Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fischer, Sie erzählen hier Märchen.
Das beginnt damit, daß Sie die Gespräche, die wir 1993 geführt haben, als solche bezeichnen, die das Ziel hatten, einen Ausstiegskonsens zu finden.
Die Tatsachen sind ganz anders. 1992/93 gab es bei den Kraftwerkserbauern und der Kraftwerkswirtschaft folgende Aussage: Wir können und wollen neue Kraftwerke nur dann bauen, wenn über die Genehmigung und den Bau dieser Kraftwerke ein breiterer gesellschaftlicher Konsens herbeigeführt werden kann. Deshalb sind die Gespräche geführt worden.
Dann ist aus Ihrer Partei, Frau Fuchs und Herr Scharping, signalisiert worden: Darüber können wir reden, wenn zugleich andere Bedingungen erfüllt werden, die im Zusammenhang mit dem Betrieb vorhandener Kraftwerke stehen.
Dann haben wir, wie ich meine, gut verhandelt, und wir waren Ende 1993 genauso weit wie vorgestern, nämlich kurz vor einer Einigung auf der Basis der Aufrechterhaltung einer Option.
Es war die fundamentalistische Mehrheit in Ihrem Präsidium, die schon damals Herrn Schröder zurückgepfiffen und den Konsens in 1993 unmöglich gemacht hat.
Das waren die Hardliner in Ihrer Partei - damals wie
heute -, und deshalb kam es nicht zu einem Konsens.
Herr Fischer, Sie berufen sich auf eine gesellschaftliche Opposition. Selbst wenn die SPD und sogar die Grünen mitmachten, gäbe es eine gesellschaftliche Opposition, die die Errichtung oder den Betrieb von Kernkraftwerken unmöglich machte.
Sie drohen damit. Mit welcher gesellschaftlichen Opposition drohen Sie eigentlich? Soll sich ein frei gewähltes Parlament irgendwelchen Scharfmachern auf der Straße unterwerfen? Das möchte ich einmal wissen. Ist das Ihre parlamentarische Umgangsweise?
Das ist ein Popanz, den Sie aufbauen. Das ist wie Pfeifen im Walde, weil Sie genau wissen, daß der Wind Ihnen ins Gesicht weht, daß die Akzeptanz für eine sichere Generation von Atomkraftwerken in unserer Gesellschaft sehr viel größer geworden ist. Einen solchen Trend gibt es nicht nur bei uns in Deutschland, sondern weltweit.
Nun haben wir 1995 weiterverhandelt. Wir haben zunächst sehr gut verhandelt. Wir haben über die Kohle gesprochen und dort eine Lösung gefunden, die für den gegenwärtigen Zeitpunkt von allen Seiten als eine bezeichnet wird, mit der man leben kann. Wir müssen über wesentliche und wichtige Fragen der Rückführung der Kohleförderung - ob nun ab 1999 oder 2001 - weiter sprechen; ich bin für 1999.
- Frau Fuchs, ich will Ihnen gegenüber keine Schärfe hineinbringen. Aber schauen Sie sich doch einmal das Gesetz an.
Sie können mir doch nicht abverlangen, daß ich gegen Recht und Gesetz verstoße, wo doch Zuwendungsbescheide auf der Basis des Artikelgesetzes ergangen sind. Ich sage ja, Ihre Forderung nach Flexibilität ist nachvollziehbar.
Wir werden darüber bescheiden. Sie haben einen Popanz aufgebaut auf Grund eines Druckes aus Nordrhein-Westfalen, der da lautet: Wir wollen jetzt keine Energiekonsensgespräche; brecht sie ab. Dann haben Sie auf die Kohle gesetzt und haben das nicht durchhalten können, weil Sie gewußt haben, wie lächerlich diese Argumentation ist. Das wissen Sie auch selber.
Darum sind Sie ja auch nicht ausgezogen, wie Sie es eigentlich wollten. - Aber das nur am Rande.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Es ist eine Randfrage, ein Popanz. Wir haben über die Kohle gute Gespräche geführt.
- Herr Fischer, ich kann Sie, wenn Sie so schreien, gar nicht verstehen. Das dröhnt nur auf den Ohren.
Wir haben gut über regenerative Energien gesprochen und wären dort auch zu einer Lösung gekommen. Nun müssen wir es allein machen. In diesem Land wird im Bereich Energieeinsparung und regenerative Energien mehr getan als in jedem anderen Land Europas und außerhalb Europas. Wir sind in den meisten dieser Technologien führend. Wir sind, was die Wirtschaftlichkeit und Produktivität gerade der Solartechnik angeht, in diesem Land am weitesten fortgeschritten.
- Sie haben keine Ahnung. Sie bauen einen Popanz auf, weiter nichts.
Nun kommen wir zur Kernfrage. Das ist in der Tat die Frage nach der Offenhaltung der Option. Meine Damen und Herren, es ging in diesen Energiekonsensgesprächen und es geht in dieser Zeit überhaupt nicht um die Frage, ob ein neues Kernkraftwerk gebaut werden soll. Diese Frage stellt sich frühestens im nächsten Jahrzehnt, wenn sie sich überhaupt stellt.
Das einzige, was wir wollten, Herr Scharping, ist, die Fähigkeit zu behalten, Kernkraftwerke auch einer neuen, sichereren Generation bauen zu können.
Dazu gehören eben nicht nur Forschung und Technologie, sondern dazu gehört auch die administrative Fähigkeit, diese Kraftwerke zu bauen. Dazu müssen Genehmigungsbehörden vorhanden sein, die das Know-how besitzen, die dazu in der Lage sind. Da müssen die Kriterien für eine neue Reaktorgeneration festgelegt sein, nach denen der Reaktor genehmigungsfähig ist.
Ihr Verhandlungsführer, Herr Schröder, hat zwar eine Option in den Raum gestellt, aber zunächst einmal eine leere Option, eine nicht belastbare Option. Am Ende ist er, obwohl er einsichtig war, bei der Frage nach einer Prüfung der Voraussetzungen für diese Fähigkeit, solche Kraftwerke bauen zu können, zurückgepfiffen worden. Die Hardliner in Ihrer Partei, in dem Falle Herr Lafontaine, Herr Schäfer und Herr Müller, haben ihn während der Sitzung zurückgepfiffen. Wir saßen ja dabei. Wir haben gesehen,
wie er zurückgepfiffen worden ist. Er war mit unserer Formulierung einverstanden.
Ihre Leute haben ihn in unserer Gegenwart zurückgepfiffen. Es wäre möglich gewesen, mit Ihrem Verhandlungsführer abzuschließen. Er wollte wohl und durfte nicht. Das ist der Sachverhalt.
Für mich - lassen Sie mich das abschließend sagen, meine Damen und Herren - zeigt sich, daß in Ihrer Partei eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht. Sie bezeichnen sich als Partei der Zukunft, Sie bezeichnen sich als Partei, die technikfreundlich ist.
Das genaue Gegenteil ist der Fall: Überall da, wo neue und moderne Technologien angewendet werden sollen, wo geforscht werden soll - beispielsweise in der Biotechnologie, über liberalisierte Telekommunikationsmärkte, über Verkehrstechnologien -, zucken Sie zurück, wenn es darauf ankommt. Auch vor Ort zucken Sie zurück, wenn in den Landkreisen, in den Kommunen die Entscheidungen zu treffen sind.
Das geht so weit - das ist der Punkt -, daß Sie diesem Land die Fähigkeit absprechen wollen, Atomkraftwerke einer neuen sichereren Generation bauen zu können, unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung in Deutschland je ansteht.
Das ist eine Partei, die Anspruch und Wirklichkeit, was moderne Energiepolitik und was Standortpolitik angeht, verwechselt. Das ist eine Partei, die in Wirklichkeit rückwärtsgewandt ist in ihrem Denken, die den Ideologen Raum gibt, die wir während dieser Verhandlungstage erlebt haben.
Eine solche Partei kann doch nicht den Anspruch erheben, dieses Land in das 21. Jahrhundert führen zu wollen.
Sie führen uns mit Ihrer Technologiepolitik in das 19. Jahrhundert zurück, meine Damen und Herren, und nichts anderes.