Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute auch den GRÜNEN-Antrag zur Achtung von Landminen. Minen sind inhumane Waffen, und es darf keine Rechtfertigung für sie geben.
Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, hier technisch oder militärisch zu diskutieren. Ich möchte deswegen ein Erlebnis schildern.
Erinnern Sie sich an das Ende des zweiten Golfkrieges? Die irakisch-iranische Grenze ist vermint. Die Türkei setzt Minen ein, wie auch jetzt wieder angekündigt, um Flüchtlinge aus dem Irak abzuhalten, und Saddam Hussein vermint die zerstörten kurdischen Dörfer. Wir unternehmen die ersten Hilfsprogramme. Ich sitze in Penjwin, 10 km von der iranischen Grenze entfernt. Vögel singen, Kinder lachen, die Sonne scheint. Ich höre ein dumpfes Geräusch, was mir gar nicht bewußt wird, bis dieser dumpfe Knall alle fünf Minuten mit einem Schrei verbunden ist. Die Menschen, die ich frage, was das war, sind vollkommen hilflos. Sie sagen: Das sind die Minen. Unsere Familien, die zurückkommen, wissen davon nichts. Sie denken, sie gehen nach Hause, und sie laufen direkt in den Tod.
Auch wenn sie nicht in den Tod laufen, sondern nur zerstückelte Beine haben: Dort wie in vielen der 63 Länder, wo heute Minen liegen, fehlt ärztliche Hilfe. Es gibt dort keine Krankenhäuser. Es gibt keine Transportmittel. Diejenigen, die bei uns noch gerettet werden könnten, wie z. B. Soldaten, verbluten und haben ein noch schwereres Leid zu ertragen.
Das ist das Problem, auf das ich aufmerksam machen möchte, worum es uns geht. Es ist egal, ob eine Mine ein Kind, das spielen will, einen Bauern, der seine Familie ernähren will, oder einen Soldaten trifft: Diese Waffe ist inhuman, und diese Waffe muß geächtet werden.
Deswegen möchte ich den Antrag der Regierungskoalition hinterfragen. Weitgehende Einsatzbeschränkungen - was ist das eigentlich? Dahinter verbirgt sich die Legitimierung der neuen Minen, die gerade in diesem Moment entwickelt werden und die nicht durch das Exportmoratorium betroffen sind: weder die Multifunktionsminen noch die Anti-TankMinen. Eine Anti-Tank-Mine - das wissen die Verteidigung wie auch Hilfsorganisationen oder wir als Politiker ganz genau - unterscheidet nicht zwischen einem Schulbus mit 40 Kindern und einem Panzer. Eine Anti-Tank-Mine geht in die Luft.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine „guten" und keine „bösen" Minen. Allerdings trägt Deutschland führend in der Welt zur Entwicklung von neuen Minentechnologien bei. Die Industrie hat ein absolutes Interesse, diese Entwicklungen weiterzuführen, und gibt den Militärs und der Bundesregierung die Scheinargumente, nämlich eine Mine mit Selbstzerstörungsmechanismus bedeute Sicherheit, und sie könne angewandt werden. Wir wissen auch aus der praktischen Arbeit, daß das nicht richtig ist. Technik hat immer wieder eine Versagerquote, in diesem Fall eine tödliche, nämlich für die Menschen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Minen sind Bestandteil der neuen Planungen des BMVg im Rahmen der Kriseninterventionskräfte. Ein Oberstleutnant hat uns ausführlich dargelegt, daß Minen und
Angelika Beer
Minenräumungskapazitäten, die wir jedes Jahr - hier schon kritisiert - finanzieren, allein unter militärischen Gesichtspunkten entwickelt werden. Es sei ihm allerdings recht, wenn nebenbei auch ein humanitärer Nutzen dabei herauskäme. Diese Position der Bundesregierung ist für uns nicht akzeptabel, damit auch der Antrag der Bundesregierung nicht.
Ich möchte an alle appellieren, den Ruf der Hilfsorganisationen, mit denen wir unseren Antrag abgestimmt haben, ernst zu nehmen. Denn die Menschen, die in den Minenfeldern arbeiten und die Opfer versorgen, sind die Experten, nicht die Militärs, die auf den Konferenzen wieder versuchen, das Heft in die Hand zu nehmen.
Wir sind bereit, im Interesse der Menschen unter humanitären und ethischen Gesichtspunkten, mit allen Fraktionen zu reden, bis wir zu einer endgültigen Entscheidung kommen. Aber ich kann schon heute sagen, daß wir nicht der Legitimierung einer neuen, ebenso verheerenden Minengeneration grünes Licht geben können. Dem müssen wir uns verweigern. Wir werden keine Mine mitfinanzieren, sondern wir fordern die Bundesregierung auf, jeden Pfennig der UNO, den Hilfsorganisationen und den Opfern zur Verfügung zu stellen, um diesen Todeskreislauf endlich zu beenden.