Rede von
Dietmar
Schütz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Lippold, Sie waren nicht nur beschränkt in Ihrer Zeit, sondern Sie waren auch dreist mit dem, was Sie hier gesagt haben.
Ich halte es wirklich für dreist, den Ländern vorzuwerfen, sie machten vielfache Vorschläge. Wir diskutieren heute einen Vorschlag der SPD, einen Vorschlag der PDS und einen Vorschlag der GRÜNEN, und wir diskutieren keinen Vorschlag von Ihnen. Was Sie hier gesagt haben, war nichts. Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht.
Ich will Ihnen auch ganz ehrlich sagen, was ich gerne getan hätte. Ich hätte heute gerne über einen detaillierten Gesetzentwurf der Bundesregierung gesprochen und dazu Stellung genommen, aber auch so etwas liegt mir nicht vor. Es liegen seit fünf Jahren Ankündigungen vor, aber ein Vorschlag der Bundesregierung liegt nicht vor.
Was uns vorliegt, ist eine Bundesratsinitiative für eine Ermächtigungsgrundlage im Bundes-Immissionsschutzgesetz, mit der die Länder die Initiative übernommen haben, weil sich eben die Bundesregierung seit Jahren verweigert hat. Ich begrüße diese Initiative.
Ich will dabei den Streit nicht vertiefen, ob wir eine Ermächtigungsgrundlage im Bundes-Immissionsschutzgesetz benötigen, um darauf eine Sommersmogverordnung zu stützen, wie das bei vielen Gesetzen geschieht, oder ob wir eine vollständige Gesetzesnovelle brauchen, wie es die Bundesregierung sagt.
Nach meinen Informationen hatte Frau Merkel selber Anfang vorigen Jahres die Vorlage einer Sommersmogverordnung versprochen, und wenn ich den Berichterstattern Glauben schenken soll, hat sie mit dem Blick auf die heute beginnende Umweltministerkonferenz einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir Abgeordneten in diesem Deutschen Bundestag kennen das überhaupt noch nicht, wohl aber wissen Presseorgane darüber Bescheid.
Wie geht man mit uns um? - Das ist bereits das zweite Mal. Voriges Mal habe ich es zum Öko-Audit bemängelt, und ich will das wieder bemängeln. So können wir in diesem Hause nicht diskutieren.
Meine Kolleginnnen und Kollegen, meine Skepsis wächst auch, wenn just an diesem Wochenende, an dem wir den Smogalarm schon in den beiden Großbundesländern Niedersachsen und Hessen und auch in Hamburg und Bremen hatten, von den Kollegen Rieder und Lippold gesagt wird, wir bräuchten die Instrumente wie Tempolimit oder auch partielle Fahrverbote gar nicht; das sei sinnloser Aktionismus, sagen Sie, Herr Rieder, und das sagen Sie schon seit fünf Jahren.
Dietmar Schütz
Die falsche Parole „Freie Fahrt für freie Bürger" wird von vielen munter weiter verbreitet. Nach den mir jetzt bekanntgewordenen Ozonschwellenwerten für die Alarmauslösung der Bundesregierung von 240 oder sogar 300 Mikrogramm ist man versucht, zynisch zu sagen: Kinder und alte Menschen sollen bei hohen Ozonwerten in den Wohnungen bleiben, damit Autos ungehindert weiter fahren können. Das kann doch nicht der Weg sein; das dürfen wir nicht zulassen.
In den letzten Jahren haben einzelne SPD-geführte Bundesländer mit eigenen sogenannten Vorläuferverordnungen Initiativen zur Bekämpfung des Sommersmogs ergriffen - Vorläuferverordnungen deshalb, weil sie auf die Erledigung der Hausarbeiten durch die Bundesregierung vertrauten. Im Ergebnis haben sie dabei das Handlungsdefizit der Bundesregierung offengelegt und Wege gewiesen, wie wir bei den Ozonreduzierungen vorgehen können. Diese Aktionen haben aber auch gleichzeitig gezeigt, daß die Länder alleine nicht in der Lage sind, wirksam zu reagieren, weil wir großflächig und mit dem Bund abgestimmt vorgehen müssen. An dieser Stelle besteht ja Gott sei Dank Einigkeit in diesem Hause.
Wir haben als Bundestagsfraktion unsere Positionen und Forderungen in einem Antrag „Eckpunkte zur Bekämpfung umwelt- und gesundheitsgefährdender bodennaher Ozonkonzentration" formuliert, die wir auf die Diskussionsergebnisse der Länder und die wissenschaftliche Begleitung vor allem durch die Prognos-AG und auch das ifen gestützt haben.
Worum geht es im einzelnen? Die Ozonkonzentration ist insgesamt zu hoch; das wissen wir. Die mittlere Konzentration ist heute fünfmal höher als vor 100 Jahren. Spitzenwerte von über 300 Mikrogramm, wie wir sie im letzten Jahr im Sommer hatten, galten noch vor 20 Jahren als Horrorszenario.
Es gibt keinen Streit mehr darüber, daß hohe Ozonkonzentrationen die Gesundheit der Menschen und die Umwelt schädigen. Ozon ist ein Reizgas und ein Lungengift, das auch in niedriger Konzentration besonders Kinder, Allergiker und ältere Menschen belastet. Ozon schadet neben den Menschen übrigens auch den Pflanzen und trägt zur genetischen Krise in den Wäldern und bei den Pflanzen bei.
Es ist unstrittig, daß die Emissionen aus dem Autoverkehr die Hauptverursacher für den Sommersmog sind. Darüber streiten wir hier nicht. Die Vorläufersubstanzen des Ozons stammen zum großen Teil aus dem Pkw- und Lkw-Verkehr. Über 40 % der flüchtigen organischen Verbindungen und 57 % der Stickoxide kommen aus den Auspuffrohren. Im Verkehrssektor muß deshalb primär angesetzt werden, wenn wir über die Maßnahmen zur Bekämpfung des Sommersmogs sprechen.
Eines will ich aber klar sagen: Wir wissen, daß eine Sommersmogverordnung nur eine „Krücke" darstellt. Sie ist gewissermaßen nur ein „end of pipe treatment". Entscheidend ist, daß wir unsere gesamte Verkehrspolitik neu - d. h. menschen- und umweltverträglicher - organisieren müssen. Wir brauchen eine neue Verkehrspolitik.