Rede von
Rolf
Rau
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Großmann, daß Sie mich zweimal zitiert haben, ehrt mich, sogar in zweierlei Richtung. Zum einen kann ich das, was ich schon vor längerer Zeit gesagt habe, heute bestätigen. Zum anderen zeigt sich durch die Erkenntnisse, die aufgenommen worden sind, und die Beweglichkeit bei der Umsetzung dessen, was wir heute wollen, die Nähe der Koalitionsregierung.
- Ich denke schon.
Eine Bestandsaufnahme des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ende des Jahres 1994 besagt, daß in den neuen Bundesländern 20 % des Wohnungsbestandes im Besitz von Genossenschaften sind. In den alten Ländern sind es 4 %. Im vermieteten Privatbesitz sind 15 %, im kommunalen Besitz rund 35 % und im selbstgenutzten Privatbesitz 25 %. Allein die letzte Position besagt, daß sich in den alten Ländern rund 15 % mehr Wohnungen selbstgenutztes Eigentum sind. Die Debatte haben wir vorhin gehört.
Das bestätigt, daß wir mit dem AltschuldenhilfeGesetz und mit der Privatisierungsaufforderung im Interesse der Bürger der neuen Länder auf dem richtigen Weg sind.
Rolf Rau
Wir haben also ein Potential von ungefähr drei Millionen Wohnungen im genossenschaftlichen und kommunalen Bereich, die es zu modernisieren gilt, zumindest aber instandzusetzen, und dort, wo es die Bürger wünschen und die Wirtschaftlichkeit erfordert, dringend zu privatisieren. Ich glaube, man weiß, daß wir mit aller Konsequenz den Weg zum selbstgenutzten Wohneigentum beschreiten und dort, wo es noch nicht möglich ist, über eine angemessene Zeitspanne durch Zwischenerwerber und anderweitige Nutzung den Bürgern die Chance einräumen, ihre Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt zu kaufen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß den Bürgern in den neuen Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt wird, gerade auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung in der Mietenpolitik und zur Erhaltung der Wohnsubstanz Eigentum zu schaffen. Denn selbstgenutztes Wohneigentum ist die sicherste Form und, so behaupte ich, die stabilste Miete.
Ich bin davon überzeugt, daß wir deshalb mit der von uns in der Ausschußfassung vorgetragenen Entschließung auf dem richtigen Weg sind und die Privatisierungsform bei der Umsetzung des Altschuldenhilfe-Gesetzes, um die es heute geht, weiterhin intensiv voranbringen. Deshalb bleibt es. dabei, daß die Wohnungsunternehmen Objekte aus ihrem Bestand auszuwählen haben, die sich für eine Mieterprivatisierung eignen, und daß trotz intensiver Bemühungen, insbesondere eingehender Beratung, und auch mieterfreundlicher Preise objektbezogen den Bürgern die Chance eingeräumt werden muß, ihre Kaufmöglichkeiten zu erkennen. Den Mietern sind dabei vor allem die Sanierungs- und Finanzierungspläne vorzulegen und die daraus folgende Belastung für den Fall des Erwerbs, auch im Vergleich bei der gleichen baulichen Entwicklung der entstehenden Miete. Es sind verbindliche Kaufangebote zu unterbreiten, und es ist eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen. Die Wohnungen dürfen an Fremde nicht zu günstigeren Bedingungen angeboten werden als an die von uns vordringlich gewünschten Mietererwerber.
Meine Damen und Herren, die kommunalen Gesellschaften und die Genossenschaften können bei diesem Vorgang auch die zukünftigen Zwischenerwerber oder andere Firmen einbinden, die in der Lage sind, die genannten vorbereitenden Leistungen zu vollziehen. So werden sie von ihrer Aufgabe als Wohnungsgesellschaft oder Wohnungsgenossenschaft nicht abgelenkt. Wir haben, um den Erwerb der eigenen Wohnung zu fördern, nicht umsonst mit dem Haushalt 1995 50 Millionen DM auf den Weg gebracht, um z. B. einen Drei-Personen-Haushalt mit 3 000 DM für den Haushaltsvorstand und je 1 000 DM pro weiteres Familienmitglied zu fördern.
- Der Situation entsprechend gebracht, Herr Großmann.
So können allein durch diese Möglichkeit ca. 10 000 Wohnungen erleichtert erworben werden. Diese Maßnahme der direkten Förderung sollte sich auch im Rahmen der Wohneigentumsförderung nach dem neugefaßten § 10 e für die nächsten Jahre deutlich handhabbarer gestalten, wobei diese Wohnungsbauförderung nur ein Teil der Möglichkeiten darstellt.
Überlegungen der Länder, wie sie mir beispielsweise aus Sachsen bekannt sind, können diese Projekte weiter begleiten, denn die Fördermittel würden ja sonst nicht ausreichen, um den insgesamt erwünschten Privatisierungs- und Modernisierungseffekt zu erzielen.
Ich denke, wir sollten heute auch darüber abstimmen, daß die Voraussetzung zu einer mieternahen Privatisierungsform geschaffen wird, d. h. sich bei Neugründung von Wohnungsgenossenschaften die Genossenschaftsmitglieder eine Satzung erarbeiten, die eigentumsorientiert zu gestalten ist, und entsprechend dem Genossenschaftsgesetz verfahren wird. Über Mehrheitsbeschlüsse sollte es Möglichkeiten des Erwerbs von Eigentum in der Endphase geben. Bei Neugründung der Genossenschaft ist der wirtschaftliche Eigenanteil eines Genossenschaftlers höher anzusetzen - ich könnte mir einen Betrag von 10 000 DM vorstellen -, um die Arbeitsfähigkeit einer so zu gründenden Genossenschaft in finanzieller Hinsicht solide auszugestalten.
Herr Großmann, man muß es einfach einmal sagen: Ich finde, die Bürger in den neuen Bundesländern sind keine Versuchskaninchen, wie Sie es dargestellt haben, sondern sie sind vielleicht in mancher Beziehung flexibler und offensiver bereit, bestimmte Dinge anzunehmen.
Sie wissen, daß in Dresden die Frage diskutiert wird: Wie kann man Genossenschaften neu gründen? Wenn Sie sich mit dieser Materie beschäftigen, wissen Sie, daß auch in Trachau diesbezüglich großes Interesse vorhanden ist.
An dieser Stelle will ich unterstreichen, daß auch im Zusammenhang mit der Chancengleichheit aus meiner Sicht die Größe einer Genossenschaft keine Rolle spielt, zumal die Erfahrungen zeigen, daß dort, wo die Rentabilität auf Grund bestimmter Größenunterschiede von Genossenschaften dazu führt, daß zu einem späteren Zeitpunkt Fusionen von Genossenschaften möglich sind, eine Leitungsform existiert, die eine wirtschaftliche Arbeitsweise garantiert.
Des weiteren möchte ich unterstreichen, daß wir die Zwischenerwerber wünschen, wobei, wie ich eingangs sagte, die Information der Bürger gewährleistet werden muß. Eine zweite Kaufbefragung in angemessener Zeit sollte gewährleistet werden.
Besonders wichtig erscheint mir beim Zwischenerwerber auch, daß dort die Möglichkeiten der Lenkung innerhalb eines Objekts oder einer Wohnanlage gegeben sein sollten, damit eine gegenseitige Verhinderung der Privatisierung oder die Situation, daß man sich gegenseitig in Bedrängnis bringt, ver-
Roll Rau
mieden wird. Das heißt also, dadurch kann eine Umwandlung objekt- bzw. gebäudeweise - bei größeren Anlagen könnte man auch sagen: aufgangsweise - erfolgen.
Im Zusammenhang mit dem Zwischenerwerbermodell freut es mich, daß die über viele Jahre nicht immer mit dem besten Ruf belastete Leizpiger Wohnungsbaugesellschaft jetzt zum Verkauf kommt und einen Modellversuch von 800 Wohnungen startet, gleichzeitig aber auch 10 000 Wohnungen auf den Markt bringt, wobei ich es für wichtig halte, daß dafür schon 60 Interessenten vorhanden sind. Dieses Potential sollte man ausnutzen, um kleingliedrig und überschaubar dieses Zwischenerwerbermodell anzuwenden, womit man gleichzeitig einer größeren Flexibilität gegenüber dem Mieter und vielleicht später eintretenden Entwicklungen und Erwerberwünschen Rechnung trägt und gegebenenfalls Risiken minimiert.
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir in diesem Zusammenhang durch die Altschuldenhilfe ein großes Modernisierungspotential freisetzen. Dafür werden vom GdW 500 Milliarden DM genannt.
Diese Erkenntnis bestätigt mich in der Ansicht, im Gegensatz zum SPD-Antrag jetzt nicht den Fuß vom Gas zu nehmen und aus der progressiv gestaffelten Erlösabführung eine lineare Erlösabführung in den Erblastentilgungsfonds zu machen - auch wenn ich möglicherweise eingestehe, daß die etwas scharfe Staffelung nicht unbedingt besonders glücklich ist; aber der jetzige Zeitpunkt räumt uns reelle Chancen ein, diese gewünschten Privatisierungen ohne überhöhten Druck herbeizuführen.
In dieser Ansicht hat mich die Meldung aus Leipzig bestätigt, im Gegensatz zu den Briefen des GdW und auch von Ihnen, Herr Senator Nagel; Ihr Brief ist mir gestern kurzfristig auf den Schreibtisch geflattert.
Nachdem ich die Möglichkeiten des Erwerbs für eine eigentumsorientierte Genossenschaft und für den Zwischenerwerb dargestellt habe, möchte ich noch darauf hinweisen - wenn auch nicht vordringlich -, daß es wünschenswert ist, daß die Fondsgesellschaften in den neuen Bundesländern dort Anerkennung finden sollten, wo schuldrechtlich der Anspruch auf Individualeigentum besteht. Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß die Fondsanteile zu 30 % an Fondsgesellschafter in den neuen Bundesländern gehen.
Einfacher gesagt: Der Mieter beteiligt sich an dem Fonds und kann zu einem späteren Zeitpunkt, nach dem Auslaufen der steuerrechtlichen Vorteile, seine Wohnung erwerben. Ich glaube, auch für den Bereich, der dann keine Wohnung erwirbt, ist über die Fondslaufzeit ein guter Mieterschutz gewährleistet.
In vielen Genossenschaften und Gesellschaften sind in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche vorbereitende Arbeiten geleistet worden, um die Modernisierung und die Instandsetzung weiter voranzubringen, um auf dem Weg der Privatisierung erfolgreich arbeiten zu können.
Die Beispiele - ob in Leipzig oder bei der Wohnungsgenossenschaftsgründung in Dresden - zeigen: Wir sind als Deutscher Bundestag am Zuge, mit diesem Beschluß die weitere Gestaltung in den neuen Bundesländern voranzubringen. Ich würde mir wünschen, daß unverzüglich die Anweisung zur detaillierten Handhabung von Ihnen, Herr Minister, an die Kreditanstalt für Wiederaufbau auf den Weg gebracht würde, um im Detail darzustellen, wie verfahren werden kann.
Herzlichen Dank.