Rede von
Lieselott
Blunck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Herr Schütze, es ist schon abenteuerlich, was Sie hier für einen Redebeitrag geliefert haben. Ich denke, diese Anhörung ist dringend notwendig. Es gilt wirklich, für viele Dinge Nachhilfe zu geben, aber in einem Punkt gebe ich Ihnen ja recht. Ich finde es prima, daß Sie angeführt haben, Herr Clement aus Nordrhein-Westfalen habe noch einmal bestätigt, daß sich diese gesetzlichen Regelungen bei den Sparkassen bewährt haben. Ich finde es allerdings irgendwie merkwürdig, daß Sie dann zu dem Schluß kommen, daß die Sparkassen in dieser schlechten Wettbewerbssituation belassen werden sollen. Das ist doch wirklich geradezu eine Vorlage, dieses gesetzliche Vorhaben für die Sparkassen auf alle Kreditinstitute auszuweiten,
damit die Sparkassen gleiche Wettbewerbsbedingungen haben. Ich denke, das ist im Sinne jedes Kommunalpolitikers und vor allen Dingen im Sinne jedes Bürgers und jeder Bürgerin.
Lilo Blunck
Aller guten Dinge sind drei, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dieses geflügelte Wort paßt zu der unendlichen Geschichte des Antrages „Privatgirokonto", denn wir verhandeln diesen Antrag wirklich das dritte Mal, jetzt allerdings in einer erneuerten und aktualisierten Form.
Schon in der 11. und 12. Legislaturperiode fand sich bei Ihnen von der Regierungskoalition leider keine Mehrheit, die sich für mehr Rechte und den Schutz privater Bankkunden einsetzte. Aber dieses Mal habe ich große Hoffnung, denn diese Wahlperiode trägt ja die Glückszahl 13, dieses Mal werden wir mit unserer Forderung nach gesetzgeberischem Handeln sicher erfolgreich sein.
Auch die Regierungsparteien haben doch wohl seit unserer letzten Debatte zum Privatgirokonto im Jahr 1992 dazugelernt. Die Fraktionen bestehen ja nicht nur aus Neulingen. Ich habe da doch noch eine Hoffnung.
Es kann nämlich nicht angehen, daß nur wir als Oppositionsparteien die Schreiben mit den Hilferufen von Bankgeschädigten bekommen. Läßt es uns nicht alle aufhorchen, wenn die privaten Banken gerade in den letzten Tagen „freiwillig" zusätzlich zu Herrn Dr. Parsch mit Herrn Bundschuh einen zweiten Ombudsmann benennen? - Das läßt doch nur den Schluß zu, es gibt eine ganze Menge von Konflikten zwischen den Banken und ihren Kunden.
Aber werden jetzt die Kontoinhaber von ihren Banken erstens darauf hingewiesen, daß es die Möglichkeit gibt, diesen Ombudsmann anzurufen, und werden sie zweitens darauf hingewiesen, daß diese Schlichtungssprüche bis zu einer Höhe von 10 000 DM für die Banken auch wirklich bindend sind? - Nein, denn es fehlt wirklich jeder dringend notwendige gesetzliche Druck.
Nicht nur daraus folgern wir: Es bedarf einer umfangreichen Gesetzgebung zum Schutze des Privatgirokontos, und das heute mehr denn je.
Auch im Verhältnis zwischen Kunde und Bank werden die Auswirkungen der Zweiklassengesellschaft immer deutlicher und immer gravierender. Das ist etwas, was diese Bundesregierung - das sage ich hier als sehr bittere Bemerkung - nicht nur billigend in Kauf nimmt; sie fördert es eher.
Machen Sie sich nichts vor: Die Leute, die in die Verschuldungsproblematik hineinrutschen, sind Leute, die auf Grund von Arbeitslosigkeit, auf Grund von Krankheit oder auf Grund von Trennung in den Schuldturm geraten. Insofern ist das keine Diskussion über die Verschuldung einzelner Individualisten.
Da gibt es jetzt Menschen mit Kredit, im wahrsten Wortsinne, nämlich diejenigen, die ein Girokonto haben, aber leider immer mehr Leute, denen ein Konto verwehrt oder denen es gar gekündigt wird - mit den wirklich sattsam bekannten Folgen für den einzelnen, aber auch mit den sattsam bekannten Folgen für die Kommunen, die nämlich Millionenbeträge allein für die Postbaranweisungen für Sozialhilfeleistungen aufbringen müssen.
Wir merken es alltäglich selbst: Bedingung für die reibungslose Teilhabe am ganz alltäglichen Leben ist das Konto. Ganz deutlich wird das beim Lohn- und Gehaltskonto; denn wenn das Einstellungsgespräch mit dem Arbeitsuchenden aufdeckt, daß für den zukünftigen Lohn keine Bankverbindung angegeben werden kann, ziehen potentielle Arbeitgeber oft ihr Arbeitsangebot zurück. So wird auf diese Weise das polizeiliche Führungszeugnis sicherlich bald überflüssig sein. Als Ersatz gilt dann das fehlende Gehaltskonto.
Kreditinstitute haben die Macht. Marktwirtschaft findet nicht statt. Es geht dem Kreditinstitut nicht darum, das Beste für den Konsumenten zu sein, sondern allenfalls der erste und einzige Anbieter eines bestimmten Produkts. Im übrigen hat das bei einer Bank-und-Macht-Anhörung ein Banker - wenn ich mich nicht ganz irre, war er von der Commerzbank - selber gesagt: Es geht genau darum, der erste Anbieter zu sein.
Das Massengeschäft halten die Banken im Augenblick für Peanuts, aber sie werden sich noch sehr wundem.
Bankenzusammenbrüche wie unlängst der der Londoner Barings Bank als Folge fehlgeschlagener Derivatgeschäfte füllen Schlagzeilen. Aber zusammengebrochene Banken werden irgendwie wieder aufgefangen. Wer interessiert sich für die „zusammengebrochenen" privaten Bankkunden? Wer fängt die „zusammengebrochenen" privaten Bankkunden auf? Es ist doch wohl unsere Pflicht, uns dieser ganz individuellen Ohnmacht von Kunden gegenüber Banken anzunehmen, denn diesen Menschen haben wir alle hier im Hause unser Mandat zu verdanken.
Gegenüber Kreditinstituten gibt es eine Ohnmacht, und diese Ohnmacht betrifft nicht nur Menschen ohne Konto. Es geht leider viel weiter; denn für Kontoinhaber gilt die sogenannte Wohlverhaltenspflicht. Das Kreditinstitut hat nach wie vor das Recht, ohne jede Angabe von Gründen das Konto zu kündigen mit zum Teil wirklich dramatischen Folgen für den Kunden.
Wir fordern den rechtlichen und faktischen Kündigungsschutz für das Bankkonto. Keine Geschäfte mit meinen Daten als Bankkunde! Auch für Banken muß selbstverständlich der Pfändungsschutz von Arbeits- und Sozialeinkommen gelten, und zwar in der Praxis, nicht nur in der Theorie. Der Selbstbedienungsmentalität der Institute muß ein Riegel vorgeschoben werden. Auch Banken sollten sich nicht zu schade sein, einen Pfändungsbeschluß zu erwirken.
Marktwirtschaft funktioniert nur mit einem informierten Kunden. Warum fürchten die Banken eigentlich die Transparenz, die Kostenvergleichbarkeit, klare und eindeutige Begriffe? Man sollte doch meinen, sie hätten nichts zu verbergen.
Lilo Blunck
Meine Damen und Herren, die Allmacht von Banken zeigt sich in immer raffinierteren Schlupflöchern. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes dürfen keine Gebühren für bare Ein- und Auszahlungen auf privaten Girokonten erhoben werden. Was machen die Kreditinstitute? Sie berechnen einfach Buchungspostengebühren. Erneut muß ein Gericht entscheiden. Laut Amtsgericht Krefeld dürfen auch diese in Buchungsposten versteckten Gebühren für Bareinzahlungen und Barabhebungen auf Lohn- und Gehaltskonten nicht erhoben werden.
Erlauben Sie mir nun wirklich zwei ganz klitzekleine Fragen am Rande. Wo war denn hier das vielgepriesene Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen? Werden die Banken ihre Kunden über diese Rechtsprechung informieren und gar die zuviel berechneten Buchungspostengebühren erstatten? Ich wette, daß das nicht passieren wird.
Um der Marktwirtschaft willen: Bankenübermacht muß gestoppt werden - dabei liegt die Betonung auf „Bankenübermacht". Das heißt: Verbrauchermacht muß gestärkt werden.
In diesem Sinne wünsche ich eine gute Beratung der Gesetzentwürfe und des Antrags, hoffentlich mit einem positiven Ergebnis.