Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen, Herr Kollege Professor Jens, gratulieren, daß Sie wieder voll und ganz genesen sind. Das haben Sie gerade mit Ihrer engagierten Rede zum Ausdruck gebracht.
Wir freuen uns, daß wir in Zukunft Ihren großen Sachverstand im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages verzeichnen können. Ich bitte gerade auf dem Gebiet um gute Zusammenarbeit, die wir dringend brauchen, um die Probleme, die zum Teil tatsächlich vorhanden sind, bewältigen zu können.
Meine Damen und Herren, fast jeden Morgen mache ich im Ausschuß oder auch im Bundestag - je
Ernst Hinsken
nachdem, wo ich mich befinde - eine interessante Feststellung, daß nämlich viele Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion die „Börsen-Zeitung" lesen bzw. die Börsenseiten verschiedener Zeitungen besonders unter die Lupe nehmen. Wenn ich dann den einen oder anderen frage, was ihn besonders interessiert, stelle ich fest, daß es meistens Bankenwerte sind. Darum interessiert es mich natürlich sehr wohl, was Sie gerade heute dazu zu sagen hatten und wie Sie sich in Zukunft einlassen. Dabei verhehle ich nicht, daß es sich mit meinen Kollegen genauso verhält. Aber wenn Sie hier eine Debatte über die Begrenzung der Macht der Banken fordern und sich so ins Zeug legen, dann ist das in gewisser Hinsicht ein Widerspruch zu Ihrem gerade geschilderten Verhalten, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Das wollte ich zunächst sagen.
Ich glaube, eine Meldung von heute hat uns alle sehr gefreut - sie wurde bereits mehrmals genannt, aber auf Grund der Aktualität möchte auch ich sie noch einmal erwähnen -: Schneider ist gefaßt.
Aber damit ist nicht sichergestellt, daß alle diejenigen, die in Mitleidenschaft gezogen wurden, auch zu ihrem Recht und ihrem Geld kommen.
: Aber was heißt
das?)
Deshalb hoffe und wünsche ich, daß gerade für diejenigen Mitbürger, die in Mitleidenschaft gezogen wurden, das notwendige Verständnis aufgebracht wird.
Herr Kollege Bury, Sie haben als Eingangsredner der SPD hier ein Horrorszenario geschildert, das schlimmer nicht hätte ausfallen können. Sie haben bei mir den Eindruck erweckt, als seien Sie größer als der Papst. Der nämlich ist nur in Glaubensfragen unfehlbar, Sie sind es scheinbar überall, auch auf dem Gebiet. Ich bin der Meinung, dieses Thema ist gerade nicht geeignet, Horrorgebilde aufzuzeigen. Das Thema fordert von uns allen, sach- und fachgerecht an diese Sache heranzugehen.
Lassen Sie mich einige Schlagzeilen über Banken in Erinnerung bringen, die gerade in den letzten Wochen und Monaten, aber auch in den letzten zwei Jahren die Szenerie beherrscht haben: „Banken-macht lähmt Wettbewerb", „Zu hohe Gewinne, zu viel Macht" oder „Schwachstelle Aktionärsdemokratie" oder „Dem Machtmißbrauch vorbeugen" oder „Allmacht der Banken - Ohnmacht der Mittelständler" oder „Die Last der zehn Aufsichtsratsposten", aber auch „Banken ein positiver Standortfaktor". Ich meine, das sind wichtige Schlagzeilen, die in einigen Zeitungen, die sich dieses Themas besonders angenommen haben, zum Teil in ganzen Serien zu lesen waren.
Aber, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, lieber eine Debatte unter solchen Schlagzeilen als eine über einen Bankenzusammenbruch in Deutschland, mit vielen davon betroffenen Mitbürgern.
Der letzte Bankenzusammenbruch liegt Gott sei Dank mehr als 20 Jahre zurück; er war im Jahre 1974. Aus den Schlagzeilen werden Forderungen nach Reduzierung des Beteiligungsbesitzes der Banken, der Beschränkung der Aufsichtsratsmandate und der Reform des Auftragsstimmrechts abgeleitet, die auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf ihren Niederschlag gefunden haben. Übrigens, eine Befragung des Instituts Allensbach bei Führungskräften, darunter 135 Vorstandsmitglieder von Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten, ergab, daß die Befragten wünschen, die Macht der Banken zu beschneiden.
- Wir machen schon etwas.
Allerdings bin ich mir auch dessen bewußt, daß wir hier und heute über ein Thema debattieren müssen, das u. a. wegen der spektakulären Firmenzusammenbrüche wie im Falle Schneider oder Balsam/Procedo bzw. wegen der Vorgänge um die Metallgesellschaft von äußerster Brisanz ist. Natürlich wissen auch wir, daß die genannten Fälle in der Bevölkerung und in den Medien einigen Staub aufwirbeln. Und selbstverständlich kenne ich als Wirtschaftspolitiker die vielfältigen Klagen des Mittelstandes über die Kreditvergabepraxis gegenüber kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Der Bundesvorsitzende der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Bregger, sagte kürzlich:
Viele Banken legen eine Vollkaskomentalität an den Tag und strafen dabei vor allem den Mittelstand, der dringend Kapital benötigt, um Arbeitsplätze zu sichern und neu zu schaffen.
- Wo er recht hat, hat er recht, Kollege Weng. -
Ich kann Ihnen versichern, daß wir diese Sorgen und Klagen ernst nehmen. Auch die Koalition sieht hier durchaus Handlungsbedarf. Sie alle kennen die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und F.D.P., die hierzu Aussagen trifft. Schließlich hat sich in der letzten Woche eine Arbeitsgruppe konstituiert,
unter Leiturig des Bundeswirtschaftsministers und der Bundesjustizministerin,
Ernst Hinsken
um Vorschläge zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich zu erarbeiten und eine Begrenzung des Beteiligungsbesitzes der Kreditinstitute zu prüfen.
Jede Medaille hat aber zwei Seiten, Frau Kollegin Fuchs. So ist doch zu fragen: Wären Fälle wie Schneider, Balsam/Procedo oder Metallgesellschaft zu verhindern gewesen, wenn Instrumentarien, wie sie in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen sind, vorhanden gewesen wären.? - Ich meine, nein. Gegen kriminelle Machenschaften kann es nämlich keinen umfassenden Schutz geben.
Ich habe Verständnis für die Klagen mittelständischer Unternehmer, die sich darüber beschweren, daß sie sich bei Beantragung eines Kredits bis auf das Hemd ausziehen und ihre finanziellen Verhältnisse bis auf die x-te Stelle hinter dem Komma darlegen müssen, während Kredite an große Unternehmen sehr viel lockerer bewilligt werden.
Ich weiß auch, daß - nach einer jüngst erfolgten Befragung - mehr Mittelständler schlechte Erfahrungen als gute Erfahrungen mit Kreditinstituten gemacht haben und daß sie sich eher schlecht als gut beraten fühlen. Daß man von kleinen und mittleren Betrieben bei Überziehung des vereinbarten Kontokorrentkredits „Strafzinsen" zwischen 10 und 18 % verlangt, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Auch dies ist sicherlich ein Grund dafür, daß das Image der Banken derzeit als angekratzt angesehen werden muß. Andererseits muß man aber auch sehen, daß die Banken oder Sparkassen ihre Forderungen absichern müssen. Dazu sind sie schon gegenüber den Eigentümern, Anlegern und Sparern verpflichtet. Außerdem ist die Gestaltung der Kreditbedingungen in der Regel Ausdruck der individuellen Bonität des Unternehmens bzw. des Kunden.
Meine Damen und Herren, in der letzten Zeit wurde der Beteiligungsbesitz oftmals geradezu dämonisiert. Auch heute ist dies wieder geschehen. Was ist die Wirklichkeit? Hierzu sollte man zunächst einmal auf die Fakten sehen. Nach Auskunft des Bundesverbandes Deutscher Banken hielten Ende 1994 die zehn größten privaten Banken an allen Kapitalgesellschaften in Deutschland einen Anteil von nur noch 0,4 % gegenüber 1,3 % im Jahre 1976.
Und noch eines: Sind es oft nicht gerade wir, die Politiker, die die Banken geradezu auffordern, sich an Unternehmen zu beteiligen, die in Schwierigkeiten geraten, damit die Betriebe und damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben können? Ich denke, es ist ein Gebot der Fairneß, dies hier zu betonen. Ich sehe sehr wohl, daß auch Sie von der SPD diese Sanierungsbeteiligung der Banken in gewissem Umfang zulassen wollen, allerdings mit der Einschränkung, daß Banken - und nur diese - ihre Beteiligung nach fünf Jahren wieder abstoßen müssen.
Ich frage mich: Warum sollen eigentlich nur die Banken die Verluste tragen müssen, ohne später von den Gewinnen profitieren zu können? Anderen muten Sie dies auch nicht zu. Da muß doch die Frage erlaubt sein, welches Verständnis von dem unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zugrunde liegenden Recht auf die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung Sie eigentlich haben.
Meine Damen und Herren, ich finde es nicht richtig, wenn öffentlich-rechtliche Banken wie die Westdeutsche Landesbank Anteile an der Köln-Düsseldorfer Deutschen Rheinschiffahrt oder an der TUI halten bzw. bei Maschinenbauunternehmen einsteigen und damit Einfluß auf die Industriepolitik nehmen. Das gehört einmal überprüft, da sollten wir den Finger auf die offene Wunde legen.
Eines sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, weil es immer wieder in die Debatte eingeführt wird. Von den 1 561 Mandaten gegenüber 1 466 im Jahr 1986 in den Aufsichtsräten der 100 größten deutschen Unternehmen wurden Ende 1993 nur noch 99 - im Jahr 1986 waren es noch 114 - von Angehörigen privater Banken gehalten. Besonders interessant ist - meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, passen Sie gut auf! -, daß demgegenüber die Arbeitnehmerseite 760 Mandate wahrnahm, davon entfielen allein 211 auf externe Gewerkschafter.
- Frau Kollegin Fuchs, für Sie besonders interessant.
Wie bereits vorher gesagt, geht es mir darum, darzustellen, daß jede Medaille zwei Seiten hat. Ich leugne nicht, daß es Probleme gibt und daß wir sorgfältig prüfen müssen, wo Handlungsbedarf besteht. Ich stelle aber auch gern fest, daß die Koalition bereit ist, bei einer Vielzahl der auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffenen Themenkomplexe in eine sorgfältige - vor allem vorurteils- und ideologiefreie - Prüfung einzutreten. Allerdings darf nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Damit ist niemandem gedient.
Ohne Frage können die Kreditinstitute einiges auch selbst tun, um ihr angekratztes Image wieder aufzupolieren. Eine hervorragende Möglichkeit bietet sich hierzu, wenn z. B. Rationalisierungsgewinne durch den Einsatz modernster Technik bei den Dienstleistungen in Form niedriger Gebühren an die Kunden weitergegeben würden. Mich besorgt immer wieder, wenn ich feststelle, daß den Bankkunden allein an Gebühren für Dienstleistungen ca. 12 Milliarden DM abverlangt werden. Hier ist ein Ansatz gegeben, in verstärkten Wettbewerb zu treten und die Rationalisierungsgewinne an die Kunden weiterzugeben.
Ernst Hinsken
Meine Damen und Herren, um Wiederholungen der Ausführungen meiner Vorredner zu vermeiden, die bereits einiges zu Fragen des Depotstimmrechts, der Einführung eines Verbots für die Mitgliedschaft in Organen miteinander konkurrierender Unternehmen oder zur Frage der Begrenzung der Zahl der Aufsichtsratsmandate gesagt haben, möchte ich noch kurz auf einen Aspekt des Gesetzentwurfs eingehen, der sicherlich auch nähere Betrachtung verdient.
Mit Art. 4 Ihres Gesetzentwurfes beabsichtigen Sie weitreichende Änderungen des Vereinsrechtes. In der Begründung beklagen Sie die fehlende Kontrolle der Vereinsorgane. Als Beispiel hierfür führen Sie das „von seinen vielen Millionen Vereinsmitgliedern faktisch nicht kontrollierte ADAC-Management" an.
Das verstehe ich nicht. Ich bitte Sie, hierüber nochmals nachzudenken, sich einmal mit den Betroffenen in Verbindung zu setzen und sich bei ihnen zu informieren, wie dort vorgegangen wird und wie sie die Interessen ihrer Vereinsmitglieder vertreten. Auch hätte Ihnen ein Blick in die Satzung darüber Klarheit verschafft, daß der Club Einfluß auf die Verkehrspolitik nehmen will. Damit er dies auch im Einklang mit seinen Mitgliedern tut,
betreibt der ADAC ständig Motiv- und Imageanalysen.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, Banken und Unternehmen aufzufordern, aufeinander zuzugehen, um das angespannte Verhältnis zu entkrampfen. Das Liquiditätsproblem ist für viele Betriebe, insbesondere in den neuen Bundesländern, ein Kernproblem geworden.
An vielen Insolvenzen sind auch Banken schuld.
Zwar stehen in den alten Bundesländern zwei Drittel der Unternehmen den Banken positiv gegenüber, in den neuen Bundesländern ist das Verhältnis hingegen angespannt und nicht zufriedenstellend. Vielleicht mangelt es auch an wechselseitigem Verständnis.