Sehen Sie, Kollege Reschke, manche Frage gibt sich die Antwort schon selbst. Diese gehört dazu. Wenn Sie es wirklich gelesen hätten, wüßten Sie, daß darin steht, was die Bundesregierung tut. Wir haben nicht nur kommentiert, sondern gesagt, was wir daraus machen wollen und was nicht.
Das mag von Ihnen anders gesehen werden. Deswegen war ich aber der Meinung: Da wir das gemacht haben, wollen wir erst einmal respektvoll die kritische Stellungnahme des Parlamentes hören und dann darauf antworten. Das ist meiner Ansicht nach vernünftig.
Dem könnte ich nur noch hinzufügen, daß das Gutachten von diesem Hohen Haus erbeten worden ist, so daß daher eine zusätzliche Begründung mehr als gegeben ist.
Nein, das andere ist das Wichtigere, also spricht Frau Brusis als letzte.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Jetzt zur Sache. Meine Damen und Herren, viele, die hier zuhören, sind möglicherweise der Ansicht, es würde über unterschiedliche Gutachten gesprochen. Das hat etwas damit zu tun, daß es in Deutschland üblich geworden ist, ein Gutachten nur dann als gut zu empfinden, wenn es die eigene, vorgefaßte Meinung widerspiegelt.
Das hat sich leider durchgesetzt.
Daß ein Gutachten gerade deswegen gut sein kann, weil es einmal gegen den Strich bürstet und möglicherweise der eine oder andere Dreck herausfällt, den man schon nicht mehr bemerkt hat, sollte sich in Deutschland auch einmal wieder durchsetzen.
Deswegen halte ich das Gutachten für eine gute Sache.
Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn hierüber keine kontroverse Diskussion in Gang gekommen wäre, dann wäre es ein schlechtes Gutachten. Es hat die Diskussion ausgelöst, es wird diese Diskussion leiten und weiterführen. Deswegen bedanke ich mich für die Bundesregierung in aller Form bei den Gutachtern dafür, daß sie diese Arbeit vorgelegt haben.
Nebenbei: Wäre es nicht so, wäre eine solche Beauftragung von Gutachtern in der Tat eine Verschwendung von Steuermitteln; denn dann will ich nur meine vorgefaßte Meinung bestätigen lassen. Das aber ist keine Aufgabe, für die man Steuermittel einsetzen sollte. Die Gutachter sollen uns, wenn es denn sein soll, auf die Füße treten.
Generell wird immer gesagt, das Gutachten sei zu theoretisch. Auch das überrascht mich. Ich habe mit hinreichendem Erfolg Volkswirtschaft studiert. Da es üblich geworden ist, zu zitieren, was unsere englischen Kollegen sagen, möchte ich das auch tun. Es gibt den großen Ökonomen John Maynard Keynes.
- Ich bin hierhergekommen, um etwas zu lernen. Das habe ich auch gelernt, Herr Kollege.
John Maynard Keynes, einer der ganz großen Ökonomen, hat den schönen Satz gesagt: Without theory we are lost in the woods. Übersetzt: Ohne Theorie sind wir wirklich im Wald verloren. Denn dann sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
Hätten wir ein Gutachten vorgelegt bekommen, das keine Theorie zur Grundlage gehabt hätte, dann hätte ich gesagt: Schickt das Gutachten zurück! Ich kritisiere nicht, daß es theoretisch ist, sondern wir können uns überlegen, ob die Theorie zur richtigen Schlußfolgerung führt. Aber zu diskutieren, es sei theoretisch, führt zu nichts. Ich will nicht nur ein praxisorientiertes Gutachten, sondern eine theoretisch nachvollziehbare Konzeption haben. Diese möchte ich auch zur Diskussion stellen. Deswegen kann ich den Vorwurf, es sei theoretisch, nicht als Kritik ansehen.
Das Gutachten ist nebenbei alles, nur nicht theoretisch. Denn wäre es wirklich zu theoretisch, wie Sie meinen, wie könnte es dann eine solch breitangelegte öffentliche Diskussion mit allen Praktikern auslösen? Ich habe mir wirklich vieles vorzuhalten, nur nicht, daß ich zu wenig Veranstaltungen mitgemacht habe. An den meisten haben Gutachter, also Mitglieder dieser Expertenkommission, teilgenommen. Die gesamten Einladungen kamen von hohen Praktikern und Unternehmen.
- Nein, sie sind ganz im Gegenteil in vollem Maße aufgegriffen worden. Ich halte das für gut.
Dritter Punkt: Was muß ein Gutachten wirklich bringen, das ein Politikfeld aufarbeitet? Für meine Begriffe muß es zunächst einmal so etwas wie eine Erfolgskontrolle vorangegangener Politik beinhalten. In der Tat - das ist zu bedauern - fordern wir diese Aufgabe unseren Politikern an vielen Stellen nicht ab. Wir tun das vielleicht auch deswegen nicht, weil wir uns nicht so gerne von Gutachtern sagen lassen, daß die sicherlich immer gutgemeinten Maßnahmen, die wir durchgeführt haben, die Ziele, die wir erreichen wollten, gar nicht erreicht haben.
Gut gemeint waren sie alle. Was das Gutachten sagt, bestätigt das, was der Volksmund sagt: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Das ist wahr. Deswegen machen die Gutachter eine relativ schonungslose Erfolgskontrolle der Politik. Das führt an vielen Stellen dazu, daß man uns sagt: Leute, Ihr wolltet mit Einzelmaßnahmen soziale Ziele erreichen und seid dazu gekommen, daß Ihr gerade die sozialen Ziele nicht erreicht habt. Das ist die Erfolgskontrolle, die Sie sogar indirekt bestätigt haben.
- Nein, die muß wohl stimmen, Frau Kollegin; denn Sie kommen exakt zu dem Ergebnis, das Sie, die SPD, auch beklagen.
Also mache ich die Erfolgskontrolle mit. Ich muß Ihnen eines sagen: In wenigen Politikfeldern ist das nötiger als in der Wohnungspolitik; denn hier stehen Jahr für Jahr 50 Milliarden DM in der Förderung direkt oder indirekt zur Diskussion.
Wenn wir 50 Milliarden DM zur Diskussion stellen, dann müssen wir fragen: Wo gehen die hin? Gehen die an die richtigen Stellen, ja oder nein? Auch das hat niemand hier bestritten. Warum kritisieren Sie ein Gutachten, das genau das macht?
Was einen großen Anteil der Maßnahmen angeht, ist bisher die Frage gestellt worden: Machen wir einen ganz bestimmten, objektbezogenen sozialen
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Wohnungsbau, bauen wir also für sozial schwache Mitglieder unserer Gesellschaft Häuser und Wohnungen, oder unterstützen wir diese sozial Schwachen, indem wir ihnen zusätzliche Einkommen schaffen, damit sie die Wohnungen bezahlen können? Das war bisher die Frage.
In der Vergangenheit haben wir in hohem Maße entschieden, Wohnungen unter Einbeziehung einer Förderung selber zu bauen. Es gab den ersten, den zweiten und den dritten Förderweg sowie zusätzliche Vereinbarungen. Jetzt wird gesagt, es solle zu keinem Abrücken von der sozialen Zielsetzung kommen. Da wir diese sozialen Zielsetzungen mit dem ersten und zweiten Förderweg nur in vergleichsweise sehr teurer Weise erreichen, kann man nicht sagen, Befürworter eines anderen Weges seien gegen die soziale Zielsetzung. Sie fragen vielmehr, wie man dieses Ziel effizienter erreichen kann.
Meine Damen und Herren, wenn Sie das „ökonomisiert" nennen, dann muß ich sagen: In der Tat gilt auch für jeden Politikbereich das Rationalitätsprinzip, daß man ein gegebenes Ziel mit möglichst günstigen Mitteln erreichen sollte.
Das ist ein generelles Rationalitätsprinzip. Was ist denn daran eigentlich zu kritisieren?
- Es gibt in der Tat Leute, Herr Kollege Reschke, die meinen, eine Politik sei um so besser, je mehr sie zur Erreichung der Ziele einsetze.
Das würde bedeuten, die Qualität der Wohnungspolitik von der Höhe der Fördermittel abzulesen. Ich sage: Die Qualität hängt von der Erreichung der Ziele ab. Wenn wir die mit möglichst günstigen Mitteln erreichen, dann ist das eine gute Sache.
Ich freue mich über unsere gute Wohnungspolitik. Das wird gleich die Frau Kollegin Brusis bestätigen. Sie hat ja eine erfolgreiche Politik gemacht. Das wird sie uns gleich alles erzählen. - Das hätten Sie von der SPD jetzt aber ruhig beklatschen können. Das ist nicht nett.
- Gut.
Meine Damen und Herren, mehr und mehr kommen auch die Lander zu der Überzeugung: Wir müssen von dem ersten und zweiten Förderweg weg und hin zu einer einkommensorientierten Förderung. Warum? Weil dies die Möglichkeit gibt, jemandem zu helfen, der etwa am Anfang seiner beruflichen Entwicklung steht oder sich in bestimmten Situationen befindet und dieser sozialen Hilfe bedarf, in einem Objekt eine einkommensbezogene Miete zu zahlen. Wenn sich seine soziale Situation dann ändert, soll sich daran anknüpfend auch seine Miete ändern.
Wenn wir das nicht tun, dann laufen wir doch permanent den Entwicklungen hinterher. Jeder weiß doch, daß die Fehlbelegungsabgabe dieses Problem nicht löst. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns den Weg einer einkommensorientierten Förderung gehen! So ergeben sich gezielte Lösungen für soziale Probleme, und so ergibt sich gleichzeitig ein besserer Einsatz von Steuergeldern.
Was ist gegen eine vereinbarte Förderung zu sagen, die gerade denen zugute kommt, die in ganz besonderer Weise die Hilfe unseres Staates brauchen?
Frau Eichstädt-Bohlig, Ihr Vorwurf der sozialen Kälte gegen die Experten mit Blick auf die Obdachlosigkeit ist nicht fair. Die Experten machen eine Unterscheidung, die durchaus nachvollziehbar ist. Sie sagen, es gibt Obdachlosenprobleme - die haben wir auch hier diskutiert -, die zu einem wichtigen Teil durch finanzielle Probleme begründet sind. Sie sagen, dort, wo die finanziellen Probleme gegeben sind, helfen wir mit dem Wohngeld.
- Ich habe das gelesen.
Sie kommen zusätzlich zu dem Hinweis, daß es aber nicht nur finanzielle Probleme sind, sondern daß es darüber hinaus auch andere Probleme gibt, die man mit dem Wohngeld nicht lösen kann. Dann sagen sie: Für diese Fälle der Obdachlosigkeit brauchen wir so etwas wie Belegungsrechte.
Man kann sich darüber unterhalten, ob wir die Kommunen richtig ausstatten. Den Experten aber soziale Kälte vorzuwerfen würde allen Experten nicht gerecht. Deswegen möchte ich sie vor diesem Vorwurf nachhaltig in Schutz nehmen. Darum geht es mir.
Wir wollen den sozialen Wohnungsbau nicht abschaffen, sondern wir wollen die knappen Mittel erstens besser einsetzen, um gegebene soziale Ziele zu erreichen.
Zweitens. Wir sind der Überzeugung, daß die sozialste Wohnung das selbstgenutzte Wohneigentum ist.
Je weiter wir in diesem Bereich kommen, um so günstiger wird dies ohne jeden Zweifel für die Wohnungspolitik insgesamt. Dies hat eine Vielfalt von zusätzlichen positiven Wirkungen für die Familien, für die Eigentums- und Vermögensbildung und hinsichtlich der Lösung sozialer Probleme.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
- Ich hatte nicht ganz zehn Jahre Zeit. Ich werde es aber allen Vorgängern gerne mitteilen.
Eines habe ich auch gelernt - sicherlich nicht so intensiv -: Der Hinweis, man hätte das schon vorgestern machen können, enthebt uns nicht der Notwendigkeit, jetzt die richtige Analyse durchzuführen und zu handeln.
Damit komme ich noch einmal zu der Aussage, daß die Expertenkommission in ihren Prioritäten so falsch wohl nicht liegt. Das bedeutet nicht, daß ich sie voll übernehme. Aber sie hat genau auf die Dinge hingewiesen, die uns allen ein bißchen weh tun, weil wir sie ein Stück versteckt haben, indem wir uns der Erfolgskontrolle eigentlich gar nicht richtig gestellt haben.
Deswegen möchte ich den Wohneigentumsanteil durch gezieltere Förderung derjenigen, die ohne eine staatliche Förderung nicht bauen können, erhöhen, ohne gleichzeitig das falsche Signal zu geben, daß auch noch diejenigen bauen sollten, die die verbleibenden Schulden eigentlich nicht tragen können. Eines der ganz großen sozialen Probleme unserer Zeit in Deutschland besteht darin, daß man sich zu sehr verschulden kann und aus dem damit verbundenen Teufelskreis nicht mehr herauskommt. Manche Familie ist eher daran als durch andere familienpolitische Maßnahmen kaputtgegangen.
Ich gehe - auch das möchte ich deutlich sagen - an dieses Thema nicht ideologisch heran. Ich möchte wissen, wer die Belastungen hinterher wirklich tragen kann, damit die Familie die neue Wohnung auf Dauer hat und nicht hinterher Vater und Mutter gezwungen sind, ganztags zu arbeiten, so daß das eigentlich für die gesamte Familie vorgesehene Eigenheim tagsüber nicht mehr von den Eltern, sondern nur noch von Schlüsselkindern bewohnt wird.
Auch aus diesem Grunde diskreditiere ich den Mietwohnungsbau nicht. Wir müssen alles daransetzen, daß auch er weiter vorangebracht wird.