Rede von
Bernd
Scheelen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Willner, ich war - das werden Sie wissen - bei der Anhörung dabei. Mir ist sehr gut in Erinnerung, daß die Frage, die Sie jetzt für sich beanspruchen, von Ihrem Kollegen Hauser gestellt worden ist.
- Moment, lassen Sie mich das noch fortführen. Ich wäre ohnehin darauf gekommen, kann das aber gern vorziehen. Ich habe Ihnen, weil ich diese Zwischenfrage von Ihnen schon vorausgeahnt habe, einmal etwas mitgebracht. Sie sehen das Papier hier. Da steht: „Keine Experimente mit der Gewerbesteuer! " Sie sehen auch den Verfasser: Sigmund Wimmer.
Das ist die Einleitung zum Jahresfinanzbericht, Ausgabe März 1995. Also, das, was Herr Wimmer im Doppelpaßspiel mit Herrn Hauser gemacht hat, war geschickt eingefädelt. Es war direkt zu Beginn der Anhörung. Herr Hauser hat ja nur die Frage gestellt, wie denn der Städte- und Gemeindebund in Gestalt von Herrn Wimmer die Grundgesetzänderung beurteilt. Damit ist nicht widerlegt - das hat Herr Wimmer hinterher bestätigt -, daß völlig klar ist, daß zum 1. Januar 1996 eine Änderung überhaupt nicht in Kraft treten kann, weil die Zahlen nicht vorliegen. Das ist auch die Meinung des Städtetages. Ich komme gleich noch darauf zurück. Der Städtetag hat nach den Ausführungen von Herrn Wimmer Ihnen und uns allen noch eine Stellungnahme zukommen lassen. Ich werde gleich noch darauf zurückkommen.
Diese Haltung, daß erst Modellrechnungen vorliegen müssen und dann entschieden werden kann, teilen auch andere Experten, die sagen, eine solche Festlegung von Verteilungsschlüsseln müsse sinnvollerweise am Anfang eines Prozesses stehen und nicht am Ende.
Wie gesagt, wenn Sie glauben, sich auf den Städtetag berufen zu können, dann ist, glaube ich, nach der Erklärung des Städtetages vom Dienstag - diese Presseerklärung müßten eigentlich auch Sie haben; das ist ja eine Reaktion auf das, was Herr Wimmer unabgestimmt in der Anhörung von sich gegeben hat - doch nun völlig klar, was der Städtetag will. Er sagt erstens, daß eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zum 1. Januar 1996 und eine Absenkung der Gewerbekapitalsteuer in Verbindung mit einer Übergangsregelung, die den endgültigen Ausgleich nicht festlege, überhaupt nicht verhandelbar sei.
Er appelliert eindringlich an alle Verantwortlichen - jetzt zitiere ich noch einmal aus dieser Pressemitteilung -, daß „auf jeden Fall vorherige gemeindescharfe Modellrechnungen und Ausgleichsregelungen unverzichtbar" seien. Ich glaube, damit ist die Meinung des Städtetages nun eindeutig festgeklopft.
Daß diese Ansicht von den Städten und Gemeinden selbst geteilt wird, müßten Sie, Herr Kollege Wimmer, doch auch wissen. Uns ist doch eine Vielzahl von Resolutionen deutscher Städte und Gemeinden zugegangen. Städte wie Essen, Wuppertal, Flensburg und eine Reihe anderer sowie Kreise wie Helmstedt und der Märkische Kreis wenden sich doch vehement gegen Ihre Pläne.
Ich darf vielleicht aus der Resolution einer Großstadt zitieren. Da wird gesagt:
Es wird davor gewarnt, die Gewerbesteuer vorab ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept weiter zu demontieren. Deshalb wird die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer strikt abgelehnt.
Es handelt sich hier um die Stadt Krefeld, die im Deutschen Bundestag vertreten zu dürfen ich die Ehre habe. Es wird Sie besonders interessieren, daß die Stadt Krefeld mit einer absoluten CDU-Mehrheit regiert wird und daß es sich um eine einstimmig an-
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 35, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Mai 1995 2797
Bernd Scheelen
genommene Resolution vom Dezember letzten Jahres handelt. Der Oberbürgermeister unserer Stadt ist Mitglied Ihrer Fraktion. Es ist der Kollege Pützhofen. Ich bin sehr gespannt, wie er morgen abstimmen wird.
Auch die Kämmerer aus den großen Städten können sich Ihrer Vorstellung überhaupt nicht anschließen. Wir haben parallel zu der Anhörung, die der Bundestag durchgeführt hat, eine Anhörung von Kämmerern durchgeführt. Sie haben ganz deutlich gesagt, daß sie überhaupt keine Lust haben, an einem Roulettespiel teilzunehmen, bei dem zwar der Einsatz bekannt ist, aber die Verlust- und die Gewinnchancen völlig im dunkeln liegen.
Auch die Kämmerer fürchten den Einstieg in den Ausstieg aus der Gewerbesteuer. Diese Furcht ist mehr als berechtigt. Dazu genügt ein Blick in Ihre Koalitionsvereinbarung. Da haben Sie ja die Abschaffung der Gewerbesteuer in Gänze festgeschrieben. Ich sage Ihnen: Diese Pläne sind gemeindefeindlich, und wir Sozialdemokraten werden sie nicht mitmachen.
Es kann allerdings sein, daß die Bundesregierung das alles gar nicht so ganz ernst meint. Dafür gibt es zwei Indizien. Das erste Indiz dafür ist das Datum der Koalitionsvereinbarung. Der 11. November, das wissen wir, ist im rheinischen Karneval ein wichtiger Tag.
- Herr Faltlhauser, haben Sie denn in Bayern keinen Karneval?
Dann ziehen Sie doch hierher und erleben es mit. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Sekunde.
Herr Faltlhauser, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Zurufe von der Regierungsbank nicht gestattet sind.