Ausschuß gibt den Bürgern einen direkten Kontakt zum Parlament, ohne daß der Petent den Umweg über Lobbyisten, über die Medien oder über die Parteien gehen muß.
Günther Friedrich Nolting
An Hand der eingegangenen Beschwerden kann das Parlament direkt ablesen, welche Schwierigkeiten die Bürgerinnen und Bürger mit einzelnen Gesetzen und Vorschriften haben. Ich wünsche mir deshalb auch - ich schließe mich hier meinen Vorrednerinnen und Vorrednern an -, daß viele der von den Bürgern angesprochenen Probleme auch die entsprechende Aufmerksamkeit bei den Fraktionen des Bundestages, aber auch bei der Regierung finden, um zu Lösungen zu gelangen. Nur - Herr Kollege Reuter, jetzt spreche ich Sie an -, da sind auch wir als Gesetzgeber gefragt; es ist nicht nur die Regierung in die Pflicht zu nehmen. Wir als Gesetzgeber sind in diesen Fragen ausdrücklich gefordert.
Meine Damen und Herren, die Änderung des Asylrechts ist angesprochen worden. Seit dieser Änderung des Asylrechts im Jahre 1993 habe ich den Eindruck, daß viele Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wurde, glauben - wie auch andere Ausländer, denen eine Abschiebung droht -, der Petitionsausschuß könne die letzte Hoffnung sein. Eine Eingabe beim Ausschuß soll eine Abschiebung verhindern und ein Bleiberecht sichern.
Nein, meine Damen und Herren, der Petitionsausschuß ist keine Oberasylbehörde, auch wenn ich in den letzten Monaten den Eindruck gewinnen mußte, daß insbesondere die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Gruppe der PDS den Ausschuß gerne dazu umfunktionieren möchten. Ich sage aber dazu: Das Petitionsverfahren verschafft gerade keinen außerprozessualen Rechtsbehelf. Der Rechtsweg hat immer Vorrang, und auch der Ausschuß ist an Recht und Gesetz gebunden.
Die Auffassung speziell der Grünen-Fraktion, daß Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber so lange auszusetzen sind, bis sich der Petitionsausschuß mit deren Fall noch einmal ausführlich befaßt hat, konterkariert den Willen des Gesetzgebers, dem es bei den Änderungen im Jahre 1993 um eine Straffung des Asylverfahrens ging.
Nach Auffassung der F.D.P. machen es die Neuregelungen im Asylrecht möglich, den Mißbrauch dieses Rechts deutlich zu begrenzen und die Asylverfahren beschleunigt durchzuführen. Dies war der Wille des Gesetzgebers, und dies, wohlgemerkt, ohne den Schutz politisch Verfolgter zu gefährden. Dies zeigt sich bereits an dem bemerkenswerten Anstieg der Zahl der Anerkennungen gegenüber dem alten Recht um das Fünffache.
Auch aus den Eingaben zum Bereich Asyl- und Ausländerrecht ist aus meiner Sicht der Schluß zu ziehen, daß die Bundesrepublik Deutschland dringend eine gesetzliche Regelung zur Steuerung und zur Begrenzung der Zuwanderung braucht. Nur ein Einwanderungsgesetz schafft die Voraussetzungen für kontrollierte Einwanderungspolitik
und verhindert, daß sich diejenigen, die auf der Suche nach Arbeitsplätzen und besseren Lebensbedingungen in unser Land kommen, auf das Grundrecht auf Asyl berufen.
Eine Novellierung des Ausländergesetzes ist ebenfalls dringend notwendig. Dies zeigen Eingaben, die wir gerade auch im Berichtszeitraum erhalten haben, und die die Erleichterung der Visabestimmungen, Verbesserungen bei der Möglichkeit zum Familiennachzug und eine Erweiterung des eigenständigen Aufenthaltsrechtes des Ehegatten fordern.
Meine Damen und Herren, besonders hat es mich persönlich gefreut, daß wir im Petitionsausschuß gerade für die Menschen in den neuen Bundesländern manches tun konnten. Der Kollege Dehnel ist schon auf einige Punkte eingegangen. Hier ging es naturgemäß häufig um wichtige soziale Belange und viele persönliche Einzelschicksale, meistens um Rentenfragen. So haben beispielsweise die pauschal zum 1. Januar 1992 umgewerteten Witwenrenten manche schwerwiegende Benachteiligung entstehen lassen, da einheitlich eine Basis von 35 Arbeitsjahren zugrunde gelegt wurde. Da aber in der Realität häufig bis zu 50 Arbeitsjahre geleistet worden waren, entstand für manche Witwe eine finanziell schwierige und rechtlich nicht mehr verstehbare Situation. Dies war auch bei einer 83jährigen Dame aus Sachsen-Anhalt der Fall, der - genau wie in zahlreichen anderen ähnlich gelagerten Fällen - durch Einwirkung des Petitionsausschusses geholfen werden konnte.
Ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Umwertung der Witwenrenten gab es für zahlreiche weitere Rentenbezieher, die zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR gehört hatten und deren Renten ab Ende 1993 neu berechnet werden mußten, nachdem sie in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden waren. Da diese Gruppe mit über 300 000 Menschen zahlenmäßig sehr groß war, mußte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Betroffenen jahrgangsweise zur Neuberechnung der Renten aufrufen. Dies führte häufig zu persönlichen Härten, gerade bei Beziehern von Klein- und Kleinstrenten. Auch hier konnte der Petitionsausschuß für die Petenten, die sich in besonderen Notlagen befanden, erreichen, daß die Neuberechnung ihrer Renten durch die BfA deutlich vorgezogen wurde.
Weitere Petitionen in diesem Zusammenhang betrafen z. B. Angehörige der Sonderversorgungssysteme der ehemaligen NVA, die für die Rentenberechnung eine Entgeltbescheinigung des Dienstherrn benötigten. Durch den Petitionsausschuß konnte über die zuständigen Ressorts festgestellt werden, daß als Rechts- und Funktionsnachfolger der Sonderversorgungssysteme der ehemaligen NVA das Wehrbereichsgebührnisamt in Strausberg bzw. die Wehrbereichsverwaltung VII zu betrachten ist. Diese haben zur vorrangigen Bearbeitung von rund 90 000 Anträgen auf Entgeltbescheinigungen zur Rentenberechnung zusätzliche Dienstposten eingerichtet, so daß die betroffene Bevölkerungsgruppe
Günther Friedrich Nolting
schnellstmöglich eine Neuberechnung ihrer Renten erhält. Auch hier konnte so in besonderen Härtefällen eine beschleunigte Bearbeitung erreicht werden.
Hier ist darauf hingewiesen worden, daß die Zahl der Eingaben aus dem sogenannten Beitrittsgebiet rückläufig ist. Aber dies macht deutlich, daß der Prozeß des inneren Zusammenwachsens unseres Landes erfreulicherweise fortgeschritten ist. Gerade Einrichtungen wie der Petitionsausschuß haben hierzu erheblich beitragen können.
Ich will auf einem anderen Feld, das mich auch als Mitglied des Verteidigungsausschusses berührt, einige Bitten und Beschwerden vortragen, die ebenfalls ernst genommen werden sollten. Es geht darum, Frauen endlich die Möglichkeit zu geben, freiwillig und gleichberechtigt, d. h. in allen Bereichen und Laufbahnen der Streitkräfte, Dienst in der Bundeswehr tun zu können. So haben sich 1994 verschiedene Sanitätssoldatinnen, aber auch junge Frauen außerhalb der Bundeswehr an den Petitionsausschuß gewandt und darauf hingewiesen, daß in der Bundeswehr außerhalb des Sanitäts- und Musikdienstes eines der letzten geschlechtsspezifischen Berufsverbote herrscht.
Auch hier sah der Petitionsausschuß - auch wenn es Ihnen nicht paßt, Herr Kollege - Handlungsbedarf. Eine verstärkte Öffnung der Laufbahnen in der Bundeswehr für freiwillige weibliche Bewerber wäre im Sinne der Gleichstellung der Berufschancen beider Geschlechter wünschenswert.
Leider reagierte die Bundesregierung - hier das Bundesministerium der Verteidigung und das Bundesministerium des Innern - darauf ablehnend und verneinte ohne nähere Begründung jeden Handlungsbedarf. Aber ich denke, dies, Frau Staatssekretärin, wird noch nicht das letzte Wort sein. Ich habe der Presse entnehmen können, daß Sie meine Forderung nach Öffnung der Bundeswehr für Frauen unterstützen. Wir werden dann vielleicht in den nächsten Monaten oder im nächsten Jahr zu einer gemeinsamen Initiative kommen. Ich freue mich schon darauf.
Ich werde für die F.D.P. diese Frage noch einmal, wie gerade angekündigt, in das Parlament und damit auch in die verstärkte öffentliche Diskussion einbringen.
- Das können wir machen. Im Moment kann ich sie nicht sehen. Wir werden uns natürlich auch mit der Opposition darüber unterhalten. Ich freue mich auch auf deren Unterstützung.
Meine Damen und Herren, als Mitglied des Petitionsausschusses und als Berichterstatter, der eine Vielzahl von Einzelfällen zu begutachten hat, fällt mir an Hand der Eingaben auf, daß bei vielen Bürgerinnen und Bürgern oft eine Art Vollkaskomentalität
- ich will es einmal so hart nennen - um sich greift. Der Staat soll sich um alles kümmern, der Staat soll für alles Vorsorge treffen. Verstehen Sie mich bitte an dieser Stelle nicht falsch. Mir geht es nicht darum, die Petenten zu schelten. Ich will auch nicht Rechte des einzelnen Bürgers, der einzelnen Bürgerin einschränken. Im Gegenteil, gerade die F.D.P. hat erhebliche Anstrengungen unternommen, die Rechte des einzelnen zu festigen und auszubauen.
Ich sage aber dazu: Wer Rechte hat, hat auch Pflichten. Dies muß die Bereitschaft beinhalten, Verantwortung und Eigenintiative zu übernehmen, bevor nach staatlichem Handeln gerufen wird.
Die Politik hat die Aufgabe, dies allen Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu machen, es ihnen vorzuleben und das Anspruchsdenken nicht noch zu fördern.
Wer im Petitionsausschuß mitarbeitet, kommt nicht umhin, von der ständig wachsenden Bürokratie Kenntnis zu nehmen. Gerade diese Bürokratie schränkt die Chancen des einzelnen zur Selbstverwirklichung zusehends ein. Immer mehr Gesetze, immer mehr Verwaltungsvorschriften, Formulare, die selbst für sachkundige Bürger nicht mehr überschaubar und verständlich sind, belasten den Bürger. Wir als Abgeordnete dieses Parlaments sind zu einem großen Teil dafür mitverantwortlich. Dies sage ich mit aller Selbstkritik.
Die Beratung des Jahresberichtes des Petitionsausschusses ist deshalb Anlaß für mich, eindringlich eine Entbürokratisierung, den Stopp der Normenflut und die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren zu fordern.
- Ja, Herr Kollege, für diesen Zwischenruf bedanke ich mich. Es ist, glaube ich, Aufgabe dieses Parlamentes, es nicht bei Zwischenrufen zu belassen, sondern diese Aufgabe ernst anzugehen. Mir ist es mit dieser Aufgabe ernst, und ich belasse es auch nicht bei Zwischenrufen.
Vielleicht könnte gerade der Petitionsausschuß - Frau Vorsitzende, damit spreche ich Sie persönlich an - in Zukunft bei seinen Empfehlungen stärker überprüfen, ob die eingeforderten und kritisierten Regelungen überhaupt notwendig sind, und dem Parlament daraufhin Vorschläge machen, in welchen Bereichen unsere Gesetze entrümpelt werden können und müssen.
Der Bundestag als Gesetzgebungsorgan sollte bei neuen Regelungen, wenn sie denn überhaupt notwendig sind, darauf achten, daß durch generalisierende Normen der Wille des Gesetzgebers deutlich wird. Detailregelungen, mit denen auch noch der
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kleinste Einzelfall abgedeckt werden soll, schaffen nur neue Unklarheiten.
So läßt sich an vielen Beispielen aus dem Jahresbericht des Petitionsausschusses immer wieder eine alte Forderung der F.D.P. ableiten, nämlich die, einfache, klare und für den Bürger verständlich formulierte, von der Verwaltung in schnellen, unbürokratischen Verfahren umzusetzende Gesetze zu schaffen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß der Petitionsausschuß seine Aufgabe auch im kommenden Jahr weiter ernst nehmen wird. Die Delegation von Aufgaben, Frau Vorsitzende, auf einen einzelnen -sprich z. B. einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau - lehne ich daher ab.
Ich will, daß das ganze Parlament in die Pflicht genommen wird, daß das Parlament als Ganzes dafür Verantwortung trägt, daß sich das gesamte Parlament in diesen Fragen seiner Verantwortung bewußt bleibt und ihr nachkommt.
Vielen Dank.