Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit Jahren, verehrter Herr Kollege Reschke, propagieren Sie den Weltuntergang in der Wohnungspolitik. Was ist wirklich geschehen? Der Wohnungsbau boomt; wir haben die höchste Bautätigkeit seit 20 Jahren.
Dies ist, ob es Ihnen paßt oder nicht, ein Erfolg dieser Bundesregierung, den wir uns nicht zerreden lassen.
Herr Kollege Großmann, Wohnungspolitik ist ein höchst sensibles Thema, vor allem für Menschen, die keine Wohnung haben, für Menschen, die eine Wohnung suchen,
ein Thema, mit dem wir sorgfältig umgehen sollten!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war ohne Zweifel richtig, frei vom politischen Alltagsgeschäft das gesamte Spektrum der Wohnungspolitik ohne Zeitdruck vorbehaltlos auf den Prüfstand zu stellen, und dies gilt auch dann, wenn das Ergebnis der vorgelegten Untersuchungen und die Vorschläge nicht in allen Punkten passen.
Wir haben heute - und ich sage das Ihnen, Herr Kollege Schultz - in Deutschland auf dem Wohnungsmarkt gegenüber früher total veränderte Rahmenbedingungen. Sie haben das offensichtlich immer noch nicht gemerkt. Wenn in wenigen Jahren mehr als 4 Millionen Menschen, aus welchen Gründen auch immer, in unser Land gekommen sind, so ist dies nicht spurlos am Wohnungsmarkt vorbeigegangen. Wenn wir wissen, daß die meisten dieser Menschen nicht nur unser großzügig gestaltetes soziales Netz in Anspruch nehmen, sondern vor allem auch ein Dach über dem Kopf brauchen, und wenn wir wissen, daß diese Menschen gerade in den preiswerten Wohnungsbestand drängen, so erfordert dies ein Umdenken, und wir müssen uns schon fragen, Herr Kollege Reschke, wer für diese Entwicklung maßgeblich mitverantwortlich ist.
Wir können zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben nicht mit den Antworten, die gestern noch richtig waren, die Fragen von heute und morgen lösen; das wissen wir. Dies gilt übrigens in nahezu allen Feldern der Politik, auch im Wohnungsbau.
Die Forderung nach mehr Geld des Steuerzahlers, wie sie gerade von der Opposition in den letzten Jahren zu hören war, ist leicht zu erheben; das ist der einfachste Weg. Wir wissen aber: Die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit sind erreicht.
Das Geld der Bürgerinnen und Bürger muß erst erarbeitet und erwirtschaftet werden, bevor wir in Bonn es ausgeben, und sei der Zweck auch noch so sinnvoll.
Wir sollten unseren Grips anstrengen, wie wir erreichen, mit dem gleichen Geld mehr bezahlbare Wohnungen zu bauen.
Wir brauchen mehr Bauland, eine Aktivierung privaten Kapitals - das wurde heute vormittag gesagt -, aber auch - das ist ohne Frage richtig - den Einsatz von öffentlichen Mitteln.
Wenn wir wissen, daß wir mit 1 Milliarde DM staatlicher Mittel Bauleistungen für maximal 4 000 Sozialwohnungen oder für 10 000 freifinanzierte Mietwohnungen oder aber für 20 000 Wohnungen als eigengenutztes Wohneigentum ermöglichen können, so wird deutlich, wo es anzusetzen gilt.
Allein dieses Beispiel, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, zeigt, daß die Subvention, die der Steuerzahler in Bund, Ländern und Gemeinden für eine Sozialwohnung ausgibt, mehr als das Doppelte gegenüber einer Mietwohnung und das Fünffache gegenüber der Förderung einer eigengenutzten Wohnung ausmacht. Das heißt doch, meine Damen und Herren: Die Stärkung der Förderung eigengenutzten Wohn-
Peter Götz
eigentums durch den Staat erzielt die größte Wirkung am Wohnungsmarkt.
Jeder, Herr Kollege Reschke, der eine eigengenutzte Wohnung bezieht und sich mit persönlichem Einsatz und Opfern engagiert, macht eine andere Wohnung frei - das widerspricht dem, was die Kollegin Eichstädt-Bohlig vorhin ausgeführt hat -,
die dem Wohnungsmarkt dann genauso zur Verfügung steht.
- Natürlich muß sie neu entstehen.
Nach unseren Vorstellungen müssen sich die wohnungspolitischen Ziele an den Bedürfnissen von Kindern und Familien orientieren.
Es ist unstrittig, daß trotz der Rekordzahlen bei fertiggestellten Wohnungen nach wie vor Wohnungen fehlen, vor allem preiswerte Wohnungen für Familien mit Kindern.
- Ich sage es Ihnen: Die beste Wohnform für die Familie ist das familiengerechte, möglichst mehreren Generationen dienende selbstgenutzte Eigenheim. Familien mit Kindern wollen Wohneigentum.
- Ich komme noch darauf.
Seit Jahren stagniert die Eigentumsquote in Deutschland auf niedrigem Niveau. Sie liegt im Westen bei 40 %, im Osten, sicherlich sozialismusbedingt, bei 25 %.
Im europäischen Vergleich sind wir das Schlußlicht. Länder wie Griechenland, Spanien oder Irland, um nur einige Beispiele zu nennen, weisen eine Eigentumsquote von 80 % auf,
d. h. 80 % der Menschen leben dort in einer eigenen Wohnung.
- Glauben Sie, den 20 %, die in diesen Ländern nicht in einer eigenen Wohnung leben, geht es besser?
Unser Steuerrecht hat dazu geführt - da teile ich die Auffassung von vielen, die heute hier geredet haben -, daß nahezu ausschließlich Haushalte mit hohem Einkommen Wohneigentum bilden können. So können Familien mit mittleren Einkünften die steuerlichen Möglichkeiten selten ausschöpfen. Hinzu kommt das fehlende Eigenkapital.
Wir müssen jungen Menschen möglichst früh den Weg zu Wohneigentum eröffnen.
Das Durchschnittsalter bei der Schaffung von Wohneigentum beträgt in Deutschland 38 Jahre.
Das heißt: In den meisten Fällen sind die Kinder bereits aus dem Haus, Herr Großmann, wenn sich die Familie ein Eigenheim oder eine eigene Wohnung leisten kann.
Durch ein attraktives Vorsparen, eine verbesserte Bausparförderung
und durch die gezielte Förderung bei der Schaffung und dem Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum können wir das spürbar verbessern.
- Vielleicht schaffen wir das gemeinsam, Herr Kollege Großmann.
- Die werden noch kommen, keine Frage.
Nach meinem Verständnis darf die Förderung von Familienheimen und Eigentumswohnungen für Familien nicht schlechter gestellt werden als die Schaffung von Mietwohnungen. Deshalb sollten wir die steuerliche Förderung im komplizierten § 10 e unseres Einkommensteuergesetzes streichen und durch eine an der Kinderzahl orientierte direkte Förderung - nach meinem Verständnis möglichst außerhalb des Steuerrechts - ersetzen.
So ermöglichen wir auch jungen Familien, die noch kein hohes Einkommen haben, in den entscheidenden Jahren der Kindererziehung, solange die Kinder noch klein sind, die Bildung von Wohneigentum. Das gilt übrigens vor allem auch für Familien in den neuen Ländern.
Peter Götz
Meine Damen und Herren, das Ringen um die beste Lösung ist nicht einfach.
Das ist keine Frage. Ich hoffe - und ich bin auch sehr zuversichtlich, Frau Kollegin -, daß es in den nächsten Wochen gemeinsam gelingen wird, die verschiedenen Modelle, die auf allen Ebenen diskutiert werden, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Ob das leichter wird, nachdem im Bundesrat neben den beiden bekannten Modellen aus BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz noch ein drittes
von Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt vorgeschlagen worden ist, ist eine andere Frage.
Wir brauchen eine Lösung, die familien- und kinderfreundlich, möglichst einfach und transparent ist
und gleichzeitig das komplizierte Steuerrecht radikal vereinfacht.
Es lohnt sich, dafür gemeinsam zu arbeiten. Herzlichen Dank.