Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich muß wirklich gestehen: Frau Wolf, was Sie hier zum Schluß gesagt haben - dem einen oder anderen kann ich ja durchaus zustimmen; darauf komme ich nachher noch zurück -, zieht mir wirklich die Schuhe aus. Während Sie hier erzählen, daß Sie Ihre Steuerpolitik den Kapitalmarktbedingungen anpassen und insbesondere die Risikokapitalbedingungen verbessern wollen, lese ich in einem Kommentar zu der gestern von Ihrer Fraktion vorgestellten Steuerpolitik folgenden Satz:
Wenn sich solche unbedachte Experimentierfreude im Gesetzesblatt austoben darf, dann sind alle ökonomischen Feinheiten einer Debatte über die Wettbewerbskraft des Standorts Deutschland obsolet.
Das ist die Wahrheit. Das ist eben das, meine Damen und Herren, was ich beanstande: Sie reden bei jeder Gelegenheit das, was Ihnen gerade paßt; ob es mit dem anderen zusammenpaßt oder nicht, ist Ihnen völlig gleichgültig.
Sie widersprechen sich innerhalb von 24 Stunden, und das halte ich für schlichte Wählertäuschung.
Herr Bury, wir haben - Sie haben mit Recht darauf hingewiesen - schon vor einem Jahr hier diskutiert, und ich will gern bestätigen: Der zweite Entwurf, den Sie jetzt angefertigt haben, ist besser als der erste. Gut ist er trotzdem noch nicht. Noch immer enthält er die Forderung nach einer Offenlegung der Einkünfte von Organmitgliedern, was eine massive Verletzung des Persönlichkeitsschutzes der Betroffenen darstellt. Wozu eigentlich? Das macht überhaupt keinen Sinn.
Noch immer werfen Sie Banken und Versicherungen in einen Topf, was vom Geschäftszweck her völlig falsch ist. Sie eröffnen die Mißbrauchsmöglichkeiten der Aktionärsklage. Sie wissen ganz genau, welche Erpressungsmanöver sich auf diesem Feld in der Vergangenheit abgespielt haben. Sie sind da viel zu unvorsichtig.
Was ich besser finde: Sie sind nicht mehr für die Abschaffung des Vollmachtstimmrechts. Das hat Frau Wolf aufgegriffen: schlichte Abschaffung des Vollmachtstimmrechts.
Dann kommen Sie zu Präsenzen, die jammervoll sind, zu Präsenzen, wie es sie bei amerikanischen Gesellschaften gibt. Gelegentlich werden Zahlen vorgebracht, wie schön es dort sei. In Wirklichkeit nehmen dort aber die Verwaltungen der betroffenen Gesellschaften selber die Depotstimmrechte wahr. Das ist noch viel schlimmer, als wenn es durch die Banken gemacht wird. Diese „proxy rights" wollen wir bei uns doch wohl nicht einführen.
Die Abschaffung des Vollmachtstimmrechts ist ein Ausschluß der Aktionäre von der Aktionärsdemokratie. Der einzelne Aktionär, der ein paar Aktien von Siemens hat und in Hamburg wohnt, kann doch nicht nach München fahren und seine Dividende verreisen, nur weil er gezwungen ist, sein Stimmrecht auf der Hauptversammlung selber wahrzunehmen.
Außerdem haben Sie - Herr Bury, ich bedanke mich, Sie haben die Anregungen, die ich hier in der Debatte gemacht habe, zum Teil aufgegriffen - die Position und Aufgabe des Wirtschaftsprüfers in Ihren Gesetzentwurf einbezogen. Das war damals ein erhebliches Manko.
Wir führen diese Diskussion seit Jahren. Ich beteilige mich mindestens seit zehn oder zwölf Jahren an ihr. Ich bin deswegen über den jetzt erreichten Diskussionsstand ganz vergnügt. Sie beklagen, daß er zu spät erreicht wurde. Aber Sie gehören auch zu denen, die ich und andere hierhergetrieben haben, damit Sie endlich tätig werden.
- Die Tatsache, daß der Kollege Duve uns heute von seiner hohen literarischen Warte aus in dieser niederträchtigen Debatte mit seinen Zwischenrufen erfreut, ist auch ein Zeichen dafür, wie weit wir es gebracht haben. Herzlich willkommen, Herr Duve.
In den letzten Koalitionsverhandlungen haben wir es geschafft, das Stichwort in die Koalitionsvereinbarung einzubringen. Ich muß den Kollegen Ost erinnern, daß das Stichwort Beteiligungsbesitz der Banken darin ausdrücklich erwähnt wird. Da der Kollege Ost ein außerordentlich getreuer Koalitionspartner ist, erinnert er sich dessen und wird sich natürlich auch daran halten.
Herr Bury, wir sind im Koalitionsgespräch ohne Herrn Ost - aber er hätte das genauso behandelt, gerade bei diesem Thema - ein gutes Stück weitergekommen. Aber Sie haben recht: Es wird Zeit, daß Ihrem Gesetzentwurf ein Entwurf der Koalition gegenübergestellt wird, damit wir gemeinsam, wie ich hoffe, zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Ich habe Ihnen das schon vor einigen Wochen gesagt.
Das Stichwort Bankenmacht ist natürlich leicht polemisch. Aber eine demagogische und etwas überzeichnete Formulierung erregt auch das Interesse der Öffentlichkeit, das komischerweise durch die Fälle Schneider, Metallgesellschaft, Procedo Balsam ausgelöst und verschärft worden ist, die mit dem Ursprungsthema Beteiligungsbesitz eigentlich nichts zu tun haben; Sie haben in dieser Hinsicht recht.
Es besteht hier eine Konstellation, die Mißbrauch möglich macht. Ich behaupte nicht und habe nie behauptet, daß es Mißbrauch nachweisbar gegeben hat. Die Fälle EK 56 bei Daimler-Benz und Metallgesellschaft, Herr Bury, eignen sich dafür nicht; denn
Dr. Otto Graf Lambsdorff
die Banken haben z. B. im Fall EK 56 gegen ihr eigenes Portemonnaie gestimmt. Das geschah aus Gründen, die mit der Kapitalisierung des Unternehmens zu tun hatten.
Ich will hinzufügen, daß wir uns, glaube ich, darüber einig sind: Das Universalbankensystem in Deutschland hat sich bewährt. Das stimmt, Herr Ost; wir wollen kein Trennbankensystem. Das Universalbankensystem sollte bleiben.
Herr Bury, die SPD hat ihren Gesetzentwurf folgendermaßen überschrieben: für mehr Transparenz und Wettbewerb. Das finde ich fein. Aber, Herr Bury, lesen Sie sich doch einmal durch, was Sie vor drei Tagen zu den Telekommunikationsmärkten gesagt haben - nichts von Transparenz und Wettbewerb.
Nein, nein: Monopole, Regulierungen - von wegen Wettbewerb. Im Mobilfunkbereich sind Sie schlicht gegen Wettbewerb.
Sehen Sie sich doch einmal an, Herr Bury, was Sie zur öffentlichen Bankenmacht gesagt haben. Sie reden immer über die private Bankenmacht. Ich finde, wir sollten ungeteilt über die private und die öffentliche Bankenmacht reden.
Zitieren Sie den niedersächsischen Ministerpräsidenten doch korrekt: Natürlich hat er auf dem Sparkassentag davon gesprochen, daß er Banken für Sanierungsfälle braucht. Er hat von Landesbanken gesprochen; das verstehe ich auch: Er hat eine vor seiner Haustür und packt jeden faulen Hund, der in Niedersachsen Pleite macht, schnell in die Norddeutsche Landesbank. Die muß das dann schlucken. Im übrigen hat er sich über Ihren Gesetzentwurf keineswegs begeistert geäußert. Auch Herrn Neuber haben Sie nur teilweise zitiert. Genau zu dem Punkt, den Sie hier breit behandelt haben, nämlich zum Beteiligungsbesitz der Banken, hat Herr Neuber Ihnen gesagt, der SPD-Gesetzentwurf sei wirklichkeitsfremd - so nachzulesen in seinem Interview.
Frau Wolf hat das Thema angesprochen, daß der § 102 des Kartellgesetzes abgeschafft werden soll. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß das notwendig und richtig ist. Bei den Versicherungen brauchen wir ihn nach der Deregulierung und Liberalisierung, die aus Europa gekommen ist, ohnehin nicht mehr. Im Bankenbereich kann er verschwinden. Er hat keine Wirkung mehr. Seit der Aufhebung der Zinsverordnung geht es allenfalls noch um die Habenzinsseite.
Aber ich frage Sie: Wenn Sie § 102 abschaffen wollen, sind Sie dann auch bereit, § 103 abzuschaffen? Denn dann wollen wir gleich alle Ausnahmebereiche beseitigen. Mich finden Sie dabei auf Ihrer Seite. Wettbewerb sollte möglich sein, auch im Energieversorgungsbereich.
Meine Damen und Herren, zum Stichwort „Beteiligungsbesitz der Banken" möchte ich versuchen, mit dem einen oder anderen Urteil aufzuräumen. Es
wurde gesagt, das sei verfassungswidrig. Natürlich ist es nicht verfassungswidrig, es sei denn, wir wollten die Veräußerungsgewinne auch noch besteuern. Selbstverständlich müssen wir eine steuerneutrale Lösung finden, wie etwa beim Umwandlungsgesetz und beim Umwandlungssteuerrecht.
Manche sagen, das sei nicht marktwirtschaftlich. Der frühere Präsident der Federal Reserve in Amerika hat mir neulich gesagt: Ich wundere mich, daß das bei euch überhaupt erlaubt ist. Bei uns ist das nicht erlaubt. Ich hätte das bei euch schon langst abgeschafft. - Daß Amerika ein nicht marktwirtschaftliches Land sei, wird man nicht gut behaupten können.
Selbstredend müssen wir diesen Bereich für Sanierung offenhalten. Das haben Sie ja auch getan. Aber ich bin nicht so schrecklich davon überzeugt, wenn ich von einigen Großbanken höre, daß ihnen Karstadt- und Kaufhof-Beteiligungen in den 20er Jahren aus Sanierungsfällen zugewachsen seien, und nun haben sie sie unglückseligerweise heute noch und können sie gar nicht loswerden, selbst wenn sie wollten.
Also: Sanierung ja, für einen bestimmten Zeitraum. Das ist übrigens im amerikanischen Bankenrecht genauso.
- Diese Dinge hat es schon immer gegeben. Der Konzentrationsprozeß im Handel spielt sich auf ganz anderer Ebene ab, verehrter Herr Schwanhold. Darüber können wir bei Gelegenheit auch reden.
Die Beteiligungsbegrenzung ist auch deswegen wünschenswert - ich wiederhole es noch einmal -, weil die Kumulation von Beteiligungsbesitz, Aufsichtsratsmandaten, Vollmachtstimmrecht, Emissionskonsortium, Kreditkonsortium eine Machtposition schafft, die Mißbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Ordnungspolitik heißt, etwas vorsorglich zu verhindern, ohne daß man erst wartet, bis es eingetreten ist, um dann als Reparaturbetrieb hinterherzulaufen.
Meine Damen und Herren, es ist auch richtig, daß der Beteiligungsbesitz der Banken tendenziell innovationshindernd ist. Der Präsident des Bundeskartellamtes hat da recht. Auch die Studie aus Mannheim hat in meinen Augen in der Tendenz recht. Man kann das nicht bestreiten.
Es liegt auch ein wenig daran - das wird bei der Eigenkapitalfrage deutlich -, daß es nicht in allen, aber in vielen Fällen durchaus auch im Interesse kreditgebender Banken liegen kann, die Eigenkapitalquote des kreditempfangenden Unternehmens nicht allzu hoch werden zu lassen, damit der Kreditkunde nicht verlorengeht. Das muß nicht so sein, kann aber so sein.
Daß im übrigen in der Konstruktion, die wir in Deutschland haben, ein Schutz des Managements
Dr. Otto Graf Lambsdorff
vor Übernahmeangeboten liegt, ist zweifellos richtig. Detlev Rohwedder hat einmal gesagt, die größte Sperre gegen feindliche Übernahmeangebote in Deutschland sei die Mitbestimmung. Das stimmt auch.
Aber in diesem Bereich funktioniert dann - ich bin ganz erstaunt, so etwas aus Ihrem grünen Munde zu hören, aber Sie haben recht - wegen der Konstruktion, die wir bei uns haben, ein Kontrollmechanismus des Kapitalmarktes nicht. Ich wünschte mir schon, daß es in Deutschland gelegentlich erfolgreiche feindliche Übernahmeangebote gäbe, wenn sie sauber finanziert sind. Junk-bond-Finanzierungen bitte nicht in Deutschland! Sie führen anschließend, wie wir gesehen haben, zu großen Problemen.
Aber so sind die Konstruktionen ein Schutz für das Management. Hinter diesem Schutzzaun kann man sich sehr gut verbergen. Das gilt in gleicher Weise - vielleicht sollte in dem Zusammenhang auch darüber nachgedacht werden - hinsichtlich Mehrfachstimmrechten und Stimmrechtsbeschränkungen, die wir im deutschen Aktiengesetz immer noch haben und die ich persönlich für falsch halte.
Man muß, wenn man über den Beteiligungsbesitz redet, selbstverständlich auch daran denken, welche Auswirkungen eine solche Auflage für vorhandenen Beteiligungsbesitz und sein Abschmelzen auf die Börsen, auf die Kapitalmärkte und damit auf die Vermögenswerte unbeteiligter Dritter hätte. Das kann man nicht einfach beiseite schieben und so tun, als ob ein Kursverfall einen gar nicht interessiere.
Was macht es in diesem Zusammenhang für Sinn, über den Beteiligungsbesitz der Versicherungen in gleicher Weise zu sprechen, Herr Bury? Es macht eben keinen Sinn. Es ist die Aufgabe von Versicherungen, insbesondere von Lebensversicherungen, das Kapital der Versicherten zu sammeln, den Prozeß der Transformation von Geld in Kapital in die Kapitalmärkte umzusetzen. Dazu müssen sie selbstverständlich Beteiligungen haben und bilden können. Wir klagen doch darüber, daß der Aktienbesitz deutscher Versicherungen im internationalen Vergleich viel zu niedrig sei. Bei deutschen Sachversicherungen liegt er bei 14 % des Gesamtportefeuilles; bei deutschen Lebensversicherungen liegt er noch weit darunter. Es müßte mehr sein. Es müßte mehr Initiative an den Aktienbörsen geben.
Bei der wechselseitigen Beteiligung von Banken und Versicherungen untereinander entstehen allerdings Finanzinstitute, bei denen man nachdenken muß, ob das sinnvoll ist. Die Kooperationsmöglichkeit beider Institute darf man nicht beschränken; das ist im Markt frei zu entscheiden. Aber ob das durch wechselseitige Beteiligungen unterlegt werden darf, ist, meine ich, durchaus prüfenswert.
Für völlig - entschuldigen Sie - sinnlos halte ich nun Ihren Vorschlag, den ich jetzt in dem Gesetzentwurf finde, daß man Banken und Versicherungen verbieten will, Kapitalanlagegesellschaften zu halten. Du liebe Zeit, wozu ist denn das KAGG, das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, seinerzeit geschaffen worden? Doch genau, um hier über das Investmentsparen, ausgegliedert aus den Banken, mit größeren Auflagen, Kontrollvorschriften, Aufsicht, Anlagevorschriften ein Instrument zu schaffen, mit dem man den Kleinaktionär an das Sparen in Risikopapieren heranführen kann.
Ihr Vorschlag macht überhaupt keinen Sinn. Da fängt es nun wirklich an, ideologisch zu werden. Das sollten wir bleibenlassen. Die Kapitalanlagegesellschaften sollten so bleiben, wie sie sind.
Vielleicht kann man über einen Stimmrechtsbeirat reden, damit die Übernahme der Stimmrechte aus den Anlagen der Kapitalanlagegesellschaften etwas von den Banken entfernt wird, denen sie gehören. Bei den Versicherungen ist das sowieso ein anderes Problem.
Sie müssen im übrigen bei dem Beteiligungsbesitz - das ist lästig; ich weiß das, aber es ist nun einmal so; wir leben nun einmal in der Welt, wie sie ist - auch über die europarechtlichen Auswirkungen und Beschränkungen, die Diskriminierungsgefahren im Vergleich zu anderen Banken, die daraus entstehen können, nachdenken. So einfach kommen wir über diese Hürde nämlich nicht hinweg.
Ich komme zu dem Problem der Aufsichtsräte. Sie wollen die Aufsichtsratsmandate auf fünf begrenzen und arbeiten dann noch mit der Doppelanrechnung. Auch die Doppelanrechnung haben Sie von mir übernommen; ich hatte sie in der erwähnten Rede hier vorgebracht, ebenso wie den Wirtschaftsprüferwechsel. Nachahmung ist die höchste Form des Lobes. Ich bin insofern sehr zufrieden. Die Begrenzung auf fünf Aufsichtsratsmandate ist eine Vorschrift zugunsten der Großbanken; ich kann es Ihnen nur noch einmal sagen. Die sind selbstverständlich in der Lage, alle ihre Mandate durch die zweite Reihe besetzen zu lassen. Ich frage: Wen wollen Sie eigentlich damit treffen? Wir sollten es bei zehn belassen - das scheint mir vernünftiger zu sein - und die Doppelanrechnung von Vorsitz und stellvertretendem Vorsitz vornehmen. Wir sollten im übrigen die Aufgaben und Pflichten des Aufsichtsrates erweitern bzw. verschärfen. Die Diskussion darüber läuft ja in aller Breite. Dann verbietet sich die Vollausschöpfung einer übergroßen Zahl von Aufsichtsratsmandaten sowieso.
- Ich habe zur Zeit neun; das reicht gerade. Mehr will ich auch nicht.
Dr. Otto Graf Lambsdorff
- Es ist ja immer ganz verderblich, wenn jemand hier steht und aus der eigenen Erfahrung im täglichen Leben spricht. Das ist von Übel; ich weiß. Man redet besser ungetrübt von Sachkenntnissen; dann läßt sich auch viel besser argumentieren.
- Herr Duve, ich habe Sie ja schon herzlich willkommen geheißen.
Sie wollen die Konzernklausel streichen, Herr Bury. Dann müssen Sie z. B. die Spartentrennung bei den Versicherungen streichen. Es ist die Aufgabe eines Vorstandes, in den Tochtergesellschaften, die er hat, den Aufsichtsratsvorsitz oder eine andere Aufsichtsratstätigkeit wahrzunehmen, um die Gesellschaft zu kontrollieren. Wenn die Obergesellschaft einer Versicherungsgesellschaft unter sich, gesetzlich vorgeschrieben, eine Lebensversicherung, eine Sachversicherung und eine Krankenversicherung getrennt haben muß, dann muß man dem Vorstand doch erlauben, in diesen Gesellschaften tätig zu werden. Das kann er eben nicht, wenn Sie die Konzernklausel streichen. Sie muß also erhalten bleiben. Mit Verlaub gesagt: Dies geht so nicht. Ich will mich zurückhaltend ausdrücken. Ich möchte ja, daß wir zusammenkommen. Deswegen will ich Ihnen hier nicht allzusehr auf das Fell rücken.
Ich komme zur Transparenz bei Aufsichtsratsmandaten in konkurrierenden Unternehmen. Ich babe immer gedacht: Man muß das gesetzlich verbieten. Es stellt sich heraus, daß das rechtlich sehr schwierig ist. Wir haben neulich darüber diskutiert, ob man das über das Kartellgesetz regeln kann oder wie man es sonst griffig machen könnte. Herr Zwickel ist der letzte, der das jetzt aufgibt. Ich kenne sonst keinen anderen. Er hat es aber geerbt. Ich habe den Eindruck, daß die öffentliche Diskussion dazu geführt hat, daß sich das von selbst bereinigt und daß man hier vermutlich gesetzgeberisch nicht mehr tätig werden muß.
Zur Haftung des Aufsichtsrates, die Sie ebenfalls angesprochen haben: Man braucht nicht die materielle Basis der Haftung zu verschärfen. Aber die Schwelle für die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs ist so hoch, daß man sie vermutlich heruntersetzen muß. Insofern stimmt Ihr Zitat von Hermann Josef Abs. Ich wundere mich, daß Sie mit so alten Witzen Ihre Kollegen noch erfreuen können.
Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer: Ich bin der Meinung, daß nach dem, was wir bei Procedo, Balsam und anderen erlebt haben, die Wirtschaftsprüfertätigkeit unter die Lupe genommen werden muß. Ich bin dafür, daß es eine engere Verbindung zwischen dem Aufsichtsrat und den Wirtschaftsprüfern gibt und nicht nur die enge Verbindung zwischen Vorstand und Wirtschaftsprüfer, daß der Prüfbericht des Abschlußprüfers nicht über den Vorstand und dann erst bereinigt in dritter Fassung an den Aufsichtsrat geleitet wird, sondern daß der Aufsichtsrat den Wirtschaftsprüfer beauftragt, einen Vertrag mit ihm abschließt - die Hauptversammlung muß ihn natürlich wählen - und daß dann dessen erster Bericht, der Management Letter oder der erste Entwurf eines Prüfberichts beim Aufsichtsrat landet.
Daß die Haftungsgrenze für Wirtschaftsprüfer erhöht werden muß, ist klar. Man sollte auch, wenn man schon dabei ist, vorschreiben, daß der Wirtschaftsprüfer an der Bilanzsitzung teilzunehmen hat. Das war bisher keineswegs die Regel. Ich sehe aber schon in der Wirklichkeit, was diese Diskussion bedeutet. Zur Zeit finden die Bilanzsitzungen statt, und überall dort, wohin ich komme, sitzt der Wirtschaftsprüfer mit freundlichem Gesicht am Tisch. Es macht sich also schon. Auch dafür ist eine solche Diskussion gut.
Ich habe den Wechsel der Abschlußprüfer, Herr Bury, vorgeschlagen. Sie haben das in den Gesetzentwurf aufgenommen, nachdem Herr Jens zugerufen hat, das sei vielleicht eine brauchbare Idee. Ich habe das im Protokoll nachgelesen.
Natürlich hat es eine lebhafte Diskussion mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gegeben. Mir scheint, daß die Schwierigkeiten und die wirtschaftlichen Konsequenzen, die daraus entstehen, zu kompliziert sind. Ich denke aber, daß wir mindestens den Wechsel der Führungsgruppe der Prüfer - nicht der Firma, sondern nur des Abschlußteams - vorschreiben sollten. Das würde auch von den Wirtschaftsprüfern akzeptiert werden.
Sie haben heute Prüfer in Großunternehmen, die das ganze Jahr im Hause sind. Diese alle wechseln zu lassen ist vermutlich doch zu schwierig.
Schließlich das Vollmachtstimmrecht und die Hauptversammlung: Die Regelung, die Sie vorgeschlagen haben, ist an Bürokratie und Regulierung nicht zu überbieten. Ich halte es wirklich nicht für nötig, daß man den Aktionärsvereinigungen etwas zutreibt, lieber Herr Ost. Das ist nicht der Sinn der Veranstaltung.
Mein Wunsch ist, daß die Formulare für die Vollmachtstimmrechte, die die Banken für die nächsten 15 Monate versenden, den Hinweis enthalten, daß man sich durch Aktionärsvereinigungen vertreten lassen kann, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die Abschaffung des Vollmachtstimmrechts, Frau Wolf - das habe ich schon einmal gesagt -, kommt meiner Meinung nach nicht in Betracht. Wie unabhängig ist der Stimmrechtsbeauftragte? Er ist genauso unabhängig wie der Datenschutzbeauftragte, der Umweltschutzbeauftragte und der Frauenbeauftragte im Unternehmen. Er bleibt ein abhängiger Beschäftigter des Unternehmens, ist aber in dieser Funktion unkündbar. Ich weiß, daß das keine Riesenauswirkungen hat.
Dr. Otto Graf Lambsdorff
Sie sind doch sonst immer so für diese Beauftragtendemokratie und auch für die Räterepublik. Ich habe damit nicht so schrecklich viel im Sinn.
Wenn es etwas dazu beitragen kann, einen gewissen Abstand zwischen der Ausübung des Vollmachtstimmrechts und der Depotverwaltung zu erreichen, wäre es gut. Ich bin strikt dafür, daß wir in Zukunft verhindern, daß sich die Banken mit den von ihnen in ihrem Depot gehaltenen Aktien ihrer Kunden selber entlasten können. Da hört es doch auf. Das muß abgeschafft werden.
Meine Damen und Herren, ich begrüße, daß die Diskussion stattfindet. Ich bin guten Mutes, daß wir, wenn wir vernünftig und mit Augenmaß auf diesem Gebiet zusammenarbeiten, etwas zur Verbesserung der Finanzplätze und des Kapitalmarktes, zur Verbesserung der Situation des Streubesitzes und auch dazu, daß deutsche Aktiengesellschaften wettbewerbsfähiger werden, daß sich deutsche Banken in den Bereichen, die wir angesprochen haben, etwas mehr zurückhalten, und daß wir insgesamt etwas Vernünftiges für den Standort Deutschland tun können.
Ich bedanke mich.