Rede von
Michaele
Hustedt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist bemerkenswert, und ich muß sagen: Ich finde es sehr, sehr gut, daß sich die bisherigen Redner - ich selbst komme gleich dazu - in den
Aussagen einig sind, und ich hoffe, es bleibt auch bei meinen nachfolgenden Rednern so.
Die Praxis der EVUs ist ein eindeutiger Gesetzesbruch. Dieses Verhalten ist eine eklatante Mißachtung des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und der rechtsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Das dürfen wir uns als Parlament, als gesetzgebendes Organ, nicht gefallen lassen. Das darf sich auch eine Regierung nicht gefallen lassen, wenn man nicht den Weg in die Bananenrepublik Deutschland eröffnen will.
Deswegen - da schließe ich mich meinen Vorrednern ausdrücklich an - sollten wir hier als Bundestag mit einer einzigen und lauten Stimme antworten.
Lassen Sie uns ein einmütiges Zeichen setzen! Lassen Sie uns das Verhalten der Energieversorger scharf verurteilen! Lassen Sie uns die EVU auffordern, diesen Rechtsbruch unverzüglich zu beenden!
Der Antrag der Regierungskoalition ist von der F.D.P., wie ich hörte, auch zur Enttäuschung von CDU/CSU, leider etwas verwässert worden. Mich wundert das nicht: Mitverhandelt hat Herr Graf Lambsdorff, und er hat es ja selber in der Vergangenheit nicht so ernst genommen.
Die Vereinigten Elektrizitätswerke fordern offen zu einem schweren Rechtsbruch auf. Wenn der Wirtschaftsminister andeutet, daß ein bißchen Rechtsbruch akzeptiert werden kann - ich möchte das einmal zitieren: „mit der sanftesten Möglichkeit eines Rechtsbruchs" -, dann ist das absolut skandalös. In dieser Frage kann es keine Relativierung geben.
Dieses Verhalten der EVU ist aus meiner Sicht keine Kleinigkeit, sondern eine offene und bewußte Machtprobe - Hermann Scheer hat schon darauf hingewiesen - mit Politik und Staat. Hier müssen wir ohne Zaudern gegenhalten.
Meine Damen und Herren, die F.D.P. sollte doch einmal die Lehre aus den Wahlen ziehen. Der Wähler belohnt es nicht, wenn sich eine Partei zum blinden Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft degradiert.
Michaele Hustedt
- Wir werden auch einen gemeinsamen Antrag machen.
Mir geht es um folgenden Punkt: Wenn man von Marktwirtschaft redet, darf man sich nicht als Lobbyistenvertreter für die Monopole verstehen. Man muß in diesem Zusammenhang eindeutige Worte finden; man darf das nicht relativieren.
- Selbstverständlich. Ich rede hier nicht gegen die Union; weil ich genau weiß, daß sie auch meine Position vertritt. Ich halte die Position der Union für vollständig richtig. Ich kann wie auch Hermann Scheer jedes Wort der Rede von Herrn Ramsauer unterstützen.
- Das war nicht nur schwarz-grün, sondern schwarzrot-grün.
Man braucht nicht viel Geld in die Hand zu nehmen, um erneuerbare Energien zu fördern. Dieses Instrument - auch darin sind wir uns einig - hat sich als sehr erfolgreich zur Förderung erneuerbarer Energien erwiesen. Davon hat in der Vergangenheit besonders die Windenergie in der Bundesrepublik profitiert. Zuwachsraten von jeweils über 100 % sind zu verzeichnen gewesen. Heute haben wir bereits über 640 Megawatt elektrische Leistung durch Windenergie bereitgestellt. Das ist halb so viel, wie von einem Atomkraftwerk der Klasse Biblis bereitgestellt wird.
Mit gutem Willen sind aber noch viel größere Erfolge möglich. Zum Beispiel im bayerischen Hammelburg wurde durch die Einführung kostendeckender Vergütung für Photovoltaikanlagen ein wahrer Boom ausgelöst. In einem Jahr wurden Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 6,2 Kilowatt installiert. Damit liegt das bayerische Hammelburg bei der ProKopf-Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen um das 18fache über dem von der bayerischen Landesregierung prognostizierten maximalen Durchschnittswert.
Wenn Kohls Wort von der Klimakonferenz gilt, heißt das, daß die Bundesrepublik diesen Weg konsequent so weitergehen muß.
- Ja, Bayern ist vorn.
Das allerdings sehen die Energieversorgungsmonopole anders. Der Grund dafür liegt weniger in der Furcht vor den erhöhten Ausgaben durch die Einspeisung des umweltverträglich produzierten Stroms. Die Kosten bewegen sich im Bereich von 1 Promille, sind also „peanuts". Die Tatsache, daß die Härtefallregelung bislang von keinem EVU in Anspruch genommen wurde, beweist doch wohl, daß diese Ausgaben keine besondere Härte darstellen. Regionale Unterschiede könnten bei gutem Willen beispielsweise durch einen Fonds der EVU ausgeglichen werden.
Auch für die Stromkunden bedeutet das keine unzumutbare Belastung. Selbst wenn man das Gesetz auf Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen und auf eine kostendeckende Vergütung der Photovoltaik ausweitete, würde der Strompreis nach dem Wegfall des Kohlepfennigs immer noch beträchtlich sinken.
Die Ursache für die harte Konflikthaltung der EVU liegt woanders. Es geht hier um das Prinzip. Durch das Stromeinspeisungsgesetz wird der Markt für Privatinvestoren und für Kleinanbieter geöffnet. Noch ist der Anteil an erneuerbaren Energieträgern dabei zwar gering. Aber ganz nüchtern: Die Praxis zeigt, es kann erfolgreich werden, und das wollen die Monopole verhindern. Ohne Kampf geben sie ihren Marktanteil an althergebrachten Energieträgern und ihre Monopolstellung nicht auf.
Wenn es aber nicht mit den EVUs geht, muß es eben gegen sie gehen. Der Vorstoß der EVUs geht eindeutig nach hinten los, wenn man diese Debatte betrachtet. Das sollte ihnen meiner Meinung nach eine Lehre sein. Der Wille, das Stromeinspeisungsgesetz zu novellieren und zu verschärfen, ist eher stärker geworden. Das heißt, die EVUs haben genau das Gegenteil dessen erreicht, was sie erreichen wollten.
Ich glaube auch, daß wir den richtigen Weg gehen, gerade hinsichtlich Deregulierung und Förderung des Marktes. Denn dafür ist das Stromeinspeisungsgesetz genau das richtige Instrument: Es ist erfolgreich, belastet den Haushalt nicht, schafft einen Markt und baut keinen Verwaltungsdschungel auf.
Für uns geht es darum, übergeordnet über die Gewinnansprüche der Monopole das Gesamtwohl der Gesellschaft in den Mittelpunkt zu stellen, d. h. zu den effektivsten Mitteln zu greifen, um schnellstmöglich den Anteil an regenerativen Energieträgern auszubauen.
Darüber, wie es weitergehen soll, sind wir uns vielleicht nicht ganz einig. Aber speziell in diesem Punkt hat sich deutlich gezeigt, wie ich meine, daß meine Vorredner und ich dieselbe Position haben.
Deswegen sage ich zum Schluß: Ich unterstütze die Aussage von Herrn Ramsauer - dieses Gesetz wurde im Bundesrat und im Bundestag einstimmig verabschiedet -, daß es sich hier um die Basis für einen Energiekonsens handelt. Ich hoffe genau wie meine Vorredner in dieser Debatte, daß es in den Ausschüssen zu einer gemeinsamen scharfen Verurteilung des Gesetzesbruches kommt. Denn hier geht es um das Verhältnis von Politik und Staat zur Wirtschaft. Hier geht es um die Demokratie. Hier geht es um das Selbstverständnis des Deutschen Bundesta-
Michaele Hustedt
ges. Wir sollten uns durch die Monopole nicht zum Kasper der Nation machen lassen.