Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fand den Beginn der Debatte sehr beeindruckend, weil ich in der Tat den Eindruck hatte, daß es in diesem Haus eine ganz breite, geschlossene Front von CDU/CSU über Grüne und SPD bis hin zur PDS gibt, dieses rechtswidrige Verhalten, den Rechtsbruch zu geißeln. Man ist nicht bereit, dies hinzunehmen; denn es gibt eine Frontstellung: das Parlament gegen die Energiewirtschaftsverbände.
Nach den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Kolb bin ich mir nicht mehr so sicher, ob wir noch eine gemeinsame Ablehnungsfront haben, weil das Ganze doch etwas weich formuliert war.
Herr Kolb, Ihre Ausführungen bewegen sich auch in der Tendenz Ihrer Einlassungen im Wirtschaftsausschuß; denn Sie haben auch dort ein Stück weit Verständnis dafür geäußert, daß die Energieversorgungsunternehmen diesen Schritt jetzt gehen müssen, um die Verfassungswidrigkeit festzustellen.
Ich will noch einmal sagen: Erstens sind wir alle der Auffassung, daß das Gesetz verfassungsgemäß ist.
Zweitens. Wenn die Unternehmen der Meinung gewesen wären, es sei verfassungswidrig, hätten sie im ersten Jahr klagen können.
Drittens. Es gibt andere Möglichkeiten, z. B. innerhalb Ihrer Berichterstattung über das Stromeinspeisungsgesetz, diese Probleme der regionalen Ungleichgewichtigkeit zu klären. Außerdem gibt es im Moment Gespräche, die auch die Förderung der regenerativen Energien zum Thema haben.
Ich frage mich: Wie dialogfähig ist eigentlich noch eine Gruppierung, die auf der einen Seite einen Rechtsbruch begeht und auf der anderen Seite sagt Wir wollen mit euch in einen Dialog treten, mit uns kann man über alles reden"? Das gefährdet die Dialogfähigkeit der Energiewirtschaft. Ich meine, das Haus sollte sich einig sein, daß wir den Rechtsbruch auf keinen Fall tolerieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den Summen, die genannt wurden, muß man zur Realität zurückkehren. Es ist nicht so, daß regenerative Energien einen Riesenanteil am gesamten Energieverbrauch hätten. Derzeit hat die Wasserkraft einen Anteil von 2 % und die Windkraft einen Anteil von 0,4 % am gesamten Energieverbrauch in der Bundesrepublik. Es ist erklärte Absicht des ganzen Hauses, daß wir die CO2-Minderungsziele - 25 % weniger - umsetzen wollen. Wir von der SPD fordern sogar eine Vervierfachung des Anteils regenerativer Energien.
Wie soll es überhaupt anders gehen, als daß man angemessene Preise zahlt, daß die Investoren Sicherheit haben? Denn sie genießen unseren Vertrauensschutz. Deswegen ist diese Praxis so schlimm: Es geht überhaupt nicht darum, daß man ein Exempel statuiert. Ich will Ihnen sagen, wer der erste ist, den man herausgepickt hat.
Es handelt sich beim ersten Fall um den Betreiber Südstrom Lörrach. Man hat sich mit dem Herrn Lüttke jemanden herausgesucht, der eine Symbolfigur für den ganzen Bereich der regenerativen Energien ist.
Man hat ihm vom 1. Januar bis heute 60 000 DM verweigert.
Er ist Vorsitzender des Verbandes der Kleinwasserkraftwerke und im Vorstand des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Man hat sich also denjenigen herausgesucht, der die Kleinen immer in Prozessen
Marion Caspers-Merk
gegen die Großen verteidigt und der innerhalb des Verbandes eine herausgehobene Position hat, weil man den ganzen Bereich und nicht nur einzelne treffen will. Das ist der entscheidende Punkt.
Die Einschüchterungskampagne, die dahintersteht, läuft insgesamt gegen die regenerativen Energien. Man befolgt die Strategien, daß man erstens sagt: Bezahlt wird nicht. Zweitens sagt man: Ihr könnt ja klagen. Dann hat der eine einen Anwalt, die anderen haben eine Rechtsabteilung - das ist in diesem Fall die „Waffengleichheit."Drittens hofft man, daß es lange dauert. In der Regel dauert es fünf Jahre, bis das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht landet.
Inzwischen ist es für die Investoren nicht mehr interessant, in diesem Bereich zu investieren. Darüber informiert man auch noch die Banken. So trifft man den ganzen Bereich, der gerade angefangen hat zu blühen, an dieser zentralen Stelle. Es sind eben nicht mehr einige Ökos oder Müslis, die in diesem Bereich investieren, sondern seriöse Unternehmer, die mit ihren Investitionen ein Stück dazu beitragen wollen, daß ökoloigisch sinnvoll investiert wird.
In Baden-Württemberg hat es ein Programm der Landesregierung gegeben, das insgesamt die Wasserkraft stützt und fördert. In den letzten fünf Jahren sind über 300 neue Wasserkraftwerke mit einer Leistung von etwa 200 Megawatt gebaut worden. Das Land hat einen Anteil am Badenwerk - das muß man sich einmal vorstellen - von 50 %. Nun hat Spöri angewiesen,
daß diese rechtswidrige Praxis eingestellt wird - mit dem Ergebnis, daß man zurückgeschrieben hat, die Politik möge sich nicht einmischen.
Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das Land hat eine Beteiligung, und der Vorstandsvorsitzende, Herr Stoyer, hat in einem Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben: Das Land und die Kommunen haben in den beiden Landesversorgungsunternehmen das Sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das stellt doch wirklich alles auf den Kopf; denn offensichtlich hält man sich nicht an die Anweisungen des Wirtschaftsministers. Und derjenige, der im Aufsichtsrat sitzt, Herr Mayer-Vorfelder, behauptet dann noch, dieses rechtswidrige Verhalten sei ein Teil des operativen Geschäfts. Das halte ich für ausgesprochen zynisch.
Man muß Herrn Mayer-Vorfelder endlich dazu auffordern, seinen Pflichten als Aufsichtsrat in diesem Falle nachzukommen.
Insgesamt wird durch diese Strategie versucht, wieder rückgängig zu machen, was wir alle wollen: eine Energiewende herbeiführen. Deswegen, meine ich, ist es richtig, daß Baden-Württemberg mit aller Schärfe reagiert. Dasselbe fordere ich vom Bundeswirtschaftsministerium.
Herr Kolb, es ist nicht ausreichend, was Sie hier vorgetragen haben: Sie hätten ein wenig Verständnis; es sei zwar rechtswidrig, aber man prüfe noch. Sie machen damit ein wenig das Tor dafür auf, daß dieses Verhalten nach außen so dargestellt wird, als werde es augenzwinkernd geduldet. Es muß hier klargestellt werden, daß es kein augenzwinkerndes Dulden eines Rechtsbruchs gibt.
Vielen Dank.