Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den alten kommunalpolitischen Fuhrmann Herrn Waffenschmidt ist noch eine Antwort nötig. Nachdem Herr Schäuble den kooperativen Föderalismus beschworen hat, möchte ich auch noch ein Wort zu den Bund-LänderFinanzbeziehungen sagen.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf einer Verfassungsänderung - Sie haben zu verantworten, daß nur er heute Thema der Debatte ist und daß nur er heute einer Ablehnung anheimfällt - greift tief in die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ein. Dem ist keine Abstimmung mit den Ländern und keine Abstimmung mit den Gemeinden vorangegangen, die als repräsentativ und seriös gelten kann.
Ich erinnere daran, Herr Kollege Waigel, daß Sie sich vor einem Jahr der Bitte Ihrer Länderkollegen widersetzt haben, eine gemeinsame, die Spitzenverbände der Gemeinden und alle Länder umfassende Kommission zur Gewerbesteuerreform einzusetzen.
Seitdem hat sich Mißtrauen aufgebaut. Der Bund
darf sich deshalb über die Härte der Länder nicht
wundern. Die SPD-Bundestagsfraktion ist entschlos-
Volker Kröning
sen, die Rechte der Gemeinden und Länder in unserer Verfassungsordnung zu wahren.
Das Hauruckverfahren, das Sie wählen, ist vor allem deshalb unangemessen, weil Änderungen der Finanzverfassung zu den sensibelsten Themen der Finanzpolitik gehören.
Der Vorschlag der Regierungskoalition ist nicht so harmlos, wie er scheint. Er macht nur Sinn, wenn man die Gewerbesteuer weiter abbauen - das ist ausführlich erörtert worden - und sogar ganz abschaffen will, wie es die Koalition in zwei Stufen beabsichtigt und meines Wissens noch nicht widerrufen hat. Herr Kollege Faltlhauser hat im Finanzausschuß ausdrücklich erklärt, bei Inangriffnahme der nächsten Stufe - nämlich der gänzlichen Abschaffung der Gewerbesteuer - bedürfe es keiner weiteren Verfassungsänderung.
Was heißt das denn? Es heißt, Gemeinden und Ländern wird eine Reise in eine ungewisse Zukunft in drei Etappen zugemutet: Übergangsregelung bis 2000 ohne Kenntnis der Effekte für die einzelnen Gemeinden - darauf lege ich die Betonung -, danach Beteiligung an der Umsatzsteuer ohne berechenbaren Verteilungsschlüssel und dann - ja, was dann?
Die Gemeinden lehnen dies ab. Um den Streit darüber, was der Deutsche Städtetag, der nur einer von mehreren kommunalen Spitzenverbänden ist, die das allesamt abgelehnt haben, zu entscheiden, zitiere ich aus einer eindeutigen Quelle, nämlich aus dem Gemeindefinanzbericht 1995. Dort heißt es zwar: "Die vorgeschlagene Grundgesetzänderung ist zu begrüßen" ; das leugnen wir nicht. Aber es heißt ferner- diese Formulierung gebe ich hier zu Protokoll -:
Auch wenn angekündigt wird ..., für eine Übergangszeit einen vollen Ausgleich der Gewerbesteuerverluste sicherzustellen . . ., ist es einfach nicht vermittelbar, daß auf einen Großteil der wichtigsten Steuerquelle der Städte und Gemeinden verzichtet werden soll, ohne zu wissen, wie der Ausgleich endgültig und tatsächlich dann im Jahre 2000 aussehen wird.
Es wird Sie vielleicht ergötzen: Dies hat Herr Wimmer unterschrieben.
Dies bedeutet - ich sehe es ganz nüchtern -: Die Gemeinden wollen wohl springen, aber sie wissen nicht, ob sie das andere Ufer erreichen. Das ist auch verständlich, denn der Bund kann zur Zeit nur die Masse, die er zum Ausgleich bereitstellen will, nicht aber die Verteilung angeben. Daher, Herr Kollege Schäuble, auch die Forderung des Vertreters des Deutschen Städtetages im Rechtsausschuß, den Gemeinden Finanzierungssicherheit kurz-, mittel- und langfristig zu geben. Dies widerspricht überhaupt nicht der Äußerung von Herrn Wimmer im Finanzausschuß. Man muß nur beides zusammennehmen,
und Herr Wimmer hatte in diesem Moment - wahrscheinlich nicht ganz ohne parteipolitischen Eifer - die andere Hälfte der Stellungnahme des Deutschen Städtetages vergessen.
Was die einzelnen Gemeinden gegenwärtig nur wissen, ist, daß sie in der Übergangszeit je nach Qualität der örtlichen Konjunktur Anfang der 80er Jahre mehr oder weniger erhalten und daß dies für die nächsten Jahre festgeschrieben wird. Das kann böses Blut schaffen. Auch wenn die Basisjahre, wie im Finanzausschuß andeutungsweise gesagt worden ist, um 1993 erweitert werden könnten, erhalten damit gerade strukturschwache Regionen Steine statt Brot.
Wenn nun gesagt wird - das hat der Bundesfinanzminister eingangs bereits erklärt -, das Umsatzsteueraufkommen sorge für eine Überkompensation, dann sage ich: Schön, bloß was hat der Kämmerer in seinen Büchern, wenn er in diesem Jahr seinem Rat den Finanzplan bis 1999 vorlegen muß? Er weiß über den Spitzenausgleich, den Sie nun ergänzend in Aussicht stellen, nichts Präzises und nichts Verläßliches.
Was das andere Ende angeht, so sehen wir uns doch abschließend noch einmal die Gegenfinanzierung durch die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen an. Die Drucksache zum Jahressteuergesetz zeigt auf Seite 108 zugegebenermaßen erfreuliche Mehreinnahmen in Milliardenhöhe bis 1999. Aber alles, was in den ersten Jahren an Steuermehreinnahmen einkommt, führt am Ende der Abschreibungszeit zu Steuermindereinnahmen. Wir verlangen deshalb, meine Damen und Herren - auch das ist ein Grund dafür, daß die Sache nicht entscheidungsreif ist -, eine Betrachtung auf zehn Jahre. Wenn Sie dies verweigern, bleibt der Verdacht, daß Sie doch die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Hinterkopf haben.
Doch nicht nur das Verfahren, auch die Sache berührt die Länder. Sie haben nicht nur im Gesetzgebungsprozeß die Rechte der Gemeinden zu schützen, sondern sie haben auch die Finanzhoheit über die Gemeinden. Die Effekte, die aus der Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer resultieren, sind bisher nicht im mindesten abschätzbar. Fachleute der Bremer Finanzverwaltung - ich weiß, daß ich mich auf sie verlassen kann - sagen mir schlicht: „Die finanziellen Auswirkungen der Reform können weder auf der Ebene der einzelnen Gemeinden noch auf der Ebene der einzelnen Länder abgeschätzt werden. "
Meine Damen und Herren der Koalition, Sie muten dem Bundesgesetzgeber zu, blind etwas zu beschließen, was neue Bund-Länder-Konflikte über die Finanzverteilung hervorrufen kann. Davon haben Sie eigentlich genug. Oder nicht?
Seit der Verfassungsreform 1994 sind die Länder zumindest mit dem Bund für die Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortung der Gemeinden verantwortlich. Dies steht nun in einem Zusatz zu
Volker Kröning
Art. 28 Abs. 2 GG. Damit verträgt es sich aber nicht, und zwar weder im Verfahren noch in der Sache, daß Sie den Druck auf den kommunalen Finanzausgleich erhöhen, wenn und soweit die Gemeinden die erhoffte Kompensation nicht erhalten.
Doch schwerer wiegt, daß Sie die Gemeinden unter dem Vorwand, Ihnen auf der Einnahmenseite zu helfen, auf der Ausgabenseite im Stich lassen. Einer der Vertreter der kommunalen Verbände hat im Rechtsausschuß unmißverständlich erklärt - ich darf noch einmal und zuletzt zitieren -:
Die Frage einer sachgerechten Einnahmeverteilung kann man nur beurteilen, wenn man hinreichend Verständigung über eine richtige Lastenverteilung im Grundgesetz erzielt hat. Das Thema des Art. 104 Abs. 3 umfaßt ... auch die Fremdbestimmung des kommunalen Bereichs durch Bundesgesetze.
Darauf hat der Ministerpräsident Lafontaine im Vorfeld dieser Debatte zu Recht nachdrücklich hingewiesen.
Das gibt die Stimmung bei den Gemeinden wieder. Wir Sozialdemokraten verwechseln wahrhaftig kommunale Selbstverwaltung und Föderalismus nicht, aber wir nehmen die Gemeinden so ernst, daß wir ihre Einnahmeentwicklung an ihrer Ausgabenentwicklung und an den ihnen vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben und deren Erfüllung messen wollen. Ich frage mich, warum Sie das verweigern. Ich frage das nicht zuletzt die F.D.P.
Sie haben, Herr Dr. Schäuble, mit Pathos die Gewerbesteuerreform mit der Standortdebatte verknüpft. Doch was muten Sie den Gemeinden und den Regionen der Bundesrepublik zu? Nach Art. 109 Abs. 2 GG tragen die Länder mit ihrer Haushaltswirtschaft - ihnen fehlt weithin das wirtschaftspolitische Instrumentarium - Mitverantwortung für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht.
Wie sollen Sie das leisten, wenn der Bundesgesetzgeber Ihnen einen Torso hinstellt, wenn er seiner Gesamtverantwortung nicht gerecht wird? Die gleichzeitige und gleichgewichtige Unternehmensteuer- und Gemeindefinanzreform, die Sie Ihrer Fraktion und der Öffentlichkeit noch vor Weihnachten versprochen haben, ist eine Phrase. Deshalb stimmen wir der Grundgesetzänderung hier und heute und unter diesen Prämissen nicht zu.