Rede von
Oskar
Lafontaine
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst eine Vorbemerkung zu den Schlußbemerkungen des Kollegen Schäuble. Ich bin jetzt über zehn Jahre im Amt des Ministerpräsidenten.
- Viel zu lange aus Ihrer Sicht. Aber darüber entscheidet die Bevölkerung. Sie hat nun einmal so entschieden. Sie haben das zu respektieren.
Ich habe in dieser Funktion an vielen offiziellen Staatsakten der Bundesrepublik teilgenommen und mich selbstverständlich immer wieder bemüht, mitzuhelfen, daß wir möglichst komplett vertreten waren. Ich erinnere mich an die Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit bei uns an der Saar. Da fehlten eine Reihe von Kollegen, auch aus den neuen Bundesländern. Ich habe aber Verständnis dafür gehabt, daß andere Terminverpflichtungen sie von einer Teilnahme abgehalten haben. Was Sie hier gemacht haben, Herr Kollege Schäuble, war schlicht und einfach kleinkariert und unter jeglichem Niveau. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.
Dies bezieht sich leider nicht nur auf die juristischen Finessen, die Sie immer wieder in elegante Formulierungen zu kleiden versuchen; es bezieht sich auch auf Ihren Sachvortrag. Sie haben an uns appelliert, wir sollten auf den Sachverstand hören. Schauen Sie sich die Dinge genauer an und hören Sie auf die Leute, die etwas davon verstehen. Ich will Ihnen zwei Zitate vortragen:
Kleine und mittlere Betriebe, die bislang von den Freibeträgen bei der Gewerbesteuer profitiert haben, müssen nach den Plänen Waigels künftig deutliche Einbußen in Kauf nehmen. Offensicht-
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
lich hat sich die Bundesregierung mit ihrem Steuerkonzept einseitig an den Interessen der multinationalen Konzerne orientiert und nicht an den Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen.
Dieses Zitat stammt vom Bundesvorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Klaus Bregger.
Sie mögen selber beurteilen, ob diejenigen, die in Ihrer Partei Mittelstandspolitik zu verantworten haben, von der Sache etwas verstehen oder nicht.
Da Sie sicherlich auch aus unseren Reihen Zitate bringen können - das haben Sie auch getan -, die nicht unbedingt mit der Mehrheitsmeinung übereinstimmen - das hat man immer -, zitiere ich eine andere Einrichtung, die mir sogar wichtiger ist:
Mit der sogenannten dritten Stufe der Reform der Unternehmensbesteuerung will die Bundesregierung zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland beitragen. Diese Reform sieht unter anderem vor, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird sowie die Gewerbeertragsteuer gesenkt und zur Gegenfinanzierung die degressive Abschreibung auf bewegliche Wirtschaftsgüter herabgesetzt wird. Hierdurch wird die hohe Belastung der Großunternehmen mit Substanzsteuern zwar vermindert, doch werden die Unternehmen insgesamt durch die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen nach einer geringen Entlastung im kommenden Jahr in der mittleren Frist um bis zu 5 Milliarden DM pro Jahr schlechtergestellt werden. Effektiv stärker belastet werden die investierenden Unternehmen, insbesondere die des Mittelstandes. Deshalb dürfte die Sachkapitalbildung gedämpft werden.
So der Sachverständigenrat. Und Sie wollen uns hier ernsthaft erklären, Ihr Vorhaben diene der Förderung der Investitionen und der Stärkung des Standortes Deutschland. Sie haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, meine Damen und Herren!
Es ist ja nicht nur so, daß Ihre Steuerpolitik vom gesamten Sachverstand verrissen worden ist. Es ist auch so, daß Ihre Steuerpolitik, was die Förderung der Unternehmen angeht, mehr und mehr auf völliges Unverständnis in der Wirtschaft stößt. Herr Kollege Schäuble, die Bilanz hinsichtlich der Entwicklung der deutschen Wirtschaft, die Sie vorgetragen haben, wobei insbesondere der Export Motor der bisherigen Entwicklung war, ist richtig. Aber diese Erholung ist trotz dieser Bundesregierung zustande
gekommen und nicht wegen dieser Bundesregierung.