Frau Kollegin Odendahl, hätten Sie eine Sekunde gewartet, wären wir schon an dem Punkt gewesen, weil ich jetzt darauf eingehen werde.
Ich konstatiere durchaus, daß die monatlichen Einnahmen zum Teil auf kontinuierliche Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind. Das „Jobben" findet heute längst nicht mehr nur in vorlesungsfreien Zeiten statt, sondern ebensohäufig auch während des Semesters. Aber - nun komme ich zum Kollegen Braune, der das vorhin schon angemerkt hat - aus der Sozialerhebung geht durchaus hervor - das wissen Sie auch -, daß die Erwerbstätigkeit in erster Linie aufgenommen wird, um einen höheren Lebensstandard zu sichern, was ich für völlig legitim halte. Die Erwerbstätigkeit aus ökonomischer Notwendigkeit steht nach der Sozialerhebung nachrangig an zweiter Stelle.
Es ist hier nun wirklich nicht meine Aufgabe, mein Leben darzulegen, Herr Kollege Braune. Aber da es Sie so sehr zu interessieren scheint, möchte ich Ihnen sagen: Ich habe mit BAföG, mit einer Volldarlehensregelung studiert, zu einer Zeit, als Sie, die Opposition, auf die Barrikaden gingen und sagten „Das ist
Parl. Staatssekretärin Cornelia Yzer
alles nicht mehr erträglich", die Studenten zum Streik aufriefen, jedenfalls durch die Hochschulgruppen. Ich weiß also, was es heißt, auch Nebentätigkeiten nachzugehen. Ich weiß, was es heißt, die Studienzeit dennoch kurz zu halten. Weil ich es aus eigener Erfahrung weiß, meine ich, hier dezidiert sagen zu können, was anderen zumutbar ist.
Tatsache ist auch, daß die Gefördertenquote in der Tat gesunken ist, weil die Einkommen der Eltern gestiegen sind. Das gilt erfreulicherweise auch für die neuen Länder. Es verwundert mich schon, wenn angesichts dieser Fakten das Absinken der Gefördertenquote beklagt wird, statt positiv zu werten, daß Menschen auf eigene Leistungskraft bauen können, anstatt auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein.
Was die Bildungsbeteiligung anbelangt, möchte ich darauf hinweisen: Es gibt eben keinen statistisch belegbaren Indikator dafür, daß die Entwicklung der Bildungsbeteiligung der verschiedenen Schichten mit Veränderungen des Ausbildungsförderungsrechts der letzten Jahre zusammenhängt. Denn die Bildungsbeteiligung der Kinder aus Arbeiterfamilien ist zur Zeit so hoch wie nie zuvor. Sie stieg im Zeitraum von 1985 bis 1993, dem Erhebungszeitraum der Vorstudie, von 6,9 auf 15,1 %. Ich kann an dieser Stelle nur versichern: Die Bundesregierung wird dafür einstehen, daß die Rahmenbedingungen für das Studium stimmen. Daß dies unter dem Strich so ist, hat gerade die Sozialerhebung belegt.
Immer wieder werden die studentischen Ausgaben mit der BAföG-Höchstförderung verglichen. Das zeigt allerdings nur die halbe Wahrheit; denn man darf weder das Kindergeld noch den Kindergeldzuschlag für Familien unterer Einkommensgruppen außer acht lassen. Dann wird nach den Verbesserungen, die das 17. BAföG-Änderungsgesetz bringt, eine Summe von 1 125 DM in den alten Ländern und 1 115 DM in den neuen Ländern erreicht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zum Studienstandsnachweis - er wurde auch heute immer wieder thematisiert - machen. Die Diskussion, wie sie von der Opposition geführt wurde, geht an der Realität vorbei. Sie sprechen von „Leistungsnachweis", obwohl Sie wissen, daß es keiner sein soll. Wir wollen einen Studienstandsnachweis installieren, den die Ausbildungsstätten nach eigenen Kriterien entwickeln müssen. Am Ende des zweiten Semesters sollen sie gemeinsam mit den Studenten nachsehen - ich sage hier bewußt nicht „nachprüfen" -, ob die in üblicher Form geforderte Befassung der Studierenden mit dem Studiengegenstand erfolgt ist.
Daß damit eine intensive Studienberatung durch die Hochschulen einhergehen muß, auch um Orientierungshilfe für die Studenten zu geben, ist eine Selbstverständlichkeit.
Deshalb wollen wir diesen ersten Ansatz, den wir entwickelt haben, nicht auf die BAföG-Bezieher verengen. Vielmehr wollen wir einen generellen Studienstandsnachweis nach dem zweiten Semester. Den Studienstandsnachweis für alle Studierenden fordern wir in Übereinstimmung mit der Hochschulrektorenkonferenz,
weil wir überzeugt sind, daß dies ein Ansatzpunkt ist, um bessere Orientierung zu geben.
Wenn Sie behaupten, nach zwei Semestern könne man nicht mehr als eine Immatrikulationsbescheinigung vorlegen, dann ist doch der Umkehrschluß, daß wir über die sachliche und personelle Ausstattung der Hochschulen reden müssen. Es hilft doch gar nichts, Studenten mit BAföG auszustatten, sie für zwei Semester „auf Tour" zu schicken, wenn sie, wie Sie unterstellen, überhaupt nichts lernen können. Wir müssen hier mit offenen Karten spielen. Es wird offenkundig sein, daß der Studienstandsnachweis dem einzelnen Studenten Hilfestellung geben wird. Deshalb ist unsere Zielrichtung, ihn für alle einzuführen.
Der Gesetzentwurf orientiert sich am Machbaren; das ist wahr. Mehr als eine vierprozentige Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge ist in der Tat derzeit finanzpolitisch nicht verantwortbar. Wenn man sich mit den finanziellen Rahmenbedingungen von Bund und Ländern befaßt, dann weiß man - das wollen Sie sicher nicht bestreiten, oder will die Opposition hier behaupten, die Länder hätten zuviel Geld? -, daß mehr nicht machbar ist. Die Wahrung der Haushaltsdisziplin gehört auch zur Zukunftssicherung für die junge Generation.
Ich bin nach wie vor der Meinung, daß sich die ins Auge gefaßten Verbesserungen in Zeiten knapper Kassen durchaus sehen lassen können. Es geht hier nicht nur um die Erhöhung von Bedarfssätzen und Freibeträgen, sondern auch um die Anpassung der Sozialpauschalen zur Abgeltung der Beiträge für die soziale Sicherung. Die Pflegeversicherung ist in Kraft getreten. Eltern bzw. Studierende zahlen nunmehr die Beiträge, weil wir die neue Regelung auf Grund Ihrer Verweigerungshaltung noch nicht haben schaffen können.
Deshalb zum Ende noch einmal: Geben Sie Ihre Verweigerungshaltung auf! Verlangen Sie keine Schnellschüsse! Wir brauchen eine umfassende Umstrukturierung, aber wir müssen den ersten Schritt tun, um Studenten besser abzusichern. Dann werden wir auch eine Strukturreform des BAföG vornehmen, die insbesondere dahin geht, neue Bedürfnisse bei Studierenden abzusichern, wie z. B. die Interna-
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tionalisierung. Auch wollen wir eine bessere Absicherung derjenigen
- meine Redezeit ist um -, die ein Studieren parallel zur Erwerbsarbeit anstreben.