Herr Lippelt, ich habe nicht gesagt, daß wir Ihren Antrag gewissermaßen in Bausch und Bogen ablehnen. Ich habe nur darauf hingewiesen, daß er nicht von vornherein erfolgversprechend sein wird. Wir können die Einladung nach Europa wiederholen. Wir können sie auch modifizieren und verbessern. All das ist möglich; das wollen wir im Ausschuß auch ernsthaft beraten. insofern sehen Sie hier einen Widerspruch, obwohl keiner vorhanden ist.
Das Bedauerliche an der Gesamtsituation liegt darin, daß unsere Möglichkeiten hier relativ begrenzt sind. Unser Engagement in dieser Region ist im Vergleich zu anderen Ländern beachtlich. Ich sage noch einmal: Dafür verdient die Regierung Anerkennung.
Es bleibt irgendwie unbefriedigend, weil alles unter dem Motto „Ut desint vires, tarnen est laudanda voluntas" zu werten ist: Zwar ist der gute Wille da, doch reichen die objektiven Fähigkeiten in der Praxis nicht aus. Insofern hat man manchmal das Gefühl, man dürfe es den Betroffenen nicht verübeln, wenn sie eigene Lösungsmöglichkeiten suchen. Die jüngste kroatische Aktion ist doch nur so zu verstehen. Sie wird mit dem Versagen der Großmächte erklärt. Wir sagen anschließend: Zieht euch aus dem zurück, was euch gehört, aus Teilen von Kroatien!
Ich denke, wir sollten versuchen, aus der Entwicklung Lehren zu ziehen. Eine der Lehren ist für mich, daß dem Aggressionsopfer die Mittel zur Selbstverteidigung nicht verweigert werden dürfen. Obwohl das Recht der Vereinten Nationen das vorsieht, haben wir mit dem Gesamtembargo den Bosniaken und den Kroaten das verweigert. Sie haben sich in Jahren Mittel beschafft, um dem Gleichgewicht der Kräfte ein wenig näher zu kommen. Sie haben das gegen
einen UNO-Beschluß getan. Ich sage trotzdem: Sie mußten es tun; sie konnten gar nicht anders. Es ist schon eine komische Feststellung, die man da treffen muß.
Diese Lehre finde ich, muß man ziehen und künftig vielleicht auch danach handeln. Ich denke auch, die vielen verstrichenen Ultimaten und Drohungen machen deutlich: Erfolgreich verhandeln kann nur der, der letztendlich zu Eskalationen bereit ist. Wenn der Aggressor weiß, nach einer Drohung kommt nichts mehr, dann kann er lustig weitermachen, und es passiert nichts.
Überdies schadet man dadurch seiner eigenen Position, die von Abschreckungsstrategie gekennzeichnet war. Denn Abschreckungsstrategie bedeutet glaubwürdige Politik. Aber Glaubwürdigkeit geht in die Binsen, wenn Sie drohen und dann nichts nachkommen lassen.
In dieser Situation befinden wir uns. Hier müssen wir uns wieder auf den alten Satz verlegen - Kästner hat ihn gesagt, glaube ich -: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Mit bloßem Reden ist nichts zu machen, auch nicht mit humanitärer Hilfe alleine. Vielmehr müssen in diesen zentralen Fragen die Großmächte, muß die Kontaktgruppe übereinstimmend handeln. Wir brauchen die Bereitschaft, den anderen die Möglichkeit zu geben, ein Gleichgewicht der Kräfte herzustellen, damit Verteidigungsfähigkeit überhaupt gegeben ist.
Das, denke ich, sind Punkte, die wir im Gesamtzusammenhang nicht übersehen dürfen. In diesem Sinne hoffe ich, daß Übereinstimmung bestehenbleibt.