Rede von
Siegfried
Scheffler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Kollege Schmidt, Sie verwenden Gutachten, die die Entwicklungslinien der nationalen und der internationalen Fluglinien in einen Topf werfen. Mir liegen Unterlagen vor, die natürlich von Prognosezahlen für den internationalen Flugverkehr ausgehen, nicht von den 6 Millionen Fluggästen, die wir im nationalen Rahmen zukünftig erwarten. Ich berufe mich auf die Prognosezahlen für den internationalen Flugverkehr.
Dabei stellt der untere angenommene Wert, der nahezu eine Verdoppelung des heutigen Aufkommens innerhalb von 16 Jahren bedeutet, eine durchaus realistische Größe dar.
Im übrigen ist nicht plausibel, warum Kapazitätserweiterungsmaßnahmen, die von anderen deutschen Verkehrsflughäfen bereits realisiert wurden bzw. sich im Planungsstadium befinden und von Ihnen für Schönefeld in Kauf genommen werden, legal sind, für einen notwendigen neuen Standort aber ein solches Erfordernis bestritten wird.
Sie wissen auch, daß die deutlich verbesserte Schienenanbindung Berlins in der Bedarfsprognose natürlich Berücksichtigung gefunden hat.
Die in den Anträgen unterstellte Veränderung der steuer- und verkehrspolitischen Rahmenbedingungen für den Luftverkehr bis zum Jahr 2000 muß in der in den Anträgen dargestellten Form als illusorisch gelten. Hierzu bedarf es der Veränderung einer weltweit üblichen und teilweise durch entsprechende internationale Vereinbarungen gestützten Praxis. Ein nationaler Alleingang der derzeitigen Bundesregierung, die natürlich als wichtigste Aufgabe die längerfristige Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland ansieht, erscheint in dieser Frage als sehr unwahrscheinlich, da ansonsten nur der Luftverkehr in Deutschland sowie die deutschen Flughäfen von entsprechenden Mehrbelastungen betroffen würden.
Flughäfen mit Drehkreuzfunktion sind mehr als nur internationale Verkehrsknotenpunkte. Über die grundlegende Funktion hinaus, die notwendige Infrastruktur und Dienstleistungen für die Luftverkehrs- und Reiseverkehrswirtschaft bereitzustellen, tragen Flughäfen ganz entscheidend dazu bei, eine Wirtschaftsregion zu beleben und zu entwickeln, wie es hier schon dargestellt wurde. Für die Unternehmen in Berlin und Brandenburg wird der neue Flughafen deshalb von größter strategischer Bedeutung sein, um die internationalen Marktchancen in Osteuropa und in Asien optimal zu nutzen. Er wird eine zentrale Rolle im Wirtschaftsleben der Region Berlin/ Brandenburg einnehmen.
Weiterhin sind sie Ausgangspunkt für Warenverteilung und deren Austausch auf den Weltmärkten, von denen die heimische Wirtschaft profitiert. Der Zugang zu den Märkten in den Ländern Osteuropas und Asiens setzt aber voraus, daß diese Wirtschaftsregionen ein hohes Maß an Endbestimmungsorten mit ausreichenden Frequenzen aufweisen. Das bietet die angesprochene Region.
Zu beachten ist auch, daß ein 24-Stunden-Dienst an den derzeitigen Standorten in Berlin nicht durchsetzbar ist. Ein solcher Dienst ist aber für das reibungslose Funktionieren des Luftfrachtgeschäftes Voraussetzung, da es ansonsten zu Verdrängungseffekten kommt. Auf Grund der Nachtflugeinschränkung am Flughafen München ist z. B. eine verstärkte Verlagerung von Luftfrachtaktivitäten hin zum Flughafen Nürnberg zu beobachten. Die Belastungen dort werden unerträglich.
Eine Konzentration des Flugverkehrs in und direkt um Berlin wird diesen Problemen schon aus ökologischen Gründen nicht gerecht. Ich möchte daher auf einen möglichen Standort eingehen: Nach Abschluß des Raumordnungsverfahrens bietet der Standort Sperenberg laut Gutachten gute Voraussetzungen für einen Flughafen Berlin/Brandenburg International, der langfristig den Standort der Region technologisch, wirtschaftlich, aber auch ökologisch sichern und mittelfristig einen wesentlichen Impuls für die wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Entwicklung der Region darstellen würde.
Folgende Faktoren kommen hinzu: Verknüpfung des neuen Flughafens mit dem transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsnetz der Eisenbahn, ParisHalle/Leipzig-Berlin-Warschau-Moskau, Kompatibilität mit dem Eisenbahnkonzept für den zentralen Bereich Berlins, der Bau eines europäischen Logistikzentrums bzw. eines Transglobalfrachtsystems, bessere Entwicklungsmöglichkeiten entsprechend raumordnerischen Vorstellungen Berlin/Brandenburgs so-
Siegfried Scheffler
wie natürlich geringste Planungs- und Genehmigungsrisiken und - das ist Voraussetzung; das wollen wir alle und streben wir an - betriebswirtschaftlich günstige Voraussetzungen für eine weitgehende privatwirtschaftliche Finanzierung des Flughafens.
Kurz: Die Summe von Standortfaktoren ist ausschlaggebend dafür, daß der neue internationale Verkehrsflughafen zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor in der strukturschwachen und von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Region wird - ich nenne nur die Entwicklungszentren Zossen, Luckenwalde und Jüterbog.
Auch müssen die geringeren Kosten für Umsiedlung, z. B. 330 Millionen DM in Schönefeld, Lärmschutz, 60 bis 80 Millionen DM, und Flächenerwerb, 809 Millionen DM in Schönefeld, bei selbstverständlicher Gegenüberstellung der Kosten für Verkehrsinfrastruktur Beachtung finden, ohne daß wir heute schon sagen können, was vom Bund, von den Ländern oder privat finanziert wird.
Nicht unerheblich ist natürlich, daß der Flughafen zu einem idealen Verbindungselement zwischen Berlin und Brandenburg wird. Das muß ich als Berliner ausdrücklich sagen.
Unabhängig vom Standort wird es möglich sein, die notwendigen Flughafenkapazitäten zu schaffen, die im nächsten Jahrhundert gebraucht werden, damit Deutschland auch in Zukunft als Standort im internationalen Luftverkehr wettbewerbsfähig bleibt und gleichzeitig ein von Fluglärm unbeschadetes Wohnen und Leben in und um Berlin gesichert ist.