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    Plenarprotokoll 13/30 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/506, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/524, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 13/525, 13/527) Uta Titze-Stecher SPD 2131 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 2136A Uta Titze-Stecher SPD 2136C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . 2137A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2138D Ina Albowitz F.D.P. 2140C Ulla Jelpke PDS 2143C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 2145A Dr. Winfried Wolf PDS . 2147B Otto Schily SPD . . . . . . . . . 2148A Erwin Marschewski CDU/CSU 2150 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . 2151 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/507, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/527) Gunter Weißgerber SPD 2153 D Manfred Kolbe CDU/CSU 2156 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2158A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 2159C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2159D Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . 2160 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 2161 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 2162B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 2164 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 2166B Norbert Geis CDU/CSU 2167 B Hermann Bachmaier SPD 2167 D Otto Schily SPD 2168 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/511, 13/527) Dr. Konstanze Wegner SPD 2169 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU 2172 C Uta Titze-Stecher SPD 2174 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2174D Dr. Gisela Babel F.D.P 2175B, 2192D Ina Albowitz F.D.P. 2178A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 2179D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 2181 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2182C Dr. Gisela Babel F.D.P 2184D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 2186A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2187C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 2189C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 2190A Ottmar Schreiner SPD 2190 B Volker Kauder CDU/CSU 2191 A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 2194A Horst Seehofer CDU/CSU 2195A Jürgen W. Möllemann F.D.P. 2196D Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . . . 2197 C Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Drucksachen 13/522, 13/527) Dieter Schanz SPD 2200 D Steffen Kampeter CDU/CSU 2204 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2206B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 2207 C Dr. Ludwig Elm PDS 2209 A Christian Lenzer CDU/CSU 2210B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF . . . . . . . . . . . . . . . 2211 C Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/517, 13/527) Siegrun Klemmer SPD . . . . 2215A Peter Jacoby CDU/CSU . . . . . . . . 2219B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 2221 A Heinz Lanfermann F.D.P 2222 B Heidemarie Lüth PDS 2223 D Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 2224 C Christel Hanewinckel SPD 2226 A Maria Eichhorn CDU/CSU 2227 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/515, 13/527) Gerhard Rübenkönig SPD . . . . . . 2228 D Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . . 2232B Uta Titze-Stecher SPD 2232 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2234 D Dr. Dieter Thomae F.D.P 2236B Dr. Ruth Fuchs PDS 2237 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG 2238 C, 2243 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2239 A Klaus Kirschner SPD 2239 D Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . 2243 A Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/516, 13/527) Eckart Kuhlwein SPD 2244 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 2247 A Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2249 A Steffen Kampeter CDU/CSU 2250C Birgit Homburger FD P. 2250D Rolf Köhne PDS 2253 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . 2253D Ulrike Mehl SPD 2256 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2257 C Uta Titze-Stecher SPD 2258 B Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/521, 13/527) Dr, Rolf Niese SPD 2259C Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 2262D Dieter Pützhofen CDU/CSU 2263 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2265 C Jürgen Koppelin F.D.P 2267 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 2268 C Gert Willner CDU/CSU 2269 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 2271 A Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/512, 13/527) Hans Georg Wagner SPD 2274 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2278B, 2280 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2279 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 2281D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 2283 B Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 2283 D Horst Friedrich F.D.P. . . . . . .. . 2284 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . 2285 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 2287B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/513, 13/527) Hans Martin Bury SPD 2289 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 2294 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2296C Jürgen Koppelin F.D.P 2298 A Gerhard Jüttemann PDS 2299 B Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 2300C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/510, 13/527) Ilse Janz SPD 2302D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2307 B Ulrike Höfken-Deipenbrock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2309 C Dr. Günther Maleuda PDS . . . . 2310 D Meinolf Michels CDU/CSU 2311D Jochen Borchert, Bundesminister BML 2313A Erweiterung der Tagesordnung 2315A Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der PDS: Einladung von Repräsentanten aller Länder, die Opfer des von Nazi-Deutschland ausgegangenen Aggressionskrieges wurden (Drucksache 13/965) . . 2315 A Nächste Sitzung 2315 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2317* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann PDS 2317* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU , 2318* A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . 2319* C 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 29. 03. 95 Büttner (Ingolstadt), SPD 29. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 29. 03. 95 Hartmut Gansel, Norbert SPD 29. 03. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 29. 03. 95 Heym, Stefan PDS 29. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 29. 03. 95 Tippach, Steffen PDS 29. 03. 95 Vergin, Siegfried SPD 29. 03. 95 Welt, Jochen SPD 29. 03. 95 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): „Die Völker erwarten von uns, daß wir die notwendigen Beschlüsse fassen, um sie vor drohendem Schaden zu bewahren", so wird Umweltministerin Merkel aus ihrer Eröffnungsrede der Klimakonferenz zitiert. Wenn ich mir einerseits solch beschwörende Reden anhöre und andererseits die nackten Tatsachen dieses Haushalts betrachte, kann ich mich nur wundern. Wo, bitte schön, sind denn die „notwendigen Beschlüsse", die eine Klimakatastrophe vielleicht noch abwenden könnten? Ist das vielleicht der Beschluß, die Mittel für Investitionen in die Schiene um mehr als eine halbe Milliarde DM zu kürzen und die vorgesehenen Kürzungen für Straßenbauinvestitionen wieder um 350 Millionen DM zurückzunehmen? Ist damit vielleicht der Beschluß gemeint, in diesem Land, das ohnehin über eines der dichtesten Straßennetze der Welt verfügt, jährlich über 8 Milliarden DM in Straßen zu investieren? Die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung ist wirklich keinen Pfifferling mehr wert. Sie heften sich den Rückgang der CO2-Emissionen stolz als Erfolg Ihrer Reduktionsbemühungen an die Brust und verschweigen dabei, daß der verzeichnete Rückgang nur auf die Deindustrialisierung in den neuen Län- Anlagen zum Stenographischen Bericht dem zurückzuführen ist. Im Westen stieg nämlich der Kohlendioxid-Ausstoß um 3 %, im Verkehrssektor - hören Sie gut zu, Herr Wissmann - sogar um 17 % zwischen 1987 und 1992. Ihr Haushalt ist ein Klimakiller-Haushalt und ein sicherer Garant dafür, daß diese Steigerungsraten auf weitere Jahre festgeschrieben werden. Erforderlich wäre wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Ihren gesamten Haushalt. Mit dieser Zielrichtung müßte dann auch der Bundesverkehrswegeplan revidiert werden. Ein erster Schritt wäre ein Ausbaustopp für Bundesfernstraßen in den alten Bundesländern. Konnte man bisher darauf hoffen, daß das, was Studien und Appelle nicht vermochten, nämlich weiteres durch Straßenneubau induziertes Verkehrswachstum zu verhindern, dann letztlich durch leere Kassen des Bundes bedingt wurde, so gilt auch das seit neuestem nicht mehr. Die Bundesregierung läßt sich den Straßenneubau privat vorfinanzieren und baut so einen weiteren Schattenhaushalt auf. Um auf dem Papier einen Anstieg der Neuverschuldung zu vermeiden, verschwendet die Bundesregierung zig Millionen DM. Das Konzessionsmodell ist nämlich gegenüber einer Haushaltsfinanzierung schlicht und einfach unwirtschaftlich. Die Projekte verteuern sich durch die Einschaltung privater Geldgeber um 30 bis 40 %, da der Staat für die hohen Refinanzierungskosten der privaten Projektträger aufkommen muß. Nun sagen Sie, es handelt sich bei den Projekten, für die jetzt Verpflichtungsermächtigungen ausgebracht sind, ja nur um Pilotprojekte. Sie wollen testen, wie sich die private Vorfinanzierung gesamtwirtschaftlich auswirkt. Das ist doch lächerlich. Können Sie mir einen Grund nennen, warum die Berechnungen des Bundesrechnungshofes nicht ausreichend sein sollten, um das zu belegen, was heute ohnehin schon jedes Kind weiß: Der Kauf auf Raten kommt teurer. Der Bundesrechnungshof hat berechnet, daß eine private Vorfinanzierung beim Engelberg-Tunnel z. B. rund 8 Millionen und bei der vierten Elbtunnel-Röhre sogar mehr als 23 Millionen DM teurer würde. Das sollte eigentlich ausreichen, um jeden verantwortlich denkenden Menschen von solch abenteuerlichen Finanzierungsmodellen abzubringen. Auch das Argument, Sie kaufen damit Zeit ein, ist an den Haaren herbeigezogen. Der öffentliche Haushalt kann jederzeit Kredite für Investitionen in unbegrenzter Höhe aufnehmen. Wenn Sie das täten, müßten Sie allerdings den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit darüber sagen, wie verschuldet diese Bundesregierung tatsächlich ist. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aber scheuen Sie wie der Teufel das Weihwasser. So lügen Sie sich, vor allem aber den Bürgerinnen und Bürgern in die Taschen und bauen weiter an der betonierten Republik Deutschland. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Die Aufgabe, die wir uns mit der Postreform II gestellt haben, war es, das Überleben der Postunternehmen auf Dauer zu sichern und gleichzeitig Leben in den Kommunikationsmarkt zu bringen. Meine Kollegen und ich wissen, daß wir uns hier auf einer schwierigen Gratwanderung befinden. So scheint es mir bezeichnend, daß es in der CSU Herrn Stoiber deutlich zu langsam mit dem Wegfall der Telekommonopole geht, wogegen Herr Waigel, aus Sorge um eine zu starke Belastung der Telekom AG, zur Zurückhaltung mahnt. Die F.D.P. macht es sich da viel leichter. Sie fordert den Fortfall der Monopole und verheimlicht ihrer Klientel einfach, daß sie dem Gesetz selbst zugestimmt hat, mit dem der Telekom AG bis zum 1. Januar 1998 das Netz- und Sprachdienstmonopol übertragen wurde. Unzuständigkeitshalber, aber wortreich kann Herr Rexrodt als Bundeswirtschaftsminister dann genau das anmahnen, was der Bundespostminister gerade erarbeitet und Anfang dieser Woche veröffentlicht hat, nämlich die Eckpunkte des zukünftigen Regulierungsrahmens im Telekommunikationsbereich. Die SPD tut sich wie gewohnt schwer. Die einen fürchten mit einem schrittweise wachsenden Wettbewerb um den Börsenwert der Deutschen Telekom AG und unterschätzen offensichtlich die Intelligenz der Anleger. Wer kauft schon gerne einen Monopolisten im Sack, der 1998 plötzlich nackt vor den Anlegern steht, weil man ihm in einem Rutsch die schützende Monopoldecke weggezogen hat. Die anderen in der SPD setzen zwar auf die im Wettbewerb neu entstehenden zukunftssicheren Beschäftigungsmöglichkeiten, entpuppen sich aber allzu schnell als Pseudoliberale, deren Presseerklärungen mit Vorsicht zu genießen sind. Für sehr begrüßenswert halte ich das erste konkrete Papier der SPD zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, so wie es als Presseerklärung am letzten Wochenende abgesetzt worden ist. Allerdings erscheint die plakative Kritik an dem Entwurf eines Eckpunktepapiers des Ministers eher grotesk, da man offensichtlich weder den vollständigen Inhalt kannte noch bereit war, zwei Tage bis zur Vorlage des Eckpunktepapiers zu warten. Einer seriösen und der Sache angemessenen Auseinandersetzung scheint es mir nicht dienlich, sich mit „bekanntgewordenen Vorstellungen" eines Entwurfs statt mit dem Papier selbst auseinanderzusetzen. Wer die Papiere sorgfältig studiert, wird feststellen, daß wir nicht weit auseinanderliegen, und es sollte uns gelingen, mit vernünftigen Argumenten Dissenspunkte abzubauen und schnellstmöglich zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Wir haben in unserem Positionspapier ganz deutlich festgestellt, daß bis zum Jahre 1998 der Telekom AG die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich geordnet auf den Wettbewerbsmarkt einzurichten. Dies entspricht unserer Überzeugung, da eine finanziell angeschlagene Deutsche Telekom AG weder der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit dienen würde noch im Hinblick auf den zukünftigen Börsengang und den Finanzplatz Deutschland hinnehmbar wäre. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Telekom übermäßig einseitig belastet werden soll. Aber, um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden hier einen Markt und einen fairen Wettbewerb erst schaffen müssen. Die Warnung der SPD vor einer übermäßigen asymmetrischen Belastung der Telekom AG scheint konsensfähig zu sein. Wir sollten uns doch einig sein, daß das fünftgrößte deutsche Unternehmen mit einem Umsatz von fast 70 Milliarden D-Mark und dem einzigen flächendeckenden Kommunikationsnetz eine andere Infrastrukturverantwortung tragen muß als etwa kleine mittelständische Anbieter zukünftiger Telefondienstleistungen. Gerade hier kommen doch regional beschränkte oder sogar anwendungsbezogen innovative Dienste in Betracht. Es gibt unzählige technische Anwendungsmöglichkeiten, die nur für kleine Benutzergruppen Sinn machen. Der Markt wird sofort versuchen, die jeweils erforderlichen Techniken den Kunden zur Verfügung zu stellen. Vielen Anwendungen im Multimediabereich, wie z. B. Homeshopping, kommt gerade außerhalb der Ballungsräume große Bedeutung zu. Pauschale Ausbauverpflichtungen würden mittelständische Unternehmen völlig überfordern und auch gar keinen Sinn machen, da nur Megakonsortien derartige Investitionen aufbringen könnten. Hunderte kleine zusammenwachsende Inseln decken die Bedürfnisse der Bürger aber sicher besser ab, als auf wenige Großunternehmen zu setzen. Wir wollen nicht Flächendeckung als Auflage für alle. Wir wollen Flächendeckung durch alle! Das bedeutet, Insellösungen ja, und zwar so schnell und so viele wie möglich. Wie können Sie denn, Herr Bury, von einer Schieflage unseres Wettbewerbsmodells sprechen, wenn wir Unternehmen mit vielleicht einigen Dutzend Beschäftigten nicht mit den gleichen Infrastrukturauflagen belasten wollen wie die Deutsche Telekom mit über einer Viertelmillion Mitarbeitern? Sie fordern Chancengleichheit und gleichzeitig Infrastrukturauflagen bereits bei unter 25 % Marktanteil. Ab wieviel Prozent, Herr Bury, gedenken Sie denn bei Ihrer Art Chancengleichheit kleine Anbieter genauso zu behandeln wie den fünftgrößten Telekommunikationskonzern der Welt? Für kritisch und undurchführbar halte ich die Forderung der SPD nach Bereitstellung einer breitbandigen Infrastruktur für alle Bürger, und das, wie der Vorsitzende des Postausschusses, der Kollege Börnsen, gefordert hat, innerhalb etwa 5 Jahren. Dies geht jedoch völlig an den Realitäten vorbei und wäre nicht einmal, und dies weiß die SPD ganz genau, vom bisherigen Monopolunternehmen Telekom zu leisten, geschweige denn zu finanzieren. Bei rund 37 Millionen Wohnungen liegt der Versorgungsgrad etwa beim Breitbandkabelnetz der Telekom nach nunmehr 12 Jahren bei immerhin 62 %. Nach 5 Jahren waren gerade einmal 3 Millionen Wohnungen angeschlossen. Kein Mensch - ja nicht einmal Politiker - hätte von der Telekom jemals gefordert, den bevorzugten Ausbau von Ballungsgebieten zu stoppen und statt dessen ländliche Regionen zu erschließen. Zu Recht hat sich die Telekom auf Ballungsräume konzentriert, und selbst hier warf ihr der Bundesrechungshof noch das „planlose Verlegen von Fernsehkabeln" vor. Wir brauchen uns doch, lieber Herr Börnsen, nicht tatsächlich über die Versorgung mit Kabelfernsehen auf dem Lande zu unterhalten, wenn sich heute nach 12 Jahren Breitbandkabelausbau die Bundesbürger in unzähligen Stadtrand-Lagen darüber beschweren, daß die Telekom zu einem weiteren Ausbau aus Rentabilitätsgründen nicht mehr bereit ist. Jeder kennt doch die Klagen abseits gelegener Dörfer aus seinem Wahlkreis. Und hier betreiben nicht etwa die privaten Anbieter „Rosinenpicken", sondern die Telekom. Sie allein bestimmt nach Rentabilitätsgesichtspunkten sogenannte Ausbaugebiete, in denen die privaten Kabelnetzbetreiber nicht tätig werden durften. Dennoch haben die Privaten in den vergangenen Jahren bis heute rund 3,5 Millionen Wohneinheiten über Breitbandkabelnetz mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen in den für die Telekom unrentablen Gebieten versorgt. Der von der SPD immer wieder bemühte Infrastrukturauftrag wird, wenn man hierunter also die Versorgung der weniger lukrativen Bereiche in Deutschland versteht, ganz eindeutig von den über 300, häufig mittelständischen Wettbewerbern mit Leben erfüllt. Wenn wir dann auch noch auf neue alte Kampfbegriffe wie der „Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft" verzichten, wird es uns eher gelingen, dem gerecht zu werden, was sowohl Bürger wie Wirtschaft von uns fordern, nämlich bereits in den nächsten Monaten die wesentlichen politischen Entscheidungen zu treffen, die einen möglichst raschen Ausbau einer zukunftsweisenden deutschen Telekommunikationsinfrastruktur ermöglichen. Wer allerdings bereits vor der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers des Ministers und ohne ein einziges Gespräch abzuwarten mit der notwendigen Zustimmung der SPD im Bundesrat droht, wie der Kollege Bury dies meinte tun zu müssen, der scheint unter dem ständigen Gefühl zu leiden, ohne massive Drohungen nicht ernstgenommen zu werden. Die vorgelegten Papiere sollten zur politischen Diskussion einladen. Sie dienen nicht als Plattform für Profilierungsversuche einzelner Politiker. Wir suchen konsensfähige Lösungen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, über die Papiere zu sprechen und offen zu diskutieren. Drohungen sind da sicherlich wenig hilfreich. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin (F.D.P.): Die Haushaltskonsolidierung konnte auch vor dem Einzelplan 10 des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht haltmachen. Doch dabei haben wir als F.D.P. die wesentlichen agrarpolitischen Ziele nicht vernachlässigt. Mein Kollege Günther Bredehorn hat schon einmal hier sehr richtig festgestellt: „Sparzwänge können auch etwas Positives haben. Sie zwingen zur Prioritätensetzung. " Das geschieht beim Einzelplan 10. Politische Herausforderung der nächsten Jahre bleibt die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft. Die Landwirte und ihre Familien müssen auch weiterhin die Chance erhalten, ihren eigenen, individuellen Weg bei der Bewirtschaftung ihrer Betriebe zu gehen. Zusätzliche Freiräume zur Steigerung der Produktivität und Effizienz sind dabei notwendig. Den nachwachsenden Rohstoffen gilt dabei unser besonderes Interesse. Ihr Anbau kann zukunftsweisend sein. Die Mittel, die wir hier den Landwirten zur Verfügung stellen, sind ein Beitrag zur Umwelt. Völlig überrascht habe ich bei den Berichterstattergesprächen zur Kenntnis nehmen müssen, daß die GRÜNEN eine Reduzierung der Haushaltsmittel in diesem Bereich wollten. Hier zeigt sich die Ernsthaftigkeit „grüner" Politik. Mit der Anhebung des förderfähigen Investitionsvolumens im Rahmen der einzelbetrieblichen Investitionsförderung auf 100 Millionen DM machen wir den Weg frei für eine zukunftsweisende Agrarpolitik. Mit den Komplementärmitteln der Länder stehen damit 170 Millionen DM mehr zur Verfügung. Aber die Herausbildung effizienter Betriebsstrukturen - und die sind notwendig, um langfristig den Sonderstatus der Landwirtschaft im nationalen und internationalen Wirtschaftsgefüge abzubauen - kann nicht allein über die Stärkung der landwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten erfolgen. Ein zweites wirtschaftliches Standbein muß aufgebaut werden. Die F.D.P. plädiert daher für eine stärkere Gewerbe- und Dienstleistungsorientierung des landwirtschaftlichen Unternehmertums. Erste und erfolgreiche Schritte sind bereits von den Landwirten gemacht worden. Die Steigerung des Direktabsatzes landwirtschaftlicher Produkte ist nur ein Beispiel unter vielen. Hier zeigen sich die Stärken der deutschen Landwirtschaft: hohes Qualitätsniveau auf der Basis guter natürlicher Bedingungen kombiniert mit Anbindung an die Verbraucher. Diese Kombination kann zu einer weiteren, soliden Erwerbsquelle für die Landwirte werden. Allerdings, wenn wir das von Minister Seehofer vorgelegte Geflügelfleischhygiene-Gesetz beschließen würden, wäre das ein erheblicher Rückschlag für die Bemühungen um die Direktvermarktung. Der ländliche Raum bietet sich als Wirtschaftsbasis für Unternehmertätigkeit geradezu an. Für kreative Landwirte, bei denen Selbständigkeit und Gesamtverantwortung Tradition haben, ist er eine ideale Grundlage. Sie sollten ihn verstärkt zum eigenverantwortlichen Handeln nutzen. Nicht der staatliche Prämienempfänger, sondern nur der im Wettbewerb fit gemachte Unternehmer ist in der Lage, sich gegen die inner- und außereuropäische Konkurrenz durchzusetzen. Der Landwirt als Dienstleister im ländlichen Raum - ein Ziel liberaler Landwirtschaftspolitik, das von uns allen weiter verfolgt werden sollte. Davon profitieren nicht nur die Landwirte und ihre Familien. Deshalb gilt unser uneingeschränktes Ja den Strukturverbesserungen. Beim Küstenschutz hätte die F.D.P. gern mehr gemacht. Aber die zuständigen Länderminister haben die Latte der Anforderungen zu hoch gelegt. Die überzogenen Umweltanforderungen beim Küstenschutz in den norddeutschen Ländern sind inzwischen völlig inakzeptabel; die Effizienz der Hilfestellung ist damit nicht mehr sichergestellt. Nicht nur innerhalb des Agrarsektors sind strukturverbessernde Maßnahmen notwendig, sondern auch bei Hilfen für die Schaffung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, in anderen Unternehmensformen und auch außerhalb der Landwirtschaft. Soviel ist heute schon sicher: Die derzeitigen Haushaltsbelastungen im Agrarbereich sind zu hoch und unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen und Umwälzungsprozessen innerhalb Europas auf Dauer nicht vertretbar. In der Agrarsozialpolitik sind in der letzten Legislaturperiode die entscheidenden Weichen gestellt worden. In den Jahren 1995 bis 1997 wird die Bundesregierung 1 Milliarde DM bereitstellen. Ein Betrag, mit dem die eigenständige soziale Sicherung der Bäuerin eingeführt werden kann. Das Agrarsozialreformgesetz ist bei den Betroffenen überwiegend positiv aufgenommen worden. Daß Kritik geübt wird, ist normal. Wir werden Einwände gegenüber einzelnen Bestimmungen des Agrarsozialgesetzes prüfen. Erste Gespräche sind in der F.D.P. bereits dazu geführt worden. Wichtig war uns, daß mit der Agrarsozialreform erreicht wird, daß rund 230 000 Bäuerinnen endlich eine eigene Alterssicherung und Schutz bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, der Explosion der Beiträge zur Altershilfe ein Riegel vorgeschoben wird. Das gesamte System der agrarsozialen Absicherung ist finanziell stabilisiert worden. Besonders freuen dürfte sich darüber sicher unser Freund Josef Ertl, der einst die neue Agrarsozialpolitik einleitete. Von dieser Stelle auch nachträglich herzliche Glückwünsche an Josef Ertl zum 70. Geburtstag. Die Landwirtschaft befindet sich inmitten eines schwierigen Anpassungsprozesses. Der Haushalt trägt dem durchaus Rechnung. Die Vergabe staatlicher Mittel bietet gerade in Zeiten knapper Kassen die Chance, den notwendigen Entwicklungsprozeß zu flankieren und Effizienzsteigerungen sowie Strukturanpassungen zu beschleunigen. Dauersubventionen und Regulierungen müssen abgebaut werden, neue Subventionsfelder vermieden werden. Denn heute geht es mehr denn je darum, der unternehmerischen Landwirtschaft eine Bresche zu schlagen. Nur mit ihr ist eine Stärkung der Landwirtschaft langfristig möglich und auf Dauer erfolgreich.
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    Rede von Andrea Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Haushalt eines Ministeriums, das gerade neu zugeschnitten wurde und das in seinem Titel vier gesellschaftliche Gruppen nennt. Das legt die Vermutung nahe, es handele sich hier um Minderheiten, die einer besonderen Zuwendung durch die Politik bedürften. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich dann allerdings, daß die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft mit diesen vier Gruppen - Frauen, Familie, Jugend und Senioren - beschrieben ist. Im Grunde sind es nur alleinstehende Männer zwischen 18 und 60 Jahren, die von der Politik dieses Ministeriums nicht erfaßt werden.

    (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Was sagt uns das über die Gesellschaft, daß sie eine Sonderpolitik für die Mehrheit Ihrer Mitglieder betreiben zu müssen glaubt? Offenbar wird doch der Mainstream der Politik von denjenigen bestimmt, die sich selber keß als die Norm ansehen, ohne es zu sein.
    Kann ein solches Ministerium diese Fehlentwicklung korrigieren? Kann es die notwendige Wende in der dominierenden Politik einleiten? Hat es das in den letzten Jahren ernsthaft versucht? Ist es mit der entsprechenden Macht und den entsprechenden Mitteln ausgestattet? Nach meiner Auffassung nicht.
    Nehmen wir nur den Familienleistungsausgleich. Das Erziehungsgeld ist in diesem Haushalt angesiedelt, aber bestimmt wird Höhe und Ausgestaltung vom Finanzminister, nicht von den Erfordernissen des Lebens mit Kindern. Dasselbe gilt für den Dauerbrenner Kindergeld, den wir nach meiner Auffassung auch nach den jüngsten Koalitionsbeschlüssen leider noch immer nicht loswerden. Deshalb muß sich die Regierung immer wieder fragen lassen, ob sie die richtigen Prioritäten setzt. Warum ist Ihnen das Recht auf einen Kindergartenplatz nur in warmen Reden wert und teuer?

    (Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Wir sind ja für den Kindergartenplatz, aber die Länder nicht!)

    Zu einer Umschichtung der Gelder für einige Militärprojekte zugunsten von Kindergarteninvestitionen sind Sie aber nicht bereit. Es verblüfft uns immer wieder, wie bei Ihnen die Moral nach dem Geld, der Kindergarten nach dem U-Boot kommt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wie wäre es mit einem Umbauprogramm für ostdeutsche Kindertagesstätten, die nicht mehr gebraucht werden, zu Familienzentren?
    Aber mit alldem erklärt sich, daß Sie Ihr traditionell hohes Ansehen in der Familienpolitik inzwischen längst verspielt haben.
    Wir Bündnisgrünen sind doch die letzten, die behaupten würden, die Entscheidung für Kinder sei nur vom Geld abhängig. Nein, selbstverständlich
    geht es dabei zunächst und vor allem um die Entscheidung für ein gutes Leben, für die Freude an Kindern, die ihren Eltern die Welt in immer neuem Licht erscheinen lassen.
    Aber die materiellen Bedingungen für dieses Leben mit Kindern sind eben nicht unerheblich, ebenso die Möglichkeit, daß diese Entscheidung nicht zwangsläufig alternativ zur Berufstätigkeit stehen muß, und hier liegt die Zukunft der Entscheidung für Kinder. Wer das nicht versteht, kann bloß von einem Frauenbild der 50er Jahre ausgehen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wer statt dessen eine moderne Politik machen will, der muß sich an den jungen Frauen von heute orientieren, die zum Glück unbescheiden sind und beides wollen. Dementsprechend müssen das Kindergeld gestaltet, die Kinderbetreuung organisiert, die Arbeitszeiten flexibilisiert werden.
    Zu einer positiven Entscheidung für Kinder gehört auch, daß jede sich in Freiheit dafür entscheiden kann. Eine der Voraussetzungen dafür ist Wissen und Information über Schwangerschaft und Verhütung. Was aber machen Sie? - Sie knausern genau beim Titel für die Aufklärungsmaßnahmen, und das, obwohl es eindeutige Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gibt, obwohl es eindeutige Beschlüsse und Selbstverpflichtungen des Bundestages dazu gibt.
    Auf Nachfragen sagen Sie, die Vorlagen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seien unbefriedigend gewesen. Da kann ich nur fragen: Wer ist denn hier die Aufsichtsbehörde? Bei wem liegt die politische Verantwortung? Wer hindert Sie daran, für die Zukunft mehr in den Haushalt einzustellen und bessere Durchführung zu gewährleisten?
    Sie haben behauptet, die Stellenneubesetzung brauche ihre Zeit. Haben Sie schon einmal etwas von der Vergabe von Aufträgen an Auftragnehmer von außen gehört? - Ihre Erklärungen zu diesem unglaublichen Vorgang haben mich nicht überzeugt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wir haben dem Koalitionsvorschlag für eine Erhöhung der Mittel um 1 Million DM zugestimmt, weil wir lieber mit Ihnen zusammen mehr Geld in diesem Titel haben als ohne Sie noch weniger. Aber meiner Auffassung nach kann das im kommenden Haushalt nicht so in diesen kleinen Schritten weitergehen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Auch wenn die freien Haushaltsmittel des Ministeriums nicht üppig sind - manchmal ist wenig auch sehr viel. Beispielhaft sei hier das Deutsch-Polnische Jugendwerk genannt, dessen Arbeit nach unserer Meinung weiterhin großzügig gefördert gehört, weil es einen ganz wichtigen Beitrag zur Zukunft leistet.
    Die Programme der Jugendpolitik in Ostdeutschland haben wichtige, unverzichtbare Impulse für den Aufbau der Jugendarbeit geliefert. Nun sind das zwar noch keine buschigen Pflanzen, aber ohne diese Programme wären diese Pflänzchen erheblich

    Andrea Fischer (Berlin)

    dürrer ausgefallen. Deswegen ist es ein Problem, und wir halten es für eine Fehlentscheidung, diese Programme - AgAG und AFT - jetzt schon zurückzufahren. Natürlich wäre uns eine Normalisierung und Angleichung das allerliebste, aber es ist noch nicht der Fall.
    Frau Nolte, Sie halten sich sehr viel auf Ihre ostdeutsche Herkunft zugute, und deswegen ist uns überhaupt nicht klar, wie Sie sehenden Auges zulassen können, daß dort sozialpolitische Ruinen hinterlassen werden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich meine, an dem Punkt dieser Programme wird deutlich, daß spezifische Gruppen auch eine auf ihre Lage zugespitzte Politik brauchen. In diesem Sinne braucht das Ministerium mehr Einfluß, mehr Geld, mehr Macht. Solange Männer die Politik machen, als seien sie das Maß aller Dinge, brauchen wir eine Politik, die dem die Belange all der hier zur Debatte stehenden Gruppen entgegenhält.
    Aber die vermeintliche Minderheitenpolitik darf auch nicht Stand der Dinge bleiben. Es gilt, die Norm so löchrig zu machen, daß die Interessen Jugendlicher und die Interessen Alter, die Sorgen der Familien und die Ansprüche der Frauen nicht länger als Gruppeninteressen gelten, sondern daß daraus das Muster der Gesellschaftspolitik wird.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Daher kann der beklagte geringe Handlungsrahmen kein Generalpardon für die Chefin des Hauses sein, im Gegenteil. Dieser Gestaltungsspielraum muß in unseren Augen entschiedener und beherzter als bislang genutzt werden, denn in Ihr Haus der Generationen, Frau Nolte, gehören keine Häkeldeckchen, sondern solide Möbel und ein Blick ins freie Land.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Heinz Lanfermann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Lanfermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man die beiden Rednerinnen von SPD und GRÜNEN gehört hat, dann hat man schon manchmal den Eindruck, daß ein gewisses Zerrbild gezeichnet wird. Wenn das alles so zuträfe, wie Sie es hier geschildert haben, dann sähe ich fast schon Millionen von Familien auf der Flucht aus diesem Lande, in dem es ihnen angeblich so schlecht geht und in dem so schlechte Politik gemacht wird.
    Tatsächlich aber - man sollte das einmal nüchtern sehen und auch das Positive herausstellen - sind wir innerhalb der Regierungskoalition in den letzten vier Monaten ein gutes Stück vorangekommen. Das Paradebeispiel dafür ist natürlich der Familienleistungsausgleich.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich möchte die Regelungen noch einmal ganz deutlich machen, weil Sie sie ein bißchen in die Ecke stellen wollen: Zum einen wird der Kinderfreibetrag immerhin um über 50 % auf 6 264 DM angehoben.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ihrer Klientel, so jemandem wie Ihnen, bringt das etwas!)

    Zum anderen wird das Kindergeld für das erste und das zweite Kind auf 200 DM sowie für jedes weitere Kind auf 300 DM angehoben. Demzufolge erhält eine Familie mit mittlerem Einkommen und zwei Kindern monatlich nicht mehr insgesamt 200 DM, sondern 400 DM Kindergeld, also das Doppelte.

    (Beifall des Abg. Dr. Heiner Geißler [CDU/ CSU] Christel Hanewinckel [SPD]: Wo haben Sie rechnen gelernt?)

    Die Familien haben - und das ist auch richtig - ein Wahlrecht zwischen dem Bezug von Kindergeld und der Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags, so daß sich jeder Steuerpflichtige zwischen der direkten Auszahlung des erheblich erhöhten Kindergeldes und der Absenkung seiner Steuerschuld durch die erhöhten Kinderfreibeträge entscheiden kann, je nachdem, was für ihn günstiger ist.
    Dies ist, um das ganz deutlich zu sagen, eine soziale Lösung. Denn Sie vergessen bei Ihren Vorschlägen immer wieder, daß Sie den Bürgern, die mehr verdienen, die also auch mehr geleistet haben, von jeder Mark mehr abnehmen.

    (Widerspruch bei der SPD Christel Hanewinckel [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! Dr. Uwe Küster [SPD]: Der Teufel scheißt auf den großen Berg! Das ist die Theorie, die Sie hier vertreten!)

    - Sie haben unser Steuersystem nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen.
    Sie kennen die Berechnungen, daß jemand, dessen Einkommen einem höheren Steuersatz unterliegt, erheblich mehr verdienen muß als derjenige, für den auf Grund seines geringeren Verdienstes ein niedrigerer Steuersatz gilt,

    (Zuruf von der SPD: Mir kommen die Tränen!)

    damit am Ende das Geld für das gleiche Paar Schuhe, das er seinem Kind kauft, übrigbleibt.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Die Partei der Besserverdiener! Unglaublich!)

    Genau das, meine Damen und Herren, muß man sozial ausgleichen. Deswegen ist es richtig, daß man diejenigen Steuerzahler steuerlich prozentual etwas mehr entlastet,

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ja, ja!)

    die man vorher durch Aufschlag erheblicher Sätze belastet und mit entsprechend hohen Steuersätzen für jede weitere verdiente Mark bestraft hat.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Gott schütze unsere armen Besserverdiener!)


    Heinz Lanfermann
    Meine Damen und Herren, wenn Sie jedes Einkommen mit dem gleichen Steuersatz belegten, dann könnten wir auch darüber reden, jede Ausgleichsmaßnahme mit dem gleichen Prozentsatz zu belegen; das tun wir aber nicht. Wir haben unterschiedlich hohe Steuersätze. Sie entfachen eine Neiddiskussion, indem Sie jedes mal darüber hinwegtäuschen, daß es so ist, wie ich gerade dargestellt habe.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.] und des Abg. Werner Lensing [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, wenn hier über die Größe eines Haushaltes gesprochen wird, darf man sich auch einmal bei einer Ministerin bedanken,

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Um Gottes willen!)

    die bei einer Reform mitgemacht hat, die nicht zuletzt eine große Verwaltungsvereinfachung bringt, indem das Kindergeldsystem unbürokratisch auf eine Institution, auf das Finanzamt, verlagert wird.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Allein dadurch werden wir 650 Millionen DM einsparen. Das bedeutet natürlich in Zukunft eine Verschiebung von Haushaltsmitteln. Welcher Minister ist denn schon damit einverstanden - angeblich wird ja die Bedeutung eines Ministers an der Höhe seines Haushaltes gemessen -, daß sich Verschiebungen ergeben? Das finde ich beispielhaft; auch das sollte an dieser Stelle einmal gesagt werden.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Hier ist schon mehrfach der Haushaltstitel für Aufklärungsmaßnahmen und Verhütung angesprochen worden. Es ist richtig, daß damals bei der Reform vom ganzen Hause eine andere Zielvorstellung gesetzt wurde: Für solche Maßnahmen sollte auf Dauer Geld in einer Größenordnung von 20 Millionen DM bereitgestellt werden, das von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu verwalten und auszugeben ist.
    Wir von der F.D.P. - darauf bin ich stolz - und insbesondere die Kollegin Ina Albowitz - ich habe den Namen richtig ausgesprochen - haben erreicht, daß der ursprüngliche Ansatz von 6 Millionen DM um 1 Million DM auf 7 Millionen DM erhöht worden ist. Das war wahrscheinlich nach dem Diktat Ihrer Rede, Frau Kollegin Klemmer; das haben Sie nämlich nicht erwähnt. Dafür darf ich mich bedanken.
    Ich möchte noch auf die Kollegin Fischer eingehen: Es ist ganz klar, daß dies nur ein erster Schritt ist. Diese Schiene muß weiter nach oben führen. Das gehört zu den Begleitmaßnahmen der Reform des Schwangerschaftskonfliktrechts; das haben wir immer deutlich gesagt.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wenn wir aber über den § 218 und die gesamten Begleitumstände sprechen, will ich doch aufgreifen, welcher Antrag hier eingebracht worden ist und was in bezug auf die Kindergartenplätze schon wieder mehrfach falsch behauptet worden ist.
    Sie haben - zum Teil haben Sie es wörtlich in Ihrer Rede verwendet - im Antrag der SPD behauptet, der Bundestag habe ausdrücklich anerkannt, daß dies alles nicht allein von Ländern und Gemeinden zu leisten sei. Dies mag man so sehen. Aber der Bundestag und auch die Bundesregierung haben anschließend mit dafür gesorgt, daß im Finanzausgleich, beim Umsatzsteuerausgleich, genau diese Mittel - und zwar im Vorgriff - auf die Länder übergehen. Die Länder kassieren schon seit Jahren Milliardenbeträge, die sie was weiß ich wofür ausgeben, jedenfalls nicht für Kindergartenplätze oder nicht für genügend Kindergartenplätze.
    Und der Herr Müntefering, der sich immer als so sozial aufspielt, wartet jetzt erst einmal genüßlich den 14. Mai ab, damit die Leute nicht merken, wo das Geld geblieben ist, und will dann Mitte des Jahres entscheiden. Er hat sich gleich erschrocken gezeigt und heftig dementiert, daß etwa tatsächlich beabsichtigt sei - so war ja die schöne Meldung, daß nun die Länder doch bereit seien -, zum 1. Januar diese Kindergartenplätze tatsächlich zur Verfügung zu stellen.
    Meine Damen und Herren, um es noch einmal vor aller Öffentlichkeit deutlich zu sagen: Die Länder haben diesen Mehrbetrag, sie haben dieses Geld bereits erhalten.

    (Christel Hanewinckel [SPD]: Herr Lanfermann, das ist doch nicht wahr! Das stimmt so nicht!)

    Es kann nicht angehen, daß Sie als SPD-Fraktion hingehen und uns zustimmen, wenn wir sagen, daß der Kindergartenplatz für alle, die ihn brauchen, zum 1. Januar 1996 kommen muß, wie es 1992 im Gesetz hier beschlossen wurde, und daß Sie dann sozusagen von hinten um die Ecke herum Anträge mit über 500 Millionen DM und über 1,7 Milliarden Verpflichtungsermächtigungen stellen, um Ihre Parteikollegen, die in Nordrhein-Westfalen den Wahlkampf führen, zu entlasten, indem Sie die Mär verbreiten, der Bund sei schuld, wenn Länder, und jetzt insbesondere Nordrhein-Westfalen, ihre Pflicht nicht erfüllen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Zuruf von der SPD: War das eine Haushaltsrede?)