Rede von
Achim
Großmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach viel Theorie wollen wir uns nun der Praxis zuwenden und den Praxistest für die Bundesregierung machen -, bei einem Thema - Altschuldenhilfe-Gesetz -, das seit fünf Jahren ungelöst vor sich hindämmert. Schuld daran ist die Bundesregierung, die in den ersten drei Jahren dieses Problem vor sich hergeschoben und völlig unzulängliche Vorschläge gemacht hat - selbst die Gemeinden sollten ein Drittel der Altschulden der Wohnungswirtschaft tragen. Erst als nach drei Jahren das Solidarpaktgesetz auf den Tisch kam, ist es uns annähernd gelungen, eine vernünftige Lösung für dieses Problem zu finden.
In der Zwischenzeit hatten sich die Altschulden von etwa 36 Milliarden DM auf rund 60 Milliarden DM aufgetürmt. Das heißt, durch Untätigkeit der Bundesregierung in den ersten drei Jahren haben sich die Schulden fast verdoppelt - zu Lasten der Steuerzahler und zu Lasten der Mieterinnen und Mieter.
Nach Inkrafttreten des Altschuldenhilfe-Gesetzes haben wir dann gemerkt, daß dieses Altschuldenhilfe-Gesetz genau die Mängel hat, die wir schon während der Beratung angekreidet haben, nämlich daß es nicht greift. Nach zunächst drei Jahren und nun wiederum zwei Jahren vertaner Zeit versuchen wir, dieses Altschuldenhilfe-Gesetz in ganz bestimmten Bereichen zu ändern, weil es nicht funktioniert. Ich will das an Hand einiger Stellen erläutern.
In dieser ganzen Zeit hat sich die Bundesregierung nicht bewegt. Sie hat, was bei einem Gesetz ziemlich einmalig ist, einen Lenkungsausschuß eingesetzt, der kontrollieren soll, ob das Gesetz vernünftig umgesetzt wird. Dann hat die Bundesregierung in genau diesem Lenkungsausschuß den Blockierer gespielt. Sie hat sich nicht bewegt, hat nicht dazu beigetragen, daß die Privatisierung in Gang kommt.
Ich zitiere an dieser Stelle den Kollegen Rau von der CDU, der in der Debatte zur ersten Beratung der Novellierung am 19. Januar gesagt hat:
Nun ist es aber auch nicht verwunderlich, daß ein Gesetz auch Kritik auf sich zieht, wenn es auf den Weg gebracht wird, zumal es für meine Begriffe zu eng ausgelegt wird und bisher im Lenkungsausschuß die geforderte Bewegung nicht erfolgt ist.
Also, wenn das selbst ein Vertreter der Koalitionsfraktionen sagt, dann, glaube ich, wissen wir, was wir von diesem Gesetz halten müssen.
Es hat die mieterfreundliche und für die Wohnungswirtschaft sinnvolle Privatisierung bisher weitgehend verhindert. Deshalb ist es wichtig, daß wir dieses Gesetz novellieren.
Wir haben von Anfang an ein besseres Gesetz gewollt. Wir haben es immer für völlig unsinnig gehalten, daß z. B. Genossenschaften Genossenschaftswohnungen an Dritte verkaufen sollen, die nicht Mitglieder ihrer Genossenschaft sind. Das ist ein Bruch des Genossenschaftsrechtes. Das haben wir kritisiert, und das kritisieren wir weiter.
Wir haben uns in dem Novellierungsantrag, der in den Ausschüssen debattiert worden ist und heute neben anderen zur Abstimmung steht, auf drei wesentliche Eckpunkte bezogen. Zunächst geht es darum, daß die lineare Erlösabführung - diesen Begriff muß ich ein bißchen erweitern, das ist Fachchinesisch - eingeführt werden sollte. Was steht jetzt in dem Gesetz? Die Wohnungswirtschaft muß 15 % der Wohnungen privatisieren. Aber je länger sie braucht, desto mehr muß sie vom Verkaufserlös an den sogenannten Erblastentilgungsfonds, an die Kasse von Herrn Waigel, abführen.
Wer also nicht schnell genug privatisiert, wird bestraft.
Das Problem ist nur: Zum Beispiel in Wohnungsbeständen, über deren Zuordnung des Grundeigentums noch gar nicht entschieden ist, kann gar nicht so schnell privatisiert werden. Es gibt viele Wohnungen, deren rechtmäßiger Eigentümer immer noch nicht feststeht. Viele Mieterinnen und Mieter, die gerne kaufen wollen, sind nicht in der Lage, das innerhalb weniger Monate zu tun. Sie müssen ansparen.
Achim Großmann
Wir haben eben in einer dramatischen Einlassung vom Herrn Bundesbauminister gehört, wie schlimm das mit der Zwangsversteigerung ist. Die Leute überschulden sich immer mehr und werden dann ihr Eigentum wieder los. Genau das müssen wir verhindern. Wir können das aber nur verhindern, wenn dieser enorme zeitliche Privatisierungsdruck weggenommen wird, wenn die Mieterinnen und Mieter also die Möglichkeit haben, vernünftig anzusparen und sich darauf einzustellen, daß sie Wohneigentum schaffen wollen.
Das gleiche gilt für die Ausgründung der Genossenschaften - ein weiterer Eckpunkt. Warum macht es nicht Sinn, die Neugründung von Genossenschaften aus kommunalen Wohnungsunternehmen als Privatisierung anzuerkennen? Auch das ist eine Form von Eigentum. Von daher drängen wir nach wie vor darauf, daß die Ausgründung von Genossenschaften aus dem kommunalen Wohnungsbesitz auch wirklich als Privatisierung anerkannt wird.
Wenn man ein erstes Fazit zieht, wird man feststellen, daß unsere Forderungen in den zwei Jahren nichts bewegt haben, weil die Bundesregierung im Lenkungsausschuß und leider auch in den Debatten im Bauausschuß blockiert hat.
Jetzt, nach diesen zwei Jahren, gibt es hoffentlich etwas Bewegung; denn zumindest im Bauausschuß ist angekündigt worden, daß man sich Zwischenerwerbermodelle vorstellen könne, daß man sich die Ausgründung von Genossenschaften vorstellen könne. Einiges von dem, was bisher blockiert worden ist, kann man sich also vorstellen.
Das ist zuwenig, sagen wir. Denn die Beratungen im Bauausschuß wie auch die Debatte im Januar hier im Plenum haben bewiesen, daß es noch fundamentale Unterschiede zwischen den beiden Modellen gibt. Ich will sie an einem Beispiel deutlich machen. Wieder geht es um die Ausgründung von Genossenschaften, die wir - das ist doch völlig klar - im Rahmen des geltenden Genossenschaftsrechtes möglich machen wollen. Die Bundesregierung und anscheinend die Koalitionsfraktionen aber wollen eine andere Art von Genossenschaftsrecht. Sie wollen das Genossenschaftsrecht, das sich seit mehr als 100 Jahren bewährt hat, auf den Kopf stellen, und eine neue Form finden.
Ich zitiere an dieser Stelle wieder Herrn Rau:
Es ist des weiteren aus meiner Sicht wichtig und erforderlich, daß man in der Satzung oder in anderen Rechtsformen deutlich macht, daß die eingegebenen Mittel durch Besitzermodelle eine Form von Wertschöpfung erreichen, so daß im Veräußerungsfall nicht nur der Genossenschaftsanteil als der eingezahlte Anteil refinanziert wird,
sondern der Genossenschafter auch im Rahmen der Wertschöpfung im späteren Verkaufsfalle diese Leistung erhält.
- Ja, er sollte mal zur Volksbank oder zur Raiffeisenbank gehen und versuchen, seinen Genossenschaftsanteil von 1 000 DM zu verkaufen und gleichzeitig die Wertschöpfung der letzten zehn Jahre bei seiner Bank mitzunehmen.
Man will also ein völlig neues Genossenschaftsrecht. Das kann keinen Sinn machen. Ich habe schon in der ersten Debatte im Januar gesagt: Lassen wir die Finger von diesen neuen Modellen! Machen wir nicht die Menschen in den neuen Bundesländern zu Versuchskaninchen für neue Modelle!
Trotzdem sind wir der Meinung, daß diese beiden Bereiche - das Zwischenerwerbermodell, auf das ich nicht besonders eingegangen bin, und das Problem der Genossenschaften - im Lenkungsausschuß, also außerhalb des Gesetzes, gelöst werden können.
Es gibt allerdings ein großes Problem, nämlich die lineare Erlösabführung, diesen Privatisierungsdruck. Den können wir nicht außerhalb des Gesetzes lösen. Er muß innerhalb des Gesetzes gelöst werden. In einer Anhörung des Bauausschusses ist das klargeworden. Es gab keinen Experten, der gesagt hat, daß es außerhalb des Gesetzes gelöst werden könnte. Alle haben gesagt: Ändert bitte das Altschuldenhilfegesetz an der Stelle, an der es darum geht, die progressive Erlösabführung herauszunehmen und eine lineare Erlösabführung aufzunehmen.
Das haben alle Experten gesagt, das hat die Wohnungswirtschaft gesagt, das haben die Mieterverbände gesagt, das haben die Bauminister der ostdeutschen Länder gesagt. Alle waren für die Gesetzesänderung.
Um zu untermauern, daß das nicht nur im Antrag der SPD steht, der vielleicht wenig Rückhalt gefunden hat, will ich an dieser Stelle einige Zitate aus der Anhörung oder aus Briefen, die uns in den letzten Tagen erreicht haben, vortragen.
Die Wohnungswirtschaft schreibt:
Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft teilt die Einschätzung in der Begründung zum Änderungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion, daß die jetzt progressive Erlösabführungsstaffel die entscheidende Ursache für die zur Zeit spürbare Privatisierungshektik ist -