Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Partei des Demokratischen Sozialismus ist bislang durch willkürliche Anwendung der Zählverfahren die Mitarbeit im Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag versagt. Wir haben also im Unterschied zu allen anderen Parteien, deren Redner hier schon gesprochen haben, kein Insiderwissen über den dortigen Diskussionsverlauf. Wir sind auf Presseverlautbarungen angewiesen.
Wir meinen, das ist eine eklatante Benachteiligung unserer parlamentarischen Arbeit, und wenden uns ganz entschieden dagegen.
Den Ende März in diesem Hause beratenen Haushalt haben wir abgelehnt, vor allem wegen der völlig unzureichenden Signale, die von ihm für die Lösung der Zukunftsprobleme in diesem Lande, für Beschäftigung, für Wohnen, für Bildung, für Innovation und Forschung ausgehen.
Gestern am späten Abend hat uns das Ergebnis des Vermittlungsausschusses, die Beschlußempfehlung, erreicht. Sie bleibt bei den Nachbesserungen und Gegenfinanzierungsvorschlägen weithin erheblich unter dem, was wir im Haushaltsausschuß beantragt hatten. Aber die Empfehlungen gehen in die richtige Richtung.
Wir können uns Nachbesserungen, die für Wohngeldempfänger, für BAföG-Empfänger, für die Werftindustrie, für die Kulturförderung in Berlin, für den Hochschulbau vorgeschlagen werden, selbstverständlich nicht verschließen und werden daher dieser Beschlußempfehlung zustimmen, auch wenn das nichts an unserer prinzipiellen Haltung zum Haushalt ändert.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber noch folgendes mit Befremden zum Ausdruck bringen. Man konnte in den letzten Wochen den Eindruck gewinnen, die Anrufung des Vermittlungsausschusses sei eine Art Partisanenaktion, etwas Illegales. Aber die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist doch durch das Grundgesetz legitimiert.
Dies als Verzögerungstaktik, als Verschleppungsmanöver der Opposition abzuqualifizieren ist ein eigenartiges Verständnis vom Föderalismusprinzip.
Wenn bereits vor einem Vermittlungsergebnis Koalitionsabgeordnete lauthals verkünden, man werde den Änderungen am Haushalt, die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen werden, in keinem Fall zustimmen, ist das grotesk.
Herr Kollege Weng, wäre es dann nicht konsequent gewesen, Sie hätten vorgeschlagen, man solle den Vermittlungsausschuß abschaffen, wenn er ohnehin zu keinen Ergebnissen führen kann? Dann würden wir auch noch Kosten sparen!
Demokratische Spielregeln laufen in diesem Lande Gefahr, zu einer optischen Garnierung ohne substantielle Wirkung zu werden. Mehrheiten neigen offenbar zur Selbstherrlichkeit, und gerade wir aus dem Osten wissen, welche fatalen Folgen das haben kann.
- Jawohl, genau das ist es. Wir haben die Lernprozesse schon hinter uns, die Sie noch vor sich haben.
Wenn die Koalition mit ihrer Mehrheit das Ergebnis der Beratungen im Vermittlungsausschuß ablehnt, dann bleiben Forschung, Bildung, Innovation nicht nur Stiefkinder, sondern sie werden im internationalen Rahmen in die Drittrangigkeit abgedrängt.
Studium in Deutschland bedeutet inzwischen längst überfüllte Hörsäle, überlange Studienzeiten, mangelnde Betreuung, Wohnungsnot. Dies alles wird sich verschärfen. Aber der Zukunftsminister - das ist heute schon einmal angemerkt worden - schreibt auf teuren Hochglanzseiten z. B. in der April-Ausgabe der Regierungspublikation „Journal für Deutschland" salbungsvoll von neuen Kräften, die das Land braucht. Zukunft scheint aber mehr auf dem Papier stattzufinden, als in Hörsälen und Labors vorbereitet zu werden.
Stures Sparen ist doch kein Ersatz für Politik. Der Haushalt 1995 soll offenbar die Weiche sein, über die Regierung und Koalitionsfraktionen das über fünf Jahrzehnte hier gewachsene Gemeinwesen endgültig auf ein anderes Gleis schieben wollen. Wird der Ansatz für Arbeitslosenhilfe im Bundesetat nicht aufgestockt, bedeutet das letztlich nichts anderes als eine Lastenverschiebung hin zur Sozialhilfe auf Kosten der Kommunen. Bleibt es bei der Ablehnung des Bundes, sich an den Investitionskosten für Kindergartenplätze zu beteiligen, dann wird bis in den letzten Winkel dieses Landes klar, daß die von den Christdemokraten beschworene kinderfreundliche Gesellschaft eine Fata Morgana ist. An den von der Koalition angekündigten Entscheidungen zu den Wohngeldleistungen wird deutlich, daß die Abschiednahme von der Wohnung als Sozialobjekt in die Endphase geht.
Dr. Christa Luft
Wer nun angenommen hat, die Regierung hätte die letzten Wochen, in denen der Vermittlungsausschuß tätig war, genutzt, um die ärgsten Schwachstellen dieses Haushaltes anzugehen, der sieht sich hinters Licht geführt. Statt Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu ergreifen oder Beschäftigungsabnahme zu verhindern, können sich Wirtschafts- und Arbeitsminister z. B. nicht darüber einigen, wie man mit den Arbeitskräften aus den Ländern der Europäischen Union, die sich auf deutschen Baustellen zu Billigtarifen anbieten, -