Rede von
Prof. Dr.
Klaus
Töpfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte dem Kollegen Willner sehr herzlich gratulieren. Ich hatte jetzt wohl die achte Haushaltsdiskussion mitzumachen; aber mit Versen bin ich noch nie eingeführt worden.
Herzlichen Dank! Ich bin ganz sicher, daß über die Verse hinaus die gute Zusammenarbeit bestehen bleibt.
Meine Damen und Herren, ich kann das jetzt nicht aus dem Stegreif aufnehmen und weiter reimen. Aber eines will ich gerne tun, nämlich mich zunächst einmal bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuß sehr herzlich dafür bedanken, daß sie in den letzten Wochen und Monaten und bis in die letzten Tage hinein diesen Einzelplan sehr konstruktiv begleitet haben. Wir mußten ja sehr viel Flexibilität erbitten, was für die Sache sehr gut war. Ich komme darauf zurück.
Herr Kollege Niese, ich habe auch die Berichterstattergespräche in bester Erinnerung. Um so mehr hat es mich im Herzen getroffen, daß Sie diesen Einzelplan nicht nur ablehnen, sondern ihn sogar mit Entschiedenheit ablehnen.
Vielleicht nehmen Sie wenigstens die Entschiedenheit zurück. Dann könnte ich die Diskussion heute abend in aller Ruhe weiterverfolgen. Denn das trifft mich wirklich ganz besonders hart. - Dies, meine Damen und Herren, zu der positiven Seite, die ich nicht übersehen möchte.
Eines ist allerdings nur ganz schwer zu ertragen. Das muß ich dazusagen. Schwer zu ertragen ist es für mich, von einem Vertreter der PDS des Betruges gescholten zu werden. Die Partei, die mit verantwortlich dafür ist, daß so viele Menschen um ihre persönliche Freiheit und um ihre persönliche Entfaltung betrogen worden sind, sollte das Wort Betrug nie mehr in den Mund nehmen, nie mehr! Merken Sie sich das!
Von vielen höre ich mir das an, aber von Ihnen nicht! Deswegen wollte ich Ihnen gesagt haben: Seien Sie in Ihrer Wortwahl vorsichtiger und zurückhaltender.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich gibt es in einer solchen Haushaltsdebatte immer vorgefertigte Schablonen. An vielen Stellen wagt man ja gar nicht, darüber nachzudenken, daß man noch vor wenigen Tagen mit Bauministern zusammengesessen hat, die der SPD angehören, und daß
man mit ihnen bis spät in die Nacht hinein in guter, konstruktiver Art und Weise versucht hat, gemeinsame Wege zu finden, daß aber dann, wenn man wieder hierher zurückkommt, von vornherein erst einmal alles, was man macht, schlecht ist - außer der Presseerklärung; die ist jedenfalls positiv erwähnt worden.
Es wäre hervorragend, wenn wir bei der Diskussion dieses Einzelplans des Bundesministeriums für Raumordnung, für Bauwesen und für Städtebau auch wieder einmal mehr darüber diskutieren würden, was wir denn tun, um die kulturelle Identität dieses Landes mit zu bewahren.
Wir reden viel, viel darüber, daß wir 50 Millionen DM aus dem Titel für den sozialen Wohnungsbau herausgenommen haben. Aber welche Bauten wir damit bekommen, wie wir diese Mittel verwenden, um unsere Städte und Gebäude auch für die Zukunft mit etwas Profil zu versehen, darüber reden wir interessanterweise überhaupt nicht.
Meine Damen und Herren, wir klagen darüber, daß es „nur" 620 Millionen DM sind, die für den Städtebau in den neuen Bundesländern eingesetzt worden sind, davon 200 Millionen DM für den städtebaulichen Denkmalschutz. Wie großartig ist es doch, daß dank dieser Möglichkeiten z. B. Quedlinburg in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde, eine Stadt mit einer großartigen Bausubstanz, die zu erhalten eine wunderbare Sache ist.
Daß die 20 Millionen DM, die bisher aus dem Titel nach Quedlinburg geflossen sind, immer noch zu wenig sind, liegt daran, daß in den letzten 40 Jahren überhaupt nichts gemacht worden ist. Dies wird dann hier noch mit einer derartigen Rede der PDS begleitet. Ich fordere uns auf: Lassen Sie uns einmal wieder in diesem Hohen Haus auch über Architektur und Kultur in diesem Bereich jenseits der Frage der Finanzen diskutieren.
- Ich wußte doch, Herr Kollege Großmann, daß an dieser Stelle der Zwischenruf kommt, ich würde das nur sagen, um über die mageren Zahlen hinwegzutäuschen. Dies ist es nicht. Ich komme auch darauf zurück.
Wir haben bei so vielen Gelegenheiten immer wieder auf die Zahlen verwiesen. Lassen Sie uns doch einmal zu später Abendstunde in diesem Hohen Hause auch etwas hinter die Zahlen blicken und fragen, was damit bewirkt wird.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Ich habe mir erlaubt, dies zumindest innerhalb der ersten drei Minuten anzusprechen. Dafür wird ja wohl Zeit gewesen sein.
Etwas Ähnliches gilt für die Raumordnung. Wenn wir über Ökologie sprechen, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, muß ich sagen: Was wir in der Raumordnung falsch machen, ist hinterher das Falsche in der Ökologie. Das weiß jeder, aber wir reden ausschließlich über den Bau. Warum können wir nicht einmal diesen Querverweis mit aufgreifen?
Nun komme ich zu den Zahlen selbst. Wo liegt der Schwerpunkt? Es ist doch ganz unstrittig, daß die sozialste Wohnung, die wir bauen können, die selbstgenutzte Eigentumswohnung ist.
Das ist mit Abstand die sozialste Wohnung.
Wenn wir in bezug auf das selbstgenutzte Wohneigentum so weit wie unsere Nachbarn wären - ich gehe einmal nur 10 Prozentpunkte weiter -, dann hätten wir mehr gemacht, als wir durch eine noch so gute Aufstockung beim sozialen Wohnungsbau für die Entlastung gerade dieser Personen machen können.
Dies ist meine Meinung.
Ich nehme konstruktiv das auf, was Frau Eichstädt-Bohlig gesagt hat. Wie könnte ich das nach ihrer einleitenden Bemerkung auch übersehen haben? Der eine kommt mit Gedichten, die andere mit Charme. Mehr kann man an einem Abend gar nicht verlangen.
Meine Damen und Herren, ich bin ja mit Ihnen der Überzeugung, der entscheidende Punkt in diesem Haushalt steht nicht im Einzelplan für mein Ressort; es sind die steuerlichen Förderungen, die indirekten Förderungen.
- Das habe ich nur aufgegriffen; mehr kann ich doch nicht tun.
Deswegen gehen wir die einzelnen Maßnahmen jetzt durch und fragen: Sind diese steuerlichen Förderungen genau richtig gesetzt? Oder können wir sie nicht mit Blick auf eine bessere Förderung von Familien und von Eigentum so verändern, daß es den Steuerzahler nicht mehr Geld kostet, aber zielgerechter das erreicht wird, was wir wollen? Darum kann es doch nur gehen.
Meine Damen und Herren, dann ist es noch der geringste Vorwurf, der mich treffen kann, wenn man mir entgegenhält, das hätten Herr Niese und die SPD
vorher auch schon so gesagt. Ich habe noch nicht alles nachgelesen, was gesagt worden ist. Der schlimmste Vorwurf ist es ja wohl nicht, oder? Wir dürfen das doch wohl mit aufgreifen.
Ich bin der Meinung, da müssen wir ran. Deswegen sage ich noch einmal herzlichen Dank an den Haushaltsausschuß, auch an den Finanzminister, daß wir die Möglichkeit der 50-Millionen-Privatisierung bekommen haben. Ich bekomme doch die Schreiben von den Bürgerinnen und Bürgern - auch aus diesem Hohen Hause -, in denen steht: Bis 1994 haben wir mit 7 000 DM den Kauf von Wohnungen mitfinanziert, und ab 1995 ist nichts mehr da. Dann wird gefragt: Warum haben jene etwas bekommen und die anderen nicht? Deswegen ist es gut und richtig, wenn wir es machen. Nebenbei, wir erhöhen damit nachhaltig die Investitionskraft der Wohnungsunternehmen. Denn wenn wir mit den 50 Millionen DM 10 000 Wohnungen zusätzlich privatisieren können, also kaufen können, dann ist das so erlöste Geld Investivmittel für die Wohnungswirtschaft. Deswegen will ich das flankierend dazu mit eingesetzt haben. Ich halte es für eine gute, eine außerordentlich sinnvolle Sache, daß wir damit vorankommen.
Wir können weiter fragen: Wie bekommen wir es hin, daß auch und besonders die Kinderkomponente bei unserer Förderung stärker wird? Meine Damen und Herren, ich bin da sehr, sehr offen. Denn es kann doch gar nicht anders sein, als daß wir uns - wie intensiv auch immer - um den Familienlastenausgleich gekümmert haben. Wenn wir das, was wir auf der einen Seite mit 200 und 300 DM Kindergeld geben, auf der anderen Seite über zu hohe Mieten zurückbekämen, wäre das nicht richtig. Deswegen muß das in einen Zusammenhang gebracht werden. Das ist der entscheidende Punkt.
Unser Problem ist doch nicht, daß wir zu wenig Wohnfläche haben. Das ist ja gesagt worden: Wir sind bei 37 m2 pro Kopf.
Finden Sie das einmal woanders. Wir müssen doch dort etwas schaffen, wo die Nachfrage noch nicht zu entsprechenden Kosten befriedigt wird. Das ist unsere Aufgabe. Ich habe mich gefreut, daß Sie diese Meinung teilen.
Nein, dieser Etat ist nicht der Beleg dafür, daß wir kein Konzept haben. Dieser Etat ist ein Beleg dafür, daß wir das Ganze in der Kontinuität eines Konzeptes weiterentwickeln.
Deswegen will ich auch von meiner Seite noch einmal sagen - vielleicht kommen wir irgendwann einmal dazu, daß das von der Opposition gar nicht mehr aufgegriffen wird -: Über 500 000 Wohnungen im letzten Jahr und davon, Herr Kollege Großmann, 150 000 Sozialwohnungen - ein Spitzenwert! Dies ist
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
- das sage ich noch einmal - ein Ergebnis guter Politik, die vor mir entwickelt und vor mir durchgesetzt worden ist. Ich stehe nicht an, das an dieser Stelle noch einmal mit allem Nachdruck zu unterstreichen.
Das hat Frau Schwaetzer prima gemacht. Deswegen kann man darauf aufbauen und das weiterentwikkeln.
Dann werden wir, Herr Kollege Koppelin, die Nachhilfestunden in Marktwirtschaft bei mir ganz sicherlich auch noch unterbringen können. Ich habe nur immer eine kleine Sorge, die ich in meinen ökonomischen Lehrjahren erfahren habe - lassen Sie mich das hinzufügen -: Dort, wo noch kein Markt ist, muß man einen Weg finden, ihn zu entwickeln. Deswegen bemühen wir uns darum, ihn zu entwickeln. Das ist mein besonderer Punkt.
Ich bin gerne bereit, mir an irgendeiner Stelle sagen
zu lassen: Wir müssen möglichst bald in eine Entwicklung kommen, wo wir keine Kappung brauchen.
Aber damit wir sozialverträglich und mit sozialem Frieden in unserem Land dorthin kommen, muß ich einen Markt entwickeln. Auf dem Weg dorthin brauche ich Kappungsgrenzen.
Auch das sage ich. Wir sind ja gar nicht weit auseinander.
- Das ist wirklich das Schöne. Das ist wie bei Paw-low: In dem Moment, in dem man sich einmal mit einem Kollegen aus der Koalition in einer Frage unterhält, die nicht der vorgefaßten Meinung „Die haben alles richtig, und ihr habt alles falsch" entspricht, gibt es höhnische Zwischenrufe.
Es ist in dieser Welt vieles differenzierter, als daß wir es an dieser Stelle in Schablonen hineinpressen könnten.
Deswegen werden wir das Ganze weiterentwickeln, und zwar in aller Sachlichkeit und in der Offenheit, mit jedem auch darüber zu sprechen, ob es einen besseren Weg gibt. Ich werde mir auch in Zukunft
die Freiheit nehmen, eine bessere Idee von der SPD als besser anzusehen.
Die Bewertung, ob es aber eine bessere Idee ist, Herr Kollege Niese, hätte ich nicht gerne Ihnen überlassen. Diese Frage möchte ich schon gerne selbst beurteilen.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.