Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden über drei Anträge in Sachen des ehemaligen Jugoslawien. Wir reden zum Ende der Tagesordnung und vor nicht ganz vollem Hause, mit Verlaub gesagt. Die Frage ist erlaubt, ob das nicht drei weitere Anträge sind, die zu einem Dokument unserer Hilflosigkeit werden.
Heinrich Lummer
Sicher, wenn man die bisherige Erfolglosigkeit mancher Dokumente sieht, dann ist man geneigt, jeden Strohhalm zu ergreifen, um überhaupt etwas in Bewegung zu bringen. Man ist vielleicht auch geneigt, das Selbstverständliche zu wiederholen. Aber langsam bekommt man Verständnis für denjenigen, der sagt, es bringe alles nichts, und Anflüge von Resignation bekommt.
Wer hat die Anträge, die wir im Europaparlament und in den Vereinten Nationen schon beschlossen haben, sowie die Ultimaten und die Drohungen, die ausgesprochen worden sind, alle gezählt? Folgenlos sind sie gewesen. Und wer hat das Lachen der Aggressoren wegen der folgenlosen Drohungen gehört?
Man kann wirklich verzweifeln, wenn man die Lage sieht, und das ist bedauerlich. Dennoch soll das nicht heißen, daß wir diese drei Anträge nicht ernsthaft diskutieren wollen. Wir wollen das, und wir stellen fest, daß eine hochgradige Übereinstimmung existiert. Aber wir sollten nicht allzu große Hoffnungen damit verbinden.
Da ist zunächst die Einladung an diese Länder nach Europa. Herr Lippelt, als gäbe es sie nicht längst! Diese Einladung ist doch vorhanden, und alle dort wissen das. Sie wissen, daß sie in der Europäischen Union willkommen wären, wenn sie nur die Bedingungen erfüllten. Diese Bedingungen sind nicht nur, wie Sie meinen, politischer Natur - das sind sie natürlich auch -, sondern sie sind irgendwann auch ökonomischer Natur. Wenn Sie noch nicht wissen, daß diese Einladung existiert, können Sie am Beispiel Slowenien sehen, was der Frieden für Früchte tragen kann; denn mit Slowenien wird bereits über den Einstieg in die Europäische Union verhandelt.
Die Einladung besteht also, Jeder dort kann das sehen. Ich denke, daß wir mit diesem Wink mit dem Wohlstand zeigen sollten, daß wir nach wie vor dazu stehen. Aber nach Lage der Dinge wird der Wink mit dem Wohlstand vermutlich nur eine begrenzte Wirkung haben. Aber die Einladung steht. Auch wenn wir sie nicht alleine aussprechen können, gehe ich davon aus, daß die anderen Mitglieder der EU bereit sind, so etwas mitzutragen und mitzuverhandeln.
Dann gibt es in den Anträgen die Forderung nach einem stärkeren politischen Engagement gerade der Deutschen in Bosnien-Herzegowina. Sie fordern das insbesondere deshalb, weil es dort eine multiethnische Gesellschaft gebe.
- Vorzugsweise deshalb. - Eine solche Gesellschaft ist per se eine konfliktreichere Gesellschaft. Das sehen wir an der Situation. Dort, wo ein hohes Maß an Homogenität ist wie in Slowenien, sind auf der einen Seite die Konflikte geringer. Das heißt aber auf der anderen Seite: Die Probleme dort werden nur lösbar sein, wenn die Betroffenen mitmachen oder - was nicht zur Diskussion steht - wenn eine äußere Ordnungsmacht die Probleme überdeckt, die Konflikte überlagert. Jedenfalls macht die Struktur der Konflikte deutlich, daß sie mit Geld und mit dem Wink mit Wohlstand nicht einfach lösbar sein werden.
Von daher sehe ich es in der Natur der Sache liegend, daß das politische Engagement, wie Sie es ausdrücken, in der Regel hinter den objektiven Möglichkeiten zurückbleibt. Das wird sich in der Praxis kaum vermeiden lassen. Der Krieg dort und natürlich auch die begrenzten finanziellen Mittel setzen dem Engagement Grenzen.
Heute morgen haben wir gehört, daß Sie einen Sanktionshilfefonds fordern. Zudem fordern Sie, daß die Grenzen zusätzlich bewacht werden. Sollen wir das alles alleine zahlen? Sehen Sie bei den anderen Ländern eine Bereitschaft, das zu bezahlen? Am deutschen Gelde kann nicht alles genesen, auch wenn es sich urn Jugoslawien handelt,
Der Konvoi, Herr Lippelt, ist, so denke ich, Sache der Regierung. Wenn sie für diesen Konvoi weniger Geld aufbringen kann, dann soll sie das um Gottes willen tun. Wir sollten hier nicht auf Grund Ihres Antrages monatlich 700 000 DM zur Verfügung stellen. Für die gute Sache so wenig wie möglich auszugeben ist selbstverständlich. Das aber ist Sache der Regierung; der sollten wir es weiterhin überlassen.
- Ja, ich weiß. Wir haben das aber immer hingekriegt; das wird auch in Zukunft der Fall sein. Machen Sie sich nicht allzu viele Sorgen über das Verhalten der Regierung! Die Deutschen haben sich großzügig erwiesen. Dafür verdient die Regierung im Grunde genommen sogar erhebliche Anerkennung.
Unbeschadet dieser kritischen Anmerkungen stimmen wir natürlich mit den Zielen dieser Anträge überein. Ich denke, wir sollten in den Beratungen gemeinsame, tragfähige Formulierungen finden.
Im Grunde aber liegen die Lösungsansätze woanders, Herr Lippelt. Gerade jetzt hat ein kroatischer Autor festgestellt:
Die andauernde Tragödie auf dem Balkan liegt auch begründet im andauernden Mangel an Konsens unter den Großmächten.
Just nach dem Treffen der Kontaktgruppe in Frankfurt hat der russische Sonderbevollmächtigte Sotow gesagt:
Das Problem liegt darin, daß die Kontaktgruppe keine Einigung darüber erzielen kann, was reale, vernünftige und ernsthafte Vorschläge sein würden.
Da liegt der Hund begraben.
Die unterschiedlichen Interessen der Kontrahenten im ehemaligen Jugoslawien werden ergänzt durch die unterschiedlichen Interessen der Friedensstifter. Da liegt das Problem. Wenn das so bleibt, dann wird man wohl warten müssen, his die Helden müde sind. Das ist verdammt traurig und tut weh.