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ID1303902900

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    Plenarprotokoll 13/39 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 39. Sitzung Bonn, Freitag, den 19. Mai 1995 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3071 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414, 13/528, 13/966, 13/529, 13/1030, 13/1255, 13/1400) Dr. Heribert Blens CDU/CSU 3071 B Joachim Hörster CDU/CSU 3072A Dr. Peter Struck SPD 3072 D Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3074 A Dr. Wolfgang Weng (Gerungen) F.D.P. . . 3075A Dr. Christa Luft PDS 3076A Namentliche Abstimmung 3077B Ergebnis 3083 C Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans Martin Bury, Dr. Uwe Jens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Transparenz und Beschränkung von Machtkonzentration in der deutschen Wirtschaft (Transparenz- und Wettbewerbsgesetz) (Drucksache 13/367) Hans Martin Bury SPD 3077 C Friedhelm Ost CDU/CSU 3085D Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 3088 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 3091, 3105 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 3095 B Joachim Gres CDU/CSU 3097 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 3089 B Dr. Uwe Jens SPD 3100A Ernst Hinsken CDU/CSU 3101 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 3102B Ernst Hinsken CDU/CSU 3102D Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 3106A Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Abgeordneten Michaele Hustedt, Ursula Schönberger, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durchsetzung der Einhaltung des Stromeinspeisungsgesetzes (Drucksache 13/1303) b) Antrag der Abgeordneten Rolf Köhne, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Bürgschaftsverpflichtung der Bundesregierung zur Umsetzung des Stromeinspeisungsgesetzes (Drucksache 13/1309) c) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Einhaltung des Stromeinspeisungsgesetzes (Drucksache 13/ 1397) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktion der SPD: Respektierung des Stromeinspeisungsgesetzes - Far erneuerbare Energien (Drucksache 13/1384) Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 3108A Dr. Hermann Scheer SPD . . . . 3111B, 3117D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3112B Paul K. Friedhoff F.D.P 3114 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3115A Dr. Hermann Scheer SPD 3115A, 3118B, 3120B Rolf Köhne PDS 3115 D Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD 3116B Hartmut Schauerte CDU/CSU 3117 C Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 3118A Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD 3119D Marion Caspers-Merk SPD 3120A Marion Caspers-Merk SPD 3121 B Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär BMU 3122C Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . . 3123 D Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Gerd Poppe, Dr. Helmut Lippelt, Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einladung nach Europa (Drucksache 13/806) b) Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Angelika Beer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherstellung der Humanitären Hilfe für BosnienHerzegowina (Drucksache 13/1015) c) Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Dr. Helmut Lippelt, Gerd Poppe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stärkeres politisches Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Bosnien-Herzegowina (Drucksache 13/1252) Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3125B Heinrich Lummer CDU/CSU 3126 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3128A, 3129C Freimut Duve SPD 3128D, 3132C Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P 3130B Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 3131A Nächste Sitzung 3133 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3135* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3135* B 39. Sitzung Bonn, Freitag, den 19. Mai 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Babel, Gisela F.D.P. 19. 05. 95 Beck (Bremen), BÜNDNIS 19. 05. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 19. 05.95 Hartmut Dr. Fell, Karl. H. CDU/CSU 19. 05.95 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 19. 05. 95 Joseph 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 19. 05.95 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 19. 05. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 19. 05. 95 Marx, Dorle SPD 19. 05. 95 Metzger, Oswald BÜNDNIS 19. 05. 95 90/DIE GRÜNEN Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 19. 05. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 19. 05.95 Hermann Stiegler, Ludwig SPD 19. 05. 95 Tippach, Steffen PDS 19. 05. 95 Volmer, Ludger BÜNDNIS 19. 05. 95 90/DIE GRÜNEN Wettig-Danielmeier, SPD 19.05.95 Inge Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 19. 05. 95 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 683. Sitzung am 28. April 1995 der vom Deutschen Bundestag am 26. April 1995 mit Änderungen beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zugestimmt. Der Bundesrat hat in seiner 684. Sitzung am 12. Mai 1995 unter Berufung auf Artikel 76 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes beschlossen, zu nachfolgenden Gesetzentwürfen eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu verlangen: - Entwurf eines Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 - Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG -) Der Bundesrat hat in seiner 684. Sitzung am 12. Mai 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - ... Strafrechtsänderungsgesetz - §§ 44, 69b StGB - (StrAndG) - Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung (SichVG) - Gesetz zu dem Beschluß des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften Anlagen zum Stenographischen Bericht Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: 1. Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Stellungnahme vom 20. Januar 1995 - Drucksache 1102/94 (Beschluß) -. Er ist der Auffassung, daß die Finanzbeziehungen zwischen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung für eine erfolgreiche Integrationspolitik auf Dauer von einem fairen Interessenausgleich geprägt sein müssen. Er sieht angesichts der im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedstaaten überproportionalen Belastung Deutschlands eine grundsätzliche Neuordnung der Gemeinschaftsfinanzen für die Zeit nach 1999 als unbedingt notwendig an. Wichtig wird dabei sein, die Lasten starker als bisher an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu orientieren und als Maßstäbe das Pro-Kopf-Einkommen sowie das Bruttosozialprodukt in Kaufkraftstandards in Betracht zu ziehen. Der Bundesrat fordert, daß schon auf der Regierungskonferenz 1996 das künftige Finanzsystem der Gemeinschaft mit dem Ziel der Beseitigung des Ungleichgewichts zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland thematisiert wird. Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, während des gesamten durch den neuen Eigenmittelbeschluß geregelten Zeitraums - nachhaltig für strikte EU-Haushaltsdisziplin einzutreten, - auf eine Umgehung der Ausgabendisziplin gerichtete Anleihewünsche der Kommission abzuwehren und - sich für einen verstärkten Mittelrückfluß nach Deutschland einzusetzen. 2. a) Der Bundesrat betont nochmals, daß die Erfüllung der Finanzverpflichtungen Deutschlands gegenüber der Europäischen Union Bundesaufgabe ist und nicht den Ländern obliegt. Er weist darauf hin, daß diese haushaltsbelastung des Bundes bei der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern berücksichtigt wird und die Lander damit bereits jetzt indirekt am Finanzierungsbeitrag der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Union angemessen beteiligt sind. Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Länder wird abgelehnt. b) Auch der Hinweis der Bundesregierung auf die Stärkung der Mitwirkungsrechte der Länder an der Willensbildung des Bundes in Angelegenheiten der Europäischen Union nach Artikel 23 des Grundgesetzes kann eine zusätzliche finanzielle Inanspruchnahme der Länder nicht begründen, da nach der Ordnung des Grundgesetzes Mitwirkungsrechte des Bundesorgans Bundesrat nicht zu speziellen Finanzierungsverpflichtungen der Länder führen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/8090 Drucksache 13/26 Drucksache 13/370 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 13/218 Nr. 19 Drucksache 13/269 Nr. 2.2 Drucksache 13/343 Nr. 2.19 Drucksache 13/343 Nr. 2.20 Innenausschuß Drucksache 12/2582 Drucksache 13/269 Nr. 1.2 Drucksache 13/218 Nr. 5 Drucksache 13/218 Nr. 2 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/218 Nr. 89 Drucksache 13/218 Nr. 90 Drucksache 13/218 Nr. 92 Drucksache 13/478 Nr. 2.1 Drucksache 13/725 Nr. 152 Drucksache 13/725 Nr. 157
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fälle Metallgesellschaft, Schneider und Balsam/Procedo - das ist heute bereits von anderen gesagt worden - haben aus unterschiedlichen Blickwinkeln einige Aspekte der strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft beleuchtet: Aufsichtsräte, die nicht in der Lage oder willens sind, die Geschäftsleitungen zu kontrollieren, Vorstände, die monatelang hasardieren, gewaltige Schäden anhäufen, Arbeitsplätze im eigenen Unternehmen und bei zahlreichen Geschäftspartnern vernichten und sie in den Untergang hineinreißen und dann persönlich, schlimmstenfalls unter Zurücklassung eines Scherbenhaufens, in den wohldotierten Ruhestand gehen.
    Man denkt an Tucholsky, der daran erinnerte, daß früher die Häuptlinge gefressen wurden, wenn sie eine Schlacht verloren hatten, während sie heute sagen - wenn sie es denn sagen -: „Ich übernehme die Verantwortung" und in den Ruhestand gehen.

    (Beifall bei der PDS)

    Die Drucksache 13/367 gibt ein eindrucksvolles Bild - und die verfügbaren Untersuchungen zur Kapital- und Personalverflechtung bestätigen dieses Bild - von den entstandenen oligarchischen Verhältnissen: Die Spitzen der deutschen Banken und der deutschen Industrie haben die Tür hinter sich geschlossen. Sie haben sich nicht nur der Kontrolle durch die privaten Aktionäre entzogen. Durch die Kapital- und Personalverflechtung von Unternehmen, die theoretisch im gleichen Markt konkurrieren, schränken sie auch den Wettbewerb ein. Sie predigen öffentlich das Wasser der Kontrolle durch den Markt und trinken heimlich den Wein der ausgeschalteten Kontrolle durch die Oligarchie der über Kreuz und im Ring verflochtenen Unternehmen.
    Von welchem Wettbewerb kann denn die Rede sein, wenn auf den Hauptversammlungen der großen Kaufhauskonzerne die drei größten deutschen Banken jeweils zwischen 56 und 90 % der vertretenen Stimmrechte repräsentieren? Das gleiche gilt für die drei großen Chemiekonzerne.
    Die Spitze der deutschen Banken- und der Industriewelt hat auch insofern die Tür hinter sich geschlossen, als sie sich auch persönlich nicht mehr dem kalten Wind des Wettbewerbs am sogenannten Arbeitsmarkt aussetzt, sondern sich durch Kooptation aus den eigenen Reihen ergänzt.
    Im Ergebnis ist zumindest in der großen Industrie ein Unternehmertyp dominierend geworden, der weniger unternimmt und mehr verwaltet und dem wir nicht zuletzt die strukturellen Schwächen der bundesrepublikanischen Wirtschaft, ihren schon seit zwei Jahrzehnten anhaltenden Positionsverlust bei Zukunftstechnologien zu verdanken haben.
    Angesichts der erheblichen Machtzusammenballung - ich verwende auch nach den Ausführungen von Herrn Lambsdorff das Wort „Macht"; ich halte das für wahr: Ökonomische Macht ist ebenso wie politische Macht eine Macht -, die die hier in Rede stehenden Unternehmen und Kreditinstitute repräsentieren, stellt sich natürlich die Frage, ob eine solche unkontrollierte Macht noch systemkonform ist.
    Der vorliegende Gesetzentwurf will nun durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen die Rechte der Privataktionäre verbessern, die Transparenz der Verflechtungsbeziehungen erhöhen, die Möglichkeiten von Interessenkonflikten der in den Aufsichtsräten von offiziell konkurrierenden Unternehmen vertretenen Kreditinstitute mindern, den Mißbrauch der Rechtsform des Idealvereins für wirtschaftliche Zwecke beseitigen, die Einflußkumulation bei einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern bzw. den von ihnen vertretenen Banken einschränken, den Wettbewerb erhöhen und schließlich auch noch strukturelle Innovationshindernisse beseitigen.
    Das Anliegen dieses Entwurfs, die Refugien unkontrollierter Machtzusammenballung wenigstens etwas besser auszuleuchten und die oligarchische Machtausübung aufzubrechen, verdient zweifellos Unterstützung. Manches scheint mir allerdings ein wenig blauäugig, anderes inkonsequent. Die Innovationshemmnisse, die sich aus der langjährigen Auslese in Richtung auf einen bestimmten Managertyp ergeben, können nicht durch ein Dekret, daß die Banken oder die Manager mutiger zu sein haben, beseitigt werden.
    Das Versagen des Aufsichtsrates im Falle Metallgesellschaft legt den Gedanken nahe, der in Art. 2

    Dr. Uwe-Jens Heuer
    ausgeführt wird, nämlich die Zahl der Aufsichtsratsmandate, die eine Person wahrnehmen darf, weiter zu begrenzen.
    Diese sicher mögliche und wünschenswerte Maßnahme könnte aber in meinen Augen deutlich an Wirksamkeit gewinnen, wenn die Haftung der Aufsichtsräte und ihrer Mitglieder deutlich verschärft würde.

    (Beifall bei der PDS)

    Dagegen wird nun eingewandt, daß die Milliardenschäden, wie sie etwa bei der Metallgesellschaft entstanden sind, nicht durch das Vermögen einer Handvoll von Aufsichtsratsmitgliedern kompensiert werden könnten. Das ist natürlich richtig. Für die geschädigten Aktionäre und Gläubiger - von den entlassenen Arbeitnehmern ganz zu schweigen - wäre eine stärkere persönliche Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte wenig tröstlich. Aber sie zwänge die Aufsichtsräte zu dem, was der eigentliche Sinn ihrer Bestellung ist: zu genauem Hinsehen.
    Eine solche verschärfte Haftung, die tatsächliche Abhängigkeit des eigenen Vermögens von der peniblen Ausübung des Mandats, könnte unter Umständen wirksamer zu einer Begrenzung der Zahl der wahrgenommenen Aufsichtsratsmandate zwingen als die formelle Begrenzung durch den jetzigen Vorschlag.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein persönliches Wort aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Ich mußte 1959 die Humboldt-Universität Berlin verlassen und wurde von der SED zur Erziehung in die Praxis an das staatliche Vertragsgericht geschickt. Ich habe dort sehr interessante Erfahrungen gemacht; ich möchte nur eine nennen.
    Die Vertragsgerichte entschieden bekanntlich über Streitigkeiten zwischen volkseigenen und Privatbetrieben sowie den sogenannten halbstaatlichen Betrieben. Auffällig war nach meiner Erfahrung, daß durch Geldzahlungen eigentlich nur die halbstaatlichen Betriebe betroffen waren, weil dort der private Komplementär tatsächlich persönlich bezahlen mußte, während die volkseigenen Betriebe nicht ernsthaft betroffen waren, wenn sie 50 000 oder 80 000 Mark Schadensersatz oder Vertragsstrafe zahlten. Bei den halbstaatlichen Betrieben wirkte die Strafe direkt auf das persönliche Vermögen, und das war sehr wirksam. Aus diesem Grunde waren die halbstaatlichen Betriebe übrigens gar nicht so schlecht. Ihre Beseitigung im Jahre 1972 halte ich für eine der Unsinnigkeiten der damaligen Wirtschaftspolitik.
    Das hier Geforderte setzt allerdings auf der anderen Seite voraus, daß den Aufsichtsräten die Informationen zur Verfügung stehen, die sie wirklich in die Lage versetzen, die Vorstände zu kontrollieren. Gegenwärtig sind die Kontrolleure doch wohl fast ausschließlich von den Informationen abhängig, die ihnen die Kontrollierten zur Verfügung stellen.
    Die vorgeschlagene Begrenzung auf fünf Mandate pro Person würde übrigens die Zahl der von Vertretern eines Unternehmens in anderen Unternehmen wahrgenommenen Aufsichtsratsmandate nicht verringern oder begrenzen.
    Nicht länger hinzunehmen ist die Wettbewerbsverschränkung, die sich einfach dadurch ergibt, daß die großen Kreditinstitute bei Unternehmen, die sich theoretisch im Wettbewerb zueinander befinden, die Mehrheit der Stimmrechte in den Hauptversammlungen repräsentieren und in den Aufsichtsräten vertreten sind. Hier bietet sich eine kartellrechtliche Untersagung von Aufsichtsratsmandaten in konkurrierenden Unternehmen an, wie sie in Art. 5 des vorliegenden Entwurfs angestrebt wird.
    Dabei sollte allerdings nach meiner Auffassung die Lösung konsequenterweise nicht primär auf Personen, sondern auf die Unternehmen bezogen sein. So wie es Rechtsanwälten selbstverständlich verboten ist, gegnerische Parteien gleichzeitig zu vertreten, weil Interessenkollisionen unvermeidlich sind, sollte es auch untersagt sein, daß Unternehmen und Personen gleichzeitig in den Organen konkurrierender Unternehmen vertreten sind.

    (Beifall bei der PDS)

    Insofern erscheint mir die in Art. 5 Nr. 3 vorgeschlagene personenbezogene Lösung inkonsequent. Herr Lambsdorff hat gesagt, daß die Großbanken durch diese Lösung bevorzugt werden, weil sie mit unterschiedlichen Personen arbeiten können. Deswegen, meine ich, wäre es sinnvoll, das nicht nur hinsichtlich der Personen, sondern auch hinsichtlich der Unternehmen zu regeln.
    Das in Art. 2 Nr. 8 angesteuerte Ziel, den Privataktionären die Chance einer von den Banken unabhängigen Vertretung zu eröffnen, wird von mir unterstützt. Wir stellen empirisch fest - das ist hier von vielen gesagt worden -, daß die Beteiligung der Privataktionäre an den Hauptversammlungen kontinuierlich zurückgeht. Ein wesentlicher Grund dafür besteht zweifellos darin, daß die Kosten der Teilnahme an den Hauptversammlungen für Kleinaktionäre prohibitiv sind.
    Das Depotstimmrecht der Banken ist seit langem umstritten. Seine Befürworter sind fast ausschließlich die Banken selbst. Bei der relativ dünnen Eigenkapitaldecke vieler deutscher Unternehmen bringt gerade das Depotstimmrecht einen überproportionalen Einfluß für die Banken mit sich. Der Konflikt zwischen Eigeninteressen, Interessen des Unternehmens, seiner Verwaltung und Interessen der Aktionäre könnte durch das Angebot des Art. 2 Nr. 8 aufgelöst werden. Ob dies die Demokratie in den Aktiengesellschaften im Sinne eines Abbaus der Apathie der Privataktionäre und ihres zunehmenden wirklichen Einflusses auf die Entscheidungen der Hauptversammlungen beleben wird, muß allerdings die Zukunft zeigen.
    Sosehr ich das Gesamtanliegen des vorliegenden Entwurfs unterstütze, bin ich hinsichtlich der zu erwartenden Wirkungen doch skeptisch. Diese Skepsis speist sich sowohl aus den bereits genannten In-

    Dr. Uwe -Jens Heuer
    konsequenzen als auch aus Untersuchungen, die z. B. Albach/Kless über die Auswirkungen der Aktienrechtsreform von 1965 und der Einführung der Mitbestimmung 1976 auf die personellen Verflechtungen zwischen großen Unternehmen und den drei Großbanken angestellt haben.
    Nach diesen Untersuchungen ist zwar der Anteil der Aufsichtsratsmandate, die von Bankenvertretern gehalten wurden, zwischen 1964 und 1978 um 40 % zurückgegangen, der Anteil ihrer Kontrollmöglichkeiten aber nur um 5 %, weil sie durch entsprechende Gegenmaßnahmen die Auswirkungen der Gesetzgebung auf ihre Kontrollmacht zu mindern wußten.
    Ich befürchte, daß die Auswirkung des vorliegenden Gesetzentwurfs, wenn er denn je in Kraft treten sollte, in ähnlicher Größenordung zu sehen sein wird. Trotzdem meinen wir, daß es sinnvoll ist, in dieser Richtung zu arbeiten. Möglicherweise bewegt sich auch die Koalition etwas, was ich ihr dringend wünsche.
    Danke schön.

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es spricht jetzt der Abgeordnete Joachim Gres.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joachim Gres


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bury, Sie haben zu Beginn in die Debatte den Bankrotteur Jürgen Schneider eingeführt. Lassen Sie mich zunächst sagen, daß ich es außerordentlich begrüße und daß es mich mit Genugtuung erfüllt, daß dieser Herr in der Nacht von gestern auf heute in den USA festgenommen worden ist.
    Vor zwei Tagen hat das ZDF ein Statement des Herrn Schneider ausgestrahlt, aus dem ich kurz zitiere. Er sagt:
    Genauso wie in all den Jahren vorher sind auch meine Frau und ich nur ein privater Bankkunde und stehen der ungeheuren Macht der Banken gegenüber.
    Herr Bury, daß Sie ausgerechnet diesen Herrn, dem verschiedene Banken insgesamt ca. 6 Milliarden DM zur Verfügung gestellt haben, als Zeugen für Ihren Kampf gegen die Bankenmacht anführen,

    (Hans Martin Bury [SPD]: Nicht als Zeugen!)

    ist wohl eher in das Reich des Bizarren zu verweisen.
    Ausgangspunkt der Überlegung der SPD für ihren Gesetzentwurf ist ihr Befund, daß sich die großen deutschen Geschäftsbanken und Versicherungsgesellschaften durch Ring- und Überkreuzbeteiligungen sowie durch personelle und kapitalmäßige Verflechtungen im Sinne einer gezielten Verschwörungsstrategie zu einer Art „Deutschland-AG" verbunden haben, die sich jeder Kontrolle durch außenstehende Aktionäre oder durch Dritte entziehe, und daß diese „Deutschland-AG" das eigentliche Machtzentrum bilde. Die eigentlich Mächtigen in unserem Lande seien der „Herrenklub", wie Sie es gerade genannt haben. Daß die SPD bei ihrer Beschreibung dieses Horrorszenarios wenigstens noch vor dem Vorwurf mafioser Strukturen zurückschreckt, müssen wir schon fast dankbar vermelden.
    In den 70er Jahren geisterte einmal der Kampfbegriff des staatsmonopolistischen Kapitalismus, kurz Stamokap, durch die Diskussionszirkel der sogenannten Neuen Linken, insbesondere der Jungsozialisten. Diese Theorie ist dann mit der zunehmenden Bedeutungslosigkeit dieser Gruppen erfreulicherweise von der politischen Bühne verschwunden. Wenn man sich allerdings anschaut, mit welcher Intensität von der SPD mit ihrem Gesetzentwurf und mit welcher publizistischen Begleitmusik an diesem Bild einer angeblich unangreifbaren „DeutschlandAG" aus Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen gemalt wird, dann könnte man wirklich meinen, daß die alte Stamokap-Theorie als „Bamokap"-Theorie, also als Theorie vom bankmonopolistischen Kapitalismus, fröhliche Urständ feiert.
    Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich mich dieser neuen Verschwörungstheorie der SPD nicht anschließen kann. Friedhelm Ost hat dazu das Notwendige gesagt. Wenn Sie, Herr Bury, Friedhelm Ost schon nicht glauben, dann glauben Sie doch bitte den Mitgliedern des Forums Wirtschaft, das sich in ein paar Tagen mit Herrn Scharping treffen soll. Wenn ich es recht sehe, wird dann die personifizierte „Deutschland-AG" bei Herrn Scharping sein, angefangen mit dem Vorstandsvorsitzenden der VEBA, Ulrich Hartmann, mit seinen zahlreichen Aufsichtsratsvorsitzmandaten über Herrn Ulrich Weiß von der Deutschen Bank mit seinen diversen Aufsichtsratsmandaten und den so viel geschmähten Beteiligungen der Deutschen Bank bis hin zu Karl Otto Pöhl und Edzard Reuter, bei denen die Aufzählung der Aufsichtsrats- und Beiratsmandate selbst dem Munzinger-Archiv nicht mehr gelingt.
    Nach SPD-Presseerklärungen will sich Herr Scharping, wenn ich es recht verstanden habe, von diesen hochkarätigen Wirtschaftsvertretern Rat holen. Das ist eine gute Idee. Es ist nur sehr schade, daß die Initiatoren des SPD-Gesetzentwurfs zu diesem Treffen von Herrn Scharping offenbar nicht eingeladen worden sind. Sie könnten da, Herr Bury, über die tatsächlichen Abläufe in der freien Wirtschaft viel lernen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie Sozialdemokraten im bewußten und gewollten Zusammenwirken zur Sache gehen können, wenn sie die Macht dazu tatsächlich einmal haben, wie Sozialdemokraten personelle und kapitalmäßige Verflechtungen zwischen Unternehmen nutzen und politische Möglichkeiten einsetzen, läßt sich an vielen Beispielen aufzeigen. Ich will Ihnen nur ein Beispiel aus der „FAZ" von gestern für die Situation in Nordrhein-Westfalen zitieren:

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Um Gottes willen! Furchtbar!)

    Welche Auswirkungen eine solche konsequente
    Sozialdemokratisierung haben kann, zeigte sich

    Joachim Gres
    bei dem Vorhaben, in Oberhausen ein neues Stadtviertel auf einem riesigen Brachgelände zu errichten. Veräußerer des Grundstücks waren Gesellschaften des Thyssen-Konzerns. Mitglied des Aufsichtsrats der Thyssen AG: Finanzminister Schleußer. Erwerber war das Land Nordrhein-Westfalen. Zuständiger Minister: Schleußer. Das Land verkaufte das Grundstück wiederum an die Gesellschaft GEG. Im Aufsichtsrat der GEG: Schleußer. An der GEG war die Westdeutsche Landesbank über ein Tochterunternehmen beteiligt. Vorsitzender des Verwaltungsrats der Landesbank zu dieser Zeit: Schleußer. Abgeordneter des Wahlkreises Oberhausen I: Schleußer.
    Und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wollen als Saubermann in Sachen Verbesserung von Transparenz und Beschränkungen von Machtkonzentration in der deutschen Wirtschaft auftreten? Das nimmt Ihnen doch keiner ab.